Die „Risikogesellschaft“ – das Buch wurde in 35 Sprachen übersetzt und zu einer der 20 wichtigsten soziologischen Studien des 20. Jahrhunderts gewählt – war der wichtigste Begriff, den Beck prägte.
Ulrich Beck war einer der meistrezipierten deutschen Soziologen der Gegenwart. Er hat den Begriff Risikogesellschaft geprägt und war Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, an der London School of Economics and Political Science und an der FMSH in Paris.
Als Mitglied der Ethikkommission der deutschen Bundesregierung für eine sichere Energieversorgung warnte Ulrich Beck davor, dass Katastrophen wie die in Fukushima zu einer Erosion des Demokratieverständnisses führen könnten: „Die Politik hat sich durch die Zustimmung zur Kernenergie an das Schicksal dieser Technologie gebunden. Mit dem Eintritt des Unvorstellbaren geht das Vertrauen der Bürger gegenüber den Politikern verloren.
„In Fukushima ist auch der Sicherheitsmythos verglüht.“ Ulrich Beck
Die atomare Katastrophe als Chance? „Die Katastrophe in Japan ermöglicht es, weltweit neu über Kernenergie nachzudenken. Sie erzwingt sogar diese Möglichkeit und eröffnet Handlungschancen für eine alternative Energiepolitik. Insofern bieten Risiken auch Perspektiven für neue Wege in eine andere Moderne“, Ulrich Beck in einem Interview mit der Taz vom 01. 04. 2011 zu dem Thema: über Atomrisiken – „Wir sind zum Labor geworden“
25 Jahre nach Tschernobyl sollen Sie in einer Ethik-Kommission die Risiken der Atomkraft bewerten. Muss der einzige Rat nicht lauten: „Sofort aussteigen aus der Kernenergie“?
„Wer in diesem Land aufmerksam gelebt hat, wird an diese Diskussion über Kernenergie nicht mehr jungfräulich herangehen können. Auch die Argumente liegen auf dem Tisch. Ich erwarte von dieser Kommission keine neuen Einsichten. Was sie leisten kann, ist, die verfügbaren Argumente so zu präsentieren, dass ein Ausstieg aus der Kernenergie mit einem größeren Konsens über die Parteien hinweg möglich erscheint. In Deutschland ist das ein relativ leichtes Spiel. Ganz anders in allen anderen Ländern. Da die Gefahren der Kernenergie keine Grenzen kennen, sollte der Ehrgeiz der Kommission sein, dass ihre Ergebnisse auch internationaler Kritik standhalten“, Ulrich Beck weiter in dem Interview.
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Die Ethikkommission empfahl im Mai 2011 der Regierung einen Atomausstieg innerhalb von zehn Jahren. Dies teilte nach Ende der Abschlusssitzung das Mitglied der Ethik-Kommission, Ulrich Beck, mit. Der Bericht des „Rats der Weisen“ war für die Regierung eine wichtige Basis für ihre Entscheidung zum Atomausstieg. Die Empfehlung besagte, dass bis spätestens 2021 der letzte der derzeit noch 17 Meiler abgeschaltet werden soll. Der Ausstiegszeitraum von zehn Jahren könne verkürzt werden, wenn man zügige Fortschritte bei der Energiewende mache, erklärte die Kommission.
Empört euch, Europäer
Von Beck, Ulrich im Spiegel vom 22. 08. 2011
Zusammen gewinnen oder einzeln verlieren. Von Ulrich Beck
Die deutsche Europapolitik steht vor einer Wende, die so bedeutsam ist wie die der deutschen Ostpolitik Anfang der siebziger Jahre. Die Losung von damals, „Wandel durch Annäherung“, könnte heute lauten: „Mehr Gerechtigkeit durch mehr Europa“. (…)
Wie kann Europa sich dabei behaupten? Paradoxerweise ist der Erfolg der Europäischen Union zugleich eines ihrer größten Hemmnisse. Viele ihrer Errungenschaften sind den Menschen so selbstverständlich geworden, dass sie diese vielleicht erst dann bemerken würden, wenn sie nicht mehr existierten. Man stelle sich vor, Passkontrollen an Grenzen würden wieder eingeführt, es gäbe keine verlässlichen Lebensmittelvorschriften an allen Orten, keine Meinungs- und Pressefreiheit nach den gleichen Standards (gegen die Ungarn heute verstößt und sich deswegen dem strengen Blick aussetzt); nicht nur bei Reisen nach Budapest, Kopenhagen oder Prag, sondern auch nach Paris, Madrid und Rom müsste man Geld umtauschen und sich Wechselkurse merken. Die „Heimat Europa“ ist uns zur zweiten Natur geworden, und gerade das könnte ein Grund sein, sie leichtfertig aufs Spiel zu setzen.
Es geht darum, die Realität zu erkennen und anzuerkennen, dass Deutschland ein Teil der Schicksalsgemeinschaft Europa geworden ist, und zwar in dem Sinne, wie Willy Brandt es während der ersten Sitzung des gesamtdeutschen Bundestags sagte: „Deutsch und europäisch gehören jetzt und hoffentlich für alle Zukunft zusammen.“
Ulrich Beck – Im Dialog vom 17. 02. 2013
Ulrich Beck im Gespräch mit transcript – veröffentlicht am 18.09.2012 http://www.futures-of-modernity.de/
Liebe in Zeiten der Globalisierung
Gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth Beck-Gernsheim, ebenfalls Soziologin, veröffentlichte Ulrich Beck vor zwei Jahren das Buch „Fernliebe“: Darin untersuchen die Wissenschaftler alle Arten von Fernbeziehungen: Von Skype-Pärchen bis zu Ehen, bei denen die Partner in verschiedenen Kontinenten leben. Ihr Befund: in Zeiten, in denen Menschen immer flexibler werden, wird auch die Fernliebe eine immer öfter gelebte Beziehungsform.
Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim, die Autoren des Bestsellers Das ganz normale Chaos der Liebe, untersuchen in ihrem Buch alle Arten von Fernbeziehungen, von Kontinente und Kulturen verbindenden Ehen, Skype-gestützten Liebesbeziehungen, Chatroom-Tragödien, globalisierten Dienstmädchen, indischen Leihmüttern, äthiopischen Arbeitsmigranten (und von vielen mehr). Ihr Befund: Familien sind nicht mehr länger Territorial-, sondern Weltfamilien. Ob die Liebenden oder Familienmitglieder es wollen oder nicht, sie werden im Binnenraum des eigenen Lebens mit der Welt konfrontiert. So gewinnen in den Liebesbeziehungen die Gegensätze zwischen Erster und Dritter Welt reale Gestalt, sie nehmen Gesichter und Namen an. Hier treffen die Verschiedenheiten der Sprachen, der Vergangenheiten, der rechtlichen und politischen Ordnungen aufeinander. Zur Inhaltsangabe des Buches: Fernliebe – Lebensformen im globalen Zeitalter
Ulrich Beck ist im Alter von 70 Jahren am 1. Januar den Folgen eines Herzinfarkts erlegen. Das teilte seine Familie der Süddeutschen Zeitung mit. Ulrich Beck wurden mehrere Ehrendoktorwürden europäischer Universitäten und zahlreiche Preise verliehen. Erst im vergangenen Sommer wurde er auf dem Weltkongress für Soziologie in Yokohama für sein Lebenswerk ausgezeichnet.
„Arm an geschichtlichen Katastrophen war dieses Jahrhundert wahrlich nicht: zwei Weltkriege, Auschwitz, Nagasaki, dann Harrisburg und Bhopal, nun Tschernobyl. Das zwingt zur Behutsamkeit der Wortwahl und schärft den Blick für die historischen Besonderheiten. Alles Leid, alle Not, alle Gewalt, die Menschen Menschen zugefügt haben, kannte bisher nur die Kategorien der ›anderen‹ – Juden, Schwarze, Frauen, Asylanten, Dissidenten, Kommunisten usw.“ aus „Risikogesellschaft – Auf dem Weg in eine andere Moderne“
Mit ihm geht ein wichtiger Soziologe der deutschen Gesellschaft verloren.
Danke, Ulrich Beck, für Ihre Werke und für den Atomausstieg in Deutschland.
Stellvertretend für alle Netzfrauen Doro Schreier