Sterben die Bienen, stirbt der Mensch. Ohne Bienen wäre das Nahrungsangebot für uns Menschen zumindest sehr stark reduziert. Das Aussterben aller Insekten wäre das Todesurteil für die meisten Lebewesen auf diesem Planeten. Zahlreiche Studien haben einen so überzeugenden Zusammenhang zwischen Neonicotinoiden und dem Bienensterben hergestellt, dass in Europa gehandelt wurde.
Das konsequente EU-Neonicotinoid-Verbot hat trotzdem viele überrascht. Einmal hat sich Lobby der Industrie nicht durchgesetzt. Diese Regelung wurde von Umweltschutzverbänden und Bienenschützern überwiegend positiv aufgenommen, die Vertreter der industriellen Landwirtschaft waren dagegen wenig begeistert.
In Europa klagen die Agrarchemie-Konzerne BASF, Bayer und Syngenta gegen die EU-Kommission, um das vorläufige EU-Verbot der drei neonicotinoide Wirkstoffe Imidacloprid, Clothianidin und Thiametoxam zu Fall zu bringen.
Und kaum, dass das Pestizid-Verbot angewendet wird, mehren sich bereits die erhobenen Industrie-Finger in den Medien und weisen darauf hin, welche „gravierenden“ Folgen das Verbot bereits habe.
Bloomberg: EU verbietet Pestizide zum Schutz von Bienen – hat nun aber Ungeziefer-Invasion
Der Bloomberg-Artikel ist ein typisches Beispiel dafür, wie man versucht, diese Entscheidung durch entsprechende Meinungsmache zu untergraben und zumindest auf weltweiter Ebene für entsprechende Schadensbegrenzung – keine weiteren Verbote – für die Industrie zu sorgen.
Laut Bloomberg erleben wir gerade eine Ungeziefer-Invasion. Zumindest haben die EU-Länder ein Ungezieferproblem. Dieses sei deshalb entstanden, weil „einige“ Studien den Zusammenhang zwischen Neonics und Bienensterben hergestellt hätten. Jetzt müssten die Farmer des ganzen Kontinents auf Pestizide zurückgreifen, gegen die das Ungeziefer aber bereits resistent sei.
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15 % weniger Ernte sei für dieses Jahr bei Raps zu erwarten – ein gefährlicher Verlust nicht nur für die Ernährung, sondern auch für das so wichtige Biodiesel. Farmer in England werden zitiert, die jetzt nicht nur weniger Raps ernten, sondern auch deutlich mehr Pestizide ausbringen müssten. Die EU ist der weltweit größte Hersteller von Raps. Um sich ein Bild davon zu machen, wie viel Raps in Europa allein für Biodiesel angebaut wird, hier einige Zahlen von dem Biokraftstoffverband aus 2014:
INFOBOX
Rohstoffverwendung Raps
Für die deutschen Biodieselproduzenten stellt Rapsöl den weitaus bedeutendsten Rohstoff dar. In den vergangenen Jahren betrug die Rapsöl-Quote in der Rohstoffzusammensetzung zwischen 64% und 87%. Die Anbaufläche von Raps für die Biodieselproduktion ist seit 2007 um etwa 400 000 ha kleiner geworden.Trotzdem ermöglichen Züchtungsfortschritte sowie Effizienzsteigerungen in der Landwirtschaft eine starke Erhöhung der Rapsproduktion auf rund 5 Mio. t im Jahr 2013 (2007: 3,9 Mio.t). Von den insgesamt 12 Mio. Hektar Ackerfläche, die es hierzulande gibt, wurden im Jahr 2013/14 rund 1,4 Mio. ha mit Raps bestellt. Daraus entstehen mehr als 2,2 Mio. Tonnen Rapsöl und 2,8 Mio. Tonnen Eiweißfuttermittel, das den Bedarf an importiertem und oftmals gentechnischmodifiziertem Sojaschrot reduziert.
Wer an der Tankstelle Diesel tankt, tankt automatisch 7 Prozent sogenannten Biodiesel, der bis zu 2/3 aus Raps, zu 20 Prozent aus pflanzlichen Abfallstoffen und zu kleinen Teilen aus alten Speisenfetten, Soja oder Palmöl gewonnen wird. Laut der Biokraftstoffindustrie reduziert Biodiesel aus Raps Treibhausgase im Vergleich zu fossilem Diesel um 60 Prozent und dieser Anteil soll noch bis 2020 steigen. Die Europäische Union hat Ziele gesetzt bis 2020 und überlegt jetzt, wie es danach weitergeht. Besonders bei Biokraftstoffen der so-genannten ersten Generation, die aus Weizen, Roggen, Raps und Mais hergestellt werden, ist sehr umstritten, weil sie nämlich aus Agrarprodukten gewonnen werden, die man viel besser nutzen könnte, um die Weltbevölkerung zu ernähren. Gerade in Bereichen, in denen es sehr fragile Ökosysteme gibt, werden immer mehr Agroflächen gewonnen, um dort immer mehr Nahrungsmittel, Futtermittel oder auch Pflanzen für die Biosprit- oder Agrospritproduktion zu produzieren. Quelle
In dem Beitrag von Blomberg wird behauptet, dass die Studien nicht eindeutig nachweisen würden, wie genau Neonics auf die Bienen wirkten, daher sei der Bann der Neonics nur auf Grund des „möglichen“ Risikos erfolgt.
Europäische Farmer stünden ohne wirksame Alternativen da, die Schäden durch Insekten seien daher entsprechend weitreichend und die Raps-Produktion werde 2015 von 24 auf 20,5 Millionen Tonnen zurückgehen, was die Rapspreise an der Börse entsprechend erhöht habe.
Im Artikel wird zumindest deutlich, WER hinter dem Artikel steht. Zitiert wird u. a. Copa-Cogeca, ein Lobbyist aus Brüssel, der auf möglicherweise zu erwartende Probleme für französisches Getreide und spanische Sonnenblumen hinweist.
Dabei werden seitens der EU nur die Nutzung der wichtigsten Neonics eingeschränkt, zwei vergleichbare, aber weniger giftige Pestizide sind weiterhin zugelassen. Schlimm genug – sagen wir Netzfrauen. Der Branchenlobbyist Nick von Westenholz von der Crop Protection Association aus England weist darauf hin, dass das Neonic-Verbot auch Innovationen unterbinde, da die Unternehmen jetzt verunsichert seien. Dann wird hervorgehoben, wie langwierig die EU-Genehmigungsprozesse seien, wie viel Geld für Alternativforschung zu investieren sei – und natürlich weist man auf die Zweifel der Industrie – in dem Fall Bayer – hin, ob die Studien, welche die Schädlichkeit belegen, überhaupt korrekt ausgeführt seien. Auch gäbe es Studien, die belegten, dass die Schädigung im Labor zwar nachweisbar sei, gesunde Kolonien auf dem Feld seien aber nicht betroffen.
Und so weiter – und so weiter … wer den ganzen Artikel lesen mag: hier die Bloomberg-Quelle.
EU Banned Pesticides to Help Bees. Now Other Bugs Are Invading
Man könnte fast den Eindruck gewinnen, die Menschheit würde verhungern, weil die schädlichsten der Neonics verboten wurden. Zumindest ist ein „Bauernsterben“ wohl unvermeidbar, wenn das so weiter geht …
INFOBOX
Allein der Einsatz von Herbiziden stieg in den Jahren 2001 bis 2010 um bis zu 26%. Dies vor allem, weil GVO-Saatgut einen dramatischen Anstieg der Resistenzen gegen diese Herbizide zeigt. Die „Farm & Water Watch“-Gruppe, berichtete, dass in den Vereinigten Staaten etwa 61,3 Mio. Hektar von Unkraut befallen sind, das sich gegen das Herbizid „Roundup“, das hauptsächlich aus Glyphosat besteht, als resistent erweist. Mehr Informationen in unseren Beitrag: USA: Immer mehr Landwirte kehren Monsanto den Rücken
Dabei gibt es bereits jetzt verschiedene natürliche Pflanzenschutzmittel. Manche sind sogar für den ökologischen Anbau zugelassen und werden auch in Deutschland produziert, nur leider nicht von den großen Agrarkonzernen. Die Marktdurchdringung ist daher … erschreckend. Beispielsweise enthält NeemAzal, das durch das Bundesamt für Verbraucherschutz zugelassene Pflanzenschutzmittel, den naturbelassenen Inhaltsstoff des tropischen Neembaumes, Pflanzenöle sowie Tenside auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Es ist nachweislich nicht bienengefährlich, schonend für die meisten Nützlinge und hat keine Wasserschutzauflagen. Das ist nur eine Option, doch es gibt weitere dieser Art.
Die Industrie wird aber sicher alles daran setzen, das Neonic-Verbot auszuhebeln bzw. eine Ausweitung auf weitere offensichtlich giftige Mittel zu verhindern.
In Europa klagen die Agrarchemie-Konzerne BASF, Bayer und Syngenta gegen die EU-Kommission, um das vorläufige EU-Verbot der drei neonicotinoiden Wirkstoffe Imidacloprid, Clothianidin und Thiametoxam zu Fall zu bringen.
Wir alle müssen uns dafür einsetzen, dass ihnen das nicht gelingt. Hochgiftige Pestizide und genmanipulierte Lebensmittel sind eine große Gefahr für Bienen, Mensch und Natur.
Mehr Informationen erhalten Sie in unserem aktuellen Beitrag: Bienensterben – Lebensmittelversorgung bedroht
Netzfrau Andrea Escher
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