Fukushima – Reflexion der vier katastrophalen Jahre – Unsere Gedanken sind bei den Opfern

Fukushima TagFukushima und die gesamte japanische Gesellschaft werden nie wieder so sein, wie sie vor dem Unfall einmal waren. Die Radioaktivität wird man einfach nicht mehr los.

Unsere Gedanken sind bei den Opfern des Tsunami, des Erdbebens und der darauf folgenden atomaren Katastrophe. Noch immer ist das Ausmaß der Schäden am Atomkraftwerk Fukushima nicht abzusehen.

Am 11. März 2011 kam es in Fukushima in Japan zu einem starken Erdbeben und dem nachfolgenden Tsunami. Im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi entstanden große Schäden, die mit den vorhandenen Sicherheitssystemen nicht bewältigt werden konnten. Mit dem Wind wurden infolge des Reaktorunfalls in Fukushima die in die Atmosphäre freigesetzten radioaktiven Stoffe (Radionuklide) lokal, regional und global verfrachtet und in der Folge auf der Erdoberfläche deponiert.

Auch nach vier Jahren können noch immer rund 120 000 Menschen wegen der Strahlung nicht zurück in ihre Heimat. Andere können nicht zurück, weil der Wiederaufbau der vom Tsunami zerstörten Gebiete im Nordosten des Landes nur schleppend vorankommt. Fast 19 000 Menschen waren damals von der Flutwelle in den Tod gerissen worden oder werden noch immer vermisst. Insgesamt sollen bereits rund 3 200 Menschen an den Folgen des jahrelangen Lebens als Evakuierte gestorben sein.

Fukushima – Reflexion der vier katastrophalen Jahre

11. März 2011

Fukushima Daiichi Nuclear Power StationAn diesem sonnigen Frühlings-Freitag findet das viertschwerste je gemessene Erdbeben mit einer Stärke von 9,0 Mw statt, dem ein Tsunami folgt, der nur 40 Minuten nach dem Beben auf die Nordostküste Japans trifft, sich kilometerweit ins Land wälzt und alles mit sich reißt, 19 000 Menschen das Leben raubt und Hunderttausende obdachlos werden lässt.

Die Reaktoren des Kernkraftwerkes Fukushima Daiichi werden beschädigt und – wie man heute weiß – die eigene, aber auch die Weltbevölkerung falsch informiert über das Ausmaß des Unglücks. Arnold Gundersen, der unter anderem die Aufsichtsbehörde NRC und den US-Kongress beriet, erklärt, dass der Tsunami die Dieselgeneratoren, die als Not-Aggregate Strom für die Kühlung des Kraftwerks bereitstellen sollten, zerstörte und ebenso alle Wasser-Pumpen am Küstenstreifen. Selbst wenn die Generatoren gelaufen wären, hätte es kein Wasser zum Kühlen der Anlagen gegeben.

Der Reaktor in Block 1 erhitzt sich auf über 1000 °C. Das Wasser verdampft. Die Metalle der Hüllrohre, in denen sich das angereicherte Uran befindet, oxidieren mit dem Sauerstoff des umgebenden Wasserdampfes. Wasserstoff wird freigesetzt. Währenddessen steigt der Druck im Reaktorkessel stetig an. Per Hand versuchen Arbeiter, Ventile zu öffnen, um die Gase, die sich im Kessel bilden, abzulassen. Doch der Wasserstoff und die Gase steigen nach oben, unter das Dach. Es kommt zu einer chemischen Explosion, die auch die äußere Hülle des Reaktorblocks 1 zerreißt.

13. 3. 2011

Auch Block 3 wird von einer gewaltigen Detonation erschüttert. Arnold Gundersen beobachtet über Reaktor 3 einen hellen Blitz, der weit in die Höhe reicht. Im Gegensatz zur relativ flachen, chemischen Explosion aus Reaktor 1 wird in Block 3 viel mehr Energie freigesetzt. Es besteht der Verdacht, dass es sich hier nicht mehr nur um eine rein chemische, sondern um eine nukleare Explosion handelt. Es kommt zur prompten Freisetzung von nuklearer Energie.

Wäre dies eine Wasserstoffexplosion gewesen, hätte man später in der Umgebung und auch noch Kilometer entfernt nicht Spuren von hochradioaktivem Plutonium finden können. Block 4 ist zum Zeitpunkt des Unglücks nicht in Betrieb. Es ist kein Brennstoff im Reaktor. Sehr wohl jedoch Brennstäbe, die aus den Sicherheitsbehältern entfernt worden waren und im Abklingbecken von Block 4 gelagert wurden. So wurden Kosten für die Zwischenlagerung gespart. Als jedoch auch hier die Kühlung ausfiel, war man gezwungen, mit Hubschraubern Wasser zur Kühlung von oben in die Becken zu schütten, das Wasser verdampft, der Wasserspiegel sinkt.

Bis die Brennstäbe aus dem Wasser ragen – die Wasserstoffexplosion ist unaufhaltbar, obwohl der Reaktor nicht mehr in Betrieb ist.

14.,15.,16. 3. 2011

In Block 1 bis 3 kam es zu Kernschmelzen. Große Mengen an radioaktivem Material – unter anderem etwa 15 EBq Xe-133, also etwas mehr als das Doppelte von Tschernobyl, und ca. 36 PBq Cs-137,[1] also ca.42 % der Cs-137 Emission von Tschernobyl[2] – wurden freigesetzt und kontaminierten Luft, Böden, Wasser und Nahrungsmittel in der land- und meerseitigen Umgebung.

Am 11. März um 20:50 Uhr verfügte die Notfalleinsatzzentrale der Präfektur Fukushima die Evakuierung der Bevölkerung in einem Radius von zwei Kilometern um den Reaktorblock 1, nachdem dort die Kühlung ausgefallen war. Später ließ der Premierminister diesen Radius schrittweise auf drei (11. März um 21:23), zehn (12. März um 5:44) und 20 (12. März um 18:25 Uhr) Kilometer erweitern. Rückblickend drängt sich der Verdacht auf, dass es keine oder nur unzureichende Notfallpläne gab, dass es in erster Linie darum ging, nicht das Gesicht zu verlieren und den entstandenen Schaden möglichst klein darzustellen.

2012

screenshot

screenshot

Nun ist bekannt: Die unvorstellbare Menge von bis zu 630 000 Terabecquerel der radioaktiven Elemete Jod-131 und Cäsium-137 wurden durch die Explosion frei. Unter Berufung auf Regierungsangaben zogen japanische Medien einen dramatischen Vergleich: Das Ausmaß des frei gewordenen Cäsium-137 entspräche 169 Hiroshima-Bomben. Nach vielen Versuchen der Verharmlosung gab ein TEPCO-Sprecher zu, langfristig könnte von Fukushima Daichii mehr Radioaktivität in die Umwelt gelangen als beim Super-GAU in Tschernobyl 1986.

Im Feber 2012 wurde begonnen, auf einer Fläche von mehr als 8000 km² die obersten 5 cm Erdreich abzutragen. Das entspricht einer Fläche, die 20-mal so groß wie Wien ist. Arbeiter spritzen mit Hochdruck Dächer und Fassaden ab, kehren radioaktiv verseuchtes Laub zusammen.

Alles wird in Plastiksäcke gefüllt und zu Lagerplätzen gebracht. Ein Täuschungsmanöver an Säuberung, meinen Kritiker. Und: Die Säcke voller kontaminierter Erde und Laub lagern immer noch, zersetzen sich langsam durch Witterungseinflüsse, keiner will sie haben und eine End-Lösung ist nicht in Sicht.

Werbung

Warum schalten die Netzfrauen Werbung?

Entgegen den Beteuerungen der japanischen Regierung werden auch im 200 km entfernten Tokyo erhöhte Werte im Trinkwasser, in Milch und selbst in Muttermilch festgestellt. Untersuchungen zeigen trotz eilends erhöhter Höchstgrenzwerte vielerorts Überschreitungen der Werte in Lebensmitteln wie Reis, Gemüse und Fleisch. Tepco begann auch, das kontaminierte Wasser aus den Kühlsystemen der Reaktoren ins Meer abzuleiten und zwar ca. 400 Tonnen täglich, was allerdings erst im August 2013 offiziell zugegeben wurde.

Das Grundwasser nahe dem Turbinengebäude von Reaktor 2 wies hohe Werte der hochgiftigen radioaktiven Stoffe Strontium-90 und Tritium auf. Die Werte für Strontium-90 lagen bei mehr als dem Dreißigfachen des zulässigen Höchstwertes; Tritium war in achtfach höherer Konzentration als zulässig gefunden worden. Die Cäsium-134-Belastung stieg auf 9000 Becquerel pro Liter. Der zulässige Grenzwert liegt bei 60 Becquerel.

2013

Screenshot

Screenshot

Ob das im Test-Status befindliche Filter-System nun in Betrieb genommen werden konnte, ist nicht herauszufinden.

Das von der Firma Toshiba hergestellte System namens „Alps“ („advanced liquid processing system“) kann diverse Radionuklide, vor allem Strontium, herausfiltern – nicht jedoch strahlendes Tritium. Nach einer ersten Panne im Juni, infolge von Korrosionsschäden, wurde erst im Oktober wieder der Testbetrieb aufgenommen. Auch dabei traten jedoch Probleme auf. Dem System kommt eine zentrale Rolle bei der Bewältigung der riesigen Wassermassen auf dem AKW-Gelände zu. Eine andere Anlage filtert Cäsium aus dem Wasser. Sie ist von den aktuellen Problemen nicht betroffen.

Eine Bürgergruppe hat Messungen auf einigen der zukünftigen Austragungsorte der Olympischen Spiele in Greater Tokyo vorgenommen und alle haben hohe Verstrahlungswerte ausgewiesen. Das Olympische Komitee ist an diesen Informationen aber nicht interessiert.

Kunikazu Noguchi, Prof. für Strahlenschutz an der Nihon Universität meint dazu: „ Als Gastgeber für die Olympischen Spiele ist es zwingend notwendig, dass die Strahlungswerte der Austragungsorte der Welt bekannt gegeben werden“.

Noch immer tritt aus den havarierten Reaktoren radioaktive Strahlung aus. Trotzdem will Japan in Fukushima ein Wunder schaffen. Die Regierung will das verlorene Land komplett von Strahlung säubern. Es ist eine Fläche fast so groß wie Nordrhein-Westfalen. Knapp fünf Milliarden Euro stehen für diese Mammut-Aufgabe bereit.

Tausende Leiharbeiter aus ganz Japan sind dafür angeheuert. Sie fällen verstrahlte Bäume und  tragen kontaminierte Erdschichten ab. Jedes einzelne Haus muss per Hand abgewaschen werden. Ein Job, den kaum einer will, aber viele dringend brauchen. Einer Studie der Uni Göttingen zufolge wird sich die freigesetzte Radioaktivität weithin über den Pazifik verteilen.

Im Meer vor Fukushima gefangene Fische enthalten Rekordwerte radioaktiven Cäsiums. Bei zwei Grünlingen wurde eine Belastung von 25 800 Becquerel Cäsium pro Kilogramm gemessen. Das gab der AKW-Betreiber Tepco nach japanischen Medienberichten bekannt. Der Messwert entspricht dem 258-Fachen dessen, was der Staat als unbedenklich zum Verzehr einstuft. Die Fische wurden Anfang August in einer Entfernung bis 20 Kilometer von der Atomruine in 15 Metern Tiefe gefangen.

Die Reaktorkatastrophe hat sich zudem auf in der Region heimische Schmetterlinge ausgewirkt. Forscher entdeckten noch in der dritten Generation unnatürliche Mutationen bei einer Schmetterlingsart, die sie im Umfeld des Unglücksorts gesammelt hatten. Wenige Monate nach der Katastrophe waren bei einigen Bläulingen Form und Farbmuster der Flügel verändert. Das schreibt das Team von Atsuki Hiyama und Chiyo Nohara von der Universität von Ryukyu in Okinawa im Online-Journal Scientific Reports .

In den Tsunami-Gebieten von 2011 richtete der 26. Taifun der Saison im Oktober 2013 stellenweise neue Schäden an. Einzelne Behelfsunterkünfte, in denen noch immer Flüchtlinge der Katastrophe vom 11. März 2011 hausen, wurden zertrümmert. Ein Tempel im nahe der Atomruine Fukushima gelegenen Ort Minamisoma brannte ab. Es war der schwerste Taifun seit Oktober 2004. Damals waren fast 100 Menschen bei Überflutungen und Erdrutschen ums Leben gekommen.

Wie von Harvey Wassermann angeregt, nimmt die japanische Regierung jetzt doch Hilfe von ausländischen Experten an.

Fukushima 4

Die Japan Times berichtet am 19. Oktober 2013, dass Mitte November die Bergung der Brennstäbe beginnen soll. Dafür hat Tepco einen mobilen 273 t Kran über dem Gebäude errichten lassen, der ferngesteuert bedient wird. Unter normalen Umständen würde dies etwa drei Monate dauern. Tepco will aber bis zum Jahresende damit fertig sein.

Macfadyen. schildert, dass das Meer tot ist; im Gegensatz zu seiner Segeltour vor zehn Jahren fängt er dieses Mal kaum Fische, dafür zerkratzen Trümmer des Tsunami-Desasters seine Bootsunterseite.

Die Berater von Ministerpräsident Shinzo Abes Koalitionsparteien empfahlen am 11. 11. 2013, die ehrgeizigen Ziele der Entkontaminierung des Sperrgebietes aufzugeben und zu beginnen, den Evakuierten zu sagen, dass auch eine $ 30 Milliarden-Ausgabe das langfristige Strahlungs-Reduktionsziel nicht erreichen wird, das die vorherige Regierung zugesagt hat. „Die Regierung und regierende Partei wird als Einheit handeln und damit solide umgehen“, sagte Chef Kabinettssekretär Yoshihide Suga und fügte hinzu, dass Abe den Vorschlag ernsthaft in Erwägung ziehen würde.

Die Regierung zieht auch in Betracht, einen Anfang November 2013 gemachten Vorschlag zu erörtern, wonach die Evakuierten aus dem engsten Sperrgebiet, die auf Grund der hohen Strahlung keine Aussicht auf Rückkehr haben, eine Kompensationszahlung erhalten könnten.

„Es kommt der Tag, an dem es an der Zeit ist zu sagen: „Sie werden hier nicht mehr leben können, aber wir werden eine Lösung für Sie finden“, sagte der Generalsekretär der LDP, Shigeru Ishiba, in einer Rede Anfang Nov. 2013.

Die japanische Zeitung Tokyo Shimbun berichtet am 31. 12. 2013 über ihre Nachforschungen in Bezug auf geheime Absprachen zwischen der Fukushima-Präfektur, der (medizinischen) Universität und der IAEA (International Atomic Energy Agency).

Seit langem herrscht in der Öffentlichkeit Misstrauen darüber, was die Ehrlichkeit und Offenheit dessen angeht, was in Japan passiert. Nun bestätigte die Zeitung Tokyo Shimbun, dass es eine Geheimhaltungs-Vereinbarung zwischen der IAEA, der Universität und der Fukushima-Präfektur gibt. Haupt-Informationsquelle über veröffentlichte Daten zur Verstrahlung war die Universität und sie bestimmte auch, wer auf Grund welchen Verstrahlungsgrades welche Behandlung erhielt. Das öffentliche Misstrauen gegen die Universität und Präfektur wuchs mit deren Anstrengungen, die Probleme herunterzuspielen und Informationen zurückzuhalten. Das kam durch Tokyo Shimbuns Nachforschungen ans Tageslicht.

Im Wesentlichen wird in dieser Geheimhaltungs-Vereinbarung festgehalten, dass Informationen, die in der Bevölkerung Panik verursachen könnten, vermieden werden müssen. darunter auch Informationen über die Zahlen von Schilddrüsenerkrankungen bei Kindern und zu anderen Gesundheitsdaten.

Japan wird als Olympia-Austragungsort 2020 gewählt

2014

Das National Stadium of Japan by Zaha Hadid Architects, das 80 000 Zuschauern die Eröffnungs- und Abschlusszeremonie der Olympiade 2020 sehen lassen wird und auch für Athleten-, Fussball- und Rugby-Veranstaltungen zur Verfügung steht, ersetzt das Kasumigaoka National Stadium, das schon für die Olympiade 1964 zur Verfügung stand.

Das Olympische Dorf wird in der Nähe des Tokioter Hafens errichtet und soll später als Wohngebiet dienen. Der Hafen liegt nahe der Sperrzone von Fukushima.

Im September 2013 antwortete der Präsident des 2020 Olympia Japan Komitees, Tsunekazu Takeda, bei einer Pressekonferenz den Journalisten auf ihre Fragen zu Fukushima: „Die Strahlung ist in Tokio nicht höher als in London, New York und Paris. Nicht ein Mensch der 35 Millionen in der Region hat einen Schaden davongetragen und es ist überall total sicher, man braucht sich nicht sorgen. Wir haben keine Angst um Tokio und die Olympiade 2020“.

Die INES-Skala reicht für Fukushima nicht mehr aus

Das Unglück von Fukushima ist auf der 7-teiligen INES-Skala mit 7 eingestuft, also gleich hoch mit Tschernobyl.

Nun wurde bekannt, dass Tepco seit dem Unfall mit Messgeräten hantierte, die keine richtigen Daten lieferten. Obwohl Tepco dies bekannt war, wurden diese Geräte weiter verwendet.

Der damalige Rekordwert von 900 000 Bq/l musste nun auf 5 Mio Bq/l korrigiert werden.

Die Messstelle liegt in 16 m Tiefe, 25 m von der Küste. Im letzten halben Jahr entnahm Tepco zwar 140 Proben, veröffentlichte die Werte aber nicht, da die Strontium-Werte über dem Gesamtwert an ß-Nukliden lag.

In der Pressekonferenz vom 10. Februar 2014 gab Tepco zu, dass in vier Laboren 30 Leih-Arbeiter ohne Aufsicht durch Tepco die Messdaten analysieren. Die Analysen, die während der letzten zweieinhalb Jahre falsch waren, zeigen auch, dass Tepco für die Dekommissionierung von Fukushima ungeeignet ist.

Im August wurden diese Labore von NRA-Inspektoren kontrolliert, sie fanden aber keine Hinweise auf falsche Messdaten, da Tepco diese sechs Tage vorher richtig zu messen begann, berichtet Fukushima Diary.

Nachdem 300 m³ aus einem Tank-Areal ausgeflossen waren, stufte die NRA diesen Zwischenfall als INES Stufe 3 ein und mit Genehmigung der IAEA wurde dies zu der bis dahin gültigen INES-Stufe 7 hinzugerechnet.

Damit gab Tepco letztlich zu, dass von März 2011 bis Oktober 2013 die hoch kontaminierten Proben falsch analysiert worden waren und deshalb weit unter der tatsächlichen Kontaminierung kommuniziert wurden.

Tepco gab nicht bekannt, bis wann diese Korrekturen fertig gestellt sein werden. Wenn aber die Werte des ausgelaufenen Wassers ebenfalls zu niedrig waren, ist anzunehmen, dass die Gesamt-Einstufung des Unglücks in Zukunft 7+3 lauten wird.

Die Kinder von Fukushima

Die Welt soll sehen, wie es im kontaminierten Gebiet nur 30 km von der Sperrzone entfernt aussieht. Die Welt soll wissen, dass Kinder mit Atemschutzmasken draußen spielen, dass auch in Nieten und Schrauben der Spiel- und Turngeräte im Freien die Radioaktivität ist. Dass Kinder ihre Messgeräte mit sich tragen wie früher ihre Tamagochis. Die Welt soll nachempfinden, wie groß die Angst der Erwachsenen ist, was die Zukunft der Kinder angeht. Die Welt soll sich vorstellen, was es heißt, die Nahrungsmittel einer Schulküche tagtäglich auf Strahlung prüfen zu müssen. Die Welt soll nachempfinden, was dieser stete mentale Stress mit den Menschen dort macht .

Das amerikanische Filmteam unter Ian Thomas Ash machte die Aufnahmen 2012, die Situation ist aber auch 2014 und wohl noch lange Zeit unverändert.

Im April 2014 wurde den ersten Evakuierten aus der Präfektur die Heimkehr in ihre Häuser erlaubt. Die meisten Familien mit Kindern zögern noch. Sie haben Angst vor der Strahlung, Angst, ihre Kinder könnten Schäden davontragen.

Der Filmemacher Atsushi Funahashi begleitete Evakuierte erneut vom Januar 2013 bis Anfang 2014 und machte daraus seine zweite Doku „Nuclear Nation2“, die im November 2014 Premiere hatte und im Februar 2015 bei der Berlinale zu sehen war.

Der damalige Bürgermeister – ehemals aktiver Befürworter der Atomenergie und nach dem Unglück leidenschaftlicher Kämpfer für die Opfer der Katastrophe – wurde durch einen jüngeren ersetzt. Auch der unbeirrte Rinderzüchter aus dem ersten Teil taucht wieder auf. Er hatte sich der Anweisung der Regierung widersetzt, das Katastrophengebiet zu verlassen und seine Herde zu töten. Heute sieht man die Folgen der radioaktiven Verseuchung an seinen Tieren: Offene Stellen und Geschwüre. Erst Ende 2014 verließen die letzten Bewohner die Schule. In ihre Heimat werden sie wohl nicht zurückkehren. Die zentral betroffene Region wird zur Giftmülldeponie erklärt. Die Menschen von Futaba, die einst durch die Atomenergie zu Wohlstand kamen, zahlen nun den hohen Preis allein.

Die Dekontaminierungsarbeiten in den Präfekturen Iwate, Miyagi, Fukushima, Ibaraki, Tochigi, Gunma, Saitamauand Chiba sind alles andere als abgeschlossen anzusehen, in vielen Gemeinden haben sie noch nicht einmal begonnen. Unter anderem auch weil völlig unklar ist, wo die abgegrabene Erde gelagert werden soll.

Im Oktober 2014 wird erstmals offiziell zugegeben, dass die Studie der Medizinischen Universität Fukushima, die eigentlich hätte beweisen wollen, dass es zu keinen gesundheitlichen Auswirkungen des Unglücks vor vier Jahren gekommen sei, genau das Gegenteil ans Licht brachte.

Fukushima evacuees demonstrate in N.Y.

Fast 50 % der Kinder und Jugendlichen der Präfektur Fukushima zeigen Schilddrüsen-Veränderungen, manche davon in einem Stadium, das Operationen nötig macht.

Aus Zahlen des UN-Ausschusses zur Untersuchung der Auswirkung der atomaren Strahlung geht hervor, dass Japan bis zu 16 000 zusätzliche Krebserkrankungen, mehr als die Hälfte davon mit Todesfolge, zu erwarten hat. Der Verein Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges in sozialer Verantwortung (IPPNW) vermutet, dass die Zahl in Wirklichkeit viel höher liegt. Man habe sich auf Schätzungen der Internationalen Atomenergie-Organisation gestützt, anstatt die Ergebnisse der unabhängigen Forschung einzubeziehen.

Am 20. 12. 2014 gibt Tepco bekannt, dass die 1535 Brennstäbe aus dem Reaktor 4 entfernt werden konnten und dass im April 2015 damit begonnen werden soll, die Brennstäbe aus dem Reaktor 3 zu entfernen, falls die hohe Strahlung dies zulässt.

2015

Ein Gerichtsbescheid fordert die Atomkraftgegner auf, ihre Zelte, die seit März 2011 am Gelände des Industrieministeriums stehen, zu entfernen und eine Grundstücksnutzungsgebühr zu entrichten, die sich auf 28,9 Millionen Yen (€ 222 500) beläuft.

Anfang März gibt Tepco bekannt, sie würden künftig bei Zwischenfällen, bei denen die Umwelt betroffen wäre, die entsprechenden Daten ohne Verzug bekannt machen (z. B. Grundwasserbelastung, Radioaktivität in der Luft).

NHK hielt im Zeitraum Januar bis März 2015 eine Leserumfrage ab, die zeigt, dass die Betroffenen aus den Provinzen Fukushima, Miyagi und Iwate beobachten, dass das öffentliche Interesse am Unglück von 2011 zusehends schwindet.

Immer noch werden von privaten Gruppierungen, wie z. B. der „Minamisoma Volunteer Katsudo Center“, „Soso Volunteer“, „Skilled Veterans Corps for Fukushima” und anderen Organisationen Säuberungsarbeiten durchgeführt, die Freiwillige leisten, wie das Zusammenrechen von Laub, das Reinigen von Hausfassaden, Dächern, Abwasserkanälen, etc. Diese Personen führen die Arbeiten aus, die von Regierungsseite zu veranlassen wären. Sie haben keine Ausstattung, keine Dosimeter zum Kontrollieren der Werte und werden auch medizinisch nicht nachbetreut.

Wie Der Tagesspiegel am 20. 1. 2015 berichtete, haben sich die Regeln des IOC geändert. Während der Bewerbung um die Spiele waren die japanischen Offiziellen mit dem Motto angetreten, „Tokyo 2020“ würde eine Wiederauferstehung des Landes werden. Wie zuvor 1964, das ein Symbol für die Erholung aus der Zerstörung des Zweiten Weltkrieges war, würde 2020 die Erholung aus der Katastrophe des Erdbebens, des Tsunami und des daraus resultierenden Kernkraftwerkunfalls darstellen. Premierminister Shinzo Abe beschwor, dass von Fukushima keine Gefahr mehr ausgehe, zumal der Austragungsort der Spiele weit weg sei.

Nun gibt es aber Überlegungen, die nach Olympia 2008 in Peking aus den Bewerben genommen Baseball- und Softball-Wettbewerbe wieder aufzunehmen und eben diese in Fukushima austragen zu lassen. Dort kann man auch auf das moderne Trainingszentrum J-Village zurückgreifen, das vorübergehend als Notunterkunft für Tsunami-Geschädigte und Aufräum-Arbeiter diente.

Das Olympische Dorf wird – den Plänen der Tokyoter Regierung zufolge – ein Vorzeige-Projekt: Die Energie dafür wird durch Wasserstoff erzeugt werden.

Im Olympischen Dorf, auf einer natürlichen Insel in der Bucht von Tokio, sollen 17 000 Sportler und andere Gäste in 22 Wohngebäuden mit jeweils 14 bis 17 Stockwerken leben. Nach den Spielen wird das Dorf mit einem Einkaufszentrum und einer Schule in eine Stadt mit 10 000 Einwohnern umgewandelt.

Gedenken wir heute, am Jahrestag des Unglücks, all derer, die ihr Leben, ihr Zuhause und noch mehr verloren haben. Unser Mitgefühl ist bei ihnen und wir werden weiter darüber berichten, wie das Leben in Fukushima weitergeht. Für alle, die mehr wissen möchten, hier ein Rückblick auf das Unglück von Fukushima:

Ganz neue Videos (in Englisch)

Arnie Gundersen: Fukushima Meltdown 4 Years Later Retrospective + Reflection 3/5/2015

(Arnie Gundersen: 4 Jahre nach dem Unfall):

Nuclear Hotseat #193: Fukushima + SPECIAL Caldicott Symposium 3/6/2015:

Documentary: The Battle of Fukushima – Final version :

Mehr als 200 US-Matrosen und Marinesoldaten machten in einer Sammelklage gegen TEPCO geltend, dass Fukushimas Strahlung vernichtende gesundheitliche Beeinträchtigungen hervorgerufen hat einschließlich Krebs, Tumore, Gehirnschäden, sogar Tod, und eine ganze Reihe anderer Defekte, die schwer zu diagnostizieren sind. Mindestens in den ersten Tagen bis eine Woche nach der Operation Tomodachi, hatte niemand an Bord irgendwelchen Strahlenschutz eingesetzt, da Tepco bewusst gelogen hatte.

Nach der Katastrophe von Fukushima lief der Flugzeugträger „USS Ronald Reagan“ aus, um den Opfern des Tsunami zu helfen. Mit 5000 Soldaten an Bord trieb er zweieinhalb Monate im radioaktiv verseuchten Meer. Jetzt, vier Jahre später, sind hunderte Matrosen an Krebs erkrankt. Mehr als 200 Matrosen der USS Ronald Reagan verklagen TEPCO – Matrosen wurden radioaktiven Partikeln ausgesetzt – Fukushima fallout suit: ‘Sailors were marinating in radioactive particles’

Eine Mutter aus Fukushima:

Wir leben 60 km vom Kraftwerk entfernt und unsere Heimat wurde schlimmer verseucht als es in Tschernobyl der Fall war. Das Cäsium-137, das in der Erde gefunden wird, bleibt für die nächsten 30 Jahre hier. Doch die Regierung wird uns nicht helfen. Sie sagen uns, wir sollen einfach hier bleiben. Unseren Kindern sagen sie, sie sollen Hüte aufsetzen, Gesichtsmasken tragen und weiter zur Schule gehen.

Auch in diesem Sommer wird es unseren Kindern nicht möglich sein, schwimmen zu gehen. Sie werden nicht im Freien spielen können. Sie können nicht Fukushimas leckere Pfirsiche essen. Nicht einmal den Reis können sie essen, der von den Bauern in Fukushima geerntet wird. Sie können Fukushimas wunderschöne Flüsse, Berge und Seen nicht mehr besuchen. Es macht mich so traurig. Es erfüllt mich mit so viel Bedauern.

Unsere Gedanken sind bei den Menschen in Japan. Wir denken auch an die Rettungskräfte in unmittelbarer Nähe zum Reaktor, die unter Einsatz ihrer Gesundheit und womöglich ihres Lebens gegen die Katastrophe ankämpfen.

Netzfrau Lisa Natterer

Das könnte sie auch interessieren:

Die Story im Ersten: Fukushima – Unterwegs in der größten Nuklearbaustelle der Welt

Fukushima: Rekordstrahlung! Es wird verschwiegen, vertuscht und beschönigt – Olympia 2020 in Tokio

Der gefährlichste Moment in der Geschichte der Menschheit

Fukushima: Es gibt keine Rettung! Es wird hunderte Jahre dauern!

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.