Es geht nicht nur darum, satt zu werden, sondern vor allem darum, gesund zu bleiben. Gesunde Ernährung ist auch eine Frage des Einkommens: Menschen mit wenig Geld ernähren sich im Durchschnitt schlechter. Im Armutsbericht der Bundesregierung wird das Problem der ungesunden Ernährung von Kindern zwar erwähnt, aber nicht weiter erörtert oder gar untersucht.
Hunger – nur ein Problem von Entwicklungsländern? Nicht ganz: Auch in den „reichen“ Industrieländern leben laut der UN-Welternährungsorganisation FAO inzwischen 15 Millionen chronisch Unterernährte. Chronische Unterernährung ist in Deutschland zwar selten, dennoch kann man auch hierzulande von einer Rückkehr von Ernährungsarmut sprechen.
Zu den besonders betroffenen Gruppen gehören Kinder und Jugendliche, die in Armut aufwachsen müssen
Prof. Dr. Hans K. Biesalski, Ernährungsmediziner an der Universität Hohenheim, warnt vor den Folgen vor allem bei Kindern. Er plädiert für eine bessere Nährwertkennzeichnung und mehr Aufklärung.
Lebensmittel, die reich sind an essentiellen Nährstoffen, sind deutlich teurer als solche mit viel Fett und Energie. „Leute, denen wenig Geld zur Verfügung steht, ernähren sich qualitativ schlechter, und das hat nicht nur mit dem Bildungsstand zu tun“, erklärt Prof. Dr. Hans K. Biesalski, Direktor des Food Security Centers an der Universität Hohenheim.
Gesunde Ernährung für alle sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und ein Gebot sozialer Gerechtigkeit, meint der Experte.
Am stärksten betroffen: Kleinkinder in armen Familien
Besonders im Fokus steht bei Prof. Dr. Biesalski die Ernährung von Kindern in den ersten beiden Lebensjahren. „Das sogenannte 1000-Tage-Fenster ist der entscheidende Zeitraum – falsche Ernährung in dieser Zeit hat massive Konsequenzen für die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder“, warnt der Experte. Armut sei ein wesentlicher Faktor, der die kognitive Entwicklung der Kinder beeinträchtigt. In der Folge könnten sie schlechtere schulische Leistungen zeigen und auch später im Leben oft noch Probleme haben.
„Übergewicht ist bei Kindern in Deutschland dreimal häufiger in armen Familien zu finden“, weiß Prof. Dr. Biesalski. Hinzu kämen immer mehr Menschen, die gleich mit zwei ernährungsbedingten Problemen zu kämpfen haben: Übergewicht und Mangelernährung.
Nährwertkennzeichnung als Instrument für gesunde Ernährung
Um eine Versorgung mit allen 49 essentiellen Nährstoffen zu gewährleisten, schlägt Prof. Dr. Biesalski ein einfach zu handhabendes Instrument vor: Die Nährwertkennzeichnung nach dem Nutrient Density Score (NDS). Er spiegelt das Verhältnis von Nährstoffdichte zur Energiedichte eines Lebensmittels wider.
„Diese einfache Zahl ist wesentlich aussagekräftiger als die Prozentangaben des Tagesbedarfs, die momentan auf den Verpackungen zu finden sind“, erklärt Prof. Dr. Biesalski. Sie könne dazu beitragen, dass man sich und seine Kinder gesund ernährt, also „qualitativ gut und quantitativ nicht zu viel.“
Keine gesunde Ernährung zum Hartz-IV-Satz
Die problematischste Gruppe seien alleinerziehende junge Mütter, die von Hartz IV leben müssen. Nicht nur für sie sei mehr Ernährungsbildung dringend nötig, die am besten schon in der Schule ansetzen sollte.
Doch mit einem Hartz-IV-Regelsatz von 2,47 Euro pro Tag für Kinder bis vier Jahre sei keinesfalls eine gesunde Ernährung möglich. Überlegungen, wie man die Ernährung der Kinder verbessern könnte, sieht Prof. Dr. Biesalski im Verantwortungsbereich der Bundesländer.
Politik und Gesellschaft müssen handeln
Optionen wären zum Beispiel kostenloses Essen in Kitas und Ganztagsschulen. Auch die Kinderärzte sollten bei den ganz Kleinen genauer auf Mangelerscheinungen achten. „Dazu ist ein öffentlicher Diskurs erforderlich, wie man das Problem angehen kann und will“, meint Prof. Dr. Biesalski.
„Gänzlich außerhalb unseres Fokus sind Flüchtlinge und besonders Kinder, die häufig bereits mangelernährt bei uns ankommen“, mahnt der Ernährungsmediziner. „Hier bedarf es einer raschen Analyse des Zustandes und einer ebenso raschen Kompensation der Mangelernährung.“ Quelle
Fettleibigkeit bei Kindern
Immer mehr Kinder bringen zu viele Pfunde auf die Waage. Meistens, weil sie mehr Energie (Kalorien) zu sich nehmen, als ihr Körper verbraucht. Viel Bewegung und ausgewogene Mischkost lassen die Kilos purzeln und verhindern Folgeerkrankungen des Übergewichts.
Welche Ursachen hat Übergewicht bei Kindern?
Die Hauptursachen für Übergewicht bei Kindern sind im Grunde die gleichen wie bei Erwachsenen – falsche Ernährung und Bewegungsmangel. Daneben können auch genetische Faktoren eine Rolle spielen.
Falsche Ernährung und ständiges Snacken
Fertigprodukte wie Tiefkühlpizza, Pommes, gesüßte Frühstücksflocken, Softdrinks, süße Tees, Knabberartikel, Süßigkeiten, Fleisch, Wurst – die Leibgerichte vieler Heranwachsender enthalten viel Fett und Zucker. Auf Dauer wachsen dadurch die Fettpolster.
Ebenfalls zum Essen animiert die Lebensmittelwerbung in Zeitschriften, Fernsehen, Radio oder Social Media-Netzwerken wie Facebook. Beim Anblick von bunten Bonbons und knusprigem Schokomüsli erwacht schnell der Appetit von Kindern.
Nicht zuletzt lassen sich Minderjährige in ihrem Essverhalten von den Eltern beeinflussen. Wenn diese jeden Abend mit der Chipstüte vor dem Fernseher sitzen, wird der Nachwuchs es ihnen bald nachmachen.
Bewegungsmangel
Statt im Garten und auf dem Spielplatz verbringen immer mehr Kinder und Jugendliche ihre Freizeit vor Fernseher und Computer. Häufig ausfallender Schulsport trägt ebenfalls dazu bei, dass Heranwachsende mehr sitzen statt sich zu bewegen.
Gene
Bisher konnte kein einzelnes „Übergewichts-Gen“ gefunden werden, möglicherweise gibt es eine Vielzahl an Erbanlagen, die Übergewicht unter bestimmten Bedingungen leichter entwickeln lassen.
Die entsprechende Veranlagung kommt aber erst dann zum Tragen, wenn Bewegungsmangel und falsche Ernährung dazukommen.Quelle
1,9 Million Kinder in Deutschland sind übergewichtig, davon 800 000 fettleibig.
Fertigessen erobert die Supermärkte
Fertigessen verdrängt frisches Obst und Gemüse aus den Lebensmittelläden. Die Absatzstatistik des Deutschen Tiefkühlinstituts aus dem Jahr 2013 erhärtet diese These. Noch nie zuvor kauften die Deutschen so viele Tiefkühl-Fertigprodukte.
Das Beispiel Tiefkühlpizza: 2003 belief sich der Verbrauch am beliebtesten TK-Produkt auf etwa 177 000 Tonnen, 2012 bereits auf 289 000. Die Deutschen verspeisten demnach mehr als 825 000 TK-Pizzen, von denen jede im Duschschnitt 800 Kalorienbesitzt. Solch ein Überfluss an Salz und Fett wirkt sich auf Dauer negativ auf den Gesundheitszustand aus. Das belegen auch die Ergebnisse des Statistischen Bundesamts.
Stimmt es, dass Fast Food dumm macht?
Möglicherweise. Tierversuche haben gezeigt, dass Mäuse, die sehr fett essen, schlechter lernen und sich Dinge nicht so gut merken können. Zwar sind diese Ergebnisse aus Tierversuchen nicht einfach auf den Menschen übertragbar. Doch es scheint etwas dran zu sein. Der US-Dokumentarfilmer Morgan Spurlock machte für seinen Film Supersize Me einen Selbstversuch. Er aß einen Monat lang massenweise Fast Food. Mit jedem Tag verschlechterte sich sein Gesundheitszustand gravierend. Er konnte nach eigenen Aussagen schon nach kurzer Zeit kaum noch klar denken und sich orientieren.
Fast Food …
- … macht „dumm“: An 81 Schulen in Großbritannien hat TV-Koch Jamie Oliver Fast Food von den Speiseplänen verbannt und durch eine gesündere Ernährung ersetzt. Wissenschaftler untersuchten die Folgen dieses Versuchs und kamen zu erstaunlichen Ergebnissen: In diesen Schulen sank der Krankenstand erheblich. Zugleich schnitten die Kinder bei landesweit standardisierten Leistungstests besser ab. Andere Studien kamen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Fast Food die Denkleistung negativ beeinflusst. Denn das Gehirn muss regelmäßig mit Energie und in der Nahrung enthaltenden Substanzen versorgt werden, da es im Gegensatz zu Muskeln keine Vorräte anlegen kann. Lesen Sie dazu: Chicken McNuggets – ist was? … und macht dumm
Werbung für Kinder
Viele multinationale Konzerne zittern vor Werberegulierungen. In September 2014 haben sich mehrere Top-Marken in einem offenen Brief an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gewandt. Es geht um die Zielgruppe Kinder unter zwölf Jahren. Zu den Unterzeichnern gehören die Chefs von Coca-Cola, Ferrero, General Mills, Grupo Bimbo, Kellogg, Mars, McDonald’s, Mondelez International, Nestlé, PepsiCo und Unilever. Bereits 2008 hatten die Konzerne einen Kodex verabschiedet, keine ungesunden Produkte im Fernsehsendungen oder in Printmedien zu bewerben, die an unter Zwölfjährige gerichtet sind.
Wer trägt die Verantwortung für das steigende Übergewicht der Bevölkerung in den Industrieländern?
Ungefähr 34 Kilo Zucker konsumiert der Durchschnittsbürger bei uns im Laufe eines Jahres. Häufig nehmen wir ihn zu uns, ohne es zu wissen – denn wo das Wort „Zucker“ nicht draufsteht, ist höchstwahrscheinlich viel Zucker drin versteckt.
Die Lebensmittelindustrie verbirgt den verarbeiteten Zucker hinter verschiedenen Bezeichnungen wie z.B.:
• Glukosesirup
• Fruktose
• Maltosesirup
• Invertzucker
• Milchzucker
• Malzextrakt
• Süßmolkepulver
• Karamellzucker- Sirup
• …
Zucker aus Mais-, Weizen- und Kartoffelstärke lässt sich so harmlos klingend verstecken und wenn Sie glauben, mit natürlicher Fruchtsüße würden Sie sich etwas Gutes tun, dann sind Sie wieder auf die Lebensmittelindustrie hereingefallen. Hierbei handelt es sich um eine Mischung aus Glukose und Fruktose, deren Wirkung auf unseren Organismus mit normalem Haushaltszucker vergleichbar ist.
„Du bist noch zu klein für Cola, die ist noch nichts für dich. Da ist Koffein drin, dann kannst du heute Nacht nicht schlafen“, diesen Satz haben Sie bestimmt auch schon mal gehört. Aber haben Sie schon mal mitbekommen, dass Eltern zu ihrem Kind sagen: „Cola ist nicht gut für dich, weil in einem Glas 12 Stück Zucker enthalten sind.“?
Die Lebensmittelindustrie wehrt sich schon seit Jahren gegen die Verpflichtung einer eindeutigen und gut leserlichen Inhaltsangabe auf ihren Produkten. Die Gefahr, dass Verbraucher ihr Kaufverhalten neu überdenken, wenn sie lesen, dass eine Flasche Ketchup je nach Marke schon mal 61 Stück Würfelzucker enthält (Zuckergehalt insgesamt 23 %, davon 7 % Saccharose, 8 % Glukose, 7 % Fruktose), ist relativ hoch. Wer schüttet sich schon gerne mit je 100 ml 21,5 g Zucker auf seinen Teller?
Keine eindeutige Kennzeichnung, irreführend, umständlich – und doch schiebt der Hersteller die Verantwortung den Verbrauchern zu. Schließlich hätten wir die Wahl zu entscheiden, ob wir ein Produkt konsumieren oder nicht. Dazu: Lebensmittelindustrie – Fette Gewinne auf Kosten der Kinder
Die Konzerne versprechen in dem offenen Brief an die WHO, sich um die Entwicklung von Produkten zu kümmern, die „eine gesunde, ausgewogene Ernährung“ ermöglichen. Zudem verpflichten sich die Konzerne, unter anderem innerhalb von zwei Jahren eine weltweit einheitliche Nährwertkennzeichnung einzuführen. So soll dann zum Beispiel die Kalorienanzahl vorn auf der Packung stehen. Die Marken fürchten Kritik von Verbrauchern und Verbänden.
Politische Machtinteressen werden von Industriemagnaten bestimmt und gesteuert – um ihren Profit zu mehren. Politik und Wirtschaft sind zu 100% miteinander verflochten. Die Politik macht grundsätzlich das, was die Wirtschaft will. Alles unter dem Deckmantel des Wirtschaftswachstums. So ist es auch im Nahrungsmittelsektor. Lesen Sie dazu: Die Macht der Lebensmittel-Giganten – Diese Mega-Konzerne kontrollieren unsere Nahrung
Wir müssen die Lebenswelten besonders für Kinder und Jugendliche so gestalten, dass Armut keine Auswirkungen haben kann.
Netzfrau Doro Schreier
Das könnte Ihnen auch interessieren:
Hört auf unsere Kinder krank zu machen! Was unsere Kinder chronisch krank macht
Neue Studie! Vorsicht bei Softdrinks … – Why I Gave Up Soda Why You Should Too
Kalifornien: Warnhinweise auf zuckerhaltigen Getränken über mögliche Gesundheitsgefahren
Anstieg der Autismusfälle durch Glyphosat in unserer Ernährung?
Die Armut in Deutschland hat ein trauriges Rekordhoch erreicht
2 Kommentare » Schreibe einen Kommentar