Die billige Masche von H&M – Die Karawane zieht weiter: „Made in Ethiopia“

H&MImmer wieder gerät die schwedische Textilkette H&M wegen unzumutbarer Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken in Bangladesch, China oder Äthiopien in die Kritik.

Und H&M zahlt keinen Cent Einkommenssteuer in den Ländern, in denen produziert wird. Die Tochterfirmen in den Produktionsländern koordinieren nur die örtlichen Produzenten. Die Mode selbst hingegen wird für und auf Kosten von H&M in Schweden hergestellt. Sprich, in den Produktionsländern verdient H&M offiziell kein Geld und muss somit keine Steuern zahlen. Der Konzern machte im vergangenen Jahr einen Gewinn in Höhe von 1,92 Milliarden Euro.

Die billige Masche von H&M

H&M ist einer der Giganten in der Textilindustrie. Es war der schwedische Konzern, der mit stylischen, günstigen Klamotten einst die Branche aufgemischt hat. Deutschland ist einer der größten Märkte für das Unternehmen. Die weltweite Expansion hört nicht auf, Nachschub für die Tausenden von Läden wird also gebraucht. Doch die Textilbranche ist unter Druck.

Seit dem Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes im April 2013 mit mehr als tausend Toten in Bangladesch haben viele der großen Ketten versprochen, auf mehr Sicherheit in den Fabriken zu achten. Unterstützt wurde dies auch von H&M. Der Film macht eine Reise von Europa über Asien bis nach Afrika und versucht zu zeigen, was sich hinter den Kulissen der Zulieferer verbirgt. Die Autoren stellen auch die Frage nach der Verantwortung des Auftraggebers H&M.

Reporter des Dokuformats „ZDF-Zoom“ statteten den Fabriken in Bangladesch einen Besuch ab und sprachen mit Gewerkschaftern und Arbeitern. „Wir haben nie vor 22 Uhr Feierabend, das ist das Früheste“, berichtet einer von ihnen. Die Arbeiter fangen um acht Uhr morgens an, sechs Tage die Woche, manchmal auch sieben. Obwohl nach H&Ms eigenen Regeln maximal 48 Stunden erlaubt sind, sind in Bangladesch 80-Stunden-Wochen kein Problem.

Die H&M-Konzerngruppe hat annähernd 3000 Geschäfte in 50 Märkten in Europa, Nordamerika, Asien, Nordafrika und dem Nahen Osten.

Die Textilkonzerne kaufen in Asien ein, nicht nur H&M, auch Zara, C&A, KIK und Wal-Mart aus den USA, einfach alle. Wie kann es da sein, dass ein T-Shirt bei einigen 1,99 Euro kostet und bei einer anderen Marke 19,99 Euro – obwohl es aus der gleichen Fabrik stammt und sogar aus demselben Stoff gefertigt ist?

Die Skandale von H&M 

Ein „tolles“ Plakat, direkt im Eingang zu den Umkleidekabinen, mit dem Text: „Wir arbeiten ständig daran, Ihnen eine nachhaltigere Mode zu bieten.“ Aber nicht nur das, H&M heftet sich auch auf die Fahnen, dass es dem Konzern nicht wurscht ist, unter welchen Bedingungen „das Fähnchen“ hergestellt wird. Über 80 Seiten umfasst der Nachhaltigkeitsbericht und auf der Homepage gibt es vielversprechende Häppchen dessen, worauf man Wert legt: Gegen Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltzerstörung – wir sind die Guten, lautet die Botschaft.

Nun gerät H&M wieder in die Schlagzeilen, aber das ist eigentlich auch nichts Besonderes mehr, denn bereits im Oktober 2012 berichtete der schwedische Sender TV4 über die Arbeitsbedingungen und, dass kambodschanische Fabrikarbeiter, die Kleidung für den Konzern fertigten, monatlich umgerechnet lediglich etwa 58 Euro erhalten – bei einer 70-Stunden-Woche. Die Arbeiter erhielten so wenig Lohn, dass sie sich selbst für den Kauf von Lebensmitteln Geld leihen mussten.

Der schwedische Modekonzern H&M hatte daraufhin alle Vorwürfe zurückgewiesen. Paradoxerweise war TV4 auf Einladung von Hennes&Mauritz nach Kambodscha gereist, um über die Arbeitsbedingungen zu berichten. Dort sei auch ein Streik von Angestellten der Textilbranche gefilmt worden, die höhere Löhne forderten. Die Dokumentation erwecke den Eindruck, dass H&M diese Forderungen ablehne, berichteten schwedische Medien. In Kambodscha arbeiten 2012 laut Handelsblatt mehr als 300 000 Menschen, größtenteils Frauen, in der Bekleidungsindustrie. 300 Fabriken produzieren Kleidung für den Export.

Bei einem Zulieferer-Betrieb arbeitet die zwölfjährige Amina. 14 Stunden am Tag muss sie stehen und Labels in Pullover einnähen oder heraushängende Fäden von Etiketten abschneiden. Für 35 Euro im Monat. Ihr Vater ist blind, die Familie wohnt in einem Slum, in dem sich 200 Menschen ein Plumpsklo teilen, dieses war schon in der H&M-Doku in der ARD-Markencheck-Reihe im Januar 2012 zu sehen. Doch viel scheint sich nicht geändert zu haben. Nicht beim Konzern, aber auch nicht beim Verbraucher, denn fast jeder Deutsche hat Klamotten von H&M im Kleiderschrank. Deutschland ist einer der größten Märkte für den Konzern.

Seit dem vor eineinhalb Jahren erfolgten Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes in Bangladesch mit mehr als tausend Toten haben viele der großen Ketten versprochen, auf mehr Sicherheit in den Fabriken zu achten. Unterstützt wurde dies auch von H&M.

Das Paradoxe an Bangladeschs Bekleidungsindustrie, wo unerlaubte Praktiken bereits zum Tod von mindestens 2000 Menschen geführt haben, ist dies praktisch der einzige Weg für Frauen und Mädchen, aus der Armut und dem Analphabetismus entfliehen zu können. Für 3,5 Millionen Menschen aus Bangladesch, meist Frauen, die gebückt in 10-Stunden-Schichten an einer Nähmaschine sitzen, bietet es die einzige Chance, ihr Leben zu verbessern. Doch zu welchem Preis?

Am 24. April 2013 ereignete sich in Bangladesch die wohl bisher größte Katastrophe der modernen Modeindustrie: beim Einsturz der Fabrik Rana Plaza starben 1127 Menschen. [Lesen Sie dazu: Für den Billigjob sterben. In Bangladesch ist das ein tägliches Risiko. „Nähen bis es brennt”]

Die Karawane zieht weiter: „Made in Ethiopia“

In Afrika will H&M künftig verstärkt Produkte herstellen. Erste Kleidungsstücke liegen auch schon in den Geschäften in Europa.

Äthiopien entwickelt sich zu einem attraktiven Standort für die Textilindustrie. Das Land ist auf dem besten Weg, Bangladesch Konkurrenz zu machen. Wie Bangladesch lockt Äthiopien die ausländischen Investoren mit seiner hohen Bevölkerungszahl und den niedrigen Löhnen an. In Äthiopien leben 93,8 Millionen Menschen. Über 40 Prozent der Menschen sind unter 15 Jahre alt. Die Löhne sind niedrig, ein durchschnittlicher Monatslohn beläuft sich in Äthiopien auf 25 US-Dollar (etwa 18 Euro).

Das schwedische Unternehmen H&M hat bereits einen Teil ihrer Produktion nach Äthiopien verlegt. Sie haben in Bangladesch durch Fehler Erfahrung gesammelt und schon vorher die Arbeitsbedingungen geprüft und sie gegebenenfalls verbessert, so der Konzern. 

Afrika ist nicht unbedingt für hohe Arbeitsstandards und faire Löhne bekannt. 

Es fällt schwer, an eine tief greifende Verbesserung von Arbeitsbedingungen zu glauben. Darüber hinaus hat sich H&M ein Land herausgesucht, das für seine miserable Menschenrechtslage bekannt ist. Laut einem Bericht von Human Rights Watch geht die Regierung mit aller Härte gegen die Menschen im Land vor. Sie soll ganze Dörfer gewaltsam vertrieben, Oppositionelle oder JournalistInnen gezielt verfolgt und gefoltert haben. Außerdem zählt Äthiopien laut dem Kinderarbeitsindex von 2012 zu den Ländern, in denen die Regierung am wenigsten gegen Kinderarbeit vorgeht, dies geht auf der Homepage Aktiv gegen Kinderarbeit hervor. Die Sorge ist berechtigt: Wird Äthiopien das neue Bangladesch? H&M streitet den Vorwurf ab, sie wüssten um die Menschenrechtslage im Land und wollten sich – wie in ihren anderen Produzentenländern – um bessere Arbeitsbedingungen bemühen. 

Die Zukunft bringt die Antworten. Denn bisher bleibt Asien die große Textilregion, dagegen spielen die Länder der Subsahara weltweit noch keine große Rolle. Sie produzieren gerade einmal ein Prozent der weltweiten Kleider. Auch H&M wird trotz der Ansiedelung in Äthiopien seinen Standort in Asien nicht verkleinern. Dennoch: Die Neuorientierung findet statt, und es bleibt abzuwarten, in welchen Bahnen sie verläuft.

Produktionsorte

Woher kommen die Produkte, Vorprodukte oder Rohstoffe bzw. wo wird produziert?

  • H&M besitzt keine eigenen Fabriken. Bekleidung und andere Produkte werden von circa 700 eigenständigen Herstellern eingekauft, die hauptsächlich in Asien und Europa produzieren. Die Firmen der Zulieferer produzieren in folgenden Ländern: Bangladesch,Indien, Pakistan, Sri Lanka, China, Hong Kong, Indonesien, Südkorea, Kambodscha, Thailand, Vietnam, Taiwan, Bulgarien, Italien, Litauen, Mauritius, Portugal, Rumänien, Türkei, Griechenland, Polen, Lettland, Tschechien, Ukraine, Ungarn, Serbien, Tunesien, Marokko, Ägypten, Äthopien. Quelle

Ja, vielleicht müsste man dann mal auf die Smartphones und neue Garderobe zu jeder neuen Saison verzichten… oder können wir ohne das nicht überleben? Die Frage ist nicht ob wir armen Europäer abhängig sind vom bösen billigen Asien, sondern ob wir konsumabhängig sind und dafür vieles in Kauf nehmen.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller dringt auf mehr Sicherheit und höhere Löhne für TextilarbeiterInnen in Billiglohnländern, damit die Katastrophe wie im Rana-Plaza-Gebäudes in Bangladesch im Jahr 2013 sich nicht wiederholt. Damit solche Katastrophen nicht mehr vorkommen und die Arbeitsbedingungen von TextilarbeiterInnen in Billiglohnländern insgesamt verbessert werden, startet der deutsche Entwicklungsminister nun ein „Bündnis für nachhaltige Textilien „. Ziel ist es, in der gesamten Produktions- und Handelskette, vom Baumwollfeld bis zum Kleiderbügel, für bessere soziale, ökologische und ökonomische Standards zu sorgen. Wichtige Branchenverbände stiegen kurz vor der Unterzeichnung aus.

Sicherlich eine gute Idee, doch gesetzliche Regelungen von Produktionsbedingungen machen dort Sinn, wo die Ware produziert wird. Nicht, wo sie verkauft wird. Und da hätte die Bundesregierung sicherlich Möglichkeiten, in Bangladesch und anderen Drittweltländern Einfluss zu nehmen. Nur bekommt das dann halt kaum einer in Deutschland mit.

Wie will Entwicklungsminister Gerd Müller erklären, dass Böcke zum Gärtner gemacht werden?

Greenwashing auf Staatskosten.

Im Namen der Entwicklungshilfe: Tue als Konzern‪ GUTES‬ und dann kommt das Geld aus einem Programm des‪ Entwicklungshilfeministeriums‬, mit dem viele Firmen gefördert werden, die vermeintlich Gutes tun.

 Panorama zeigte einen interessanten Bericht, in dem Entwicklungshilfe für Billigproduzenten in Bangladesch gezahlt wurde. Textildiscounter sollten damit Qualitäts- und Sozialstandards verbessern. Auch der Textildiscounter NKD, der auch in dem in Bangladesch eingestürzten Fabrikgebäude Kleidung produzieren ließ, ist von der Bundesregierung mit Steuermitteln bezuschusst worden. Mit dem Geld sollte NKD nach Recherchen des ARD-Magazins „Panorama” in dem asiatischen Land Schulungen durchführen, um die Qualitäts- und Sozialstandards in den Zulieferfirmen zu verbessern. Das Unternehmen erhielt 175 000 Euro vom Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) im Rahmen des Programms develoPPP.de, das die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft organisiert.

Aber auch Tchibo und die GIZ arbeiteten in einem Pilotprojekt von 2007 bis 2012 zusammen. Die GIZ unterstützt im Auftrag des BMZ die Firmen unter anderem als Berater, „Türöffner“, Ko-Finanzier und Projektmanager. Dieses Konzept trifft auf hohes Interesse in der Privatwirtschaft.

INFOBOX

Hier noch Beispiele, wie Greenwashing auf Staatskosten gefördert wird:

‪Bayer‬ hat mindestens 400 000 Euro bekommen, offiziell um Kleinbauern in ‪‎Kenia‬ den Umgang mit Pestiziden beizubringen. Vor Ort sieht alles eher aus wie ein Programm, um Bayer-Pestizide unter die Leute zu bringen. Das Geld fließt vor allem in Läden, die Pestizide an Kleinbauern verkaufen. Bayer macht dort überall Werbung. Die Ladeninhaber werden vom Konzern auf eine Schulung eingeladen.

Nach einer Liste des Ministeriums bekommt Audi rund 950 000 Euro für „die Ausbildung von KFZ-Mechatronikern in China“, BASF rund 1 300 000 Euro für die „Vitamin-Anreicherung von Grundnahrungsmitteln“. TUI 420 000 Euro für „nachhaltige Hotels und Urlaubsziele in Ägypten“.
Die Liste der geförderten Projekte ist lang:

  • TÜV Rheinland: 5 028 878,58 €
    Siemens: 1 289 506,70 €
    Tchibo GmbH: 1 562 800,00 €
    Bayer: 1 112 267,84 €
    Deutsche Telekom: 879 261,00 €
    Volkswagen: 784 610,00 €
    Shell: 673 500,00 €
    Mars Inc: 850 000,00 €
    SAP: 795 900,00 €
    Allianz AG: 475 000,00 €
    Merck KGaA: 707 000,00 €
    Rewe Markt GmbH: 589 700,00 €
    Insgesamt 79 Millionen Euro stellt das Ministerium jährlich zur Verfügung. [Panorama Nr.767 vom 30.05.2013]

Seit dem Einsturz des Rana Plaza-Gebäudes im April 2013 mit mehr als tausend Toten in Bangladesch haben viele der großen Ketten versprochen, auf mehr Sicherheit in den Fabriken zu achten. Unterstützt wurde dies auch von H&M. Die 30-minütige Dokumentation machte eine Reise von Europa über Asien bis nach Afrika und versuchte zu zeigen, was sich hinter den Kulissen der Zulieferer verbirgt. Die Autoren stellten auch die Frage nach der Verantwortung des Auftraggebers H&M. Der allerdings fährt seine altbekannte Strategie weiter: Das Unternehmen bedankt sich für die Recherche-Ergebnisse und verspricht, ihnen nachzugehen. Nun ja, wer weiß, vielleicht bis zum nächsten Skandal. Doch H&M ist nur ein Konzern von vielen, die sich ebenfalls fragen sollten, was falsch läuft.

Wenn wir uns die ganze Textilbranche anschauen und nicht nur hier, dann gilt das auch für Handys und sogar für Lebensmittel. Dann ist es notwendig, einzelne Akteure zur Rechenschaft zu ziehen: profitgierige Geschäftsleute, korrupte Beamten, skrupellose Discounter. Sie alle aber sind letztlich nur Ausdruck dafür, was für alle Akteure ganz selbstverständlich zu sein scheint – so billig wie möglich – das  ist das eigentliche Problem. Wir Verbraucher unterstützen es mit jedem Kauf.

Wir sollten uns schon fragen, ob wir jedes Jahr eine neue Kollektion brauchen. Wollen wir wirklich als die „Geiz-ist-geil-Generation“ in die Geschichte eingehen, mit dem Ergebnis, dass Blut an den Waren klebt, die wir kaufen?

Andererseits müssen die Konzerne sich auch fragen, ob es immer Milliarden Gewinne sein müssen und man nicht doch bessere Kontrollen einführt, damit Näherinnen wie in Asien oder Afrika ein würdevolles Leben führen können? Hinsichtlich der sozialen Engagements wäre es auch sinnvoll, Schulen einzurichten, damit diese Frauen und Mädchen endlich aus ihrem Analphabetismus herauskommen.

Netzfrau Doro Schreier

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