Der norwegische Öl- und Gaskonzern Statoil ASA hat ein Multi-Milliarden-Dollar-Ölsand-Projekt auf Eis gelegt. Schuld daran seien steigende Baukosten und wiederholte Verzögerungen bei den neuen Export-Pipelines, die den Wert des schweren kanadischen Rohöls in die Höhe treiben würden. Die Pläne für die Erschließung per Dampfkraft im „Corner“, im nördlichen Alberta, seien für mindestens drei Jahre gestoppt.
Über 70 Arbeitsplätze sollen abgebaut werden. Zeit, sich das Unternehmen Statoil einmal genauer anzuschauen…
Statoil – Zahlen und Fakten
Statoil ASA ist ein norwegisches börsennotiertes Unternehmen mit dem Schwerpunkt auf Exploration und Förderung von Gas und Öl. Hauptaktionär ist der norwegische Staat mit 67%. 2013 hielt Statoil Geschäftsstellen in 33 Ländern und beschäftigte weltweit 23 400 Angestellte. Der in 2013 erzielte Jahresumsatz betrug 637,4 Mrd. NOK (ca. 77,82 Mrd. €).
Im norwegischen Kontinentalschelf ist der Konzern führender Betreiber und weltweit an den wichtigsten Öl- und Gas-Vorkommen tätig. Zum Portfolio gehören Verkauf, Weiterverarbeitung und Veredelung von Rohöl, Kondensat und Erdgas. Der Konzern ist ferner in der Entwicklung neuer Energieressourcen aktiv, unterhält Offshore-Windparks und forciert Projekte zur Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff. Statoils „Bay du Nord“ Fundstelle am flämischen Pass mit geschätzten 600 Millionen Barrels, galt in 2013 als einer der größten Offshore Funde der Welt.
Nicht nur Statoil betroffen
Wie auch alle kanadischen Unternehmen muss sich Statoil mit Albertas chronisch angespanntem Arbeitsmarkt – einem zunehmenden Kostenfaktor für die Industrie –, mit schwachen Ölpreisen, begrenztem Zugang zu lukrativen Märkten in Übersee und wachsender Kritik der Umweltauswirkungen von Ölsand-Förderung auseinandersetzen. Das Unternehmen war mehrfach Ziel von lautstarken öffentlichen Protesten in Norwegen.
Nach der im Mai getroffenen Entscheidung von Total SA und Suncor Engergy Inc., die Arbeit am 11-Milliarden-Dollar-Projekt „Joslyn“ einzustellen, ist „Corner“ das zweite große Ölsand-Projekt, das in diesem Jahr eingemottet wird. Auch bei Joslyn wurden die steigenden Industriekosten als Grund angegeben. Außer dem Stop für die beiden Großprojekte bremst nun auch Royal Dutch Shell PLC den Fortschritt einer Antragstellung für eine zukünftige Mine namens „Pierre River“.
„Wir sehen eindeutig, dass die Kosten von Arbeit und Material gestiegen sind, das steht natürlich der Wirtschaftlichkeit neuer Projekte entgegen,“ so Stale Tungesvik, Präsident der kanadischen Geschäftsstelle von Statoil. Das Unternehmen sehe außerdem, dass der Marktzugang ein Thema sei, das durchaus eine Rolle spiele. Limitierter Pipeline-Zugang würde die Margen in Alberta drücken, was schwierig sei im Hinblick auf nachhaltige Renditen. Er lehnte es ab, Angaben zu den geschätzten Investitionskosten für das Projekt zu machen. Erschließungskosten für aktuelle ähnliche Projekte lassen vermuten, dass es sich um mehr als 2 Milliarden Dollar handeln könnte.
Statoil hatte „Corner“ als Folgeprojekt zu „Leismer“, einer kleineren Erschließung südlich von Fort McMurray, Alta, geplant, wo bereits Bitumen gefördert wird. „Corner“ wurde für eine Kapazität von 40 000 Barrel pro Tag konzipiert, doppelt so viel wie die Fördermenge von „Leismer“. Die Zersplitterung des Ölsand Joint Venture zwischen Statoil und PTTEP, Thailands staatlicher Ölgesellschaft, zu Beginn dieses Jahres hat dem norwegischen Unternehmen beide Leases beschert. Statoil hält jetzt 100% von Leismer, sein Anteil an der Produktion hat sich verdoppelt.
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Erschließungsunternehmen gingen mit einer wachsenden Zahl von Großprojekten in der Region voran, wodurch sie den Pool der Arbeitskräfte strapazierten und die Kosten für Stahl und Ausrüstung zur Gewinnung und Verarbeitung des Bitumens in die Höhe trieben. Allerdings sagen Analysten, der Markt habe noch nicht wieder den überhitzten Zustand erreicht, den er vor der Kreditkrise im Jahr 2008 hatte. Damals kam es bei fast allen Projekten zu langen Verzögerungen und saftigen Kostenüberschreitungen.
Inzwischen warten vorgeschlagene Hauptexportpipelines für kanadisches Öl, wie Enbridge Inc. Northern Gateway an der Westküste und TransCanada Corp Keystone XL im Süden der USA, auch Jahre nachdem die Diskussion startete, immer noch auf die notwendigen Freigaben, um mit dem Bau zu beginnen. [Lesen Sie hierzu auch: „Kanada: Ureinwohner stoppen Arbeiten für Bitumen-Pipeline“] Kanadisches Rohöl wurde mit einem knappen Kursabschlag notiert, was für den größten Teil des Jahres Maßstab für Leichtöl war, statt der tiefen Abschläge von 2012 und Anfang 2013, teilweise durch die Steigerung von Industriekapazitäten durch Schienentransport.
Statoil ist kostentechnisch vermutlich stärker betroffen als die anderen Bauträger, weil sie sich nicht so kontinuierlich mit der Erweiterung dampfbetriebener Projekte mitbewegen wie andere Unternehmen, wie z. B. Canadian Natural Resources Ltd, Cenovus Energy Inc. und MEG Energy Corp., meint Michael Dunn, Analyst bei FirstEnergy Capital Corp. Die Kosten seien jetzt höher als vor drei Jahren, aber das sei kein vorrangiges Problem. Wer aber bei Lieferanten und Vertragspartnern keine bevorzugte Behandlung erfahre, habe es ziemlich schwer, ein großes Projekt zu stemmen.
Laut Stale Tungesvik von Statoil sieht das Unternehmen Kanada nach wie vor als „guten Ort für Investitionen“. Es würden weitere Sondierungen an der neufundländischen Küste stattfinden.
Quelle
Die dunkle Seite von Statoil
Pannen
- Erstmalig war Statoil in die Schlagzeilen geraten, als 1991 im Förderfeld „Sleipner A“ ein Bohrgestell sank. Grund dafür war ein Fehler in den Konstruktionsberechnungen.
- In 2005 legte ein Feuer auf der Plattform Åsgard die Produktion vorübergehend lahm. Ursache war ein leergelaufener Dampfkessel. Mehrere weitere Kessel wurden geprüft und repariert.
- Sechs Jahre dauerte der Bau der Gasverflüssigungsanlage „Snøhvit“ im norwegischen Hammerfest. Ende 2007 produzierte die Anlage innerhalb von zwei Monaten gerade einmal zwei Tankerladungen Flüssiggas. Schuld war ein technischer Defekt. Dieser führte dazu, dass ein Großteil des durch eine 150 km lange Pipeline aus einem Gasfeld unter dem Meeresboden geförderte Gas nicht genutzt werden konnte. Es wurde einfach abgefackelt und setzte dabei innerhalb von 2 Monaten ungefähr so viel CO2 frei wie eine halbe Million Autos durchschnittlich in einem Jahr.
- Im Verlaufe der Jahre soll es auf den von Statoil betriebenen Plattformen und an deren Pipelines immer wieder zu Gas- und/oder Öllecks gekommen sein. So mussten z. B. 2011 Arbeiter einer Bohrplattform wegen eines Gaslecks von der Plattform und in Sicherheit gebracht werden. Ende 2013 gab es ein Gas- und Ölleck ca. 200 km vor der norwegischen Küste. Auch hier wurden Dutzende von Arbeitern evakuiert.
Korruption, Bestechung, Preisabsprachen
- I2002 hatte Statoil dem Sohn des früheren iranischen Präsidenten Rafsandschani auf einem Umweg über das britische Unternehmen Horton Investments umgerechnet etwa 5 Millionen € zukommen lassen. Gegenleistung war die Erteilung der Konzession für den Ausbau eines Gasfeldes durch die iranische Regierung. Für diese Bestechung wurde der Konzern zu 20 Millionen Kronen (damals 2,4 Millionen €) Strafe verurteilt, das für dieses Geschäftsfeld zuständige ehemalige Vorstandsmitglied Hubbard, musste weitere 200 000 Kronen zahlen.
- Seit Mai 2013 steht Statoil im Verdacht, verbotene wettbewerbswidrige Preisabsprachen mit Shell und BP getroffen zu haben, um den Preis von Erdöl zu manipulieren. EU-Fahnder ermitteln.
Das Corrib-Gasfeld
„Statoil hält eine 36,5-Prozent-Beteiligung am Corrib-Gasfeld im Nordwesten von Irland. Die Erschließung des Feldes „Corrib“, das von Shell betrieben wird, wurde im Jahr 2001 sanktioniert. Aktuell wird der Produktionsstart für 2015 erwartet. Die Erschließung wird sieben Unterwasserbohrungen aufweisen und das Gas wird durch eine Rohrleitung zu einer Onshore-Gasbehandlungsstelle transportiert werden. Das Gas wird vom Terminal über die „Gais Eireann“-Verbindung an das bestehende irische Gasnetz abgegeben werden,“ so Statoil auf der Firmenseite.
Warum „Corrib“ 2001 sanktioniert wurde und der Konflikt um das Corrib Gas Projekt seit dem Planungsbeginn im Jahr 2000 anhält, wird wohlweislich verschwiegen. Die lokale Bevölkerung wirft Shell (und somit auch Statoil und Marathon, die am Project Corrib beteiligt sind) vor, Anliegen und Bedenken betreffend Umweltschutz und Sicherheit der AnwohnerInnen seit der Projektplanung zu ignorieren. Seit dem 03. Oktober 2006 werden die Bauarbeiten von Shell von großen Polizeiaufgeboten und mit Gewaltanwendung durch Polizei gegenüber den DemonstrantInnen begleitet.
Das Corrib-Gasfeld liegt 80 km vor der Westküste der Grafschaft Mayo und birgt mindestens 1 Billion Kubikfuß (TCF) Erdgas. Das deutsch-britische Unternehmen Shell versucht, das unraffinierte Gas an Land 9 km landeinwärts durch ein bewohntes Gebiet zu einer Raffinerie zu pumpen, die auf einem sumpfigen Hügel liegt. Dort soll es gereinigt und in Verkauf und Export abgegeben werden. Das Konzept einer Binnenraffinerie (statt der üblichen Verarbeitung auf See) soll die weitere Nutzung des Offshore-Öls und der Gasreserven von Irland erleichtern. Weder wurden alternative Erschließungsmodelle präsentiert, noch wurden diese von Seiten der staatlichen Behörden gefordert. Die Hauptsorgen der Bewohner in Bezug auf Umwelt und Gesundheit ergeben sich aus der Lage der Raffinerie. Eine aktuelle Petition macht klar, dass die Bewohner nicht grundsätzlich gegen die Förderung von Gas sind, sondern lediglich den geplanten Standort in Frage stellen.
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Im September 2008 traf das weltgrößte Pipelineverlegeschiff „Solitaire“ in der Broadhaven Bay ein und sollte vom Meer aus die Pipeline ans Festland verlegen. Schiffe der irischen Marine, Polizeikräfte an Land und zu Wasser, sowie private Sicherheitskräfte, sollten die protestierende Menge von Aktionen abhalten, was jedoch nicht gelang. Die ehemalige Primarschulleiterin und Gegnerin des Pipelineprojektes Maura Harrington trat in einen unbefristeten Hungerstreik, dessen Beendigung an die Bedingung geknüpft war, dass das Schiff die irischen Gewässer wieder verlassen müsse. Nach zehn Tagen verließ die „Solitaire“ unverrichteter Dinge die irischen Gewässer und Harrington beendete ihren Hungerstreik.
Seit dem Frühjahr 2009 haben sich die Repressionen gegen die Gegner der Pipeline verstärkt. Ende April wurde „Shell to Sea“-Aktivist und „Goldman“-Preisträger Willie Corduff von vermummten Männern angegriffen und zusammengeschlagen. In der Nacht des 11. Juni enterten vier maskierte Männer das Fischerboot des Pipelinegegners Pat O‘Donnell und sperrten ihn zusammen mit seinem Crewmitglied Martin McDonnell in das Steuerhaus, während das Schiff von den unbekannten Maskierten versenkt wurde. In beiden Fällen wird die Beteiligung der für Shell tätigen Sicherheitsfirma IRMS vermutet, was Shell jedoch verneint.
Nicht nur, dass alternative Lösungen nicht in Betracht gezogen wurden: Am 12.10.2009 begann Shell unangekündigt mit ersten Bauarbeiten für die Pipelineverbindung zwischen der Küste und der Raffinerie, obwohl die Baubewilligung noch gar nicht erteilt worden war.
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Gefährdete Arktis
„Die Ausbeutung der arktischen Ressourcen wird stattfinden“, sagte Espen Barth Eide, Außenminister unter dem ehemaligen norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg. Vor allem unter Wasser, wo es keine Witterungseinflüsse gebe. Dabei könnte man laut Greenpeace „den weltweiten Bedarf mit dem Öl der Arktis nur drei Jahre lang decken.“
Bis 2020 will Statoil die erste Unterwasser-Förderanlage bauen, mit deren Hilfe auch schwer zugängliche arktische Regionen erschlossen werden könnten, dort, wo herkömmliche Bohrplattformen durch starke Stürme und treibende Eisberge bedroht wären. Zwar bestünde diese Gefahr am Meeresboden nicht, dafür hat das Bohren in der Arktis eine viel weitreichendere Konsequenz – vor allem unter Wasser.
„Es gibt einfach noch nicht die Technologie, um einen Ölunfall unter den extremen Bedingungen der Arktis effektiv zu bekämpfen. Im arktischen Ozean zu bohren ist ein Spiel mit der Zukunft.“
Margaret Williams, WWF Büro Alaska
Wir erinnern an Deepwater Horizon: Am 20. April 2010 kam es durch verschiedene schwere Versäumnisse zu einem Blowout, bei dem die Plattform in Brand geriet und infolgedessen zwei Tage später unterging. Elf Arbeiter kamen ums Leben. Das ausströmende Öl führte zur Ölpest im Golf von Mexiko, der schwersten Umweltkatastrophe dieser Art in der Geschichte. 580 000 Millionen Liter Öl – etwa der Inhalt von 300 olympischen Schwimmbädern – liefen ins Meer. Auch vier Jahre später leidet das Ökosystem immer noch unter den Folgen, die sich in reduzierten Fischfängen, Massensterben, Fehlbildungen, Sterilität oder Immunschäden bei Meerestieren äußern. [Siehe auch: „„Deepwater Horizon“-Katastrophe – Wieviel ist die Natur wert, die man zerstört?“]
Experten bezeichnen das Ökosystem der Arktis als das verwundbarste der Welt. Ein Unfall mit Öl oder Gas könnte dessen Ende bedeuten. So sehen es Umweltschützer auch im Fall der geplanten Statoil-Bohrungen in der Nähe der Bäreninsel. Diese liegt ca. 165 km nördlich der Bohrstelle. Neben „einer der größten Vogelkolonien in der nördlichen Hemisphäre“ beherbergt die Insel mit ihren umliegenden Gewässern u. a. verschiedene Robbenarten, Walrosse, Delfine und Zwergwale.
„Nach Berechnungen von Statoil könnte ein Ölunfall auf dem Hoop-Ölfeld die Bäreninsel in weniger als einer Woche erreichen. Für das Ökosystem der Insel wären die Folgen katastrophal: Die Entfernung zum Festland, die im Winter vorherrschende Dunkelheit, umhertreibende Eisschollen und die extremen Wetterbedingungen würden Aufräumarbeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern lassen.“
Greenpeace
Mitte des Jahres habe Statoil verkündet, das Vorhaben Öl in der Apollo-Quelle in den arktischen Gewässern der Barentssee zu finden, sei gescheitert. Allerdings besitze Statoil Lizenzen für zwei weitere Ölquellen in der selben Gegend, berichtet Erlend Tellnes, Arktis-Aktivistin bei Greenpeace Nordic. Greenpeace geht davon aus, dass Statoil seine Arktis-Strategie weiterhin rücksichtslos und aggressiv verfolge, zumal es sich hier um den einzigen Konzern in Norwegen handele, „der über Bohrlizenzen für Gegenden in der Arktis verfügt, die extremen Bedingungen ausgesetzt sind oder gar in arktischen, eisigen Gewässern liegen.“
Wer der Arktis helfen will, gegen die Bedrohung durch Ölkonzerne und die Belastung durch Industriefischerei, der kann gemeinsam mit Greenpeace ein internationales Schutzgebiet um den Nordpol und ein Verbot von Ölbohrungen und Industriefischerei in der Arktis fordern: Save the Arctic!
Netzfrau Andrea Wlazik
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