Der Preiskampf im Supermarkt ist hart. Mit Versprechungen aller Art lockt die Lebensmittelindustrie die Kunden. Aber bekommen die Verbraucher eigentlich das, was sie zu kaufen glauben?
Gutshof-Idylle im Kühlregal, damit ködern Supermärkte und Discounter ihre Kunden: Aldi Nord verkauft Fleisch und Wurst vom „Gut Drei Eichen“ und vom „Güldenhof“. Penny hat den „Mühlenhof“ – und Tengelmann den „Birkenhof“. Bei Norma: gleich zwei „Güter“, „Gut Langenhof“ und „Gut Bartenhof“. Und bei Netto gibt es Produkte vom „Gut Ponholz“. Netto, Aldi Nord, Norma und Tengelmann geben zu, dass die Höfe gar nicht existieren und die Namen nur dem Marketing dienen.
Tatsächlich, nach deutschem Markenrecht ist es völlig legal, Produkte unter einem Bauernhofnamen zu verkaufen, auch wenn sie gar nicht von dort kommen.
Fleisch vom „Bauernhof”?
Billig alleine reicht heute nicht mehr, um Produkte zu verkaufen. Die Verbraucher wollen das „gute Gefühl“ gleich mitkaufen. Bodenständiges Landleben liegt voll im Trend. Und jeder möchte sich davon ein Stückchen kaufen.
Doch die Realität sieht anders aus: „Silicon Valley der Agrarindustrie” – Massentierhaltung und die Folgen
Auch McDonald’s Country Wochen zeigen gerne die Idylle des Farmers auf dem Lande oder in Deutschland mit einem angeblich echten Landwirt, der morgens früh raus muss. In den USA kann dieser Farmer Holz hacken, pflügen und glühende Hufeisen schmieden – alles mit der bloßen Hand. Für den bärenstarken Bauern im jüngsten McDonald’s-Spot kein Problem. Gleichzeitig hat der liebenswerte Landwirt auch seine weiche Seite und knuddelt gerne kleine Schäfchen und schüttelt auch mal den Nachbarskindern einen Apfel vom Baum. Doch am Ende eines langen Arbeitstages gönnt er seinen Fingern auch eine Belohnung: Sie dürfen dann den McFarmer-Burger halten, den es dann an speziellen Country Wochen der Fastfoodkette als Aktion zu kaufen gibt. Dass es nicht der Tatsache entspricht, das sollte mittlerweile jeder von uns wissen. Siehe Demnächst XXL Hähnchen bei Wiesenhof und McDonald’s
Auch Lebensmittelketten wie Aldi, Netto, Lidl u. s. w. greifen gerne in diese Trickkiste. Die Verpackungen sind geschmückt mit Bildern von alten Gutshäusern. Aber kommt das Fleisch wirklich von dort? Plusminus machte sich auf die Suche und es ist ein MUSS, sich dieses anzuschauen.
„Gut Ponholz” ist längst Geschichte
Nur ein Ort findet sich auf der Landkarte überhaupt: Ponholz bei Regensburg. Dort steht gleich nach der Autobahnausfahrt die Zentrale von Netto. Doch ein Gut, das Fleisch produziert, kennt hier niemand. Nur das alte Post-Gebäude. Heute ist darin eine Gastwirtschaft. Der Wirt weiß jedoch: Vor Jahrzehnten war es mal ein Gutshof mit Tierhaltung. Doch Netto wurde von hier nie beliefert.
Plusminus fragen nach bei Netto – und bei den anderen Supermärkten: Was steckt hinter den vermeintlichen Gutshof-Produkten? Netto, Aldi Nord, Norma und Tengelmann geben zu, dass die Höfe gar nicht existieren und die Namen nur dem Marketing dienen. In den hübschen Verpackungen steckt also ganz normales Fleisch aus Massentierhaltung. Warum machen die Supermärkte das?
Ein Stückchen Landleben kaufen
Der Münchner Markenexperte Jon Christoph Berndt erklärt Plusminus: Billig alleine reicht heute nicht mehr, um Produkte zu verkaufen. Die Verbraucher wollen das „gute Gefühl“ gleich mitkaufen. Bodenständiges Landleben liegt voll im Trend. Und jeder möchte sich davon ein Stückchen kaufen.
Jon Christoph Berndt, Markenexperte:
»Die Discounter sind hochschlau, überlassen nichts dem Zufall und machen immer genau das, was noch nicht verboten ist. Und das gehört dazu.«
Tatsächlich, nach deutschem Markenrecht ist es völlig legal, Produkte unter einem Bauernhofnamen zu verkaufen, auch wenn sie gar nicht von dort kommen. Verbraucherschützer kritisieren das:
Daniela Krehl, Verbraucherzentrale Bayern:
»Es ist leider legal, weil es als so-genannte Marke gilt, also Mühlenhof ist dann tatsächlich eine angemeldete Marke. Es ist aber für den Verbraucher trotzdem unverständlich und einfach auch ärgerlich, weil man doch dahinter irgendwie so eine kleinbäuerliche Gemeinschaft sieht.«
Beispiel:
Kinderquark „Monster-Backe”- Werbespruch ist nicht irreführend
Nach Meinung des BGH handelt es sich bei dem Kinderquark für den Verbraucher erkennbar um ein Produkt, das sich in seiner Zusammensetzung deutlich von Milch unterscheidet. Der Slogan beziehe sich nicht auf den bei Früchtequark naturgemäß höheren Zuckeranteil als bei Milch. Das bedeutet: „Der Verbraucher weiß, dass Früchtequark mehr Zucker hat als Milch”, sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Büscher in Karlsruhe. (Az.: I ZR 36/11)
Verbraucherschützer hatten geklagt, dass die Werbung irreführend sei. Der Quark enthält deutlich mehr Zucker als Milch. Lesen Sie dazu: Unfassbar – Ehrmanns “Monsterbacke” Milch-Vergleich laut BGH nicht irreführend
In jeder Branche wird mit Tricks gearbeitet:
- Schöne Versprechungen – Die Tricks der Diätindustrie!
- Quasi-Monopole: Was Sie über Tricks der Kosmetik-Konzerne wissen sollten!
- Alte Medikamente für den vierzigfachen Preis und teure neue Arzneien nicht ohne Risiko
- W e r b u n g? Nein, die beeinflusst mich nicht. Wetten, dass doch?
- Supermarkt – Die Kunst des Verführens
Wer bestimmt, was „regional” ist?
Für verarbeitete Produkte schreibt das Gesetz keine Angaben zum Herkunftsland vor. Es genügt die Information, für wen das Produkt hergestellt beziehungsweise, wo es verpackt wurde.
Beispiele:
- Fruchtaufstrich: Hersteller müssen nicht angeben, woher das Obst kommt.
- Bei Milchprodukten muss der Hersteller nicht angeben, woher die Zutaten stammen. Der Hersteller muss ebenfalls nicht genannt werden. Lediglich die Veterinärkontrollnummer gibt Auskunft über das Unternehmen, in dem die letzte Verarbeitung stattgefunden hat.
Verbraucherschützer fordern einen rechtsverbindlichen Rahmen für die Kennzeichnung regionaler Lebensmittel und deren Bewerbung. Sie fordern rechtsverbindliche Kriterien und unabhängige Kontrollen der Siegelvergabe. Produkte, die mit regionaler Herkunft beworben werden, sollten nach Meinung der Verbraucherschützer mindestens zu 95 Prozent aus regionalen Zutaten bestehen.
Mehr Infos: http://www.verbraucher.de/regionale-lebensmittel
Die Aufgaben der Werbung
Hier kommuniziert man mehr auf der emotionalen Ebene. Produkte versprechen z. B. Jugend, Dynamik, Gesundheit, Komfort oder Eleganz. Durch den Kauf und deren Benutzung wird man „trendy“ oder „demonstriert man Erfolg“. Nennt man auch „Produkt hinter dem Produkt“ und an die Träume, die der Verbraucher damit verbindet. Beide Bereiche gehören zusammen. Je nachdem, welches Werbemittel und welche Ziele man hat, verschiebt sich natürlich die Gewichtung. Bei bestimmten Produkten wie Maschinen und Anlagen wird mehr die Information im Vordergrund stehen, bei anderen – Mode, Urlaub oder Prestigeprodukten – dagegen mehr die Beeinflussungsfunktion.
Und eben wie oben beschrieben: Ein Stückchen Landleben kaufen – das es so gar nicht gibt. – Wenn wir wüssten, was wir essen, würden wir es vielleicht gar nicht mehr essen wollen.
„Verbraucher sind für die Wirtschaft das, was der Wähler für die Politik ist”. Jim Turner, amerikanischer Wirtschafts-Journalist
Wir bedanken uns bei Plusminus – ARD für die tolle Recherche.
Netzfrau Doro Schreier
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