Der Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, hat ein preußischer Generalmajor einmal gesagt. In diesem Sinne stellt sich die Frage: Welche Politik verfolgt der türkische Präsident Erdogan eigentlich gerade in Syrien und im Nordirak? Und welche Politik verfolgt die Bundeskanzlerin? Denn ganz offensichtlich hat die Kanzlerin ihrem türkischen Bündnispartner einen Blankoscheck ausgestellt bei seinem Krieg gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK. Die Folgen dieser Politik könnten grausam werden, nicht nur im Nordirak oder der Türkei, sondern auch hier in Deutschland.
Wie weit darf ein Mann gehen, den man einen „Verbündeten“ nennt? In dessen Land die Gewalt eskaliert? Gewalt, die auch auf unsere Straßen überspringen könnte? Einem Mann, der verspricht, seine Kampfjets gegen den IS-Terror starten zu lassen; dessen Bomben jedoch seit Wochen ganz andere treffen?
Der brutale Krieg der Türkei gegen die Kurden hat vor zwanzig Jahren schon einmal zu blutigen Unruhen hier in Deutschland geführt. Sollten sich solche Bilder bald wiederholen, dann ist die Bundeskanzlerin dafür mitverantwortlich. Solange jedenfalls, solange sie den türkischen Ministerpräsidenten einfach gewähren lässt. Genau diese Sätze stammen von Georg Restle , er leitet die Sendung ARD Monitor seit September 2012 und er macht es sehr gut. Denn das, was Georg Restle sagte, hätten wir Netzfrauen nicht besser formulieren können.
Rückblick: Die Öffentlichkeit erfuhr zum ersten Mal von ISIS im Juni 2014
Zuerst unterstützt die Türkei mit ihrem Ayatollah Erdogan an der Spitze eine islamistische Terrororganisation und nachdem im Juni 2014 die ISIS sich dafür mit der Geiselnahme türkischer Bürger bedankte, war das Gezeter groß. Nach der Erstürmung der nordirakischen Millionenstadt Mossul durch Kämpfer der islamistischen Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) wurde auch das türkische Konsulat eingenommen . 48 türkische Personen würden als Geiseln gehalten. Der UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die sofortige Freilassung der Geiseln. „Geschockt habe ich davon erfahren, dass die Terroristen den Generalkonsul der Türkei und viele andere Diplomaten gekidnappt haben, die in Mossul arbeiten“, sagte Ban Mitte Juni 2014.“Eine solche Attacke könne unter keinen Umständen gerechtfertigt werden.“
Wir erinnern uns!
Nach dem Abzug der Amerikaner im Dezember 2011 hatte eine Welle der Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten den Irak erschüttert. Viele Sunniten fühlen sich von der schiitisch dominierten Regierung benachteiligt. ISIS machte sich diesen Machtkampf zunutze.
Mit der Einnahme der nordirakischen Stadt Mossul (3 Millionen Einwohner) im Juni 2014 nahmen sunnitische Kämpfer 4500 irakische Soldaten gefangen. Veröffentlichte zahlreiche Aufnahmen zeigten die Kämpfer der ISIS bei der Massenexekution von Gefangenen. Nach Angaben von einem spanischen Fernsehsender wurden 1700 Soldaten aus dem Irak hingerichtet. In unseren Medien wurde darüber wenig oder gar nicht berichtet und schon da haben wir uns gefragt: Wie kann man so etwas in der heutigen Zeit einfach geschehen lassen?! Wie ist es möglich, dass sich trotz der technischen Möglichkeiten eine Terrorgruppe wie die ISIS so organisieren konnte? Und warum waren sie scheinbar plötzlich präsent?
Mit modernsten Waffen ausgerüstet und gut ausgebildet dank türkischer Hilfe wurden die ISIS eine Gefahr für den gesamten arabisch-türkischen Raum. Man glaubte an ein Deja-vu, denn das Gleiche erlebten die US-Amerikaner mit den afghanischen Taliban und den Mudschaheddin. Sie versorgten sie mit modernsten Waffen, mit Ausrüstung und stellten ihnen militärische Ausbilder zur Seite.
Bereits im Juni 2014 schrieben wir Netzfrauen: Sollte der Fanatismus in die Türkei überschwappen, dann ist durchaus vorstellbar, dass die Fundamentalisten, die zumeist in ländlichen Gegenden ansässig sind, sich der Bewegung der ISIS anschließen und den Bürgerkrieg ins Land tragen. Dies war zu der Zeit nur ein angedachtes Schreckensszenario, was aber durchaus Realität werden könnte oder schon ist? Lesen Sie dazu:Türkei und ISIS
Es war im Oktober 2014: Journalisten, bekleidet mit einer sicheren Schussweste, richteten die Kamera auf die Stadt Kobane und schauten zu, wie dort ein Völkermord stattfand. Deutschland redete sich raus und Kanzlerin Merkel hatte keine Zeit, sie musste zu der Zeit ein Abkommen mit dem chinesischen Ministerpräsidenten zum Wohle des Wachstums treffen. Die Europäische Kommission kümmerte sich lieber um das Staubsaugergesetz.
2014 konnten wir den Krieg live miterleben. Denn noch nie ist der Schrecken so professionell instrumentalisiert und so ungefiltert auf die Weltgemeinschaft abgefeuert worden wie 2014 via Twitter und YouTube. So hat die ISIS insgesamt fünf Geiseln vor laufender Kamera enthauptet und die Filme darüber ins Netz gestellt.
Und über einen Kriegsschauplatz wurde besonders viel live getwittert, wurden Filme ins Netz gestellt und Fotos in rasender Geschwindigkeit veröffentlicht, und die Welt schaute zu – Kobane.
Mitte September griff die dschihadistische Organisation „Islamischer Staat“ (ISIS) die Stadt Kobanê (Ain al-Arab) in Rojava (Nordsyrien) an. Mit schweren Waffen und Panzern hatte sie die Stadt von drei Seiten umstellt und versuchte, in Richtung Stadtzentrum vorzudringen. Die kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG und Frauenverteidigungseinheiten YPJ hatten als Vorsichtsmaßnahme dutzende Dörfer um Kobanê geräumt und die Zivilbevölkerung in Sicherheit gebracht. Mit ihren vergleichsweise schwachen militärischen Mitteln versuchten diese Kräfte, die Einheiten des ISIS aufzuhalten und zurückzudrängen.
Die Kurdische YPG Milizarmee in Syrien ist bekannt für ihren hohen Anteil an weiblichen Kämpfern. Etwa ein Drittel der Miliz sind Frauen, viele von ihnen noch Teenager. An der Front kämpften sie Seite an Seite mit Männern und sind und waren den gleichen Risiken und Gefahren ausgesetzt.
Am 26. Januar 2015 meldeten die Frauen aus Kobane: «Ja, es ist wahr – Kobane ist frei».
134 Tage haben sie gegen die ISIS gekämpft und gewonnen – HELLO WORLD KOBANE IS FREE!
Der Namen der kleinen Grenzstadt ging vier Monate um die Welt, weil sich hier die kurdischen Verteidiger zäh den Angreifern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) entgegenstellen. Es harrten neben maximal 3000 Kämpfern gerade noch etwa 7000 Zivilisten in der fast völlig zertrümmerten Stadt aus. 500 kurdische Verteidiger, darunter viele Frauen, sind gefallen, aber auch weit mehr als tausend IS-Milizionäre. Die Welt jubelte!
„Wir kämpfen nicht nur für unsere Nation, wir kämpfen für unsere Gesellschaft. Wir wollen für uns die Menschlichkeit, die Zivilisation und die Kultur dieser Region retten.“
Zitat
Die Kurden bekämpfen den IS in dieser Region seit über 2 Jahren. Im Unterschied zu den Irakern waren sie recht erfolgreich in der Stärkung ihrer Gebiete, ohne die Hilfe von US Luftangriffen. Lesen Sie dazu. Weibliche kurdische Milizen – HELLO WORLD KOBANE IS FREE!
So sieht es heute in Kobane aus:
Trotz Angriffe durch den #IS: Positive Aufbruchsstimmung in #Kobane. #Kurden wollen Stadt neu aufbauen. #Türkei https://t.co/2KZao38s7E
— ARD Morgenmagazin (@ardmoma) 13. August 2015
Ongoing funding campaign 4 #Kobane needs your help to clean up the city #Kobani https://t.co/g6hJuGm7hO pic.twitter.com/L5qH5hkMZk — Mutlu Civiroglu (@mutludc) 14. August 2015
In photos: Grief, pride, and hope in the ruins of Kobane http://t.co/yZPAqznaIl pic.twitter.com/PC2ndwXaUZ
— VICE News (@vicenews) 11. August 2015
Erdogans Luftkrieg gegen die PKK torpediert auch Deutschlands Bemühen im Kampf gegen den IS. Und die Kanzlerin: Sie schweigt. Nimmt die Zumutung ihres „Partners“ hin – nicht zum ersten Mal.
Wie weit darf ein Mann gehen, den man einen „Verbündeten“ nennt? In dessen Land die Gewalt eskaliert? Gewalt, die auch auf unsere Straßen überspringen könnte? Einem Mann, der verspricht, seine Kampfjets gegen den IS-Terror starten zu lassen; dessen Bomben jedoch seit Wochen ganz andere treffen? Die Folgen der türkischen Luftschläge auf Stellungen der PKK waren absehbar: Der Kurden-Konflikt flammt wieder auf, droht auch nach Deutschland überzugreifen. Schuld an der Eskalation trägt auch die Bundesregierung. Sie duldet seit Jahren, dass der NATO-Partner Türkei aus Machtkalkül in der Region politisch zündelt. Geheime Dokumente, die MONITOR vorliegen, belegen zudem: Der Bundesregierung ist seit langem bekannt, dass die Türkei nicht davor zurückschreckt, islamistische Terrorgruppen zu unterstützen.
Das Staudammprojekt GAP in Südostanatolien
Wer Wasser hat, hat Macht – und wer den Zugang zu den Quellen hat, hat noch mehr Macht. Rein theoretisch könnte die Türkei mit Hilfe der Staudämme jederzeit Syrien und dem Irak „den Hahn zudrehen”. Allein zum Füllen des Ilisu-Staubeckens braucht man soviel Wasser, wie der Tigris in einem halben Jahr führt. Zudem hat der See Extrakapazitäten, mit denen man den Fluss für ein paar Monate komplett sperren könnte. Geplant und gebaut wird schon lange, der Ilisu-Damm im Kurdengebiet Ostanatoliens, der den Tigris – und seinen Nebenfluss Firtina – 75 Kilometer oberhalb der Grenze zu Syrien und dem Irak – zur Elektrizitätserzeugung nutzen soll. Hinter der 1820 Meter langen und 135 Meter hohen Staumauer wird sich ein 313 Quadratkilometer großer Stausee bilden und 52 Dörfer unter sich versenken, auch Hasankeyf, die einzige Stadt Anatoliens, die seit dem Mittelalter besteht und als archäologische Fundstätte geschützt ist. Mit rund 50 000 Betroffenen in etwa 200 Ortschaften ist Ilisu eines der größten Umsiedlungsprojekte der neueren Geschichte. Statt die Menschen an dem Prozess zu beteiligen, begann Ankara sofort mit der Enteignung der Dorfbewohner. [Lesen Sie dazu: Syrien, Irak Ukraine: Ein bisschen Krieg geht nicht und einen guten Krieg gibt es nicht] Frage: Inwieweit spielt dieses Staudammprojekt in der ganzen Geschichte eine Rolle? Geht es unterm Strich hier auch nur um politische Macht und Profitgier? Frage: Ist es möglich, dass die Friedensnobelpreisträger Obama und die Europäische Union ratlos sind, weil sich etwas verselbstständigt hat, womit die „schlauen” und hochbezahlten Staatsoberhäupter samt ihrer Regierungen nicht gerechnet haben? „Die Geister, die ich rief, werd’ ich nun nicht mehr los.“
EU Fördergelder für Türkei!
Die Türkei erhielt schon über 400 Millionen Euro im Jahr 2011 und 2012 für – man staune – den Bereich Justiz und innere Angelegenheit. Die Türkei ist eines der Bewerberländer für die EU. Die Türkei ist Gründungsmitglied der NATO, Mitglied des Europarates, der OSZE und der OECD. Die Türkei erhält für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung 912 Mio. Euro. Das Unglaubliche daran? Etwa eine Milliarden Euro hat sich Präsident Erdogan seinen Palast in der Hauptstadt kosten lassen! Entwicklungshilfe für die Türkei – im Jahr 2009 führte die Türkei mit rund 550 Millionen Euro die Rangfolge der Hilfsempfänger an. Erst 2012 stellt die EU die Entwicklungshilfe für Türkei ein, dafür gibt es nun Geld für die Eingliederung in die EU, ebenfalls in Milliarden Höhe. Finanzielle Hilfe: Milliarden Euro für EU-Beitrittskandidaten (incl. Türkei) und neue Grenzzäune
Why is Turkey fighting the Kurds who are fighting ISIS? http://t.co/MHpXn6vgKk pic.twitter.com/aEHIf9mwX5 — The New York Times (@nytimes) 12. August 2015
Women in #Istanbul protest against the AKP-government, for freedom and peace #SuructaKatliamVar pic.twitter.com/nUpkPciUwu
— Lower Class Magazine (@LowerClassMag) 1. August 2015
Protest in Turkey. pic.twitter.com/yPbyayBoTp — نَادِينّ. (@Unreadher) 14. August 2015
US official: ‚We were outraged‘ when Turkey pulled a fast one right after the anti-ISIS deal http://t.co/pQRFcjTGdz pic.twitter.com/WwBR1znjBZ
— Business Insider (@businessinsider) 11. August 2015
First U.S. drone strike from Turkey against ISIS in Syria http://t.co/azFLAIudSv pic.twitter.com/IRiSVSUe7D — TRACterrorism.org (@TRACterrorism) 6. August 2015
Where do most #ISIS/#ISIL Twitter supporters come from? Qatar, Pakistan, Libya, Egypt, & Turkey: pic.twitter.com/G2QYiHg5LN
— Megan Anderson ميغان (@TheGlossierNerd) 6. August 2015
US Allows Ally Turkey to Bomb Only Group Effectively Fighting ISIS https://t.co/fFi7qj8U35 pic.twitter.com/C4dYLkzrWl — peoplestrusttoronto (@peoplestrustTOR) 6. August 2015
Opinion: Is Turkey using #ISIS as a pretext to wage war on Kurdish rebels? http://t.co/OHpA3vt7FK pic.twitter.com/z0alyeVDwb
— CNN International (@cnni) 12. August 2015
Die Spannung zwischen der PKK und der türkischen Regierung geht schon weit zurück. In den 1980er Jahren forderte die PKK einen unabhängigen kurdischen Staat. Wenn Sie sich die Twittermeldungen anschauen, stellen Sie fest, dass auch von Vertreter der renommierten Presse wie der CNN sich fragen: Was hat Erdogan vor, nutzt er den Kampf gegen die ISIS nur, um die Kurden auszulöschen?
Wenn ja, wäre dieses „VÖLKERMORD“ vor den Augen der NATO und der Welt. Und was macht die Bundeskanzlerin? Sie schweigt – wie immer und mit ihr das Außenministerium. Der brutale Krieg der Türkei gegen die Kurden hat vor zwanzig Jahren schon einmal zu blutigen Unruhen hier in Deutschland geführt. Sollten sich solche Bilder bald wiederholen, dann ist die Bundeskanzlerin dafür mitverantwortlich. Der Krieg gegen Kurden wird mithilfe der USA geführt, denn diese starten nun von der Türkei aus die ersten Drohnen – Krieg per Joystick!
US Bombs IS Syria Target From Turkey For First Time http://t.co/NCsyD3OHYe #isis pic.twitter.com/DfBHlMQbC4
— JP Updates (@JewishPolitical) 6. August 2015
Die Türkei ist nach den Vereinigten Staaten das Land mit der zweitgrößten Armee innerhalb der NATO. An den Grenzen zu Syrien und zum Irak sind zurzeit Tausende von Soldaten im Einsatz – unterstützt auch von der Bundeswehr, die in der Stadt Kahraman-Márasch Patriot-Abwehrraketen stationiert hat. Rund 260 deutsche Soldaten sind zurzeit in einer türkischen Kaserne unterbracht.
Die Türkei hat den Friedensprozess mit den Kurden beendet. Die USA stehen an der Seite Erdogans im Hinblick auf dessen „Krieg gegen den Terrorismus“. Während die Nato der Türkei Solidarität im Kampf gegen ISIS zugesichert hat, bleiben die Angriffe auf die kurdische PKK umstritten zurecht.
Vergessen Sie nicht die mutigen starken Frauen von Kobane. Sie hatten vor nichts Angst, kämpften bis zum Schluss und würden sich eher selbst in die Luft jagen, als sich von der ISIS gefangen nehmen zu lassen.
Die letzten Worte blieben leider keine leeren Worthülse, denn eine junge kurdische Kämpferin sprengte sich in einem Selbstmord Attentat gegen den Islamischen Staat in Kobane in die Luft. Die zweifache Mutter Arin Mirkan sprengte sich neben einer IS-Stellung in die Luft. Berichten zufolge wurden dabei Dutzende von IS-Kämpfern getötet. Sie wurde von der YPG zur Heldin des Widerstandes ernannt – in Kobane, der Stadt an der syrisch-türkischen Grenze, wo der Kampf die Welt hautnah erleben ließ.
© Netzfrau Doro Schreier
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