Obst, Gemüse und Tiere auf PFC untersucht
„Welche Gifte schlummern in Wasser und Boden und was nehmen wir über das Trinkwasser und die Nahrung eigentlich auf?“ Das fragen sich seit geraumer Zeit immer mehr Bürger aus dem Landkreis Rastatt / Baden-Baden in Deutschlands Südwesten. Ein Skandal zieht seine Kreise und die bisherigen Erkenntnisse und Messwerte tragen nicht wirklich zur Beruhigung bei.
Wir Netzfrauen berichteten bereits über den PFC-Skandal im Landkreis Rastatt. Dort waren PFT (perfluorierte Tenside) im Grundwasser gefunden worden, die sich langsam auf einen Trinkwasserbrunnen der Stadt Rastatt zubewegen. Außerdem wurde ein mit PFC-haltigen Papierschlämmen versetzter Dünger auf die Felder aufgebracht. Siehe auch PFC – Handfester Umweltskandal im Badischen?
Rund 40 Hektar Ackerland sind nachweislich mit PFC verseucht, Hochrechnungen halten auch 400 Hektar für möglich und eine PFC-Fahne bewegt sich mit dem Grundwasser auf den Trinkwasserbrunnen zu, der die Stadt Rastatt im Badischen mit Trinkwasser versorgt.
Per- und polyfluorierte Tenside (PFT) sind künstlich hergestellte Verbindungen, die seit den 60er Jahren weit verbreitet sind und in der Natur kaum abgebaut werden können. Sie sind fett-, wasser- und schmutzabweisend und werden zum Beispiel in wasserabweisenden Textilien oder in Nässeschutzprodukten bei der Schuhpflege verwendet. Man findet sie bei der Herstellung von Teflon oder auch bei der Papier- und Pappe-Herstellung. Und eben auch in Boden und Wasser im Landkreis Rastatt/Baden-Baden, in völlig unterschiedlichen Konzentrationen an den unterschiedlichsten Stellen und Bodentiefen. Mensch und Tier nehmen die PFCs über das Trinkwasser, die Nahrung oder durch Einatmen auf, die Stoffe sind akut wenig giftig, aber es gibt Hinweise auf chronische Effekte in hohen Dosen.
Das Landratsamt weist auf fehlende Grenzwerte und ausstehende Untersuchungsergebnisse hin, „die wichtigste Botschaft lautet, dass es keine konkrete Gefährdung für die Gesundheit gibt“, heißt es von Seiten des Amtes. Was ja nicht wirklich beruhigend ist, denn was soll das „konkret“ bedeuten? Sogar der Landrat des Landkreises Rastatt bezeichnet die Situation als „beunruhigend“. Die Chemikalie sei kürzlich auch in Lebensmitteln gefunden worden, allerdings in äußerst geringer Konzentration. Gesetzlich festgelegte Grenzwerte gebe es nicht. So sei die Gefahr, die von den abgewandelten Kohlenwasserstoffen in den Böden und im Grundwasser ausgehe, nur schwer einschätzbar. Karsten Mußler, Bürgermeister der ebenfalls von PFC-belasteten Trinkwasser betroffenen Stadt Kuppenheim, kritisiert unter anderem die schleppende Aufarbeitung und hat sein Unverständnis darüber geäußert, dass nach wie vor auf den landwirtschaftlichen Feldern Materialien ausgebracht werden dürfen und zur Beregnung PFC-belastete Brunnen eingesetzt werden.
Seit Wochen berät eine Arbeitsgruppe im zuständigen Ministerium darüber, ob die Ausbringung von Materialien auf den landwirtschaftlichen Böden verboten oder begrenzt werden kann. Und was ist mit Spätfolgen? Der Vorsitzende des NABU-Kreisverbandes Rastatt, Wolfgang Huber, warnt vor der schleichenden Gefahr für die Bevölkerung, zusätzliche Krebstote würden statistisch gesehen nicht unbedingt ins Gewicht fallen und erfahrungsgemäß sei eine Kausalität schwer nachzuweisen.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Verursacher der Verseuchung noch nicht sicher bekannt. Eine Kompostfirma aus dem Raum soll angeblich mehrere tausend Tonnen eines unzulässigen Papierschlamm-Kompost-Mixes an die Bauern abgegeben haben, die sie auf den Äckern verteilten, das Landratsamt geht mittlerweile juristisch gegen die Firma vor. Gleichzeitig steht seit Neuestem aber auch der Vorwurf im Raum, der ehemalige Militärflughafen in Rheinmünster-Söllingen sei schuld. Das Flugbenzin der kanadischen Militärjets, die bis vor einigen Jahren dort stationiert waren, solle die Quelle der Verseuchung sein.
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Zu einer Informationsveranstaltung des Landratsamtes Rastatt kamen Ende November mehr als 250 Leute, um die verschiedenen Ausführungen der Ressortleiter aus dem Landratsamt, vom Regierungspräsidium Karlsruhe und des Rastatter Bürgermeisters zu hören. Sie dauerte drei Stunden und knapp zwei Stunden wurde man mit Fakten „bombardiert“, die allerdings tatsächlich auf dem neuesten Stand waren. Trotzdem war das Fazit leider immer noch: Was Genaues kann man nicht sagen, seit Sommer 2013 ist die Verseuchung mit PFC bekannt und seitdem sammelt man die Fakten, um sinnvoll reagieren zu können.
Zusammengefasst lässt sich sagen:
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das öffentliche Trinkwasser ist nicht (mehr) in besorgniserregendem Maße belastet, betroffene Brunnen wurden abgeschaltet.
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Etwas anders sieht es bei den Eigenwasserversorgern im Raum aus, deren Brunnen punktuell tatsächlich stärker mit PFC belastet sind. In solchen Fällen kann das Wasser eventuell mit Aktivkohlefiltern aufbereitet werden, mit denen das PFC gebunden werden kann, die Filter müssen regelmäßig gewechselt und dann entsorgt werden. Dieses Vorgehen zeigt auch Erfolge, ist aber im großen Maßstab momentan leider noch nicht praktikabel. Für die großen Trinkwasserversorger laufen derzeit Untersuchungen zur Aufbereitung in Zusammenarbeit mit dem Technologiezentrum Karlsruhe.
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die Behörden ziehen Bodenproben in verschiedener Tiefe (30 cm und 60 cm), je tiefer man kommt, desto geringer ist die PFC-Belastung
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die belasteten Böden bilden ein Mosaik ohne erkennbares System, was wohl tatsächlich eher auf die Verunreinigung durch Kompost hinweist als auf Flugbenzin
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Feldfrüchte nehmen die PFCs in unterschiedlichem Maße auf, hochbelastete Felder sind nicht zwangsläufig auch mit hochbelasteten Feldfrüchten korreliert. Bislang liegen Ergebnisse von 51 Proben vor, davon waren 20 Standorte ohne Befund, bei acht Standorten lagen die PFC-Summenwerte zwischen 0 bis <6μg/kg und an fünf Standorten waren sie größer als 50μg/kg, um nur ein paar zu nennen. Spargel, Erdbeeren, Gemüse und Salate zeigten keine bzw. nur eine geringe PFC-Aufnahme, bei Mais, Getreide und Gründüngung gab es ebenfalls an einigen Standorten eine geringe PFC-Aufnahme, kurzkettige PFC-Verbindungen werden offensichtlich eher aufgenommen als langkettige.
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Die Veterinärbehörden untersuchten 61 tierische Lebensmittel und 32 pflanzliche Lebensmittel, bei Wildschweinen beispielsweise ist das Fleisch unbedenklich, während die Innereien belastet sind und aus dem Verkehr gezogen wurden. Neu war bei den Untersuchungen, dass die kurzkettigen PFC ganz offensichtlich stärker aufgenommen werden als bisher gedacht – da dieser Nachweis aber neu ist, wurden demzufolge früher auch noch keine toxikologischen Untersuchungen gemacht.
Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) wurden von den Behörden eingeschaltet und man wartet nun auf deren Bewertungen. Die Behörden arbeiten bundeslandübergreifend zusammen. Es gibt Pilotstudien zu den Transportvorgängen von PFC im Boden und Pilotstudien zu Grundwasseraufbereitungsanlagen für PFC. Ein Umweltingenieurbüro wurde mittlerweile mit Planungen zur Sanierung beauftragt.
Es ist zu wünschen, dass man bald Lösungsansätze finden möge, die die Bevölkerung zufrieden stellen und beruhigen.
Weiterführende Links:
PFC gefährden Trinkwasser im Landkreis Rastatt
PFC – Handfester Umweltskandal im Badischen?
http://www.landkreis-rastatt.de/servlet/PB/menu/2106666_l1/index.html
http://www.goodnews4.de/nachrichten/daily-news/item/rastatter-landratsamt-moechte-sich-absichern
Netzfrau Jutta P. Klatt
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