In Davos kommen bis Samstag rund 2500 Teilnehmer zusammen, darunter Hunderte Top-Manager und Spitzenpolitiker aus 140 Ländern. Schwerpunkt ist u. a. der Klimawandel. Doch wie wichtig ist den Teilnehmern in Davos wirklich der Klimawandel?
Wie depressiv wären Sie, wenn Sie mehr als 40 Jahre damit verbracht hätten, vor einer bevorstehenden globalen Katastrophe zu warnen, nur um ständig ignoriert zu werden, auch wenn Sie das Ausbreiten des Unglücks beobachten?
Das war ein Gedanke für Jørgen Randers, der im Jahr 1972 Co-Autor der bahnbrechenden Arbeit ‚Grenzen des Wachstums (pdf)’, (die die verheerenden Auswirkungen des exponentiellen Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen hervorhob) war.
Wenn sich Politik und Wirtschaft in Davos treffen, um nach Wegen für ein neues Leben in dem globalen Kampf gegen den Klimawandel zu suchen, würden sie gut daran tun, Randers‘ ernüchternde Perspektive zu hören. Der Professor für Klimastrategie an der Norwegischen Business School ist ziemlich nahe dran, seinen Kampf aufzugeben, um uns aufzuwecken.
Im Jahr 2004 veröffentlichte er ein pessimistisches Update seines Berichts von 1972. Die Vorhersagen zu dem Zeitpunkt entpuppten sich als weitgehend korrekt. Was er nicht ertragen kann, ist, wie Politiker aller Couleurs es versäumen zu handeln, auch wenn die wissenschaftlichen Beweise für den Klimawandel ansteigen. Als Folge davon hat er weitgehend den Glauben an den demokratischen Prozess und an dessen Möglichkeit, komplexe Sachverhalte zu behandeln, verloren.
In einem neu veröffentlichten Papier in der schwedischen Zeitschrift Extrakt schreibt er: „Es ist kostengünstiger, den globalen Klimaschutz zu verschieben. Es ist rentabler, die Welt zur Hölle gehen zu lassen. Ich glaube, dass die Tyrannei der Kurzsichtigkeit sich in den kommenden Jahrzehnten durchsetzen wird. Als Ergebnis werden eine Reihe von langfristigen Problemen nicht gelöst, selbst wenn sie hätten gelöst werden können, und sie ergeben auch eine allmählich zunehmende Schwierigkeit für alle Wähler“.
Randers sagt, der Grund für diese Untätigkeit sei, dass es wenig beobachtbaren Nutzen in den ersten 20 Jahren gäbe, obwohl schärfere Bestimmungen und Steuern ein besseres Klima für unsere Kinder und Enkel garantieren würden. Er hat persönliche Erfahrung damit, als Vorsitzender einer Kommission in Norwegen, (die im Jahr 2006 mit einem 15-Punkte-Plan herauskam, um das Klimaproblem zu lösen): Wenn jeder Norweger bereit wäre, 250 € (191 £) an zusätzlichen Steuern jedes Jahr zu zahlen. Wenn dieser Plan grünes Licht bekommen hätte, wäre es dem Land möglich gewesen, seine Treibhausgas-Emissionen um zwei Drittel bis 2050 zu senken. Und es wäre eine Fallstudie für andere reiche Länder gewesen, aus der sie hätten lernen können.
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Er sagt: „Ich dachte, der Preis wäre lächerlich niedrig. Er hätte zu einer Erhöhung der Ertragssteuer von 36 % auf 37 % geführt, da dieser Plan die größte Bedrohung für die reiche Welt in diesem Jahrhundert beseitigt hätte. Trotzdem war die überwiegende Mehrheit der Norweger gegen dieses Opfer. Um ehrlich zu sein, bevorzugen es die meisten Wähler, das Geld für andere Ursachen zu verwenden – wie etwa für ein weiteres Wochenende in London oder Schweden zum Einkaufen. Wenn es um mehr Regulierung oder höhere Steuern geht“, sagt Randers, „neigen die Wähler dazu zu revoltieren. Als Ergebnis wird sich die Politik weiterhin weigern, mutige Schritte zu gehen aus Angst, bei der nächsten Wahl aus dem Amt geworfen zu werden.
Das kapitalistische System kann nicht helfen“, sagt Randers. „Der Kapitalismus wurde sorgfältig entworfen, um Kapital für die profitabelsten Projekte auszuwerfen. Das ist genau das, was wir heute nicht mehr brauchen. Wir brauchen Investitionen in teurere Wind- und Solarenergie, nicht in billige Kohle und Gas. Der kapitalistische Markt wird dies nicht von allein tun. Es bedarf unterschiedlicher Rahmenbedingungen. Alternative Preise oder neue Verordnungen. Eine naheliegende Lösung wäre, Kohlenstoff zu versteuern, sodass die Unternehmen gezwungen wären, die externen Kosten von CO2-Emissionen zu internalisieren. Aber trotz der vielen fortschrittlichen Unternehmen, die eine solche Steuer fordern“, sagt Randers, „wären die Wähler abgeneigt, mehr zu zahlen. Optimisten, die glauben, dass dieses Patt enden wird, wenn es profitabel wird, um das Klimaproblem zu lösen, haben sehr lange Zeit zu warten“, nach Randers.
„Es wird immer mehr kosten, um sauberen Strom aus Kohle, als schmutzigen Kohlestrom zu produzieren, wie wir es heute tun“, sagt er. „Es wird immer mehr kosten, CO2 aus der Verbrennung von Kohle emittiert zu sammeln. Die Weltgesellschaft wird die Verbrennung von Kohle für eine sehr lange Zeit weiter betreiben, es sei denn, etwas Drastisches wird getan. Angesichts eines solchen hartnäckigen Widerstands, was können wir tun“?
Randers sagt: „Der erste Schritt ist, effektiv mit den Bürgern zu kommunizieren, dass das kurzfristige Denken eine echte Bedrohung für die Nachhaltigkeit der demokratischen Gesellschaft ist. Zweitens sollten wir für den Einsatz von niedrigen Zinssätzen in öffentlichen Kosten-Nutzen-Analysen argumentieren und lieber den gesunden Menschenverstand einsetzen anstelle von quantitativen Analysen zur Entscheidung über langfristige Investitionen. Eine Möglichkeit wäre, einen Bruchteil der Investitionsströme der Gesellschaft abzuzweigen, wie es ähnlich für den Militäretat geschieht.
Eine weitere sinnvolle Änderung“, so argumentiert er, „wäre es, die Wahlen (um Politikern Zeit zu geben, unpopuläre Maßnahmen durchzuführen) zu verlängern, bevor sie die nächste Wahl verlieren, und zu gewährleisten, dass alle Arbeitnehmer einen angemessenen Lohn erhalten, nachdem „schmutzige“ Arbeitsplätze geschlossen worden sind, bis sie neue „saubere“ Arbeitsplätze erhalten“.
Randers, sagt: „Diese fünf Lösungen wurden alle vorgeschlagenen und leider durch eine demokratische Mehrheit abgelehnt, ebenso wie die offensichtlichste sechste Lösung: Eine aufgeklärte Diktatur für einen begrenzten Zeitraum in einem kritischen Politikbereich neu zu installieren. So wie die Römer, als die Stadt herausgefordert wurde. Das ist die zur Zeit von der chinesischen kommunistischen Partei verfolgte Lösung, mit offensichtlichem Erfolg in den Armuts-, Energie- und Klima-Bereichen. Aber ich stimme zu, dass die naheliegende Lösung einer starken Regierung unrealistisch erscheint im demokratischen Westen“.
Da Randers glaubt, diese Vorschläge bewirken nichts, was meint er? „Anstatt idealistisch zu sein“, sagt er, „müssen wir Maßnahmen fördern, die langfristige Lösungen und kurzfristige Vorteile bieten“. Er nennt als Beispiel die Tesla Elektroautos, die überlegene kurzfristige Vorteile bieten, trotz des zu kompensierenden hohen Preises.[Beitrag der Netzfrauen:Elektroautos: Milliarden-Subventionen für Grosskonzerne und in Brüssel fahren Elektrotaxis aus China]
Er unterstreicht auch die Einführung von hohen Subventionen in Deutschland für diejenigen, die bereit sind, Sonnenkollektoren auf ihren Dächern oder Windmühlen in ihren Feldern zu installieren. Obgleich das nach vielen Jahren endet, weil die Wähler die zusätzliche Steuer nicht möchten.
Seit vielen Jahrzehnten weigert sich Randers, uns die bittere Pille des Klimawandels zu versüßen und wird nicht jetzt damit beginnen.
Einige überhören seinen Pessimismus als der Vergangenheit angehörend und argumentieren für den Übergang zu einer neuen Ära der globalen Klimapolitik. Aber es wäre falsch, die Warnungen eines Ältesten, der seine Narben mit Ehre und Würde zu tragen weiß, zu ignorieren, und der seine Energie weiterhin der Lösung der größten Herausforderung der Menschheit widmet.
Wir haben diesen Beitrag aus theguardian.com vom 19. Januar 2015 übersetzt .
Vom 21. bis zum 24. Januar 2015 trifft sich die Wirtschaftselite der Welt wieder im schweizerischen Davos zum Meinungsaustausch auf dem Weltwirtschafsforum (WEF). Unter dem Motto “The New Global Context” (der neue globale Kontext) ganz im Zeichen des laufenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Wandels.
2500 Führungspersonen aus Wirtschaft, Regierungen, internationalen Organisationen und der Zivilgesellschaft sowie Akademiker, Medienleute und Künstler werden im Januar in Davos-Klosters erwartet.
‘It is profitable to let the world go to hell’
As politicians and business leaders gather in Davos, climate expert Jørgen Randers argues that democracy will continue to hamper climate action
- How concerned are CEOs about climate change? Not at all
- More than talking heads: why Davos matters
- ‘Ethnic inequality is a drag on the economy’
How depressed would you be if you had spent more than 40 years warning of an impending global catastrophe, only to be continually ignored even as you watch the disaster unfolding?
So spare a thought for Jørgen Randers, who back in 1972 co-authored the seminal work Limits to Growth (pdf), which highlighted the devastating impacts of exponential economic and population growth on a planet with finite resources.
As politicians and business leaders gather in Davos to look at ways to breathe new life into the global battle to address climate change, they would do well to listen to Randers’ sobering perspective.
The professor of climate strategy at the Norwegian Business School has been pretty close to giving up his struggle to wake us up to our unsustainable ways, and in 2004 published a pessimistic update of his 1972 report showing the predictions made at the time are turning out to be largely accurate. Read more ‘It is profitable to let the world go to hell’
Netzfrau Jördis Malinowsky
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