Wenig beachtet von der Weltöffentlichkeit spielt sich seit Jahrzehnten im Nigerdelta die vielleicht größte Umweltkatastrophe auf dem afrikanischen Kontinent ab: Die Ölförderung zerstört die Natur und die Lebensgrundlagen der Bevölkerung.
In Nigeria, einem der weltweit größten Erdölproduzenten der Welt, hat die Ölförderung des niederländisch-britischen Ölkonzerns Royal Dutch Shell seit den späten 50-er Jahren ganze Natur- und Lebensräume zerstört und das Land in Armut zurückgelassen.
Jetzt endlich zahlt Shell £ 55 Millionen an Wiedergutmachung für die Ölkatastrophe im Niger-Delta
Die lange überfällige Ausgleichszahlung des Ölgiganten Shell für die verheerende Ölverschmutzung des Niger-Deltas ist ein wichtiger Sieg für die Opfer von fahrlässig handelnden Unternehmen, erklärten Amnesty International und das Zentrum für Umwelt, Menschenrechte und Entwicklung (CEHRD).
Sechs Jahre nach den beiden Ölkatastrophen, die die Lebensgrundlagen von Tausenden im Bodo-Gebiet vernichtet hatten, hat ein in Großbritannien anhängiges Gerichtsverfahren den Shell-Konzern dazu bewegt, im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung £ 55 Millionen (britische Pfund) Schadenersatz an die betroffene Gemeinde zu zahlen. Der Betrag von £ 55 Millionen wird aufgesplittet in £ 35 Millionen für die 15 600 Einzelpersonen und £ 20 Millionen für die Gemeinde.
„Auch wenn die Auszahlung des Geldes einen lang ersehnten Sieg für die vielen tausend Menschen darstellt, die ihre Lebensgrundlage in Bodo verloren haben, hätte es nicht sechs lange Jahre dauern müssen, bis eine halbwegs faire Entschädigung erfolgt,” sagt Audrey Gaughran, Leiterin Globale Themen bei Amnesty International.
„Schließlich wusste Shell, dass ein solcher Unfall in Bodo irgendwann geschehen würde. Trotzdem ergriff man keine geeigneten Maßnahmen, um dies zu verhindern. Dann wurden falsche Angaben über das Ausmaß der Ölkatastrophe gemacht. Wäre Shell nicht im Rahmen des Gerichtsverfahrens in Großbritannien dazu gezwungen worden, diese Informationen aufzudecken, wären die Menschen in Bodo komplett betrogen worden.”
Die lange Wartezeit hat die Einwohner von Bodo schwer belastet. Für die meisten, viele von ihnen Fischer/Fischzüchter und Bauern, wurde durch die Ölkatastrophe ihre Lebensgrundlage vernichtet. Während der ganzen Zeit mussten sie mit der fortdauernden Verunreinigung leben. Ohne jede Entschädigung erfuhren viele bittere Armut.
„Die Kompensationszahlung ist für die Menschen in Bodo ein Schritt in Richtung Gerechtigkeit, der jedoch erst dann genüge getan sein wird, wenn Shell die schwerstens verunreinigten Flüsse, Bäche und Sümpfe gründlich reinigt, sodass diejenigen, die vom Fischfang, der Fischzucht und von der Landwirtschaft lebten, ihren Lebensunterhalt auch wieder damit bestreiten können,” so Styvn Obodoekwe, Programmdirektor beim Zentrum für Umwelt, Menschenrechte und Entwicklung (CEHRD).
„Ich bin sehr glücklich darüber, dass Shell nun endlich die Verantwortung für das eigene Handeln übernommen hat”, sagt Pastor Christian Kpandei, ein Fischzüchter aus Bodo, dessen Fischfarm durch die Ölkatastrophe zerstört wurde. „Ich bedanke mich bei den Rechtsanwälten, die Shell zu diesem beispiellosen Schritt gezwungen haben.”
Shell hatte immer zugegeben, dass die beiden im Jahre 2008 in Bodo geschehenen Ölverschmutzungen auf Mängeln an den Pipelines des Unternehmens in Bodo zurückzuführen waren, öffentlich aber behauptet, und zwar wiederholt, dass das Volumen des ausgetretenen Öls bei beiden Vorfällen zusammen nur in etwa 4000 Barrel betragen haben soll, obwohl wochenlang Öl aus den Lecks geflossen war.
Im Jahre 2012 kalkulierte Amnesty International auf der Basis einer unabhängigen Einschätzung von aufgenommenem Videomaterial während der ersten Ölkatastrophe, dass die Gesamtmenge des ausgetretenen Öls allein in diesem ersten Fall 100 000 Barrel überschreitet.
Während des Gerichtsverfahrens in Großbritannien musste Shell schlussendlich zugeben, dass seine Zahlen falsch waren und das Unternehmen den Umfang des Ölaustritts in Bodo in beiden Fällen unterschätzt hatte. Shell hat jedoch bis heute nicht bestätigt, wie viel Öl seinerzeit tatsächlich ausgetreten ist.
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Im Laufe der Gerichtsverhandlung musste Shell außerdem zugeben, dass man im Unternehmen spätestens seit 2002 darüber Bescheid wusste, dass die meisten der Pipelines alt waren und manche Sektionen „erhebliche Risiken und Gefahren“ darstellten. In einem Dokument von Shell aus dem Jahr 2002 steht, dass der vollständige Austausch der Pipelines auf Grund von umfangreicher Rostbildung erforderlich ist.
So weit Amnesty International und CEHRD bekannt ist, unternahm Shell nichts, obwohl diese Information bereits Jahre vor dem in Bodo aufgetretenen Lecks vorlag. Eine interne E-Mail bei Shell aus dem Jahr 2009 legt offen, dass man bei Shell Kenntnis davon hatte, über Lecks in Ogoniland – Bodo liegt in diesem Gebiet – informiert worden zu sein. Die E-Mail lautete: „Die Pipelines in Ogoniland sind seit über 15 Jahren nicht ordentlich gewartet oder vollständig überprüft worden.“
Tausende Menschen sind weiterhin dem hohen Risiko von zukünftigen Ölkatastrophen ausgesetzt, weil Shell seine alten, verrotteten Pipelines nicht in Ordnung bringt.
„Die Ölverschmutzung im Niger-Delta ist einer der größten Firmenskandale unserer Zeit. Shell muss eine angemessene Entschädigung zahlen, die Schweinerei beseitigen und die Pipelines sicherer machen und nicht stattdessen eine raffinierte PR-Kampagne fahren, um sich vor jeglicher Verantwortung zu drücken”, sagt Audrey Gaughran.
Hintergrund
2008 gab es in Bodo im Niger-Delta zwei Ölkatastrophen, die erste im August und die zweite im Dezember. Seitdem engagieren sich Amnesty International und CEHRD dafür, dass die Gemeinde Entschädigungen erhält und die Verunreinigung beseitigt wird.
2011 reichten die Menschen von Bodo, vertreten durch die englische Anwaltskanzlei Leigh Day, vor einem Gericht in Großbritannien Klage gegen die Shell Petroleum Development Company of Nigeria ein.
Jedes Jahr gibt es Hunderte von Ölverunreinigungen, die durch Lecks in Pipelines von Shell verursacht werden.
Shell macht wiederholt illegale Aktivitäten im Niger-Delta für die meisten der Ölverschmutzungen verantwortlich – diese Anschuldigungen wurden jedoch durch die Nachforschungen von Amnesty International und CEHRD widerlegt.
Wir haben diesen Text für Sie übersetzt. Der Originalbericht erschien bei Amnesty International USA
Zusatzinformation
Es ist ein catch-me-if-you-can Spiel, das die Ölkonzerne treiben. Wir sehen es auch an dem Fall Chevron. Chevron versucht, wo immer möglich, den Ecuadorianern den Zugang zu Gerichten zu versperren. Mit einer Armee von mehr als 2000 Anwälten werden die Ecuadorianer in sieben verschiedenen Ländern gleichzeitig rechtlich attackiert, Chevron nutzt dabei jede Facette der Gerichtssysteme aus und geht gegen nahezu jeden wissenschaftlichen Experten, NGO, Anwalt und Förderer vor, die die Gemeinden je unterstützt haben. Auch hier geht es um eine Ölkatastrophe. Der Fall wurde erstmals 1993 in New York vor Gericht gebracht. Lesen Sie dazu Unglaublich! Chevron fordert Gesetzesänderung von Kanada, um die Beschlagnahme von Vermögenswerten durch Ecuador zu verhindern – Epic Chevron Battle Lands in Canadian Court
Nigeria: Long-awaited victory as Shell finally pays out £55 million over Niger Delta oil spills
Oil giant Shell’s long-overdue compensation pay out to a community devastated by oil spills in the Niger Delta is an important victory for the victims of corporate negligence, said Amnesty International and the Centre for Environment, Human Rights and Development today.
Six years after two oil spills destroyed thousands of livelihoods in the Bodo area, legal action in the UK has driven Shell to make an out-of-court settlement of £55m to compensate the affected community. The £55m will be split between £35m for 15,600 individuals and £20m for the community.
“While the pay-out is a long awaited victory for the thousands of people who lost their livelihoods in Bodo, it shouldn’t have taken six years to get anything close to fair compensation,” said Audrey Gaughran, Director of Global Issues at Amnesty International.
“In effect, Shell knew that Bodo was an accident waiting to happen. It took no effective action to stop it, then it made false claims about the amount of oil that had been spilt. If Shell had not been forced to disclose this information as part of the UK legal action, the people of Bodo would have been completely swindled.”
The wait has taken its toll on Bodo residents, many of whom had their fishing and farming livelihoods destroyed in the spill. Throughout this time they have had to live with the ongoing pollution and, without compensation, many have faced grinding poverty.
“The compensation is a step towards justice for the people of Bodo, but justice will be fully achieved when Shell properly cleans up the heavily polluted creeks and swamps so that those who rely on fishing and farming for their income can begin to rebuild their livelihoods,” said Styvn Obodoekwe, Director of Programmes of the Centre for Environment, Human Rights and Development (CEHRD).
“I am very happy that Shell has finally taken responsibility for its action,” says Pastor Christian Kpandei, a Bodo fish farmer, whose fish farm was destroyed by the oil spill. “I’d like to thank the lawyers for compelling Shell to make this unprecedented move.”
Shell has always accepted that the two 2008 Bodo oil spills were the fault of failures on the company’s pipeline at Bodo, but publically – and repeatedly – claimed that the volume of oil spilt was approximately 4,000 barrels for both spills combined, even though the spills went on for weeks.
In 2012 Amnesty International, using an independent assessment of video footage of the first oil spill, calculated that the total amount of oil split exceeded 100,000 barrels for this spill alone.
During the legal action in the UK, Shell had to finally admit that its figures were wrong and it had underestimated the amount of oil spilt in both of the Bodo cases. However Shell has still not confirmed how much oil was actually spilt.
During the legal process Shell was also forced to reveal that it had been aware, at least since 2002, that most of its oil pipelines were old, and some sections contained “major risk and hazard”. In a 2002 document Shell stated that outright replacement of pipelines was necessary because of extensive corrosion.
As far as Amnesty International and CEHRD are aware Shell took no action despite having this information years before the Bodo leaks. An internal Shell email from 2009 revealed that Shell knew it was exposed over spills in Ogoniland – where Bodo is situated; the email stated “the pipelines in Ogoniland have not been maintained properly or integrity assessed for over 15 years“.
Thousands more people remain at risk of future oil spills because of Shell’s failure to fix its ageing and dilapidated pipelines.
“Oil pollution in the Niger Delta is one of the biggest corporate scandals of our time. Shell needs to provide proper compensation, clear up the mess and make the pipelines safer, rather than fighting a slick PR campaign to dodge all responsibility,” said Audrey Gaughran.
Background
Two oil spills occurred at Bodo in the Niger Delta in 2008, the first in August and the second in December. Amnesty International and CEHRD have worked on the Bodo spills case since 2008, supporting the community to secure compensation and clean up.
In 2011, the people of Bodo, represented by UK law firm Leigh Day, began court proceedings in the UK against the Shell Petroleum Development Company of Nigeria.
Hundreds of oil spills from Shell’s pipelines occur every year.
Shell repeatedly blames illegal activity in the Niger Delta for most oil pollution but its claims have been discredited in research by Amnesty International and CEHRD.
Netzfrau Heike Garisch
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