Flüchtlinge – Koordinierungsschwäche als Dauerzustand

Flüchtlinge8Gestern im Ö1-Mittagsjournal legte die Gesundheitsministerin ein Geständnis ab, das keineswegs überraschend ausfiel.

Psychologen könnten ihr das als ‚vorauseilende Prophezeihung’ vorwerfen. Schon beim Amtsantritt hätte sie gewusst, daß die Gesundheitsreform „nicht mit Siebenmeilenstiefeln“ unterwegs sein könnte.

Der Schluss aus ihren Äußerungen lautet demnach: Die notwendigen Koordinierungen zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen bräuchten eben ihre Zeit.

Jetzt ist sie ja auch noch schwer erkrankt, was für sie schlimm genug ist.

Die Vorstellung des Untertanen ist aber, dass in einem Ministerium eine größere Anzahl von Beamten sitzt, die ihre Aufgabenstellung hat. Herrscht dort, weil die Ministerin öfters nicht da ist, der Ausnahmezustand? Die Aufgabenstellung ist bekannt – was tun die alle, um ihre Aufgaben zu machen? Können die nur arbeiten, wenn die Ministerin täglich durch die Amtsräume wandelt und die Hausaufgaben kontrolliert?

Ist das in allen Ministerien so? Auch im Innenministerium, wo die Ministerin öfters außer Haus ist, weil sie Zeltstädte besucht, nach Brüssel, Straßburg oder anderswo reist, um ein Kollegentreffen zu absolvieren, weil in diesen Kreisen noch nicht bekannt ist, dass es Telefonkonferenzen (samt abhörsicheren Leitungen) gibt? Weil sie, vielleicht mit den Füßen in einem Kaltwasserschaffel, einen Plan austüftelt, wonach in Nordafrika Auffanglager gebildet werden sollen und dazu gleich einen Kostenschlüssel entwirft?

Unter der Hitze der letzten Wochen dürfte sie sehr gelitten haben, weil sie ja ansonsten kaum auf die Idee hätte verfallen können, dem FSW die Lösung des Asylnotstandes zuzuteilen. Da soll jetzt ein Stab von zwei bis drei (zum besseren Verständnis: 2 – 3) Leuten das Gwirks schnellstens beenden. Der bisher als Geschäftsführer des FSW tätige Peter Hacker wurde am 6. Juli im Rathaus von Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely und Magistratsdirektor Erich Hechtner zum Projektleiter für das Flüchtlingswesen ernannt, wie der ORF berichtete.

Die Betreuung der Flüchtlinge lagerte das Innenministerium bereits 2012 an das Schweizer Unternehmen ORS aus, das, wie alle anderen Bieter im Ausschreibungsverfahren, ein Betreuungskonzept vorlegen musste. Dieses ist bis heute unter Verschluss. Die Öffentlichkeit hat nie erfahren, was ORS Österreich für das Steuergeld leisten muss. Bei eventuellen Mängeln wäre erst zu klären, ob das Ministerium ein unzureichendes Konzept vom ORS angenommen oder sich das Unternehmen nicht an die Vereinbarungen hält, schreibt Edith Meinhart am 17. 6. 2015 im Profil.

In dem Haus in der Althanstraße am Wiener Alsergrund, das früher zur Uni Wien gehörte und demzufolge von der BIG verwaltet wird, gab und gibt es einige Ungereimtheiten. Auch hier erfolgt die Betreuung der 300 Asylwerber durch die ORS. Als das Gebäude adaptiert wurde und zur Sprache kam, dass die Menschen hier nur ein paar Monate bleiben würden, ließ sich UHBM Micchael Häupl zur Äußerung hinreißen: „Wir Wiener sind – mit Verlaub – nicht die Deppen der Nation.“

Auch im Verteilerzentrum Erdberg im Bezirk Landstraße kam es zu Problemen. ORS betonte, dass mehr als 20 Personen (konkret 20 Vollzeit-Äquivalente) für die rund 300 Personen in Erdberg zuständig seien. Der Personalschlüssel sei höher als in den Landesversorgungsstellen. Gleichzeitig anwesend sind wegen der Rund-um-die-Uhr-Betreuung allerdings nur vier, bestätigte ORS den Bericht.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten werden im ehemaligen Finanzamt in der Nußdorfer Straße im 9. Wiener Gemeindebezirk Flüchtlinge betreut. Momentan leben hier rund 180 Männer. Das Haus ist nun offiziell ein weiteres Verteilerzentrum, in dem auch Familien untergebracht werden sollen.

Vor ihrer Abreise zum EU-Innenminister-Treffen zur Asyldebatte gab Ministerin Johanna Mikl-Leitner bekannt, bereits im Juli würden die ersten 50 von insgesamt 500 Migranten in die Slowakei kommen. „Für Österreich ist das unterm Strich billiger“, meinte Mikl-Leitner. Dies wäre eine wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Im August sollen dann weitere 200 folgen und die restlichen 250 sind im September an der Reihe.

Faktencheck des NEOS-Menschenrechts-Abgeordneten Niki Scherak in der Zeltstadt Salzburg am 1.7.2015.

Insgesamt harren hier ca. 280 Flüchtlinge aus, die meisten von ihnen in einem der etwa dreißig 8-Mann-Zelte auf Pritschen, die so-genannten Dublin-Fälle im Turnsaal, und warten darauf, wie es mit ihnen weitergeht. 2 Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmen Siwacht bewachen im Auftrag der eigentlichen Betreiberfirma ORS den Zutritt. Ursprünglich waren auch nur zwei Betreuer von ORS vor Ort. Mittlerweile sind es vier. Ob die Angestellten des Sicherheitsunternehmens auch bei der Betreuung von den teilweise traumatisierten Flüchtlingen mithelfen, ist nicht ganz klar. Auf Grund der wenigen Betreuer vor Ort liegt dieser Schluss allerdings sehr nahe.  Laut Anfragebeantwortung des Innenministeriums (http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_02623/imfname_378587.pdf) ist in dem zwischen Ministerium und ORS abgeschlossenen Betreuungsvertrag geregelt, dass “Betreuer grundsätzlich zumindest eine abgeschlossene Ausbildung im Pädagogik-, Sozial- bzw. Pflegebereich oder eine mindestens dreijährige Berufspraxis im Tätigkeitsbereich der Betreuung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden aufweisen müssen.” Ganz abgesehen von dem absurden Betreuungsverhältnis von 4 ORS-Betreuern zu ca. 280 Flüchtlingen ist außerdem klar, dass Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma diesen Kriterien nicht entsprechen.

Die von der Ministerin angepeilte Entlastung der dramatischen Situation in Traiskirchen, NÖ, soll durch Verteilerzentren in den Bundesländern geschehen. Zusätzlich zu den Erstaufnahme-Zentren. Geplant sind sieben Verteilerzentren. Wobei einige alte Bekannte aufscheinen, allen voran Traiskirchen. Neben der weiter bestehenden Erstaufnahmestelle kommt jetzt auch noch das Verteilerquartier hinzu, wodurch die eigentlich angestrebte “Entlastung” der Gemeinde geringer ausfallen dürfte als erhofft. Einen anderen Weg geht Oberösterreich, wo zwar die Erstaufnahmestelle in Thalham bleibt, dafür das zweite größere Bundesquartier im Land, jenes in Bad Kreuzen, zum Verteilerzentrum wird.

Nachdem sie kürzlich von Oberösterreich die Erfüllung der Asylwerberquote eingemahnt hatte, lässt Mikl-Leitner jetzt mit einer geplanten Reform des Asylwesens aufhorchen. Ein Antragsteller soll demnach in jedem Bundesland erstversorgt werden und nicht in die chronisch überfüllten Aufnahmezentren überstellt werden müssen. Die EAST Thalham in der Gemeinde St. Georgen könne man dann ebenso auflösen wie jene im niederösterreichischen Traiskirchen. Die Standorte sollen aber für Fälle erhalten bleiben, in denen nach dem so-genannten Dublin-Abkommen die Erstprüfung keine unmittelbare Zuständigkeit Österreichs ergibt.

Seit einigen Monaten schon als Flüchtlingsunterkunft dienen auch das ehemalige Nobelhotel “Kobenzl” in Salzburg am Gaisberg sowie eine Einrichtung in Wien-Alsergrund (Nußdorferstraße). Gänzlich neu sind nur die Verteilerzentren in Tirol, der Steiermark und in Kärnten. In Innsbruck ist eine Containerstadt vorgesehen, in Fehring wird die örtliche Kaserne neu genutzt und in Kärnten soll ein ehemaliges Erholungsheim für Blinde und Sehbehinderte in Ossiach zum Verteilerzentrum werden.

Das normalerweise weder für NGOs noch für Journalisten zugängliche Traiskirchner Lager wurde Anfang Juli 2015 kurzfristig öffentlich begehbar gemacht. Vieles wird erzählt vom Weg hierher, von den Gründen der Flucht, von Wünschen, Vorstellungen und der Qual vieler, auch die Familie zurück gelassen zu haben. Der einzige Kontakt mit ihr besteht aus Anrufen mit dem Handy, was denen, die gegen Fremde sind, als Luxus geneidet wird und auch zum Argument führt, ‚wenn sie sich ein Handy leisten können, sind sie nicht auf Hilfe angewiesen’. Die Journalisten hören von der Moschee, die im Ramadan Linsensuppe, Reis oder Rindfleisch für über 2000 Menschen kocht.

Ein surreales Bild. 2000 Menschen, die jeden Abend aus dem Zentrum zum türkischen Verein um die Ecke pilgern, sich auf der Bundesstraße in einer geordneten Zweierreihe wie im Krieg um einen Teller anstellen. Ein Koch, der auf zehn Quadratmeter 70 Kilo Fleisch und 80 Kilo Fleisch zu einem köstlichen Abendessen verarbeitet.

Das Lager Traiskirchen ist auf ca. 1000 Menschen eingestellt. Jetzt sind mehr als 3500 dort und an die 1000 haben weder Zelt, noch Bett. Sie sind Obdachlose im Lager. Es gibt keine Zelte mehr, die Caritas ruft auf, Matratzen und Decken zu bringen, damit die Flüchtlinge nicht am nackten Boden schlafen müssen.

Im Schubhaftzentrum Vordernberg ermittelt die Volksanwaltschaft die Vergabekriterien der Betreuungs-Ausschreibung, die das Sicherheitsunternehmen G4S gewann.

Sollte die Kritik der Volksanwaltschaft so harsch sein wie erwartet und das BMI von sich aus keine interne Prüfung einleiten, bleibt wohl nur eine Möglichkeit, die Hintergründe dieser 85 Mio. € Vergabe aufzuklären: Ein Untersuchungsausschuss.

Eine Privatanfrage wird wohl nicht viel Erfolg haben. Alexander Wacker wird aber wohl dran bleiben.

2014 wurden aus einer Jury aus Journalisten und Bürgerrechtlerinnen jene Behörden gekürt, die besondere Hartnäckigkeit in der Nichtbeantwortung von Fragen zeigten. Platz zwei des „Austrian Amtsgeheimnis Award“ bzw. der „Mauer des Schweigens“ ging an das Innenministerium wegen der Kommunikation rund um das Schubhaftzentrum Vordernberg und die Verträge mit der Sicherheitsfirma.

In Vorarlberg sind mittlerweile in einer Messehalle in Dornbirn 76 männliche Asylwerber untergebracht. Weitere zwölf sollen folgen. Bekannt wurde auch, dass Vorarlberg noch zusätzliche 50 Asylwerber aufnehmen wird. Auch sie sollen in der Messehalle Platz finden, heißt es vom Roten Kreuz, weshalb das Camp um zusätzliche Kojen erweitert wird. Dann soll die geforderte Aufnahmequote in Vorarlberg zu 90 Prozent erfüllt sein.

In Salzburg öffnen die Landwirtschaftsschule Bruck, die Berufsschule und die Landwirtschaftsschule Tamsweg sowie die Landwirtschaftsschule Kleßheim in den Sommermonaten für Flüchtlinge ihre Pforten. Bis zum 31. August stellt das Land die leerstehenden Internatsräume zur Verfügung, rund 200 Menschen finden damit eine neue Bleibe.

In Tirol bzw. den westlichen Bundesländern werden aus Tennisanlagen Massenunterkünfte für Flüchtlinge. Ab Mitte nächster Woche werden rund 160 Flüchtlinge in der ehemaligen Tennisanlage am Innsbrucker Paschbergweg untergebracht, berichtete die „TT“ am Sonntag. Und in Vorarlberg wird die Tennishalle in Götzis ab August als Quartier für 100 Asylwerber vom Land angemietet.

Das Burgenland kritisiert die Ministerin, wobei diese sagt “Derzeit bewerkstelligt Österreich genauso viele Asylanträge wie Griechenland und Italien zusammen. Wenn man das umlegt auf die Einwohnerzahl, heißt das, dass Österreich nahezu zehn Mal so viele Asylanträge bewerkstelligt wie Griechenland und Italien zusammen. Und das kann wohl nicht gerecht sein”, meinte Mikl-Leitner. Darabos gibt zu, dass man nur auf Grund der untergebrachten 191 Flüchtlinge in den Zelten am Polizeigelände in Eisenstadt knapp am Erfüllen der Quote sei.

Handlungsbedarf besteht offenbar überall – auch in der Betreuungsstelle in Judenburg. Es fehlt an Kommunikation, an Koordinierung, an Personal, an Freiwilligen.

Seit Jahren war vorhersehbar, dass es einen Anstieg an Flüchtlingen und somit an Asylanträgen geben wird. Hungersnöte, anhaltende Dürreperioden, marodierende Terrorgruppen haben den Schwarzen Kontinent destabilisiert. Kriege im Vorderen und Mittleren Orient zerstören Städte und Landstriche. Junge Männer, die nicht in diesen Krieg als Soldaten mit einbezogen werden wollen, haben gar keine andere Wahl als die Flucht. Jeder kann sich wohl vorstellen, wie einer Mutter zumute ist, die ihr Kind ziehen lässt und dabei weiß, dass sie es vermutlich nie mehr wieder sehen wird. Und doch strömen Zehntausende minderjährige, unbegleitete Jugendliche nach Europa. Wenn sie hier ankommen, sind sie – schon vom Geschehen daheim und dann noch von Erlebnissen während ihrer Flucht – traumatisiert, erschöpft, hungrig und durstig.

Wenn sie Pech haben, landen sie mit hundert anderen auf einer griechischen Insel, wo es überhaupt keine Einrichtungen für sie gibt. Touristen bringen ihnen Essen oder stecken ihnen Geld zu.

INFOBOX

Die Zahl der Menschen, die wegen Krieg und Verfolgung weltweit auf der Flucht sind, hat ein Rekordhoch erreicht. Nach einem aktuellen Bericht der UNO ist jeder 122. Mensch ein Flüchtling. Wenn dies eine Bevölkerung eines Landes darstellen würde, läge dieses Land der Größe nach auf den 24. Platz.

Knapp 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht vor Kriegen, Konflikten und Verfolgung. Dies ist die höchste Zahl, die jemals von UNHCR verzeichnet wurde, und sie wächst rasant.

Ende 2014 waren 59,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Im Vergleich dazu waren es ein Jahr zuvor 51,2 Millionen Menschen, vor zehn Jahren 37,5 Millionen Menschen. Die Steigerung von 2013 auf 2014 war die höchste, die jemals im Laufe eines Jahres vom UNHCR dokumentiert wurde.

Weiterhin zeigt der UNHCR-Bericht auf, dass in allen Regionen sowohl die Zahl der Flüchtlinge als auch der Binnenvertriebenen steigen. In den letzten fünf Jahren sind mindestens 15 neue Konflikte ausgebrochen oder wieder aufgeflammt: Acht davon in Afrika (Côte d‘Ivoire, Zentralafrikanische Republik, Libyen, Mali, Nordost-Nigeria, Südsudan und Burundi); drei im Nahen Osten (Syrien, Irak und Jemen); einer in Europa (Ukraine) und drei in Asien (Kirgistan und in einigen Gebieten von Myanmar und Pakistan). Nur wenige Krisen konnten beigelegt werden, die Mehrzahl verursacht weiterhin Flucht und Vertreibung. So konnten vergangenes Jahr nur 126 800 Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren – die niedrigste Anzahl seit 31 Jahren.

Laut dem Global Trends Report wurden allein im Jahr 2014 insgesamt 13,9 Millionen Menschen zu Flüchtlingen oder Binnenvertriebenen – viermal so viele wie noch 2010. Weltweit gab es im letzten Jahr insgesamt 19,5 Millionen Flüchtlinge (2013: 16,7 Millionen), 38,2 Millionen Binnenvertriebene (2013: 33,3 Millionen) und 1,8 Millionen Asylsuchende, die noch auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warteten (2013: 1,2 Millionen). Besonders alarmierend: Die Hälfte aller Flüchtlinge sind Kinder. Hier die Studie

Die folgende Karte wurde von Forbes veröffentlicht

The Countries With The Most Refugees Per Capita

Stranden die Flüchtlinge auf Malta, wo ebenfalls Ressourcen fehlen, warten sie auch dort nur darauf, weiterreisen zu können. Geraten sie vorher in Seenot, haben Sie Glück, wenn sie gerettet werden. Der auf Malta lebende 37-jährige US-Millionär Christopher Catrambone hat es sich zur Aufgabe gemacht, Flüchtlinge vor dem Tod auf hoher See zu bewahren. Mit seiner italienischen Frau Regina kaufte der im Versicherungsbereich aktive Unternehmer einen alten Fischkutter und gründete die Stiftung „Migrant Offshore Aid Station (MOAS)“. An Bord der „Phoenix“ ist eine 20-köpfige Crew im Einsatz. Mediziner der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ kümmern sich um die Erstversorgung der Flüchtlinge. Über 3000 Menschenleben rettete die „Phoenix“ im vergangenen Jahr. Seit Anfang Mai ist das Schiff wieder unterwegs. Die Mission soll bis Oktober dauern, doch dieses Mal sind die Umstände dramatischer, denn viel mehr Migranten als im Vorjahr unternehmen gefährliche Überfahrten an Bord von seeuntauglichen Booten.

Oder sie werden von der Besatzung der Sea-Watch aus dem Wasser gezogen, die ebenfalls eine Privatinitiative ist.

Die Regierung in Rom rechnet für 2015 mit der Ankunft von 200 000 Migranten. 56 000 Menschen wurden seit Jahresbeginn von der italienischen Marine gerettet, das sind zehn Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2014. 1600 Flüchtlinge werden im Mittelmeer vermisst, 100 Leichen wurden geborgen. 2015 wurden 53 Menschenhändler festgenommen und 27 Personen wegen Beihilfe zur Schlepperei angezeigt. 2014 waren 190 Menschenhändler festgenommen worden. Italien beherbergt derzeit bereits 84 000 Flüchtlinge.

In der EU ist – neben Italien – Spanien das wichtigste Anlaufland für Flüchtlinge aus Afrika und Nah- sowie Mittelost. Vor allem viele Afrikaner aus Ländern südlich der Sahara, aber auch viele Syrer, Iraker und Palästinenser, schlagen sich auf dem Landweg bis nach Marokko durch. Dort versuchen sie auf zweierlei Weise nach Spanien zu gelangen: mit dem Schiff oder, indem sie über einen Zaun klettern.

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Nachdem Spanien zwei Enklaven auf dem marokkanischen Festland hat, nämlich Ceúta und Melilla, versuchen die Flüchtlinge, diese zu erreichen. Um diese Anstürme auf die Enklaven abzuwehren, haben die spanischen Sicherheitsbehörden sie mittlerweile mit einem viele Meter hohen Zaun umzogen, der mit Schneidedraht versehen ist. Dieses Hindernis zu überwinden ist so gut wie unmöglich und endet oft mit schwersten Verletzungen. Vor einigen Monaten starben 15 Flüchtlinge, die versuchten, den Zaun von Melilla zu umschwimmen: Sie wurden von der Guardia Civil mit Gummigeschossen ins Wasser zurückgetrieben und ertranken.

INFOBOX

Kann ein Bild besser die ganze Dramatik der Migrationsmisere zeigen? Nein. Besonders aufrüttelnd daran: Das wohlige Grün ist finanziert aus Brüssel.

Fremde Welten: Während eine Golferin in Melilla ihren Schlag macht, versuchen afrikanische Flüchtlinge, über den Grenzzaun zu klettern.

Manche Fotos haben das Zeug zum bleibenden Symbol, weil sie ein Phänomen besser fassen als viele Worte. Zum Beispiel dieses Foto von José Palazón, einem Menschenrechtsaktivisten aus Spanien. Es zeigt eine Szene auf dem Golfplatz von Melilla, einer spanischen Exklave auf afrikanischem Boden, drüben, an der Mittelmeerküste Marokkos.

Bild: José Palazón/Reuters

Bild: José Palazón/Reuters

Der Golfclub von Melilla ist mit Geld aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanziert worden. Die Stadt sollte auch einen haben, einen öffentlichen. Zwei Millionen Euro warf Brüssel dafür auf. Ob man in Brüssel auch wusste, wo das Grün zu liegen kommen und wer es verwalten würde, ist nicht so klar.

Seit einigen Jahren hat der Club nun private Manager. Der Verleger Enrique Bohórquez, Herausgeber der ebenfalls staatlich subventionierten Lokalzeitung «Melilla Hoy», lässt sich den Unterhalt offenbar mit Hunderttausenden Euro von den Behörden vergüten. Er soll gute Freunde haben unter den Lokalpolitikern. Sie sorgen für allerlei Privilegien, Baubewilligungen und Steuernachlässe. Ermittlungen laufen. Aber das ist eine andere Geschichte – eine aus der schönen, abgeschotteten ersten Welt. Quelle 

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Ein paar Zahlen zu den immer wieder kursierenden Falschmeldungen über die Flüchtlingsströme.

  • 219 000 Menschen flohen laut Flüchtlingshilfswerk UNHCR 2014 über das Mittelmeer nach Europa; 2015 waren es bis zum 20. April 35 000.
  • 3500 Menschen kamen 2014 bei ihrer Flucht ums Leben oder werden vermisst; im laufenden Jahr sind es bis zum 20. April 1600.
  • 170 100 Flüchtlinge erreichten 2014 über das Meer Italien (Januar bis März 2015: mehr als 10 100); weitere 43 500 kamen nach Griechenland, 3500 nach Spanien, 570 nach Malta und 340 nach Zypern.
  • 66 700 Syrer registrierte die EU-Grenzschutzagentur Frontex 2014 bei einem illegalen Grenzübertritt auf dem Seeweg, 34 300 Menschen kamen aus Eritrea, 12 700 aus Afghanistan und 9800 aus Mali.
  • 191 000 Flüchtlinge stellten 2014 in der EU einen Asylantrag (dabei wird nicht unterschieden, auf welchem Weg die Flüchtlinge nach Europa kamen). Das sind EU-weit 1,2 Asylbewerber pro tausend Einwohner.
  • 123 000 Syrer beantragten 2014 in der EU Asyl (2013: 50 000).
  • 202 700 Asylbewerber wurden 2014 in Deutschland registriert (32 Prozent aller Bewerber), 81 200 in Schweden (13 Prozent) 64 600 in Italien (10 Prozent), 62 800 in Frankreich (10 Prozent) und 42 800 in Ungarn (7 Prozent).
  • Um 143 Prozent stieg die Zahl der Asylbewerber im Vergleich zu 2013 in Italien, um 126 Prozent in Ungarn, um 60 Prozent in Deutschland und um 50 Prozent in Schweden.
  • Mit 8,4 Bewerbern pro tausend Einwohner nahm Schweden 2014 im Verhältnis zur Bevölkerung die meisten Flüchtlinge auf. Es folgten Ungarn (4,3), Österreich (3,3), Malta (3,2), Dänemark (2,6) und Deutschland (2,5).
  • 600 000 bis eine Million Menschen warten nach Schätzungen der EU-Kommission allein in Libyen, um in den nächsten Monaten die Überfahrt nach Italien oder Malta zu wagen.

Wo sind die syrischen Flüchtlinge?

Mehr als vier Millionen Menschen flohen seit Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs aus ihrem Land. Und es werden immer mehr. Allein in den vergangenen zehn Monaten sei die Zahl der Flüchtlinge um eine Million gestiegen, teilte das UN-Flüchtlingswerk UNHCR in Genf mit.

Für den starken Anstieg sorgte vor allem die Ankunft zahlreicher neuer Flüchtlinge in der Türkei. Bis Ende des Jahres rechnet die UN mit insgesamt 4,27 Millionen syrischen Flüchtlingen.

Da sich kein Ende des Konflikts in dem arabischen Land abzeichne, werde die Zahl weiter steigen, so UNHCR-Chef Guterres. Es handele sich um die größte Flüchtlingskrise seit fast einem Vierteljahrhundert. Das UNHCR hatte zuletzt im Jahr 1992 rund 4,6 Millionen Flüchtlinge aus Afghanistan versorgt.

Neben den Syrern, denen die Ausreise gelang, irren nach UNHCR-Angaben mindestens 7,6 Millionen Menschen im eigenen Land als Binnenflüchtlinge umher.

Vor Ausbruch des Bürgerkrieges im März 2011 lebten etwa 22 Millionen Menschen in Syrien. Seit sich die zunächst friedliche Proteste gegen Machthaber Baschar al-Assad im Frühjahr 2011 zu einem Bürgerkrieg ausweiteten, starben mehr als 220 000 Menschen in dem Konflikt. In Syrien kämpfen das Regime des Präsidenten Baschar al-Assad sowie verschiedene Rebellen- und Terrorgruppen um die Macht.

Wie verzweifelt muss man sein, dass man sogar in den Jemen flüchtet? Rund 10 500 Menschen sind trotz Ausbruch des Konfliktes seit Ende März in den Jemen geflüchtet. Seit Jahresbeginn kamen insgesamt etwa 37 000 Flüchtlinge über den Seeweg an, ein großer Teil aus Äthiopien und Somalia sowie Schutzsuchende aus anderen Nationen.

In den Ländern am Balkan beginnt die Krise ebenfalls. Rumänien, Bulgarien, Mazedonien, Serbien sind auf Anstürme durch Flüchtlinge nicht gerüstet und ihnen fehlen auch die Mittel. Vielfach wird auch von Push-Backs berichtet, d. h. den Flüchtlingen wird einfach die Einreise verwehrt.

Push-Backs verstoßen gegen völkerrechtliche Verpflichtungen der jeweiligen Staaten. Flüchtlinge, oft Frauen und Kinder, stranden häufig an den Grenzen ohne Zugang zu Grundversorgung wie Nahrung, Wasser und Hygieneprodukte.

Ungarn verschärft seine Gangart gegen Flüchtlinge. Bisher galt illegale Einwanderung als Ordnungswidrigkeit. Künftig soll sie als Straftat bewertet werden. Das kündigte Janos Lazar, der Kabinettschef von Premier Viktor Orbán, an. Im Herbst soll ein Parlamentsbeschluss folgen. Flüchtlinge sollen den Städten fernbleiben und werden künftig in Zeltstädten außerhalb der Städte untergebracht, damit die Stadtbewohner nicht mehr „gestört“ werden, so Lazar.

Von den heuer eingewanderten 81 000 Flüchtlingen kam 80 000 über Serbien. Um das zu unterbinden, wird ein 175 km langer Zaun zwischen Ungarn und Serbien errichtet.

Die EU hat neue Ideen für Flüchtlinge

Legale Einreisemöglichkeiten: Erarbeitung eines Modells für die permanente Umsiedelung (Resettlement) von 20 000 bereits von der UNO anerkannten Flüchtlingen nach Europa vorlegen, die EU stellt dafür bis Ende 2016 insgesamt 50 Mio. Euro zur Verfügung. Österreich soll nach dem oben genannten Schlüssel 444 von ihnen aufnehmen. Wenn nötig, soll diese Quotenregelung nach 2016 verbindlich gesetzlich festgeschrieben werden. Zur Finanzierung werden € 6000 pro Person aus dem Europäischen Flüchtlingsfonds beigestellt.

Die Zivilbevölkerung zeigt aber in allen österreichischen Bundesländern viel Solidarität und Hilfsbereitschaft. Im Juni rief der Kurier dazu auf, Gemeinden zu nominieren, die etwas für Flüchtlinge tun. Zwei Wochen lang konnte ‚abgestimmt’ werden, ehe die fünf Gemeinden mit den meisten Likes feststanden. Es war spannend zu lesen, was die 50 nominierten Gemeinden aus allen neun Bundesländern den Flüchtlingen anbieten.

Aber auch darüber hinaus gibt es täglich Erfolgs-Stories über gelungene Hilfe für Flüchtlinge.

Es scheint, die Bevölkerung geht mit dem Thema Flüchtlinge und Asyl weit entspannter um als die Ministerin das tut.

Wer helfen will – egal, ob mit dem Bereitstellen einer Unterkunft, Sachspenden, Freiwilligenarbeit mit Flüchtlingen, Geldspenden – hier sind alle Möglichkeiten aufgezählt:

http://www.asyl.at/ und https://www.facebook.com/caritas.omni.bus?fref=photo

Vielleicht sollte man auch die Gesundheitsreform in die Hände der Bevölkerung legen? Die fabuliert nicht über Siebenmeilenstiefeln, sondern spuckt einfach in die Hände und packt’s an.

Wie hat ein früherer Kanzler einmal über die schwierigen Regierungsgeschäfte gesagt?

„….das ist alles sehr kompliziert…“

Netzfrau Lisa Natterer

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