Häusliche Gewalt ist mehr als Schläge – Opferschutz ist Pflichtaufgabe von Staat und Gesellschaft!

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Häusliche Gewalt

Menschen, die in den eigenen vier Wänden Opfer von Gewalt werden, brauchen besonderen Schutz durch Staat und Gesellschaft. Der Landfrauenrat Mecklenburg-Vorpommern fordert in seiner Petition „Opferschutz als Pflichtaufgabe“ einen bedarfsgerechten Zugang FÜR ALLE zu Beratung und Hilfe bei häuslicher und sexualisierter Gewalt.

Es sei ein vertraulicher und unbürokratischer Zugang für alle nötig, unabhängig vom Einkommen, von der Herkunft, von eventuellen gesundheitlichen Einschränkungen oder des Alters der Betroffenen. Der Landfrauenrat ruft dazu auf, Schutz, Beratung, Prävention und Täterarbeit im Bereich häuslicher und sexualisierter Gewalt langfristig finanziell abzusichern. Dabei sollen Bund, Länder und Kommunen das Problem gemeinsam lösen.

„Die durch häusliche Gewalt verursachten wirtschaftlichen Kosten liegen bei etwa 6,1 Billionen Euro.
Quelle

Jede dritte Frau hat seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexualisierte Gewalt erfahren. 22% erlebten Gewalt innerhalb der Partnerschaft. Bezüglich der Häufigkeit sexualisierter und psychischer Gewalt liegt Deutschland leicht über dem EU-Durchschnitt.

40,8% der Frauen, die im Jahr 2012 getötet wurden, wurden laut BKA durch den eigenen (Ehe-)Partner oder ehemaligen (Ehe-)Partner getötet. Gemäß Innenministerium M-V kam es im Jahr 2011 zu acht Tötungen an Frauen durch (Ex-)Partner und zu zehn Tötungen durch (Ex-)Partner im Jahr 2012.

In ca. 60% der gewaltbelasteten Paarbeziehungen leben auch Kinder und Jugendliche im Haushalt. Eine Umfrage mit Kindern zeigte, dass 92% der Kinder diese Gewalttaten mit angesehen haben; 77% haben direkt Gewalt erfahren. Bezüglich der Betroffenheit von sexualisierter Gewalt gehen Dunkelfeldstudien davon aus, dass jedes 3.-4. Mädchen sowie jeder 9.-12. Junge bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres sexuelle Übergriffe erlebt.

„Mehr als 290 Millionen Kinder leiden weltweit unter häuslicher Gewalt.“
Quelle

Das Hilfenetz in Mecklenburg-Vorpommern bietet bei häuslicher und sexualisierter Gewalt Schutz und Beratung, leistet Prävention und Öffentlichkeitsarbeit und bietet auch Beratung für Gewaltausübende an. Jährlich finden dort knapp 4000 Erwachsene (überwiegend Frauen) Unterstützung. Durchschnittlich 3000 Mädchen und Jungen werden jährlich als Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt im Hilfenetz in Mecklenburg-Vorpommern bekannt. Mit über 200 gewalttätigen Personen werden dort Beratungen durchgeführt, um die Gewaltausübung zu beenden.

Für die Leistungen des Beratungs- und Hilfenetzes existiert jedoch kein Rechtsanspruch auf Finanzierung. Sie sind seit über 20 Jahren als „Projekte“ eingestuft, deren finanzielle Unterstützung jederzeit eingestellt werden kann. Sie sind auf Grund von Sparmaßnahmen öffentlicher Haushalte permanent von Kürzungen bedroht. Viele Einrichtungen arbeiten am Limit und kämpfen jährlich ums Überleben.

Das Dilemma

Von Gewalt Betroffene sind nicht alle gleich. Ihre Lebenslagen, ihre rechtliche Situation, ihr Einkommen, ihr Gesundheitszustand, ihre sexuelle Orientierung etc. sind unterschiedlich. Betroffene haben deshalb verschiedenen Beratungs- und Unterstützungsbedarf, dem das Beratungs- und Hilfenetz gerecht werden muss und will.

Eine Erhebung des Beratungs- und Hilfenetzes durch die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern von 2011 ergab, dass „Frauen insbesondere mit eigenen finanziellen Ressourcen, Frauen im ländlichen Raum, Migrantinnen, Frauen mit Behinderungen, ältere Frauen mit Gewalterfahrungen (darunter Frauen, die Kriegsvergewaltigungen ertragen mussten) und Frauen mit Suchtproblemen […] schwerer zu erreichen“ sind.

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Aber auch für Männer, die Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt werden, sind die Hürden, sich Hilfe zu suchen, hoch. Es entspricht, gesellschaftlich betrachtet, nicht der männlichen Rolle, geschlagen zu werden. Nur wenige männliche Opfer wenden sich an das Hilfenetz, sie werden dort aber beraten und begleitet. Leider liegen repräsentative Studien über Männer als Opfer dieser Gewaltarten für Deutschland bislang nicht vor.

Ein weiteres großes Tabuthema ist häusliche und sexualisierte Gewalt im Leben von Lesben, Schwulen und Transgender.

Bedarf gerecht werden

„Die Geschichte von Lisa B. zeigt das Dilemma, in dem sich gewaltbetroffene Frauen befinden können. Lisa ist 35 Jahre alt. Sie hat zwei Kinder. Ihre Tochter Ida sitzt im Rollstuhl. Lisa arbeitet in Teilzeit in einem Schuhgeschäft. Jetzt sei sie aber krank geschrieben, erzählt sie. Lisas Schulter ist ausgekugelt, ihre Augen sind müde. Sie sitzt mir gegenüber und bittet um Aufnahme in ein Frauenhaus. Plätze für sie und die Kinder sind schnell gefunden. Aber es wird nicht leicht für Lisa.“

Das Frauenhaus ist nicht behindertengerecht ausgestattet, was in Einrichtungen, in denen Opfer von häuslicher und/oder sexualisierter Gewalt Zuflucht suchen können, keine Ausnahme ist. Dabei sind Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen besonders häufig von körperlicher, psychischer und sexueller Gewalt betroffen. Fast 50% der Frauen mit Behinderung erfahren sexuelle Gewalt in ihrer Kindheit, Jugend oder im Erwachsenenalter.

„Lisa wird ihre Tochter viel tragen müssen, der Rollstuhl passt nicht durch die Türen. Ihr Arbeitsweg wird sich vervielfachen. Das Frauenhaus ist mehr als 50 km entfernt. Zusätzlich zu ihrer Wohnungsmiete wird sie einen Eigenanteil für die Frauenhausplätze zahlen müssen.“

Wenig Konsequenzen für die Täter

Die Gewaltausübenden müssen kaum Konsequenzen fürchten. Selten kommen diese Taten zu einer Anzeige oder werden als Verletzungsursache erkannt. Die meisten Betroffenen schweigen aus Scham und Angst. Sie erleiden Drohungen, Beleidigungen, werden eingeschüchtert und kontrolliert, vergewaltigt, sexuell genötigt oder geschlagen.

Kommt es doch zur Anzeige, sind die Opfer oft rechtlich erst geschützt, wenn die Schuld des Täters feststeht – was mangels Zeugen meist schwer zu beweisen ist und dem Täter die Möglichkeit gibt, das Opfer weiter unter Druck zu setzen, und sei es nur durch häufiges „zufälliges“ Auftauchen in dessen Nähe.

Für Betroffene

Sollten Sie selbst betroffen sein, zeigen Sie Mut und holen sich die notwendige Unterstützung. Sie können sich kostenfrei und anonym an die Hilfseinrichtungen wenden. Die meisten von ihnen wie das Hilfenetz in Mecklenburg-Vorpommern richten sich nicht nur an betroffene Frauen, Männer und Kinder, sondern genauso an Menschen aus deren persönlichen Umfeld. Frei leben ohne Gewalt ist ein Grund- und Menschenrecht!

Betroffene von Ex-Partner-Stalking müssen dringend Tagebuch führen, sms nicht löschen usw. Betroffene von körperlicher Gewalt sollten unbedingt die Verletzungen dokumentieren lassen, auch wenn sie keine Anzeige machen oder wenn sie die Beziehung fortsetzen wollen.

Die Petition

Der Landfrauenrat Mecklenburg-Vorpommern und alle Unterzeichnenden rufen die Verantwortlichen dazu auf, bestehende Versorgungslücken für Betroffene zu schließen und Schutz, Beratung, Prävention und die Arbeit mit Gewalttätern im Bereich häuslicher und sexualisierter Gewalt langfristig finanziell abzusichern. Dabei sollten Bund, Länder und Kommunen das Problem Hand in Hand gemeinsam lösen. Denn es braucht einen bundesweiten Anspruch auf Schutz und Beratung, der als Pflichtaufgabe rechtlich verankert wird.

„Gewalt ist keine Privatsache. Der Schutz vor Gewalt ist ein Menschenrecht, das auch zu Hause gilt.

Für Lisa und alle anderen von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen, Männer und Kinder fordert der Landfrauenrat „Opferschutz als Pflichtaufgabe“, um die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für die Opfer endlich in den Fokus zu rücken.

Bitte unterzeichnen auch Sie die Petition und helfen Sie uns, diese zu verbreiten!

Wir werden am 25. Novenber, dem „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ noch weiter auf dieses Thema eingehen.

Die Netzfrauen

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