2 x 3 macht 4 –
widdewiddewitt und 3 macht 9e !
Ich mach‘ mir die Welt – widdewidde wie sie mir gefällt…
Nur 0,99 € kostet eine App für iTunes (Mac und PC), um überladene Hirnströmungen zu besänftigen. Freigegeben ist diese App für 12+.
Die Beschreibung dieser App besagt: Erweitertes Brainwave Entrainment wird verwendet, um Ihre Gehirnwellen mit tiefentspannenden niederfrequenten Alpha- und Theta-Wellen zu synchronisieren, um Kopfschmerzen zu vertreiben, die von Übelkeit und Unbehagen eines Katers herrühren.
Ein zwölfjähriges Kind sollte noch keine Kater-Erfahrung haben, und wer prüft im Übrigen, ob das Kind, das diese App herunterlädt, schon 12 ist?
Aber nicht nur Banzai Labs bietet solche Lösungen an. Viel weiter damit ist die Firma Thync.
Zwischen drei Gemütszuständen kann derzeit gewählt werden. Man braucht nur ein Smartphone samt der dazugehörigen App und ein Stimulationsgerät, das im Nacken befestigt wird.
Die Grenzen des Erlaubten? Weg mit den Psychopharmaka – her mit den Vital Vibes?
Der Transmitter im Nacken leitet modulierte Ströme, sogenannte Vibes, durch die Haut direkt in die Kranialnerven, die ins Gehirn führen. Die Vibes beeinflussen so das sympathische und parasympathische Nervensystem und die Gehirnströme – und damit schließlich auch den Ausstoß von Botenstoffen und Hormonen.
Während herkömmliche Drogen chemisch in den Botenstoff-Spiegel eingreifen, setzt die digitale Droge einen Schritt davor an: Sie beeinflusst direkt das Gehirn und das Nervensystem und damit auch das Bewusstsein.
Steuerbare Laune und Geisteszustand
Die Vision der Entwickler: Irgendwann kann der Mensch mit farbigen Buttons auf seinem Handy-Bildschirm frei wählen, wie er sich gerade fühlen will. Was für manche wohl nach völliger Entfremdung von den eigenen Gefühlen klingt, bedeutet für die Forscher von Thync den Beginn der Freiheit des menschlichen Geistes.
Thync drückt das so aus:
Bisher kann Ihr Gerät nur drei Zustände erzeugen: entspannt, energetisiert und hoch fokussiert.
Thync will vor allem Geschäftsleute unterstützen, die Probleme haben, ihren Stress in den Griff zu bekommen, die sich vor einem Termin aufputschen und danach wieder ruhigstellen. Ihre digitale Droge bezeichnen sie als Hilfsmittel zu einem „produktiveren Leben“
Nur die Spitze eines Eisbergs
Thync ist überzeugt von dieser Idee und nutzt sie selbst ausgiebig. Noch heuer soll sie auf den Markt kommen. Schon zuvor gab es derartige Heilsversprechen, doch selbst skeptische Konkurrenten meinen nach den Blind-Placebo-Studien, dass die Wirkung wohl den Durchbruch der Technologie bringt, der noch vor kurzem als nicht durchführbar galt. Die drei Zustände, die das Gerät bis jetzt kann, sollen erst der Anfang sein. Die dahinter stehende Technologie ist noch jung und schon bald sollen weitere „Vibes“ für alle erdenklichen Emotionen dazukommen.
Isy Goldwasser, einer der Entwickler, sagt dazu:
„Wenn wir das Ding erst mal auf dem Markt haben, werden immer neue Vibes dazukommen, diese Technologie hat keine Grenzen nach oben“.
Isy Goldwasser, ein Absolvent der Stanford University, wurde 1999 als 29-jähriger zum
Innovator under 35 gekürt. Damals brachte er mithilfe kombinatorischer Chemie die Firma Symyx auf den Weg, der er den Weg zu zeitsparenden Laborversuchen wies, die neue Materialien hervorbringen sollen.
Thync sieht am Konsumentenverhalten, was es ist, das Menschen kaufen. Mittel zur Anregung und alles, was zur Beruhigung führt.
Zusammen erbringen sie einen Jahresumsatz von 400 Milliarden US$. Neueste Marktforschungen zeigen, dass in den USA alleine der Markt der Energydrinks 12,5 Milliarden umfasst und Kaffee, Tee, Alkohol und andere Stimulanzien auf einem Allzeithoch sind. Der Markt der „Wearables“ wird alleine für 2015 auf 7 Milliarden $ geschätzt, wovon Geräte im Wert von 300 Millionen in alle Welt verschifft werden sollen.
Thync wird diese Kategorien „Anregung und Beruhigung“ mit einem chemiefreien Produkt abdecken, das direkt an der Quelle wirkt: dem Gehirn des Anwenders.
Also, man könnte sagen, mit einer digitalen Droge.
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Als digitale Drogen werden technische Methoden bezeichnet, mit denen man versucht, direkt Einfluss auf das Gehirn zu nehmen und so bestimmte Bewusstseinszustände herbeizuführen. Dies geschieht meist über akustische oder visuelle Signale, zum Teil werden zu diesem Zweck so genannte Mind Machines verkauft. Oft reichen aber für akustische Reize auch handelsübliche Kopfhörer. Ist das Ziel, bestimmte Gehirnwellen anzuregen, so spricht man von Brainwave Entrainment.
Als Gehirnwellen sind Wellenstrukturen, die im Elektroenzephalogramm (EEG), welches elektrische Felder des Gehirnes am Kopf misst, auftauchen und denen man eine Frequenz zuordnen kann. Allgemein ähnelt das EEG-Signal einem 1/f-Rauschen (Pink Nois), bei denen aber die einzelnen Frequenzbereiche (Frequenzbänder) unterschiedliche Aktivität aufweisen können, was mit Gemütszuständen assoziiert ist. Entrainment setzt hier an und versucht, diese Gehirnwellen zu induzieren, in der Hoffnung, damit auch den verbundenen Gemütszustand zu erreichen.
Neuroscience gibt dazu bekannt, dass nach einer zehnminütigen Stimulanz des Gehirns die Wirkung eine Stunde anhält. Als ideale Einwirkzeit werden 20 Minuten genannt, Zeitbeschränkungen werden nicht angegeben. Die Empfehlung lautet allerdings, zwischen zwei Behandlungen wenigstens 48 Stunden auszusetzen und die Behandelten auf den Effekt der Gehirnwellen-Beeinflussung hinzuweisen. Daraus kann man schließen, dass eine einmalige Anwendung der Anregung der transcranialen Nerven sicher ist. Allerdings stehen Studien aus, die die Auswirkungen von öfter wiederholten Anwendungen zeigen.
Auf dem Weg zum neuen Menschen
Die Technologie wird auch anderswo verwendet: Die militärische Ideenschmiede DARPA hat ein ähnliches Programm, nur mit etwas anderen Zielen: Ihr Gerät verbessert die Denkfähigkeit und blendet störende Gedanken und Emotionen gleich völlig aus.
Wie mächtig diese Technologie ist, zeigt der Bericht einer Redakteurin des renommierten Magazins New Scientist, die die Technologie testen durfte. Man bat sie, militärische Schießübungen mit und ohne Stimulations-Gerät durchzuführen. Das Ergebnis: Ohne Gerät zeigte sie sich völlig unfähig, mit Gerät wurde sie eine Tötungsmaschine. Noch erschreckender aber war, wie sie diese Erfahrung empfand und dass bereits nach nur einer Anwendung der Suchtfaktor erkennbar war.
„Wollten Sie je Urlaub von ihrem eigenen Kopf haben? Was, wenn Sie einen sehr spezifischen Urlaub von nur dem Zeug nehmen könnten, das es so schmerzhaft macht Sie selbst zu sein. Nun, das wäre ein Urlaub! Sie wären immer noch Sie, aber in der Lage, die Welt ohne das emotionale Gepäck zu erkunden, das jetzt jede Ihrer Entscheidungen belastet. Können Sie sich vorstellen, wie sich das anfühlen würde?
Sie berichtet: Letztes Jahr konnte ich es herausfinden. Was ich herausfand, war, dass Strom die mächtigste Droge sein könnte, die ich je in meinem Leben gekostet habe. Das Besondere der Erfahrung war nicht die einfache Freude an der unverdienten Fähigkeit. Als die netten Neurowissenschaftler die Elektroden auf meinen Kopf setzten, war die Sache, die mir den Boden unter den Füßen wegzog, die, dass – zum ersten Mal in meinem Leben – alles in meinem Kopf endlich mal stillhielt. Ich ohne meine Selbstzweifel war eine Offenbarung. Es gab plötzlich diese unglaubliche Stille in meinem Kopf. Ich habe so etwas Ähnliches schon nach zweistündigen Lyengar-Yoga-Klassen erlebt, aber der fragile Frieden in meinem Kopf wurde schon erschüttert, wenn ich nur den Fuß aus dem Studio setzte.
Ich hoffe, dass Sie mit mir mitfühlen können, wenn ich Ihnen sage, dass ich in den Wochen nach meiner Erfahrung nichts dringender wollte, als mir diese Elektroden wieder anzuschnallen. Wie würde eine Welt aussehen, in der wir alle tDCS-Stirnbänder tragen, die uns in einem geerdeten, zuversichtlichen Zustand frei von allen Zweifeln und Ängsten halten würden? Würden Sie nicht alles aus der Kappe raussaugen? Ich würde. Ich würde jederzeit eine tragen – und eine zweite in meinem Rucksack bereit halten, falls der ersten was passiert.“
Ähnlich äußern sich fast alle Tester dieser Technologie. Auch die Entwickler bei Thync sind bereits vor der Zulassung abhängig von ihrer eigenen Droge – und umgehen dabei sogar die vorgesehene Skala von 1-100 Prozent:
„Wir haben eine Sperre eingebaut bei der Intensität, von der wir denken, dass sie generell von Menschen gerade noch als angenehm empfunden wird. Um ganz ehrlich zu sein, mache ich es jeden Tag aber bei 120 Prozent“, so Goldwasser.
Generell könnte dies der Beginn einer neuen Ära des Drogenkonsums werden. Mit den Durchbrüchen der letzten Jahre, die Gehirn-Computer-Interfaces haben Realität werden lassen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis immer mehr solche Produkte auf den Markt kommen werden.
Wir haben die Wahl
Wie in vielen Aspekten des Transhumanismus stellt auch diese Entwicklung viele soziologische, philosophische und spirituelle Fragen.
Was bedeutet es für den Menschen, wenn er irgendwann seine Emotion über sein Telefon frei wählen kann? Was macht das mit uns? Was bedeutet es, wenn wir auf diese Weise emotional von Maschinen abhängig werden?
Was bedeutet es, wenn durch solche Geräte die Fähigkeit zu denken und neue Fähigkeiten zu erlernen, massiv beschleunigt wird – die Technologie aber nur der Oberschicht zugänglich ist?
Was bedeutet es, wenn wir spirituelle Zustände auf diese Weise erzeugen können? (Wie es ja durch einige Technologien schon jetzt der Fall ist). Ist dies eine positive Entwicklung für den Menschen, oder vielmehr seine völlige Entfremdung von sich selbst?
Stellen diese Technologien eine völlig neue Gefahr für die Menschheit und Gesellschaft dar, oder sollten wir sie als Durchbrüche begrüßen?
Wir alle werden uns diese Fragen in den nächsten Jahren selbst beantworten müssen, wenn die Technologie insgesamt immer näher an und in unseren Körper hinein rückt. Das passiert nicht irgendwann, in der Zukunft, sondern genau jetzt.
Netzfrau – Lisa Natterer
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