Festung Europa – Frontex: Einsatz gegen Flüchtlinge

FrontexDie Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen, kurz Frontex genannt, unterstützt die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bei der Überwachung, Kontrolle und Sicherung ihrer Außengrenzen. Dazu zählen auch Einsätze gegen Flüchtlinge nach Europa und die Rückführung von Personen aus Drittstaaten. Das Frontex -Einsatzgebiet reicht vom Seegebiet vor der senegalesischen Küste bis zur Ukraine.

Italien hat die EU-Gemeinschaft aufgefordert, mehr Beiträge zu leisten, um den Ansturm der Flüchtlinge, die ihren einzigen Ausweg in der Flucht übers Meer sehen, besser managen zu können. Italien stellte aus Geldmangel die Aktion Mare Nostrum ein, worauf die EU Frontex einführte.

Frontex mit der Operation Triton hat diese Aufgabe übernommen. Zwar kostet deren Einsatz die EU jetzt 9 Mio € pro Monat und Mare Nostrum mit 3 Mio € Monatskosten war der EU zu teuer, sodass sie die Mittel nicht aufstocken wollten. 

Der EU-Einsatz zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer wird ausgeweitet – jetzt suchen Schiffe und Flugzeuge in einem viermal so großen Gebiet wie vorher nach Schiffbrüchigen. Die Vereinten Nationen mahnen weiter, die EU müsse mehr für Flüchtlinge tun, schreibt heute die Tagesschau. 

Der aussichtslose Kampf der Türsteherin Europas

Das Mittelmeer ist ein Massengrab: Am 3. Oktober 2013 sinkt ein überfülltes Motorschiff vor Lampedusa. 366 Flüchtlinge aus Eritrea und Somalia ertrinken. Acht Tage später sterben bei einem erneuten Unglück mehr als 250 Menschen aus dem bürgerkriegsgeplagtem Syrien, weil niemand zuständig sein wollte.  Lesen Sie dazu auch unseren damaligen Bericht Lampedusa – Zieht Europa Konsequenzen? – Ein Kommentar

INFOBOX

Lampedusa ist eine der vier Pelagischen Inseln im Mittelmeer, gelegen zwischen Tunesien und Sizilien. Etwa 5000 Einwohner leben dort. Die Ferieninsel erlangte in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit durch die dort landenden Flüchtlinge, die übers Mittelmeer nach Europa zu gelangen suchen – und durch die vielen Toten, die in Lampedusa angeschwemmt wurden. Das tragische Unglück vom 3. Oktober 2013, bei dem in einer Nacht 368 Menschen starben, hat eine breitere Öffentlichkeit auf die Lage im Mittelmeer aufmerksam gemacht. Eine Folge war die Einrichtung der Operation Mare Nostrum. Von der italienischen Regierung mit neun Millionen Euro monatlich finanziert, konnten von der Marine in zehn Monaten ungefähr 130 000 Menschen aus Seenot gerettet werden. Alle Appelle an die EU, dieses humanitäre Programm zu unterstützen, schlugen fehl. Mare Nostrum lief im November 2014 aus. Inzwischen gibt es eine Nachfolgeoperation unter dem Namen Triton, die im Auftrag von Frontex (Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union) durchgeführt wird. Die finanziellen Mittel sind weitaus begrenzter als bei Mare Nostrum – weniger als ein Drittel des zuvor von Italien allein eingesetzten Betrags wendet die EU auf. Und auch der Radius ist beschränkt: Deckten die italienischen Schiffe zuvor ein riesiges Gebiet bis hinein in libysche Gewässer ab, bewegen sich die Aktionen von Triton nun unmittelbar vor der Küste Italiens. Quelle 

Ein Boot mit mehr als 700 Flüchtlingen an Bord kenterte im April 2015. Schaut man in den Medien, werden die Ertrunkenen nicht mehr gezählt. Doch es gibt sie. Jeden Tag sterben Flüchtlinge.

EU setzt auf das Prinzip der totalen Abschottung

Die Frontex soll helfen, die Außengrenzen der EU so undurchlässig wie möglich zu machen, zum Beispiel im Evrostal an der griechisch-türkischen Grenze. Hier patrouillieren Beamte aus Österreich, Deutschland, den Niederlanden oder Rumänien im Rahmen der Frontex-Operation „Poseidon“. Sie unterstützen ihre griechischen Kollegen beim Aufspüren und der Festnahme von illegalen Flüchtlingen. Die Flüchtlinge werden in grenznahen Aufnahmecamps erkennungsdienstlich behandelt und manchmal Monate lang dort festgehalten. Die Situation in den Camps ist nach Auskunft von Flüchtlingsorganisationen wie Human Rights Watch oder Pro Asyl katastrophal und mit fundamentalen Menschenrechtsstandards unvereinbar. Im Frontex-Hauptquartier in Warschau hält man die Kritik jedoch für überzogen und sieht keinen Anlass, den Einsatz zu überdenken.

Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) (2014–2020)

Ziel und Gegenstand

Der Europäische Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds unterstützt die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei der effizienten Steuerung der Migrationsströme, bei der Aufnahme von Flüchtlingen und Vertriebenen und bei der Bewältigung der dadurch entstehenden Folgelasten.

Budget

Für die Durchführung des Programms stehen in den Jahren 2014 bis 2020 3,137 Mrd. EUR zu jeweiligen Preisen zur Verfügung. Davon sind 2,752 Mrd. EUR für die nationalen Programme der Mitgliedstaaten und 385 Mio. EUR für Unionsmaßnahmen, Soforthilfe, das Europäische Migrationsnetzwerk und technische Hilfe der Kommission vorgesehen. Das für Deutschland vorgesehene Budget für die Jahre 2014 bis 2020 beträgt rund 208 Mio. EUR. Mehr Information Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) (2014–2020)

Festung Europa – Frontex: Einsatz gegen Flüchtlinge

Der Filmemacher Michael Richter hat Polizisten bei Frontex-Einsätzen in Griechenland und im Mittelmeer beobachtet und die Einsatz-Zentralen in Warschau und Madrid besucht. Er traf illegale Flüchtlinge, die in Athen untergetaucht sind und sich vor der Verfolgung durch rechtsradikale Milizen genauso wie vor den Razzien der Polizei fürchten. Bootsflüchtlinge aus Somalia berichten, wie sie in Zusammenarbeit von tunesischer und italienischer Küstenwache daran gehindert wurden, nach Europa zu kommen, und jetzt ohne jede Perspektive im tunesischen Flüchtlingslager Choucha untergebracht sind. Was geschieht an den Außengrenzen Europas? Und welche Rolle spielt die Grenzschutzagentur Frontex?

170 000 Menschen sind im vergangenen Jahr über das Mittelmeer geflohen. Sie alle versuchen, Krieg, Vertreibung, Armut und Unterdrückung zu entkommen. Ihre Herkunftsländer stehen für die großen Krisen Afrikas und der arabischen Halbinsel. Woher kommen die Flüchtlinge? Eine Übersicht.

Syrien – 42 000 Flüchtlinge

Aus Syrien kamen 2014 die meisten Flüchtlinge über den Seeweg nach Italien – eine Folge des Bürgerkriegs, der mittlerweile im fünften Jahr tobt. Mehr als 220 000 Menschen sind in dem Konflikt bislang ums Leben gekommen, darunter geschätzt 65 000 Zivilisten. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon spricht von der „schlimmsten humanitären Katastrophe unserer Zeit“, vier von fünf Bürgern leben in Armut.

Ein Ende der Kämpfe ist nicht abzusehen, alle Vermittlungsbemühungen sind gescheitert. Die Kämpfe werden mit beispielloser Brutalität geführt. Die syrische Luftwaffe wirft über Rebellenstellungen die gefürchteten Fassbomben ab, auch Giftgas wird weiter eingesetzt, wobei unklar ist, von welcher Seite. Millionen Syrer befinden sich auf der Flucht – vor den Kämpfen, aber auch vor den Dschihadisten des „Islamischen Staates“, die einen beträchtlichen Teil Syriens unter ihre Kontrolle gebracht haben.

Eritrea – 34 000 Flüchtlinge

Das Land am Horn von Afrika ist auf dem Kontinent so etwas wie der Inbegriff der Diktatur. Seit der Unabhängigkeit von Äthiopien herrscht Präsident Isaias Afwerki brutal über Eritrea. Eine Opposition und unabhängige Medien gibt es nicht, Andersdenkende verschwinden in Gefängnissen und werden gefoltert. Afwerki hat das Land abriegeln lassen wie Nordkorea, selbst UN-Sondergesandte werden nicht hineingelassen.

Vor allem junge Menschen fliehen vor dem Militärdienst, den alle Bürger ableisten müssen und der formell 18 Monate dauert – häufig aber um Jahre verlängert wird; Menschenrechtler sprechen von „moderner Sklaverei“. Auf dem UN-Entwicklungsindex liegt Eritrea auf Platz 182 von 187 – nur ein Ausdruck für die bittere Armut im Land. Doch auch die Geflüchteten entkommen dem Regime nicht: Die Regierung kassiert von ihnen eine Diaspora-Steuer von zwei Prozent ihres Einkommens. Lesen Sie dazu  Bergbau-Boom bringt kaum Entwicklungsfortschritte für Eritrea

Mali – 9900 Flüchtlinge

Seit dem Ende des französischen Militäreinsatzes im Frühjahr 2013 ist es wieder still geworden um Mali. Dabei ist der Konflikt im Norden des Landes nach wie vor nicht beigelegt. Tuareg-Rebellen hatten sich 2012 nach einem Militärputsch gegen die Zentralregierung in Bamako erhoben und dazu mit Islamisten verbunden. Frankreich schickte daraufhin Soldaten, die später von UN-Blauhelmen abgelöst wurden.

Doch sicher ist der Norden dadurch nicht geworden. Die UN-Soldaten werden von der Bevölkerung nicht als wirksame Schutztruppe wahrgenommen. Die Islamisten, die auch Verbindungen zu der nigerianischen Terrorgruppe Boko Haram haben, kontrollieren nach wie vor Teile der Region und verüben immer wieder Anschläge. Mali zählt zu den ärmsten Ländern der Welt – eine Perspektive hat es seiner überwiegend jungen Bevölkerung kaum zu bieten.

Nigeria – 9000 Flüchtlinge

Zuletzt sorgte Nigeria für positive Schlagzeilen: Bei den Präsidentschaftswahlen siegte der Oppositionelle Muhammadu Buhari, das bisherige Staatsoberhaupt Goodluck Jonathan akzeptierte seine Niederlage. Einen friedlichen Machtwechsel hätte kaum ein Beobachter dem Land zugetraut, das unter massiver Korruption und dem Terror der Gruppe Boko Haram leidet. Die Miliz kämpft seit 2009 für einen islamistischen Staat im Norden des Landes. Allein 2014 tötete sie 10 000 Menschen. Für internationales Entsetzen sorgte auch die spektakuläre Entführung Hunderter Mädchen, über deren Schicksal seither wenig bekannt ist. Zwar ist Nigeria inzwischen die größte Volkswirtschaft Afrikas. Doch vom Ölreichtum profitieren nur wenige – Nigeria zählt laut Transparency International zu den korruptesten Ländern der Welt.

Die nigerianische Stadt Gwoza nach ihrer Befreiung von der Miliz Boko Haram | Bildquelle: AP

Aus der nigerianische Stadt Gwoza wurde Boko Haram vertrieben – zurück blieben Ruinen.

Gambia – 8700 Flüchtlinge

Gambia könnte als ein Beispiel dafür dienen, dass Migration und Flucht einem Land auch nutzen können. Der kleine Staat an der Westküste ist wirtschaftlich auf Geldüberweisungen von Gambiern im Ausland angewiesen. Denn auch Gambia ist eines der ärmsten Länder der Welt. Rund die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, 60 Prozent sind Analphabeten. Politisch mag Gambia stabil sein, Präsident Yahya Jammeh herrscht seit über 20 Jahren. Doch Hoffnung auf wirtschaftliche Besserung gibt es kaum – das Land verfügt über keine Rohstoffe und lebt vom Tourismus sowie dem Export von Erdnüssen, Reis und Hirse.

Palästinenser – 6100 Flüchtlinge

Die palästinensische Flüchtlingskrise reicht Jahrzehnte zurück und ist bis heute einer der Kernaspekte des Nahostkonflikts. Millionen Palästinenser leben in den Nachbarstaaten Syrien, Libanon und Jordanien, in der Regel ohne Bürgerrechte. Ob sie alle als Flüchtlinge gelten können, ist Teil des Streits; eine Hoffnung auf Rückkehr nach Israel oder die palästinensischen Gebiete haben sie nicht. Im Gaza-Streifen ist die politische und wirtschaftliche Lage seit Jahren dramatisch. Er ist international seit der Machtübernahme der radikalislamischen Hamas 2007 isoliert. Mehrmals kam es danach zu militärischen Konflikten mit Israel.

Das dicht besiedelte Gebiet ist vollständig von internationaler Hilfe abhängig. Die Arbeitslosigkeit und das Bevölkerungswachstum sind hoch. Im syrischen Bürgerkrieg gerieten die Bewohner palästinensischer Viertel von Damaskus zuletzt zwischen die Fronten. Das dürfte noch mehr junge Menschen dazu verleiten, ihr Heil in der Flucht über das Mittelmeer zu suchen.

Somalia – 5800 Flüchtlinge

Somalia ist das wohl klassische Beispiel für einen gescheiterten Staat. Nach dem Sturz von Präsident Siad Barre 1991 hatte das Land 20 Jahre keine funktionsfähige Zentralregierung, herrschten Warlords, Clans und Milizen über Teile Somalias oder sagten sich von dem Land los. Erst seit 2012 gibt es wieder eine international anerkannte Zentralregierung, deren Einfluss jedoch nur wenig über die Hauptstadt Mogadischu hinausreicht.

Jahre des Bürgerkriegs haben Somalia zu einem zerrissenen Staat gemacht – im UN-Entwicklungsindex wird Somalia unter den Staaten geführt, zu denen es kaum Angaben gibt. Im Süden leidet die Bevölkerung immer wieder unter großer Dürre, auch in diesem Jahr werden dort Hunderttausende nur dank der Unterstützung der Hilfsorganisationen überleben können. Die Folgen des Bürgerkrieges spüren indes auch die Nachbarstaaten: Die islamistische AlShabaab- Miliz terrorisiert nicht nur den Süden des Landes, sondern greift inzwischen auch Ziele in Kenia an.

 Quelle Tagesschau vom  21.04.2015

Jeder Mensch hat das Recht, sein Land zu verlassen. Nur endet für immer mehr Menschen, die über das Mittelmeer in EU-Gebiet zu gelangen versuchen, diese Auswanderung mit dem Tod.

Netzfrau Doro Schreier

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