Das ECCHR beschuldigt Nestlé, den Tod des Gewerkschafters Luciano Romero durch Unterlassen von Schutzmaßnahmen mitverursacht zu haben. Romero hatte Todesdrohungen erhalten. Der gewaltsame Tod Romeros war kein Einzelfall. Seit Mitte der 80er Jahre waren fast 3000 Gewerkschafter getötet worden, 13 von ihnen arbeiteten laut ECCHR für Nestlé.
Zahlreiche Schweizer Unternehmen sind direkt oder über Tochterfirmen im Ausland tätig. In der EU existieren recht umfassende Regelungen zu Arbeits- und Umweltrecht oder Konsumentenschutz. So können die Menschenrechte der von Unternehmensaktivitäten betroffenen Bevölkerung garantiert werden. Außerhalb Europas gibt es hingegen oft weniger Schutzmechanismen und schwache staatliche Strukturen verhindern die Umsetzung bestehender Gesetze.
Wie wir Netzfrauen bereits mehrfach berichteten, reichten im März 2012 die Menschenrechtsorganisation «European Center for Constitutional and Human Rights» und die kolumbianische Gewerkschaft Sinaltrainal, in Zug Strafanzeige gegen fünf der (ehemaligen) Manager des Lebensmittelkonzerns Nestlé ein. Gegenstand der Anzeige ist die Rolle des Unternehmens und der Direktoren bei der Ermordung des kolumbianischen Gewerkschaftsführers Luciano Romero im Jahre 2005. Im Mai 2013 hat die Staatsanwaltschaft Waadt, an die das Verfahren weitergereicht worden war, in einer sogenannten „Nichtanhandnahmeverfügung“ entschieden, keine Ermittlungen einzuleiten. Das Waadtländer Kantonsgericht überprüfte Anfang Dezember 2013 diese Entscheidung und wies die Klage gegen Nestlé ab. [Siehe: Menschenrechtsverletzungen: Klage gegen Nestlé abgewiesen]
Im August 2014 hat das Schweizer Bundesgericht eine Klage gegen den Nahrungsmittelkonzern Nestlé im Zusammenhang mit der Tötung des kolumbianischen Gewerkschafters Luciano Romero Molina abgelehnt. „Es muss eine Möglichkeit geben, die strafrechtliche Verantwortung eines transnationalen Unternehmens wie Nestlé festzustellen,“ sagte daraufhin Leonardo Jaimes, der die Familie des Opfers vor Gericht vertritt.
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Nun soll der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) klären, ob die Schweizer Justiz die Verantwortlichkeit des Konzerns Nestlé für die Tötung eines kolumbianischen Gewerkschafters ausreichend ermittelt hat. In der Schweiz waren alle Klagen gegen Nestlé abgewiesen worden.
Romero hatte bis Sommer 2002 in der Milchverarbeitungsfabrik Nestlés Cicolac in Valledupar gearbeitet und vertrat die Arbeitnehmerschaft als Gewerkschafter. Im September 2005 wurde er in Valledupar im Nordosten Kolumbiens von Paramilitärs entführt, zu Tode gefoltert und mit 50 Messerstichen ermordet.
Die Ermordung geschah nur einen Tag vor der geplanten Abreise von Luciano Romero in die Schweiz, wo er in einer öffentlich Anhörung gegen Nestlé aussagen sollte. Dabei ging es um den Vorwurf, dass Nestlé in seinen kolumbianischen Produktionsstätten zahlreiche Arbeitsschutzrechte verletzt.
Erhärtet wurden die Vorwürfe durch Aussagen eines der wegen des Mordes verurteilten Paramilitärs vor einem kolumbianischen Gericht. Dieser sagte aus, mehrere Firmen, darunter die Nestlé-Tochter Sicolac, hätten seine Gruppe für die Tötung Romeros bezahlt.
Die an der Ermordung beteiligten Paramilitärs wurden zwei Jahre später in Kolumbien festgenommen und verurteilt. In seinem Urteilsspruch kam der verantwortliche Richter zu dem Schluss, dass die Paramilitärs unmöglich auf eigene Rechnung gehandelt haben können. Er ordnete deswegen an, dass die Staatsanwaltschaft führende Nestlé-Manager zu ihrer möglichen Beteiligung oder Vorbereitung der Ermordung des Gewerkschaftsführers Luciano Enrique Molina verhören soll. Dieser Anordnung ist die kolumbianische Staatsanwaltschaft bis heute nicht nachgekommen.
Beschwerde gegen Schweizer Justiz wegen Nestlé-Skandal
Am Mittwoch, dem 17. Dezember 2014 reichte ECCHR im Namen der Witwe des kolumbianischen Nestlé-Arbeiters Luciano Romero, eine Beschwerde gegen die Schweizer Justiz beim Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ein. Die Entscheidung wurde getroffen, nachdem alle juristischen Wege für die Aufklärung der Verantwortung hochrangiger Nestlé-Manager und des Unternehmens als solche, bei der Ermordung Romeros erfolglos ausgeschöpft worden waren.
Der Fall Luciano Romero als ein Beispiel der systematischen Verfolgung von Gewerkschaftern in Kolumbien liegt zudem dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag vor. In kolumbianischen Strafverfahren wurde die Tat ebenfalls als Verbrechen gegen die Menschlichkeit qualifiziert. [Mehr Infos finden Sie hier: Beschwerde gegen die Schweiz vor dem EGMR]
Netzfrau Doro Schreier
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