Puerto Rico macht Selbstversorgung attraktiv
Greg Allen & Marisa Penaloza berichten von einer Entwicklung in Puerto Rico, die man auch in Europa stärken sollte: Die Produktion eigener gesunder Lebensmittel durch die Verbraucher selbst. Während in Deutschland und Österreich aber vornehmlich von privaten Aktionen zu hören bzw. zu lesen ist, werden derartige Maßnahmen von der dortigen Regierung aktiv gefördert. Dieses Beispiel sollte auch bei uns Schule machen – finden wir Netzfrauen. Darum haben wir den Artikel auch für Sie übersetzt.
Überraschenderweise deckt Puerto Rico seinen Bedarf an Lebensmitteln nur in sehr geringem Umfang – und das, obwohl es eine tropische Insel mit den besten Voraussetzungen dafür ist. Jahrzehnte der Industrialisierung haben dazu geführt, dass 80 % des Bedarfs in das US-Territorium eingeführt werden. Es gibt aber erste Anzeichen für einen Wandel.
Orocovis, im bergigen Inland gelegen, ist einer der Orte, wo man dies beobachten kann. An der dortigen Grundschule sorgt Dalma Cartagena seit 15 Jahren für das Entstehen einer neuen landwirtschaftlichen Bewegung. Dalma Cartagena unterrichtet Agrarwissenschaft und hat ein spezielles Programm entwickelt, bei dem Kinder von der 3. bis zur 8. Klasse lernen, wie man seine eigene Nahrung anbaut.
Vor kurzem bereiteten sich die Viertklässler darauf vor, Salat im Garten anzupflanzen. Bevor es praktisch zur Sache ging, gab es noch ein Quiz für die Schüler. „Was nutzen wir, wenn kein Kompost vorhanden ist?“, fragt Cartagena. „Mist“ – kommt ganz selbstverständlich als Antwort von den Schülern.
Die Schüler nehmen sich Schaufeln und Hacken, um im Schulgarten zu arbeiten. Bananenpflanzen wechseln sich mit Salat, Bohnen und Rettichreihen ab. Cartagena zeigt ihnen, wie man bei jeder Pflanze, die man in den Boden setzt, noch ein wenig Kompost zuführt. Sie vermittelt ihren Schülern damit einen regionalen, nachhaltigen Ansatz in der Produktion von Nahrung.
Das ist ein Teil der neuen Denke, die die Landwirtschaft in Puerto Rico betrifft.
Seit dem zweiten Weltkrieg hatte sich die Insel von der Landwirtschaft abgewendet. Urbanisation und Fabriken veränderten die Wirtschaft. Was Nahrungsmittel anging, wandte sich Puerto Rico – wie in vielen anderen Bereichen – an das Festland und importierte alles, von Reis und Gemüse bis hin zu Fleisch.
Gleichzeitig sorgten die Puerto Ricaner dafür, dass ihre Kinder sich nicht mehr für die Landwirtschaft interessieren – so die Aussage von Landwirtschaftsministerin Myrna Comas Pagan. Sie erzählt anlässlich eines Gesprächs in ihrem Büro in San Juan, dass Eltern ihren Kindern folgende Botschaft mitgegeben hätten: „Wenn ihr wohlhabend werden wollt, müsst ihr Medizin oder Ingenieurwesen studieren. Landwirtschaft ist nur für Menschen, die sonst nichts besseres zu tun haben, von Bedeutung.“
Seit ihrer Ernennung zur Ministerin hat es sich Comas zum Ziel gesetzt, die Nahrungsmittelsicherheit in Puerto Rico zu erhöhen. Sie will die Produktionsmenge steigern, sodass sich die Insel nach Naturkatastrophen oder anderen Ereignissen, die einen Import von Nahrungsmittel unmöglich machen, selbst versorgen kann.
Mit rund 13 Millionen Dollar Subventionen förderte die Regierung die Farmer in den vergangenen zwei Jahren – angefangen bei der Beschaffung von Geräten bis hin zu den Stundenlöhnen. Damit erzeuge man neue Jobs auf der Insel und steigere die wirtschaftliche Entwicklung, so Comas.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche Graswurzel-Aktivitäten in Puerto Rico. El Departamento de la Comida klingt wie eine Behörde – Amt für Lebensmittel, ist es aber nicht. Es handelt sich um ein Restaurant bzw. einen Markt in San Juan, der die Produkte eines wachsenden Netzwerks kleiner Farmer von der Insel vermarktet.
El Departamento wird von Tara Rodriguez Besosa betrieben, die eine Ausbildung als Architektin hinter sich hat. Jetzt, mit Anfang 30, hat sie schon einige Jahre Erfahrung mit der Lebensmittelbranche. Es fing damit an, dass sie die Bio-Produkte ihrer Mutter am Bauernmarkt von San Juan verkaufte. „Mit einem kleinen Tisch jeden Dienstag nachmittag fing es an“, erinnert sie sich. Viele von denen, die jetzt in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion von Puerto Rico aktiv werden, sind Jungunternehmer wie Rodriguez, die ihre Chancen in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage nutzen. Die Landwirtschaft sei aber immer noch mit dem Stigma „Arbeit der Armen“ belastet, ein Job für die Jibaros, wie man auf den Inseln zu den armen Farmarbeitern sagt. „In Puerto Rico ist der Ausdruck Jibaro abwertend gemeint. Bezeichnest du jemanden als Jibaro bezeichnest du ihn als Dummkopf“, so Rodriguez.
Bio-Bauern wie Ricky Cruz Ortiz ist es gleichgültig, ob man sie als Jibaro bezeichnet. Er studierte zunächst Ingenieurwesen und setzte noch ein Studim für Gartenbau drauf. Er produziert Gemüse und Gewürze und beliefert die führenden Restaurants in San Juan. „Mehr und mehr junge Menschen interessieren sich für die Landwirtschaft – und noch mehr für den Bio-Anbau“, sagt er. „Die Menschen sehnen sich nach dem Gefühl von Bodenkontakt.“
Landwirtschaftsministerin Myrna Comas glaubt, dass Puerto Rico innerhalb der nächsten 10 Jahre in der Lage sein wird, die Nahrungsmittelproduktion zu verdoppeln, wenn die derzeitigen Trends anhalten.
Falls das so kommt, tragen Dalma Cartagena und die Schulkinder aus Orocovis wesentlich dazu bei. Cartagena wünscht sich von ihren Schülern, dass diese in der Landwirtschaft arbeiten werden: „Manchmal frage ich mich, ob ich nur landwirtschaftliche Arbeitkräfte ausbilde. Die Realität ist aber eine andere. Ich versetze sie in die Lage, die richtigen Entscheidungen zu treffen, wenn es um die Umwelt und gesunde Ernährung geht.“
Laut Cartagena haben andere Schulen ihren Ausbildungsplan bereits übernommen, sodass immer mehr Kinder lernen, wie man selbst Lebensmittel anbaut. Sie ist damit ein wichtiger Teil der Bewegung, die dafür sorgt, dass die Landwirtschaft von Puerto Rico wiederbelebt und die Insel autark wird.
Puerto Rico Is Sowing A New Generation Of Small Farmers
Greg Allen & Marisa Penaloza
Although it’s a tropical island, perhaps surprisingly, Puerto Rico produces very little of its own food. After decades of industrialization, the U.S. territory imports more than 80 percent of what’s consumed on the island. There are signs, though, the trend is changing.
One place you can see it is in Orocovis, a small town in Puerto Rico’s mountainous interior. At an elementary school there, Dalma Cartagena has for 15 years tended the seeds of an agricultural movement. Cartagena teaches agricultural science. It’s a special curriculum she developed that teaches children, from the third to the eighth grade, how to grow their own food.
On one recent morning, her fourth-grade class was getting ready to transplant small lettuce plants into the garden. Before heading outside, she quizzes her students in the classroom. „When we don’t have compost, what do we use?“ Cartagena asks. „Manure,“ her students answer in a matter-of-fact way.
Cartagena’s students grab shovels and hoes and go to work in the school’s garden. There are banana trees along with rows of lettuce, beans and radishes. Cartagena shows them how to add a little compost with each plant they put in the ground. She’s teaching her students a community-based, sustainable approach to food production.
It’s part of a new way of thinking about agriculture in Puerto Rico. For decades after World War II, the island turned away from farming, as urbanization and factories transformed the economy. In food production, as in so many things, Puerto Rico looked to the mainland, importing things like rice, vegetables and beef.
At the same time, the island’s agriculture secretary, Myrna Comas Pagan, says Puerto Ricans pushed their children away from the farms. In her office in San Juan, Comas tells us that parents would tell their children: „If you want to be a prosperous man, you will need to study medicine or engineering. Agriculture is for people that don’t have anything to do.“
Since being appointed secretary, Comas has made it her mission to improve Puerto Rico’s food security. She wants to increase agricultural production, so the island can sustain itself after a natural disaster or other events that could make imported food expensive or unavailable.
Puerto Rico’s government provided farmers some $13 million in subsidies in the past two years, paying for everything from equipment to hourly wages. Comas says it’s creating jobs and bringing new income to the island’s economy.
But there’s also a grass-roots effort underway in Puerto Rico. El Departamento de la Comida sounds like a government agency — the Department of Food. But it’s a restaurant and market in San Juan that features produce from a growing network of small farmers on the island.
El Departamento is owned and run by Tara Rodriguez Besosa, who originally trained as an architect. Now in her early 30s, she says she first waded into the food business several years ago. She began by selling her mom’s organic produce at a San Juan farmers market, „setting up a little table area and selling every Tuesday afternoon,“ she recalls. „That’s really how it started.“
Many of those getting into farming and food production in Puerto Rico are young entrepreneurs like Rodriguez who are making their own opportunities in a troubled economy. But Rodriguez says there’s still a stigma attached to farming as a poor man’s occupation, a job for a jibaro, an island term for a rural peasant. She says in Puerto Rico: „Jibaro has been a term a lot of people use in a condescending way. So it’s like when you call someone a jibaro, it’s like in some sense of the word ignorant.
Organic farmer Ricky Cruz Ortiz doesn’t worry about being called a jibaro. He studied engineering and later went back to college for a degree in horticulture. He raises vegetables, greens and herbs, and he supplies some of San Juan’s top restaurants. „I’m seeing more and more young people interested in agriculture, and even more in organic agriculture,“ he says. „I think that people are yearning for contact with the land.“
If these trends continue, Agriculture Secretary Myrna Comas believes Puerto Rico may double its food production within a decade.
If so, Dalma Cartagena and the children in her classes in Orocovis deserve some of the credit. Of her students, Cartagena says: „Of course, I hope they work in agriculture eventually. At some point, I asked myself if I was just training laborers, farmers. But in reality, I’m preparing them to make good decisions when it comes to the environment and healthy foods.“
Cartagena says other schools have adopted her curriculum and are now teaching kids about the land and growing their own food. She’s part of a movement to make the island self-sufficient and rebuild Puerto Rico’s agricultural industry.
Übersetzung Netzfrau Andrea Escher
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