Bis zum Ende dieses Jahres sollen die TTIP-Verhandlungen zwischen Europa und USA abgeschlossen werden, doch die Kritik am Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA nimmt derart zu, dass nicht nur der Zeitplan, sondern das ganze Abkommen in Frage steht. Was wir begrüßen würden. Gründe dafür gibt es reichlich, dazu später mehr.
Die Europäische Kommission veröffentlichte am Mittwoch erste Verhandlungsdokumente zur geplanten Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) mit den USA.
In den Teilen „Regulatorische Kooperation“ und „Regelungen“ sind bei insgesamt acht Themen jeweils Textvorschläge der EU veröffentlicht, die die EU-Kommission den US-Verhandlungspartnern übermittelt hat. Sie erfassen die Bereiche technische Handelshemmnisse, Lebensmittelsicherheit, Tier- und Pflanzengesundheit, Zoll und Handelserleichterungen, kleine und mittlere Unternehmen, Wettbewerb sowie zwischenstaatliche Streitbeilegung (Government-Government Dispute Settlement, nicht zu verwechseln mit dem Investor-State Dispute Settlement). Ferner sind für eine Reihe von Themen, z. B. Chemikalien, Kosmetika, Arzneimittel usw. EU-Positionspapiere veröffentlicht, die die Verhandlungsziele beinhalten, die die EU in einem Segment erreichen möchte.
Zu den veröffentlichten Texten geht es hier (englisch).
Der Text des Verhandlungsmandats in deutscher Sprache hier.
Auf der Webseite der Kommission finden Sie ausführliche Informationen zu TTIP.
Die von der EU-Kommission gestartete “Transparenz-Initiative”, bei der eine Reihe von Dokumenten der EU-Verhandler veröffentlicht wurden, deckt das Themenfeld bei weitem nicht ab. Zwar behauptet die Kommission, dass der europäische Datenschutz nicht von TTIP berührt werde, aber hier widerspricht sogar das Bundeswirtschaftsministerium: “Fragen des Datenschutzes beim Dienstleistungshandel, bei E-Commerce oder im IKT-Bereich werden mit dem Ziel einer gemeinsamen Verständigung angesprochen”. Die US-Regierung will Handelsabkommen wie TTIP und TiSA nutzen, um den europäischen Datenschutz zu untergraben, wie durch die TiSA-Leaks im Dezember 2014 bestätigt wurde. Auch wurde bisher kein Entwurf des Kapitels zu E-Commerce veröffentlicht, sodass niemand die Behauptung der Kommission prüfen kann – nicht einmal als federführend zuständiger Abgeordneter kann Jan Philipp Albrecht diese Dokumente einsehen. Siehe dazu: Stellungnahme zu Grundrechten und Transparenz bei TTIP vorgelegt
Gabriels TTIP-Berater fühlen sich übergangen
Dass Wirtschaftsminister Gabriel fast nur die Vorzüge von TTIP und Ceta betont, sorgt für Ärger bei Experten, die er selbst berufen hat. Ende Mai 2014 hatte Gabriel den TTIP-Beirat einberufen. Diese ärgern sich über dessen jüngsten Äußerungen zu den geplanten derzeit in der öffentlichen Diskussion stehenden transatlantischen Freihandelsabkommen CETA und TTIP. In einem Brandbrief äußern sie sich irritiert, denn Gabriel sei offenbar der Meinung, dass auch Deutschland den hoch umstrittenen Verträgen zustimmen müsse, wenn das die anderen europäischen Mitgliedstaaten täten.
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Wörtlich: “Eine solch apodiktische Haltung löst bei uns die Frage aus, welche Funktion ein TTIP-Beirat hat, wenn die Bundesregierung entweder sich den Entscheidungen der anderen Mitgliedstaaten anschließt oder aber in ihrer Haltung bereits festgelegt ist”, berichtete das Handelsblatt (Online-Ausgabe).
Dem TTIP-Beirat gehören 22 Vertreter von Gewerkschaften, Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden sowie des Kulturbereichs an. Das Gremium berät über die fortlaufenden Verhandlungen zur geplanten Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft und soll laut Bundeswirtschaftsministerium „zur deutschen Positionierung beim TTIP-Abkommen beitragen“.
Die Mitglieder des TTIP-Beirats:
- Anton F. Börner, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) e. V.
- Frank Bsirske, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di
- Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) e. V.
- Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)
- Prof. Christian Höppner, Präsident des Deutschen Kulturrates e. V.
- Stefan Körzell, Mitglied des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes
- Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) e. V.
- Dr. Ulrich Maly, Präsident des Deutschen Städtetages
- Reinhard Kardinal Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
- Prof. Dr. Edda Müller, Vorsitzende von Transparency International Deutschland e. V.
- Klaus Müller, Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) e. V.
- Prof. Dr. Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)
- Heinrich Riethmüller, Vorstand des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels
- Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes e. V.
- Dr. h.c. Nikolaus Schneider, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) e. V.
- Dr. Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) e. V.
- Wolfgang Stadler, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V.
- Prof. Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste
- Prof. Dr. Hartmut Vogtmann, Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR) e. V.
- Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e. V.
- Detlef Wetzel, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Metall
- Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) e. V.
TTIP darf hohes Schutzniveau der deutschen geschützten geografischen Angaben nicht schwächen
Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) meldet sich heute zu Wort.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) spricht sich für einen umfassenden und gleichwertigen Schutz der deutschen geschützten geografischen Angaben im internationalen Handel aus. Handelsabkommen wie die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft z. B. haben eine Signalwirkung im zunehmenden globalen Wettbewerb am Lebensmittelmarkt.
Deswegen muss die Politik die für den Export bedeutenden geschützten regionalen Produkte in TTIP berücksichtigen und sie als Differenzierungsmerkmale gegenüber Wettbewerbern stärken. Für die überwiegend kleinen und mittelständischen Hersteller dieser geschützten regionalen Lebensmittel erschwert oder verhindert ein unzureichender Schutz in Absatzmärkten außerhalb der EU den Marktzugang. Exportchancen fallen weg. Deutsche Spezialitäten sind weltweit zunehmend beliebt, im Lebensmittelexportgeschäft bieten sich hier wichtige Wachstumspotentiale. Durch geschützte geografische Angaben sollen Produktbezeichnungen gegen Missbrauch und Nachahmung geschützt und die Verbraucher über die besonderen Produktmerkmale informiert werden. „Wir wollen keine Original Nürnberger Rostbratwürstchen aus Kentucky“, so Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer. Macht die EU in ihren Handelsabkommen Unterschiede, gefährdet dies stets den höchsten Schutz sowie die Rechtslage und Verhandlungsbasis gegenüber anderen Handelspartnern.
Mehr Informationen:
Das Freihandelsabkommen (TTIP) – eine Katastrophe auch für das Gesundheitswesen?
Freihandelsabkommen und der Filz
Freihandelsabkommen TTIP: NAFTA, CAFTA…und deren Folgen
TTIP- Der Ausverkauf der Bildung
Freihandelsabkommen – Alle unter einer Decke mit Monsanto und Co.
TTIP: EU-Bankenlobby will harte US-Finanzmarktregeln aushebeln
Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA – mal ehrlich, wollen wir Europäer das? Hormonfleisch – geklonte Tiere – Gen-Lebensmittel – Chlorhühner – aufgeweichte Kennzeichnungspflicht und vieles mehr?
Die EU ist kurz davor, ein Handelsabkommen zu besiegeln, das Firmen dazu befähigt, unsere Regierungen wegen Gesetzen zu verklagen, die Unternehmen den Vorrang vor Bürgern geben.
Kein Freihandelsabkommen mit den USA, Schluss mit den Geheimverhandlungen! Wir fordern Demokratie und Transparenz!
Stoppt diesen Wahnsinn! Erst der Mensch und dann der Markt, die Welt gehört uns allen!
Netzfrau Doro Schreier
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