Hundertausende bei der Podemos-Demo – Wie die Partei Spanien umkrempeln will – Podemos holds biggest rallye yet in Spanish capital and promises election earthquake

Spanienzur englischen Version Nicht nur in Griechenland, es rumort auch in Spanien. 300 000 Spanier gingen laut Veranstalter in Madrid aus Protest gegen die Sparpolitik auf die Straße. „Ja, es ist möglich!“, riefen die Demonstranten bei dem „Marsch für Veränderung“ im Zentrum der spanischen Hauptstadt.

In Spanien stehen ca. drei Millionen bezugsfertiger Wohnungen leer. Zusätzlich erleben dort  jeden Monat knapp zehntausend Familien das Trauma einer Zwangsräumung, meist weil sie ihre Arbeit verloren haben und bei der Rückzahlung ihrer Wohnungshypothek in Rückstand geraten sind.

Sie verlieren nicht nur ihre Wohnung und landen bei ungenügender familiärer Unterstützung auf der Straße. Sie bleiben auch auf dem Großteil der Schulden sitzen, obwohl sie die Wohnung an die Hypothekenbank verlieren.

Zusätzlich schulden sie dann der Bank noch Zehntausende Euro Anwaltskosten. Siehe Beitrag der Netzfrauen: Jeden Monat ca. zehntausend Familien zwangsgeräumt! Übernachten auf den Straßen Madrids mit 750 € Strafe belegt.

Laut den Organisatoren nahmen an der Kundgebung am Samstag 300 000 Menschen teil. Die Polizei sprach allerdings von etwa 100 000 Teilnehmern.

Hundertausende bei der Podemos-Demo in Madrid läßt spannendes Wahlergebnis erwarten

In Spanien rumort es. In dem kurzen Artikel von Robert Hackwill, der in den euronews erschien und den wir für Sie übersetzt haben, wird das Bedürfnis der Menschen nach Veränderung überdeutlich. Diese Veränderung scheint sich zumindest im Süden kaum mehr aufhalten zu lassen. Aber lesen Sie selbst:

Am vergangenen Sonntag waren Zehntausende Menschen in Madrid auf der Straße. Sie zeigten, wie stark Podemos, die neue linke Partei, die innerhalb des letzten Jahres quasi aus dem Nichts entstand, heute bereits ist. „Wir können es“ droht das Gesicht der spanischen Politik grundsätzlich zu verändern.

Es war die größte Demonstration der Massen, die diese Partei an die Spitze der Meinungsumfragen katapultiert hat. Ob lokale, regionale oder nationale Wahlen: mit Podemos muss man rechnen.

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„Heute träumen wir von einem besseren Land, aber wir sind nicht in Massen hierher gekommen, um zu träumen. Wir sind hergekommen, um unsere Träume 2015 Realität werden zu lassen. Träume müssen umgesetzt werden. Dieses Jahr kämpfen wir dafür, dass es endlich zu den notwendigen politischen Änderungen kommt. In diesem Jahr beginnen wir etwas Neues. Dies ist das Jahr der Veränderung. Und dieses Jahr werden wir die Partido Popular in den Wahlen schlagen“, sagt Pablo Iglesias, Hochschuldozent und Generalsekretär von Podemos.

Jeder vierte Arbeitnehmer ist arbeitslos. Obwohl sich nach einer siebenjährigen Rezession erste Zeichen einer Verbesserung am Horizont andeuten, ist es enorm schwer, Arbeit zu finden.

„Wir müssen gemeinsam mit den Griechen und dem Rest Südeuropas die Troika und Merkel bekämpfen“, sagt ein Teilnehmer. „Der Kapitalismus ist am Ende. Wir können nicht so weitermachen“.

Eine Teilnehmerin ist überzeugt: „Das wird eine nachhaltige Wirkung haben. Vor einem Jahr hätte man sich das so nicht vorstellen können. Podemos wurde vor etwas mehr als einem Jahr gegründet“.

Podemos überzeugt nicht zuletzt, da sie die derzeitigen spanischen Politiker als eigene „Kaste“ beschreibt, die von der Realität der Menschen völlig abgehoben sind und nur eigene Interessen im Auge haben. Diese Botschaft kam bei den Menschen an.

Wie die Protestpartei Podemos Spanien umkrempeln will

Podemos war im Januar 2014 aus dem Protest der „Indignados“ (Empörten) hervorgegangen und gründete sich erst Mitte November formell als Partei. Ebenso wie Syriza in Griechenland lehnt Podemos die Spar- und Reformpolitik strikt ab, zu der sich die Regierungen in Madrid und Athen im Gegenzug für Hilfen der internationalen Kreditgeber verpflichteten.

Die Protestbewegung Indignados hatte am 15. Mai 2011 damit begonnen, in mehreren spanischen Städten zentrale Plätze zu besetzen und dort Zeltlager zu errichten. Auf Grund des Datums ihrer Entstehung wird die Bewegung in Spanien auch „15-M“ genannt. Sie richtet sich vor allem gegen die Macht der Banken, gegen die Krisenpolitik der Regierung und gegen die Korruption. Am 15. Oktober 2011 schloss sich die Protestbewegung Occupy Wall Street (englisch für Besetzt die Wall Street; abgekürzt auch OWS) an. Sie wurde die größte Protestbewegung in Nordamerika. Die Protestwelle hat nach und nach ganz Europa erfasst und schwappt auf die ganze Welt über. Die Occupy-Bewegung hatte Teile aus dem Manifest der Indignados übernommen. Man könnte auch es auch so beschreiben, die weltweiten Protestbewegungen haben ihren Ursprung in Spanien und zwar am 15. Mai 2011. Dazu auch: Weltweit flammen Proteste auf – wussten Sie…? und Verstoß gegen Völkerrecht

„Wir sind die allerletzte Hoffnung“

Podemos („Wir können das“) wurde im Januar 2014 gegründet. Die Persönlichkeit der Partei ist Pablo Iglesias, ein 36 Jahre alter promovierter Politikwissenschaftler aus Madrid, der gerne karierte Hemden, Vollbart und einen Pferdeschwanz trägt. Am vergangenen Samstag wurde er zum ersten Generalsekretär der Partei gewählt. Er könnte Nachfolger von Mariano Rajoy und damit Spaniens neuer Regierungschef sein.

Podemos legte einen eindrucksvollen Blitzstart hin: Bei der Wahl zum Europa-Parlament im Mai 2014 holte die Partei auf Anhieb 1,2 Millionen Stimmen (fünf Sitze). Mehreren Wählerbefragungen zufolge bewegt sich Podemos mittlerweile auf Augenhöhe mit PSOE und PP, so beschreibt Jonas Martiny  die Podemos im mallorcamagazin.com.

Seit 2008 ging es in Spanien wirtschaftlich bergab. Immobilienblase, Bankenkrise, immer mehr Menschen verloren ihren Job, die Regierung legte ein Sparpaket nach dem anderen auf, Sozialleistungen wurden gekürzt, die Arbeitnehmerrechte beschnitten. Zehntausende verloren ihre Wohnungen, weil sie die Hypotheken nicht mehr bezahlen konnten. Vor den Armenküchen bildeten sich Tag für Tag längere Menschenschlangen. Währenddessen kamen immer neue Korruptionsskandale ans Licht: Spanienweit wird gegen Dutzende Politiker und Unternehmer ermittelt.

Die Folge waren die unterschiedlichsten Protestbewegungen: Die Plattform gegen Zwangsräumungen, die „marea blanca“ („weiße Flut“) der Ärzte und Krankenschwestern, die gegen die Kürzungen im Gesundheitswesen auf die Straßen gingen, die „marea verde“ („grüne Flut“) der Lehrer, die gegen die Sparmaßnahmen im Bildungswesen demonstrierten. Und schließlich: „15-M“, die spanienweite Massenbewegung, die das Land monatelang in Atem hält. Das ist der Ursprung von Podemos. Podemos kommt wirklich von unten. Deshalb hat die Bewegung auch solche Macht, so Jonas Martiny weiter.

Podemos ist ohne das Internet nicht denkbar. Meinungsfindung, Debatten und auch Abstimmungen finden online statt. Wer mitentscheiden will, muss zuvor im Internet (podemos.info) Parteimitglied werden. Das haben bislang etwas mehr als 232 000 Spanier (Stand November 2014) getan. Die Bedeutung der sozialen Medien für Podemos verdeutlicht ein Blick auf die nackten Zahlen: Auf Facebook hat die Partei fast 950 000 „Likes“ gesammelt. Auf Twitter folgen Podemos mehr als 527 000 Personen.

Atomausstieg bis Sterbehilfe

Das Grundsatzprogramm von Podemos im Überblick

Das Grundsatzprogramm von Podemos gibt einen ungefähren Überblick über die Absichten der Protestpartei, obwohl Vieles vage bleibt. Podemos setzt vor allem auf einen starken Staat. Massive Investitionen der öffentlichen Hand sollen die bisherige Sparpolitik ablösen. Gefordert ist ein Ausbau des staatlichen Bildungs- und Gesundheitswesens. Bestimmte Sektoren der Wirtschaft sollen unter staatliche Kontrolle: Telekommunikation, Energie, Ernährung, der öffentliche Nahverkehr. Zu diesem Zweck solle der Staat Betriebe aufkaufen. Von Enteignungen ist in dem Dokument nicht die Rede.

Weitere Forderungen: Strenge Transparenz-Vorschriften und Antikorruptionsmaßnahmen, die 35-Stunden-Woche, ein Renteneintrittsalter von 60 Jahren und ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle. Ferner ein gesetzlich festgelegtes Höchsteinkommen, ein Mehrwertsteuersatz von 30 bis 35 Prozent auf Luxusgüter, eine höhere Unternehmenssteuer, geringere Militärausgaben, die Abschaffung der Steuervorteile für die katholische Kirche, Legalisierung der Sterbehilfe und das Recht auf Abtreibung.

Ferner ist in dem Dokument die Rede von einer Steuer auf leer stehenden Wohnraum, von einer Senkung der Eintrittspreise in Museen, vom Ausländerwahlrecht, von der Anerkennung des palästinensischen Staates, vom Austritt aus der Nato, vom Atomausstieg und vom Verbot der Schleppnetzfischerei. Den vollständigen Beitrag lesen Sie hier: Wie die Protestpartei Podemos Spanien umkrempeln will.

„Die Zeit der Wende ist gekommen“, sagte Parteiführer Pablo Iglesias am Samstag. „Wir werden die Wahlen gewinnen.“ Die erst vor einem Jahr gegründete Partei hatte zu dem „Marsch für den Wandel“ aufgerufen, um ihre Anhänger für die Serie von Regional- und Kommunalwahlen zu mobilisieren, die in diesem Jahr in Spanien noch vor der Parlamentswahl anstehen. Hundertausende sind dem Aufruf gefolgt. Während des Wahlkampfs in Griechenland unterstützte er den Syriza-Vorsitzenden Alexis Tsipras. Zu Alexis Tsipas lesen Sie bitte unsere Beiträge: In einem offenen Brief an das “Handelsblatt” wendet sich Alexis Tsipras an die Deutschen und Griechenland hat die EU abgewählt und jetzt?

Generation Aussichtslos

Bei den jungen Menschen in Südeuropa hat sich vor allem ein Gefühl angestaut: Wut. Schon lange vor der Eurokrise fühlten sie sich um ihre Zukunft betrogen. Sie sind gut ausgebildet, dennoch ohne Chance auf sichere Perspektiven und Aufstieg.

In Spanien, Griechenland, Portugal und Frankreich gehen die Jungen schon länger auf die Straße. Ihr Zorn ist berechtigt: Sie verlangen nach guten Jobs, sie wollen Familien gründen und fürs Alter vorsorgen. Doch anstatt den Jugendlichen mehr Geld für Bildung und Ausbildungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, gab es einen Deal bei der Verteilung der die künftigen EU-Finanzen.

Britenrabatt: 200 Millionen Euro mehr Rabatt für London

Die Briten bekommen mehr, denn im siebenjährigen EU-Budget gibt es neue Zugeständnisses an London. Großbritannien erhält seit 1984 einen Abschlag auf seine EU-Zahlungen, weil es vergleichsweise wenig von den Agrartöpfen der Union profitiert, so die Begründung.  Zuletzt belief sich dieser „Briten-Rabatt” auf 3,6 Milliarden Euro pro Jahr (2011). Beschlossen wurde nun, dass London 200 Millionen Euro mehr Rabatt als bisher bekommen soll.

Übrigens zahlen Griechenland, Spanien, Portugal und Zypern somit auch an Großbritannien.

Wenn wir schon dabei sind – für die Bankenrettung wurde großzügig 1,2 Billionen Euro ausgegeben.

…und der „Rettungsschirm” für Europas verzweifelte Jugend beträgt  6 Milliarden Euro  – für 7 Jahre(!!)

Länger andauernde Jugendarbeitslosigkeit ist im späteren Verlauf des Erwerbslebens keine Schürfwunde, die schnell verheilt, sondern sie verbleibt als hässliche Narbe für das ganze Erwerbsleben (und darüber hinaus), also rund ein halbes Jahrhundert lang. Denn die Betroffenen haben zeitlebens geringere Arbeitsplatzchancen und tragen das Risiko niedrigerer Einkommen, wie zahlreiche internationale Studien auch für Deutschland, belegen. Lesen Sie dazu unseren Beitrag: Wenn eine ganze Generation ihren Mut verliert

…und wären die jugendlichen Arbeitslosen eine Bank, sie wären schon längst gerettet.

Europas Jugend braucht eine Perspektive – nicht morgen, sondern heute!

Nachfolgend der Originalbericht von Euronews:

Podemos holds biggest rally yet in Spanish capital and promises election earthquake

Tens of thousands of people turned out in Madrid on Saturday for the latest show of strength for Podemos, the new left-wing party that in just a year has come from nowhere to threaten to change the face of Spanish politics.

It was the biggest demonstration yet of the mass support that has propelled it to the top of the opinion polls ahead of this year’s local, regional and national elections.

“Today we have the dream of a better country, but we haven´t filled this square to keep dreaming. We are here to make our dream come true in 2015. Dreams have to be pushed and this year we are going to fight to make political change arrive. This year we are starting on something new. This is the year of change. And this year we are going to beat the Popular Party in the elections,” said its university lecturer leader Pablo Iglesias.

One in four workers is unemployed, and while after a seven-year recession signs of improvement are showing, jobs remain hard to come by.

“We must join the Greeks and the rest of southern Europe, those fighting the Troika and Merkel, because capitalism is over and we can’t go on like this,” said one man.

“I think this is going to have big repercussions because over a year ago this was unimaginable, Podemos was only created just over a year ago,” said a female supporter.

Podemos has made hay by slamming Spain’s politicians as a “caste”, detached from people’s reality, and more concerned with their own interests. It is a message that is hitting home.

Netzfrauen Andrea Escher und  Doro Schreier

deutsche Flagge

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