Kein Geld für Bildung! Studenten und Dozenten sind in Hamburg und Schleswig-Holstein für eine bessere Finanzierung der Hochschulen auf die Straße gegangen.
An der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel gehen die Sparmaßnahmen auf Kosten der Lehre. Unter dem Hashtag #UNIohneGeld und #FHohneGeld läuft der Kampf der Studierenden für ihre Uni.
„Zur Zeit habe ich das Gefühl, als müsste ich um jedes Stück Bildung kämpfen, lospreschen und die Erste sein, um mir meinen Anteil an Wissen zu ergattern. Was für Menschen soll denn dieses erzwungene Ellenbogenverhalten hervorbringen?“, so eine Studentin der Geowissenschaft.
Bereits im März berichteten wir, dass allein in Mecklenburg-Vorpommern der reine Sanierungsbedarf auf bis zu 100 Millionen Euro geschätzt wird. Das Problem daran: Die Summe der wichtigsten Sanierungen erhöht sich permanent mit jedem Jahr, in dem nicht saniert wird, um das Doppelte bis Dreifache. Zwischenzeitlich sind es Tausende von Schulen, die bereits den Status der Baufälligkeit erreicht haben. [Dazu unserer Bericht: Bildung – Die Zukunft der Massen!]
Obwohl die Studentenzahlen massiv ansteigen, wird in Hochschulen nicht entsprechend investiert. Seite an Seite haben ca. 2500 Studenten und Hochschulpersonal gestern für mehr Geld in Kiel demonstriert. Am Dienstag demonstrierten bereits 2000 Studierende, Professoren und Hochschulchefs für mehr Geld für die Wissenschaft in Hamburg. Auch hier ist einer der Streitpunkte die bauliche Situation der Hochschulen.
Auf der Website „www.uniohnegeld.de“ schreiben Studierende über ihre Erlebnisse an der Christian-Albrechts-Universität. Es geht unter anderem um ausfallende Vorlesungen aus sicherheitstechnischen Gründen (Überfüllung des Hörsaales) und viele andere skandlöse Zustände.
„In dem Raum (~1000 Plätze) waren alle Plätze belegt und in den Gängen und Türen standen immer noch Leute, die in die Vorlesung wollten. Deswegen entschied sich der Dozent, die Vorlesung aus sicherheitstechnischen Gründen abzubrechen.“ BWL
Mit Transparenten wie „Bildung ist keine Ware“ oder „Ohne Bildung werd ich Terrorist“, nahmen Hunderte Studenten Anfang November den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Greifswald zum Anlass, um für mehr Geld für die Hochschulen zu demonstrieren.
„Bei uns im Studiengang Humanmedizin gibt es im Wintersemester jedes Jahr wesentlich weniger Plätze als Studierende, sodass etwa 40 Studierende das folgende Semester mit dem jetzigen tauschen müssen. Wenn es nicht genügend Freiwillige gibt, werden Studierende „zwangsgetauscht”, wie es mir in diesem Semester ergangen ist. Leider sind die Semester nicht komplett austauschbar, da einige Kurse aufeinander aufbauen, was außerdem heißt, dass sich Veranstaltungen überschneiden. So muss ich oft zwei Vorlesungen zur gleichen Zeit belegen, bzw, da das nicht möglich ist, Klausuren schreiben, ohne in der Vorlesung gesessen zu haben. Das widerspricht meiner Meinung nach eindeutig mit dem Lehrauftrag der Universität! Außerdem wurde ich durch das Semestertauschen für dieses und das folgende Semester aus meiner über drei Jahre erprobten Lerngruppe gerissen, da diese Studierenden das „richtige” Semester studieren dürfen.”, Anonym, Humanmedizin
Besonders empört sind Studenten und Dozenten in Hamburg, dass von den 30 Millionen Euro BAföG-Kosten, welche künftig der Bund übernimmt, kein Cent an die Hochschulen gehen soll.
Auch CAU-Präsident Prof. Lutz Kipp empfindet die finanzielle Notlage und marode Substanz der Gebäude und Räume, als „wahnsinnige Belastung für Lehre und Forschung.“ Zudem bereiten ihm die doppelten Abiturjahrgänge Sorgen, die 2016 an die Hochschule strömen werden. „Wir benötigen sofort 200 zusätzliche Stellen und zwar jetzt und nicht in zwei Jahren,“ forderte Kipp. Er zeigte sich enttäuscht darüber, dass die Landesregierung der Universität von den 36,4 Millionen Euro, die das Land auf Grund der BAföG-Übernahme durch den Bund jährlich spart, keinen Euro zuerkennt. Dennoch: „Es geht nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, dass wir jetzt zusammen mit dem Land eine Lösung finden.“, so der Bericht in der KN.
Es geht auch anders…
Die Bremer Hochschulen können in den kommenden Jahren mit mindestens 190 Millionen Euro vom Bund rechnen. Mit Millionen Fördergeldern sollen auch künftig Hochschulen gestärkt und wissenschaftliche Leistungen unterstützt werden. Die Bremer Uni stieg 2012 in den Kreis der besonders geförderten Hochschulen auf, sie kann sich jetzt erneut bewerben. Quelle
Österreich trägt Bildung zu Grabe
In Österreich wurde das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und universitären Betrieb einfach abgeschafft und gehört nun zum Wirtschaftsministerium. Praktisch, so haben die Konzerne leichtes Spiel, gerade in Bezug auf Bildung, ihren Einfluss zu nehmen. Wissenschaft nun komplett im Rachen der Wirtschaft?
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Die Universitäten sind mittlerweile sowieso schon von Forschungseinrichtungen zu verschulten Produktionsstätten für Facharbeiter mutiert. Da kann man auch gleich die Wirtschaft bestimmen lassen, was die Wissenschaft zu forschen hat. Dass es unter normalen Umständen einen klitzekleinen Interessenskonflikt zwischen dem, was die Wirtschaft will und dem was die Wissenschaft will, geben könnte, ist unklug. Das sahen auch die Studenten so und machten ihrem Ärger Luft. Tausende gingen im Dezember auf die Straße und trugen die Bildung zu Grabe. [Österreich: Großdemo von 30.000 Beamten legen Verkehr in Wien lahm]
Schweizer Hochschulen – Wirtschaftskonzerne und Schweizer Banken
Seit 2006 wird dem Lebensmittelriesen Nestlé im Bereich der Hirnforschung an der bundeseigenen Technischen Hochschule ETH Lausanne (Eidgenössische Technische Hochschule) ein vertraglich zugesichertes Vetorecht auf Forschungsinhalte und die Besetzung von Lehrstühlen eingeräumt. Im Gegenzug dazu finanziert Nestlé der ETH Lausanne mit jährlich zehn Millionen zwei Lehrstühle und mit weiteren zwei bis vier Millionen Schweizer Franken Forschungsprojekte. Da gewisse Nahrungsmittel die Hirnleistung möglicherweise beeinflussen können und dies ein großer Markt für Nestlé wäre, wird deutlich, aus welchem Grund sich der Lebensmittelkonzern in diesen Forschungsbereichen finanziell „engagiert“. [Lesen Sie dazu: „Durchlöchern“ Nestlé und UBS (Universal Bank Schweiz) die Lehr- und Forschungsfreiheit in der Schweiz wie einen Käse?]
Zu wenig Geld fließt in Reparaturarbeiten
Es handelt sich um ein deutschlandweites Problem, die Hochschulgebäude sind größtenteils eine Zumutung für Studenten und Professoren – Geld für Reparaturarbeiten fließt aber viel zu wenig. Mittlerweile ist ein Sanierungsstau in Höhe von Milliarden Euro aufgelaufen. In einigen Uni-Städten müssen Hochschüler und Personal manchmal Schirme aufspannen, um im Seminarraum oder Büro nicht nass zu werden.
Deutschland glänzt mit der „schwarzen Null“ – auf Kosten zusätzlicher Investitionen in Bildung.
Netzfrau Doro Schreier
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