Kennen Sie das Gefühl, mit dem falschen Bein aufgestanden zu sein? Ähnlich geht es mir heute. Allerdings bin ich wohl eher mit dem falschen Ohr aufgestanden. Man hat mir meine Ruhe gestohlen!
Das ist der Grund, warum ich heute früh so richtig üble Laune habe! Schuld ist:
Die neue A4
In unserer oft viel zu hektischen und lauten Zeit sind die paar Minuten Ruhe zwischen Telefonklingeln, Kindergeschrei, Diskutieren und den Handygesprächen all jener, die sich in unserer Nähe befinden, so ziemlich das Kostbarste, das wir haben. Sie brauchen wir um zu entspannen, abzuschalten, uns zu regenerieren.
Ich habe sie immer sehr genossen, die paar Minuten am Tag, wenn hier mal wirklich Ruhe war. Morgens um 6 Uhr mit dem Hund in den Garten, nichts hören als vielleicht ein paar erste Vogelstimmen oder das entfernte Klappen einer Haustüre, das fand ich einfach himmlisch.
Das beste aller Güter, wenn es überhaupt Güter gibt, ist die Ruhe, die Zurückgezogenheit und ein Plätzchen, das man sein eigen nennen kann.
Jean de La Bruyère
Bei uns ist es irgendwie immer laut. Kaum, dass ich wieder drin bin, steht auch schon das erste Kind auf der Matte. Wenn sich dann das zweite oben bewegt, macht der Dackel einen Krach, als seien Einbrecher im Haus. Am Tisch wird gequasselt, was das Zeug hält, gezankt und gezofft, gelacht und geschimpft. So geht das dann, bis die Große aus dem Haus ist und ich mein i-Dötzchen zur Schule gebracht habe.
Zu Hause angekommen, rauschen Spülmaschine und Waschmaschine, tickt die Wanduhr, klingelt das Telefon, gibt der Kühlschrank seltsame Laute von sich. Und wenn mal nichts davon der Fall ist, ist es der Dackelin zu ruhig und sie bellt sich selbst an. Oder das Telefon klingelt. Oder ich arbeite und die Tastatur klappert. Und ehe ich mich versehe, ist Mittag, dann wird gebrutzelt und wieder geklingelt und dann ertönen hier erst zwei, dann drei und dann vier Kinderstimmen. Nicht wundern – weil es mir hier immer zu ruhig ist, leihe ich mir noch welche aus *Ironie off*.
Aaaaargh, während ich hier schreibe, kommt ein weiterer „Ruhebrecher“ vorbei. Eigentlich sind es mehrere. Zig Schrotthändler fahren hier täglich in der Gegend rum. Wenn man Glück hat, hört man nur ihre Pritschenwagen. Hat man weniger Glück, haben sie eine durchdringende Klingel, so wie früher der Eiermann: „Driiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiing!!!!“ Wenn man Pech hat, dann fährt einer von denen vorbei, die digitalisierte Musik über Lautsprecher laufen lassen. Und wenn man großes Pech hat, kommt der mit der Endlosschleife voll verschiedener volkstümlicher Lieder, in einer Qualität wie auf dem Handy programmiert. Eines davon ist „Happy Birthday to you!“ – aber glauben Sie mal nicht, dieser Schrotti wäre auch nur an einem meiner vielen Geburtstage mal hier vorbeigefahren…
Wenn die Kinder abends im Bett liegen, kommt meine zweite ruhige Phase: Ab in den Garten, Pflanzen gießen und Hund pinkeln lassen. Die absolute Wonne sind die Wochenenden. Während alle noch ruhig schlafen, hat sich mein innerer Wecker gemeldet. Dann liege ich im Bett und genieße es, außer dem Schnarchen meines Mannes – und das lässt sich ganz einfach mit einem Ellenbogenschubser eingrenzen – nichts zu hören. Einfach gar nichts.
Heute bin ich früher aufgewacht. Ich hab den kleinen schwarzen Kater reingelassen und gefüttert und mich richtig drauf gefreut, mich wieder ins Bett zu legen und noch ein paar Minuten Ruhe zu genießen. MEINE ruhigen Minuten.
Aber es war laut! So richtig laut. So laut, dass nix war mit Genießen, nix mit Dösen, nix mit Vor-mich-Hin-Träumen! Jemand hat mir meine ruhigen Minuten geklaut!
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Fuhr hier sonst morgens früh ab und an mal ein Auto vorbei und es war schon laut, wenn es mal ein Motorrad oder Mofa war, ist hier jetzt Dauergeräusch. Würde ich neben der Autobahn zelten, es könnte kaum lauter sein. Nicht erst, wenn ich die Augen schließe, höre ich Autos am laufenden Band vorbeirauschen und LKWs dröhnen – ich hätte mich beinahe gefragt, was diese Idioten in meinem Schlafzimmer veranstalten. Da fällt es mir ein: Die neue Autobahn – die A4! Mein Adrenalinspiegel steigt und mir schießen plötzlich lauter Wörter durch den Kopf, für die meine Kinder Geld in die Schimpfwortkasse werfen müssen.
Diese dämliche Autobahn! Dieses Sch***-Ding, das niemand wollte außer RWE Power und den Unternehmern, die am Bau beteiligt waren, ist eröffnet. Und waren die ersten Tage – als erst eine Spur eröffnet war – echt noch erträglich, so ist es jetzt nur noch zum K*****.
Ich schließe das Fenster und muss kurz drauf niesen – frisch verrigipste Wände sind halt ziemlich trocken, was sich mit offenem Fenster noch gut ertragen lässt. Danke, RWE, Du A****-Laden!
Überflüssig wie ein Kropf
Mal ganz abgesehen von „meinen“ ruhigen Minuten: Ich empfinde es als Unrecht, dass diese Autobahn jetzt schon eröffnet wurde. RWE braucht die alte A4 frühstens 2017. Bis dahin ist noch viel Wasser den Rhein runtergelaufen. Allerorten gibt es Demonstrationen gegen Kohlekraft, sodass die Menschheit dieses leidige Thema hoffentlich bald zu den Akten legen kann.
Aber was ist dann mit den Anwohnern, den direkt an die neue A4 grenzenden Ortschaften? Die haben dann diese Sch***-Autobahn weiter vor der Tür. Die Steuergelder sind verschleudert, die Häuser haben an Wert verloren, das Kind ist in den Brunnen gefallen. Wir haben hier keinen Wald mehr als Geräusch- und Abgaspuffer, wie es noch bei der alten A4 der Fall war. Der vielgepriesene „Leisetreter“-Asphalt ist genauso unglücklich begrenzt aufgebracht wie der „Lärmschutz“-Wall aufgeschüttet wurde. An einem Ende des Ortes ist NICHTS. Nichts schützt uns hier vor dem Lärm oder den Abgasen. Herzlichen Dank auch, werte Damen und Herren Politiker, werte RWE-Sympatisanten und Großaktionäre!
Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen wie die Cholera und die Pest.
Robert Koch
Ein schwacher Trost bleibt mir: Unsere Bürgermeisterin wohnt nur wenige Meter von uns entfernt. Ich hoffe, dass sie morgens genauso frustriert und zornig in ihrem Bett liegt wie ich und dass sie sich abends in ihrem Garten fragt, was um Himmels Willen sie da eingetauscht hat gegen die finanziellen Interessen einiger weniger Großmogule.
Netzfrau Andrea Wlazik
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