Mobbing: Vanessas Erfahrungen

Diese Nachricht erreichte uns von unserer Leserin Vanessa. Sie ist Opfer von Mobbing und das mehrfach.

Hallo liebe Netzfrauen,

ich lese gern eure Beiträge auf Facebook und auch euer Mobbing-Artikel ging nicht an mir vorbei. Ich möchte euch ein wenig von meiner Geschichte erzählen.

Im Kindergarten ging es los

Schon so lange ich denken kann und das ragt bis in das Kindergartenalter hinein, war ich immer die Außenseiterin. Ich erinnere mich sogar noch daran, dass ich irgendwo mitspielen wollte, aber dann weggeschubst oder anderweitig weggeschickt wurde. In der Grundschule hatte ich immer mal wechselnd eine Freundin, die mir bei passender Gelegenheit auch in den Rücken gefallen ist, wenn es für sie „zu gefährlich“ wurde, mit mir befreundet zu sein.

In der Schule auch gemobbt

Ich war schon immer sehr gut in der Schule. Schon im ersten Schuljahr war ich die Streberin. Wenn sie mich so genannt haben oder mich anderweitig verletzt hatten, fing ich zunächst an zu weinen (was so ziemlich die einzig normale Reaktion auf sowas sein kann, neben komplett ausrasten —> dafür war ich viel zu schüchtern), was die meisten aber noch mehr aufbrachte, sodass sie noch mehr auf mich losgingen oder mich stattdessen als „Heulsuse“ betitelten. Anfangs war ich sehr motiviert, zur Schule zu gehen, meldete mich viel und beteiligte mich intensiv am Unterricht. Binnen der ersten Wochen hatte sich die Euphorie in Angst verwandelt gehabt, ich hörte auf mich zu melden, folgte zwar aufmerksam, reagierte aber auf Fragen der Lehrer nur, wenn sie mich direkt ansprachen. Dann hatte ich wenigstens die Ausrede, dass ich mein Wissen nicht freiwillig von mir gab.
Gefühlt habe ich mich immer wie das fünfte Rad am Wagen. Jeder meiner Fehler, die ich machte, wurde von meinen Mitschülern als Anreiz genommen, mich auszulachen und fertig zu machen, so als ob es unmöglich wäre, dass so etwas „Perfektes“ wie ich, auch Fehler mache. Wenn ich sonst schon nur für Häckchen stellen, anspucken und vollpöbeln gut war, war ich wenigstens dazu da, andere Hausaufgaben abschreiben zu lassen. Das zog sich hoch bis in die zehnte Klasse.

In der Realschule habe ich mir dann Freundinnen in den Klassenstufen unter mir gesucht, weil ich mich mit ihnen einfach besser verstand. Daraufhin wurde mir quasi befohlen, die Kontakte abzubrechen, weil ich mich nicht mit jüngeren abgeben darf und ich ja schließlich zu ihnen gehöre.

Nach 10 Jahren Mobbing zucke ich (bis heute) bei jedem Knall zusammen, weil die Jungs immer meinten, Tüten direkt neben mir aufzupusten und platzen zu lassen oder von der Seite gesprungen kamen und mich anschrien.

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Warum schalten die Netzfrauen Werbung?

Höhepunkt war eine Religionsstunde, in der zwei Jungs meinten, meine Flasche zu klauen, reinzuspucken und sie anschließend von mir unbemerkt wieder in meine Tasche zu stecken. Eine Klassenkameradin hat mir das dann freundlicherweise mitgeteilt. Geld hatte ich nicht dabei, um mir etwas Neues zu kaufen, es war Sommer, 35°C, und der Tag hatte gerade erst begonnen. Ich kam zu meinen Großeltern, total aufgelöst (sie und meine Eltern wussten von meinen Strapazen in der Schule) und mein Opa rief direkt bei einem der Täter an und hat seinen Eltern die Leviten gelesen. Daraufhin kam ein leises Raunen. Ein paar Tage später musste sich einer der Täter bei mir entschuldigen (Wow…), der andere war plötzlich unschuldig (seine Eltern genießen aufgrund hohen Einkommens auch einen höheren Rang, wie sich versteht) weil „ihr Sohn macht so etwas nicht“.

Die Abschlussfeier war für mich um ca 1 Uhr vorbei, weil plötzlich Drogen die Runde machten. Ich ging mit Kommentaren wie „War ja klar, dass die jetzt geht…“ und war froh, als ich zu Hause war. Zum Aufräumen kam ich nicht. Ich war einfach so erleichtert, dass das Kapitel vorbei war, dass ich sogar geweint hab, als wir unseren letzten Schultag hatten.

Alle weinten, weil sie sich jetzt nicht mehr sehen konnten, ich, weil ich froh war, da raus zu können.

Neuanfang auf dem Gymnasium?

Ich hoffte auf einen Neuanfang auf dem Gymnasium. Zunächst war alles gut. Zwei Jahre lang hatte ich (fast) keine Probleme mit meinen Mitschülern (dachte ich), als ich aber in der Zwölften zusätzlich noch Opfer sexueller Gewalt wurde und danach nicht auf dem Damm war, öfter den Unterricht verlassen musste und ihnen erklärte, warum ich das tue, fingen die Lästereien wieder an. Wenigstens habe ich jetzt zwei Freundinnen, auf die ich mich wirklich verlassen kann.

Fazit: depressive Phasen

Durch Traumata und die quasi lebenslangen Mobbinggeschichten gerate ich heute öfter in depressive Phasen, denke darüber nach, wie es wäre, nicht da zu sein und leide an Schuldgefühlen und Ängsten. Dank meiner Sozialarbeiterin, zu der ich gestoßen bin, als ich die sexuelle Nötigung erlebt hatte, und meiner Sozialpädagogin im Jugendschutz hab ich nun nach all den Jahren wieder ein bisschen Mut gefasst. Ich bin jetzt kurz vor dem Abitur, froh, dass ich auch diese Leute nicht mehr unbedingt wiedersehen muss und habe mit sämtlichen ehemaligen Klassenkameraden keinen Kontakt mehr. (Glücklicherweise). Ab und an läuft mir jemand über den Weg. Dann denk ich oft an die schrecklichen Zeiten der Angst zurück.

Nach dem Abitur will ich hier raus. Mein Dorf steckt voller Erinnerungen auch an die sexuelle Gewalt, sodass ich dann einen Neustart (den ersten hatte ich am Gymnasium geplant) wagen kann. Ich hoffe einfach, dass dann alles besser wird und ich irgendwann selbstbewusst genug bin, über meiner Vergangenheit zu stehen und nicht von ihr bestimmt zu werden.

Das war meine Geschichte mit Mobbing. Macht weiter so mit eurer Arbeit. Vielleicht lässt sich irgendwas bewirken, wenn alle wissen, wie nah Mobbing ist.

Liebe Grüße

Vanessa

Der Mörder sticht dem Opfer in die Kehle. Der Mobber sticht dem Opfer in die Seele. © Robert Keller

Themenreihe „Mobbing“. Wir wollen aufklären, nicht zuschauen, sondern handeln. Wer uns Netzfrauen kennt, der weiß, dass wir nervig sein können, fordernd und dass wir unsere Ziele durchsetzen wollen.

Nun sind Sie gefragt. Wir sammeln Mobbing-Fälle, sei es in der Schule, im Beruf oder im Netz. Wir wollen, dass Mobbing ein Ende findet. Dazu bauchen wir Ihre Hilfe, denn wenn Sie uns helfen aufzuklären, haben Täter und Täterinnen erst gar keine Chance.

Gib Mobbing keine Chance!

Mobbing ist Gewalt, die den Menschen zerstört. Diese muss aber nicht als unabwendbar hingenommen werden. Es gibt Möglichkeiten, Mobbing wirksam zu begegnen. 

Mehr dazu in unseren Fortsetzungen. Vielleicht möchten Sie einen Beitrag dazu beisteuern? Wir freuen uns auf Sie. Ihre Geschichte und Erfahrungen, aber auch Tipps zur Vermeidung können Sie uns unter Info@Netzfrauen.org zukommen lassen.

„Nicht wie der Wind weht, sondern wie wir die Segel setzen,

darauf kommt es an.“

Informationen finden Sie hier:

www.bündnis-gegen-cybermobbing.de

http://mobbing-schluss-damit.de/

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