José Mujica: „Politik ist nicht dazu da Geld zu verdienen“

Pepe10Es lohnt sich, dafür zu kämpfen, dass die Leute mehr zu essen haben .

Am 18. August 2015 nahm der ehemalige uruguayische Präsident José Mujica an einem Forum in Guatemala teil. Mehr  als 20 internationale Experten sprachen über Themen, wie die Entwicklung der Region zu fördern sei.

Zuvor sagte er, dass die Politik nicht dazu da ist, Geld zu verdienen sondern ihr Interesse dem Wohlstand der Menschen gelten muss und für sie zu sorgen – anstatt mit dem Geld den Handel und die Industrie zu fördern.

Zum Thema Ethik sagte Pepe: Die zentrale Ausrichtung, die wir unserem Leben als Grundwert geben sollten, ist, den Menschen zu dienen.

Er bedauerte, dass, obwohl die Länder ihr Vermögen vermehren konnten, die Zahl der Obdachlosen steigt. Wo bleibt da die Menschlichkeit?

José Mujica war wohl einer der ungewöhnlichsten Präsidenten, die nicht nur Südamerika je gesehen hat. An Glamour liegt dem 80-Jährigen, der sein Amt am 1. März abgab, nichts. Er führt ein einfaches Leben auf einem kleinen Bauernhof. Zum Abschied dankte er den Uruguayern dafür, dass er ihr Präsident sein durfte. Und wer nun gedacht hat, Pepe, wie der ehemalige Präsident genannt wird, würde sich zurückziehen, der hat sich geirrt. Er ist nicht nur als Senator tätig, nein er reist durch Lateinamerika und spricht vor Studenten. Erst gestern war er in Brasilien, wird gefeiert, als wäre er ein großer Rockstar. Tausende junge Menschen wollten hören, was Pepe zu sagen hat.

Wie beliebt Pepe ist, zeigt auch seine Ankunft in Guatemala, wo er am 18. August 2015 an einer Konferenz teilnahm. Pepe fährt einen alten Käfer. Ihm wurde bereits 1 Million Dollar geboten, doch er verkauft sein Auto nicht – und wenn, dann ist es eh für soziale Projekte, sagt Pepe.  Dies ist sein Auto, auch während seiner Zeit als Präsident von Uruguay fuhr er selber. Seine Frau ist auch Senatorin und ebenfalls sehr aktiv. Pepe Als Pepe in Guatemala landetet, wurde er mit einem VW-Korso überrascht. Diese begleiteten ihn zum Hotel – und wer Pepe kennt, ließ er es sich nicht nehmen und fuhr mit.

Pepe Mujica, ein achtzigjähriger Mann, der es versteht, die Herzen der Menschen zu bewegen. Er kämpft gegen Armut und Korruption und reist von einem Land zum Nächsten – um auch die dortigen Präsidenten zu überzeugen, dass ein Wandel stattfinden muss. Ein Ende der Korruption – mehr Menschlichkeit – das Wohl der Menschen ist wichtig  – und nicht das der Banken und Konzernen.

Mujica: Der Kapitalismus scheint am Ende angelangt zu sein. Es ist nur logisch, dass der demokratische Sozialismus an seine Stelle tritt

Auch  als Präsident war es nicht anders – im Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln, das über den Jeanshosen hängt, mit halb zugebundenen Hausschuhen und einer Baseballkappe. Dort wo er auftritt, sticht er durch sein Auftreten heraus.

„Wenn wir, die lateinamerikanischen Länder, uns nicht zusammenschließen, werden wir auch alleine keine Erfolge haben.“ Pepe Mujica gestern an der Universität in Rio de Janeiro.  José Mujica forderte gestern auch Kolumbien und Venezuela auf, ein gegenseitiges Verständnis sich entgegen zubringen, um die Krise an der Grenze gemeinsam zu überwinden.  Die gestrige Veranstaltung ging von den Studenten aus, 5000 nahmen im  Amphitheater von UERJ teil und die, die nicht im Theater Platz fanden, warteten draußen. „Die Freiheit wird nicht verkauft, wir müssen etwas tun, damit sie gewonnen wird“, sagte Pepe. Die Studenten jubelten, allein fast 26 000 Menschen sahen seinen Auftritt live auf youtube. Die Jugend in Lateinamerika hat einen Helden – einen 80-jährigen Mann aus Uruguay.  Auf die Frage, wie in Brasilien mit den Drogen umzugehen sei, antwortete Pepe, Marihuana sollte legalisiert werden, denn der Drogenhandel und das Drogenkartell seien schlimmer als die Drogen an sich. In Uruguay hat Pepe trotz Kritik Hanf legalisiert

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Foto Óscar Bonilla

Foto Óscar Bonilla

Aus einem Interview vom 22.Februar 2015 

– Wir müssen den Staat grundlegend verändern, diese Revolution machen, meint er

– In jedem System „ist nichts schöner, nichts kostbarer als das Leben“

– Es lohnt sich, dafür zu kämpfen, dass die Leute mehr zu essen haben, sagt er

– In der Gesellschaft, zumindest in der aktuellen, ist der große Faktor für die Verteilung der Lohn

Der Mercosur zum Beispiel, der 1989 geschaffen wurde und immer noch nicht über ein paar Wirtschafts- und Zollabkommen hinausgekommen ist, die auch nicht besonders gut funktionieren. Was denkst du, Pepe, über diese Organismen, über ihren gegenwärtigen Zustand und darüber, wie er sein sollte?

José Mujica: In Südamerika und in ganz Lateinamerika haben wir eine große Aufgabe zu bewältigen. Wenn wir nicht die Mechanismen schaffen, die uns integrieren, die uns zu einer starken internationalen Position verhelfen, werden wir weitermachen wie lose Blätter im Wind. Es ist ja ganz offensichtlich, dass sich gigantische Einheiten auf der Welt organisieren. China ist ein uralter Staat, der sich aus zahlreichen Nationen zusammensetzt; Indien ähnlich. Die USA mit ihrer Macht und ihrem Bedarf, mit Kanada im Rücken und mit Mexiko, diesem Häppchen in Reichweite, das in Wirklichkeit schon dazugehört. Europa, mit all seinen Problemen, macht weiter mit dem Projekt einer gigantischen Union. Und wenn es morgen scheitert, wird es sicher von einer größeren Einheit geschluckt werden.

Was machen wir in dieser Welt, ein Haufen isolierter Republiken, die der Entwicklung hinterherrennen? Wir bleiben immer noch in nationalen Projekten stecken. In den gewichtigen Ländern Lateinamerikas, Brasilien, Argentinien, Mexiko, halten die Repräsentanten zwar integrationistische Reden, aber in der Praxis stecken sie bis zu den Ohren in den Widersprüchen des nationalen Staates. Nach außen hin, gegenüber den anderen Ländern der Region, verhalten sie sich entsprechend ihren inneren Widersprüchen. Wir sind weit von einer Politik des systematischen gemeinsamen Aufbaus entfernt. Wir haben eine Zollunion für die Verhandlungen auf die Tagesordnung gesetzt, ja? Aber sobald es auch nur einen inneren Widerspruch gibt, na, dann drücken sie gleich den Deckel drauf.

Vor ein paar Tagen war ich auf einer Kundgebung der Arbeiterpartei (PT) in Brasilien. Da waren auch Präsidentin Dilma Rousseff und Lula. Ich habe aufmerksam alle Reden angehört, und an keiner einzigen Stelle sprachen sie von Integration. Nicht aus Bosheit, sie gehören zum Besten. Jedes Mal, wenn wir ein Problem mit Brasilien haben, reden wir und verhandeln wir und lösen das Problem, doch die Innenpolitik und die Probleme Brasiliens bestimmen ihren Arbeitsplan. Na, und was machen wir dann da? Wir schaffen Organismen, neue Institutionen, Mercosur, Unasur. Das Integrationsprojekt ist 200 Jahre alt, seit San Martín, Bolívar, Artigas, doch wir, die Linksparteien, waren so ungeschickt, das Thema nicht auf unsere Fahnen zu schreiben. Nirgendwo in Lateinamerika gibt es eine Massendemonstration, die für die Integration kämpft. Das Thema hat gerade mal nur eine intellektuelle Lackschicht, ist jedoch nicht als grundlegende historische Notwendigkeit einbezogen.

Weißt du, wer die stärksten Verfechter der Integration sind? Die kleinen Länder. Weil sie darauf angewiesen sind. Weil wir hinterherrennen. Die Integration braucht eine Führung, und diese heißt Brasilien. Argentinien müsste das begleiten. Doch Argentinien begleitet gar nichts. Im Gegenteil, man könnte meinen, Argentinien hat sich auf eine Sicht von 1960 zurückgezogen.

Wenn Argentinien Gegenwind bekommt, vergisst es die Integration. Wenn seine Sache gut läuft, macht es was anderes.

José Mujica: Brasilien auch. Ich will dir was gestehen: Die Präsidentin Brasiliens hat mir einmal gesagt: „Ach Pepe, mit Argentinien muss man eine strategische Geduld haben!“

Brasilien hat von den Argentiniern alles Mögliche ertragen. Aber es will sie nicht als Verbündete verlieren. Argentinien ist am Ende die alles bestimmende Kraft. Was Argentinien tut oder nicht tut, wird sich auf die Richtung auswirken, die Brasilien einschlägt.

Hat Dilma das gesagt? Oder Lula?

José Mujica: Dilma. Lula denkt genauso. Und dann kommen sie zu mir, damit ich mich um die Integration kümmere. Lula sagt: „Ich kann nicht, Pepe, ich kann das nicht, weil ich Brasilianer bin.“

Es gibt dort eine starke Bourgeoisie, die kolonisiert anstatt zu integrieren, wenn es keine starke politische Leitung des Prozesses gibt. Sie machen eine Investition in Uruguay und kaufen etwas, was wir gemacht haben, anstatt eine neue Sache zu gründen. Heute sind 40 Prozent der Schlachthäuser in brasilianischer Hand. Sie gehen nach Argentinien und machen das Gleiche. Das Einzige, was damit erreicht wird, ist unsere Desintegration …

Die Argentinier machen diesbezüglich auch nur, was sie können …

José Mujica: Ja, auch, denn das ist unter den alles verschlingenden Bedingungen des Kapitalismus normal. Doch unter politischen Gesichtspunkten … ich werde die Kapitalisten nicht bitten, Sozialisten zu sein.

Aber dass sie gute Bourgeois sein sollen.

José Mujica: Aber ja! Natürlich! Das ist das schwerste aller Probleme … unsere bürgerliche Schicht ist sehr veraltet, es sind kapitalistische Bourgeois mit einer vorkapitalistischen Mentalität; auf jeden Fall verharren sie in Abhängigkeit.

José Mujica warnt vor Zunahme globaler Spannungen

Bereits im  September 2014 ließ es Pepe sich nicht nehmen, eine Botschaft an die im September stattgefundene Vollversammlung der Vereinten Nationen zu schreiben und appellierte an die politischen Führer der Großmächte, „die ansteigende Welle von Spannungen und Bedrohungen des Friedens zu stoppen” und forderte sie auf, sich der Bewältigung der drängenden weltweiten Probleme zu widmen.

„Es ist an der Zeit. Die Mächtigen der Welt können und müssen jetzt handeln, um das Anwachsen der internationalen Spannungen zu stoppen, den Frieden und die globale Ordnung zu sichern, die die Welt mehr denn je braucht und die Mechanismen für Dialog, Zusammenarbeit und gemeinsames Handeln auf allen Ebenen zu stärken”, schreibt Mujica.

Es liege in ihrer Macht, dass die Welt sich auf die dringenden und wichtigen Aufgaben konzentriere: Die Umwelt zu schützen und aufzuhören, sie weiterhin zu zerstören, „in diesem irren Rennen nach Konsum”; menschenwürdige Ernährung, Gesundheit und Bildung für alle Bewohner des Planeten zu sichern; die Selbstbestimmung jedes Volkes zu garantieren und die Freiheit, die Demokratie und die Menschenrechte in jedem Land zu verteidigen; eine Welt des Friedens für unsere Zeitgenossen und die nachfolgenden Generationen zu schaffen, so der Präsident weiter.

Mujica erinnerte an das „Klima der Spannung” während des Kalten Krieges und fügte hinzu: „Wir wissen, wie die Welt gelitten hat und welch hohen Preis unsere Völker durch diese Konfrontationen bezahlen mussten.” Im Gegensatz zum Kalten Krieg gebe es jetzt „eine große Gruppe neuer Kandidaten für die Spitzenplätze der globalen Macht, alle mit enormer politischer und wirtschaftlicher Macht und Bestrebungen, weiter zu wachsen” – und fast allen stünden Atomwaffen zur Verfügung.

Abschließend warnt Mujica vor einer Verfielfachung blutiger Zusammenstöße, Sanktionen und Embargos, der Begrenzung des Handels und der Entwicklungspolitiken sowie vor weiteren Verzögerungen bei der Erfüllung der grundlegenden Ziele, „die ein würdiges Leben für alle Bewohner des Planeten gewährleisten.” Quelle

José Mujica ist wohl einer der ungewöhnlichsten Präsidenten, die nicht nur Südamerika je gesehen hat.

Wir Netzfrauen sind der Ansicht – dass er ein würdiger Kandidat für den Friedensnobelpreis ist.

Netzfrau Doro Schreier

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