Die Grausamkeit nimmt kein Ende. In einigen Ländern wird alles, was fliegt, auf dem Vogelzug in Netzen gefangen oder abgeschossen.
Die Zahl der Singvögel ist in Europa drastisch zurückgegangen. Einige Arten stehen kurz vor dem Aussterben. Im Namen alter Traditionen landen Millionen seltener Zugvögel als Delikatesse in den Kochtöpfen.
Es ist schon schlimm, dass durch große Epidemien Singvögel sterben wie im Jahr 2009, als Einzeller Trichomonas gallinae als Ursache für den Tod von rund 80 000 Finken in Schleswig-Holstein festgestellt wurde. Das sogenannte Usutu-Virus, das erstmals 2001 in Europa nachgewiesen wurde, führte in Österreich und Ungarn zu einem regelrechtem Vogelsterben. In Amerika und Schweden verendeten 2011 massenweise Vögel.
Das Magazin Nature veröffentlichte Mitte 2014 Ergebnisse mehrerer wissenschaftlicher Langzeitstudien. Sie belegen, dass die bienengefährlichen Neonikotinoide auch eine Gefahr für die Nahrung unserer Singvögel sind. Das Insektizid Carbofuran wird allein in den USA für den Tod von 17 bis 91 Millionen Vögeln jährlich verantwortlich gemacht. [Lesen Sie dazu unseren Beitrag: Pestizide töten Vögel – Langzeitfolgen kaum abzusehen]
Das sind nur einige Beispiele von vielen, die zu einem Massensterben von Vögeln führen. Als ob dieses noch nicht reicht, gibt es einen weiteren grausamen Grund, warum viele Vogelarten vom Aussterben bedroht sind. Und wieder mal ist der Mensch die Ursache.
Stille in Wald und Feld
Ist Sie Ihnen aufgefallen im Sommer 2014?
Vermissten Sie Singdrossel, Haus- und Gartenrotschwanz, Rauch- und Mehlschwalbe, Mauersegler, Zilpzalp, Neuntöter, Pirol, Girlitz, Kuckuck, Mönchsgrasmücke, Goldammer, Rotkehlchen oder gar Nachtigall?
Viele von ihnen überleben den Vogelzug ins Winterquartier nicht mehr. Sie werden massiv gejagt.
Vogeljagd findet statt:
Auf dem Balkan, auf Malta, auf Zypern, in Frankreich, Spanien, Portugal, Griechenland und Ägypten und vermutlich anderen Ländern.
Die Jagd auf Singvögel war in den 1970er Jahren der Grund, dass es zur EU-Vogelschutzrichtlinie kam. Damals wurden Zugvögel z. B. in Belgien, Frankreich und Italien zu Tausenden mit Netzen, Leimruten, Fallen und automatischen Waffen gefangen.
Nun haben wir zwar 27 Mitglieder in der EU, die sich an die Vogelschutz-Richtline halten sollten, doch viele tun es – ungestraft – immer noch nicht. Theoretisch ist die Vogeljagd in der EU verboten, sie wird jedoch „als Tradition“ trotzdem immer noch erhalten.
Stellen Sie sich vor, die Tradition macht es auch möglich, dass Frankreich, Italien und Malta einigen Regionen Sondergenehmigungen erteilen, sodass dort weiterhin mit Leimruten, Schlingen, Klappnetzen und Steinquetschfallen die Jagd auf Finken, Goldregenpfeifer, Drosseln und andere Zugvögel legalisiert ist.
„Viele der frei gegebenen Arten sind europaweit gefährdet und haben – wie zum Beispiel Feldlerche und Kiebitz in Deutschland – in den letzten 20 Jahren um mehr als die Hälfte im Bestand abgenommen“, so Alexander Heyd, Geschäftsführer des Komitees gegen den Vogelmord. „Es ist Aufgabe der Europäischen Kommission, das Überleben dieser Arten in der EU zu sichern und diese Massaker zu stoppen. Leider ist das bisher nicht geschehen“, so Heyd.
In den letzten 3 Wochen haben Mitglieder des Komitees gegen den Vogelmord insgesamt 3575 Leimruten, 125 Netze und 41 elektronische Lockanlagen gefunden. Alle Fanggeräte wurden sichergestellt. In Kooperation mit der Polizei wurden 27 Wilderer auf frischer Tat an ihren Fangstellen überführt – so viele wie nie zuvor. Durch die ständige Polizeibegleitung hat es bei diesem Einsatz erstmals überhaupt keine ernsten Zwischenfälle mit gewalttätigen Wilderern gegeben!
Was bei uns die Martinigans-Saison ist, wird auf Zypern mit kaum zwanzig Gramm schweren Singvögeln als Feinschmecker-Leckerbissen begangen. In nur einer Nacht werden rund ums Mittelmeer zehntausende unserer Sommergäste gefangen und anschließend verspeist.
Ein Teller mit gegrillten Singvögeln kostet in Zypern etwa 40-80 Euro.
Wer am 29. Oktober um 23 Uhr in ORF 2 Weltjournal+ gesehen hat, konnte danach vermutlich nicht gut schlafen. Die Doku „Vogelmord – Lieblingsspeise Singvögel“ zeigte schonungslos den Kampf der Tierschützer gegen mafiös strukturierte Vogeljägerbanden, die auch nicht davor zurückschrecken, die Tierschützer krankenhausreif zu prügeln.
Leider ist dieser Beitrag aus rechtlichen Gründen, wie die ORF auf deren Seite mitteilt, nur in Österreich zu sehen. Doch wir haben für Sie einiges zusammengefasst.
Vogelmord auf Zypern
Bereits 2012 machte Hannes Jaenicke in einem Kampagnen-Spot „STOP dem Vogelmord auf Zypern“ auf diese grausame Tötung von Vögeln aufmerksam.
Der Fang von Wildvögeln ist immer noch ein großes Problem auf Zypern. Bereits vor dem Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 2004 gab es erste Versuche der Regierung, dem ausufernden Vogelfang Einhalt zu gebieten.
Der nach 2001 zu beobachtende Rückgang der Verwendung von Leimruten und Netzen zeigt, dass dies zunächst auch erfolgreich war.
In den letzten Jahren hat die Wilderei aber wieder in erheblichem Ausmaß zugenommen und inzwischen wieder einen Umfang wie vor dem EU-Beitritt erreicht. Nach Angaben von BirdLife Cyprus werden auf Zypern in jedem Jahr rund 3 Millionen Vögel illegal gefangen. Der Umsatz auf dem Schwarzmarkt beträgt mehrere Millionen Euro. Die Regierung Zyperns geht davon aus, dass der Vogelfang die wichtigste Einnahmequelle des organisierten Verbrechens nach Drogenhandel und Prostitution ist.
Der Zugvogelfang auf Zypern ist inzwischen ein profitables Geschäft, das in großen Teilen durch eine Mafia kontrolliert wird. Jedes Jahr verdienen die Profiteure mehrere Millionen Euro durch den illegalen Verkauf gefangener Vögel an Restaurants, wo diese als „traditionelle Delikatesse“ unter dem Namen „Ambelopoulia“ angeboten werden.
Leider ist die Doku nicht in der TV-Mediathek. Die Wiederholung fand am nächsten Tag zu noch publikumsfeindlicherer Zeit statt, nämlich um 01.40 Uhr.
Unter dem Titel „Emptying the skies“ (deutsch: Die Verwüstung des Himmels) zeigen der New Yorker Bestsellerautor Jonathan Franzen und Regisseur Roger Kass, wie unter dem Deckmantel alter Traditionen und „nachhaltiger Nutzung“ jedes Jahr Millionen europäischer Singvögel im Kochtopf landen.
Einen Trailer zu dem Film gibt es außerdem hier.
Grausame Vogelfänger morden Millionen unserer Singvögel!
Jonathan Franzen, der als Autor von Romanen wie „Freiheit“ oder „Die Korrekturen“ Weltruhm erlangt hat, ist seit Jahren ein begeisterter Vogelbeobachter und -schützer. „Die Verwüstung“ des Himmels ist eine Adaption eines mehr als 20 Seiten langen Essays über die Zugvogeljagd, das Franzen für das Magazin „The New Yorker“ geschrieben hat und das Anfang 2013 auf deutsch in seinem Buch „Weiter weg – Essays“ (Rowohlt-Verlag) erschienen ist. Bei den Dreharbeiten auf Zypern entkam Franzen selbst nur knapp einem Attentat, was ihn zur Äußerung: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich in eine Art Kriegsgebiet geraten würde“, brachte.
In der Doku am Mittwoch wurde auch gezeigt, wie diese Vögel von ‚Gourmets’ verspeist werden – ziemlich unappetitlich, können wir Ihnen berichten.
In Frankreich werden Goldammer vor der weiteren Verarbeitung in Armagnac ertränkt. Mit einer weißen Serviette über dem Kopf stopft man sich schließlich den geköpften Vogel im Ganzen in den Mund, wo er möglichst heiß, langsam zerkaut und inklusive aller Knochen geschluckt wird.
Dazu findet sich in der taz vom 01.09.2013 ein Artikel, in dem es sich um die Gartenammer handelt, einen kleinen Singvogel. Sie wird lebend gefangen, 14 Tage lang gemästet und dann mit Kopf und Knochen verspeist. Sie lesen richtig, nun werden bereits Singvögel gemästet wie Schweine, Gänse oder Hähnchen. Dazu findet man noch das Rezept, wie die Ammer zuzubereiten ist, was wir nicht weiter kommentieren möchten. Es ist schon erschreckend, dass man das Rezept für einen Singvogel überhaupt veröffentlicht.
Während hierzulande die Martinigans-Saison mit kiloschweren Masttieren vor der Tür steht, sind in Südeuropa ganz kleine Tiere im Visier kulinarischer Vogelfreunde: Zehntausende Singvögel werden derzeit rund ums Mittelmeer von illegalen Jägern mit Netzen und Klebefallen aus der Luft geholt – in nur einer Nacht. Kaum zwanzig Gramm schwer, gelten sie als besonders exklusive Delikatesse.
Viele Arten sind aktuell vom Aussterben bedroht und die Jagd auf Sing- und Zugvögel ist in Europa per Gesetz verboten. Doch das macht ihren Genuss nur noch exklusiver. Grausam, oder?
Grillteller statt Winterquartier
Da gibt es den Wachtelkönig zum Beispiel, der etwa in den Feuchtwiesen des Odertals in Brandenburg brütet. In den vergangenen Jahren sind teure Projekte entwickelt worden, um die Feuchtwiesen und damit die Wachtelkönig-Populationen zu stabilisieren. Im Herbst machen sich die Tiere auf zum Langstreckenflug nach Afrika südlich der Sahara. Statt im Winterquartier landeten viele auf dem Grillteller in Italien, Frankreich, Portugal, Griechenland, Malta, Zypern oder spätestens in Ägypten, berichtet Azertag.
700 Kilometer Strand in Ägypten, das ist eine Länge von München nach Hamburg, sind mit Vogelfangnetzen abgesperrt. Die Strandabschnitte sind einzeln aufgeteilt an lokale Überwachungsleute, die 300, 500 Meter Strand im Griff haben und diese Netze überwachen. Was man als Hintergrund wissen muss: Die Vögel müssen lebend heraus genommen werden. Wenn sie schon tot drin sind, kann man sie nicht mehr verkaufen. Sie müssen also lebend geborgen werden und werden erst dann geschlachtet. [Dazu auch unser Beitrag: Arabischer Prinz tötete fast 2.000 geschützte Vögel]
Die EU, die alles reglementiert, sollte endlich darangehen, die Verstöße all dieser Länder ins Visier zu nehmen, Ausnahmegenehmigungen verbieten und alle, die gegen die geltenden Gesetze verstoßen, schwer zu bestrafen.
Auf YouTube finden Interessierte viele Videos des Komitees gegen Vogelmord, die aufzeigen, was wo geschieht, außerdem hier noch mehr Informationen: Prospekt: „Grausame Vogelfänger morden Millionen unserer Singvögel!“ (PDF-Datei)
Zur Zeit stirbt etwa eine Vogelart pro Jahr aus. Die Aussterberate bei Vögeln liegt etwa 100 bis 200 Mal über der langfristigen, natürlichen Aussterberate. Damit ist sie etwa so hoch wie bei den fünf großen Massenaussterbevorgängen in den letzten 500 Millionen Jahren; etwa dem Meteoriteneinschlag, der die Dinosaurier aussterben ließ. Daher wird die gegenwärtige Artenvernichtung auch „das sechste Massenaussterben” genannt. Noch Fragen?
Die Lebenserhaltungssysteme der Erde werden auch mit dem Menschen fertig werden: Tatsächlich geht es beim „Umweltschutz“ weniger um den Schutz von „Mutter Erde“, sondern um den Erhalt der Grundlagen für das menschliche Wohlbefinden und unseren (wie auch immer definierten) Wohlstand. Die Erde braucht den Menschen nicht, wohl aber der Mensch die Erde.
Mit jeder aussterbenden Tier- und Pflanzenart stirbt ein Stück unserer menschlichen Lebensgrundlagen. Aktuell stirbt alle 10 Minuten eine Tier- oder Pflanzenart aus. Das sind sechs Arten pro Stunde. Oder mehr als 140 Arten an einem einzigen Tag. Nur die Vielfalt der Arten garantiert das Gleichgewicht in der Natur und damit auch unsere menschliche Lebensqualität.
Stop dem Vogelmord!
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