Von der Vision zur Wirklichkeit
„Der Marsch“ – Ein visionärer Film von 1990, der dem spanischen Fernsehen mit gutem Grund zu realistisch erschien: „Der Marsch“ beschrieb vor fünfundzwanzig Jahren ein Szenario, wie wir es jetzt in den spanischen Exklaven in Marokko erleben und nicht nur in Spanien, sondern in Calais, Österreich, Kos – in der Festung Europa. „Wir kommen, da wir glauben, ihr lasst uns nicht sterben, wenn wir kommen.“
Der Marsch ist ein Film des Regisseurs David Wheatley über den Auswanderungsdruck aus den Entwicklungsländern. Der Film wurde 1990 nach dem Roman von William Nicholson gedreht. Er geht von einer unbestimmten Zukunft aus, in der auf Grund des Klimawandels große Teile Afrikas unbewohnbar geworden sind und in Europa die rassistischen Spannungen zugenommen haben.
Wir können nicht sagen, man habe uns nicht gewarnt. Die dramatischen Bilder der afrikanischen Flüchtlinge, die, aus dem armen Süden kommend, zu Tausenden die spanischen Exklaven in Marokko bestürmen und sich massenhaft gegen die Grenzen der dünn umzäunten Wohlstandsfestung Europa werfen. Diese Bilder haben wir schon einmal gesehen.
Damals, vor 25 Jahren, strahlte die ARD ein von der BBC produziertes Fernsehspiel mit dem Titel „Der Marsch“ aus, das den Aufbruch Zehntausender verzweifelter Menschen aus einem sudanesischen Flüchtlingslager erzählt. Fünf lange Jahre, so die Erfindung, hat es in Äthiopien und Somalia, im Tschad und im Sudan nicht mehr geregnet, und die Hilfsmittel aus Europa und den Vereinigten Staaten sind im Filz der korrupten Regime ihrer afrikanischen Heimatländer verschwunden.
Was der britische Autor William Nicholson 1990 im Drehbuch zu „Der Marsch“ als düstere, biblisch unterlegte „Was wäre wenn“-Vision beschwor, hat heute, nur zwanzig Jahre später, beklemmende Aktualität gewonnen
Warum behandelt man uns wie Tiere?“ rufen noch heute die Flüchtlinge an dem Zaun in Melilla /Spanien. Lesen Sie dazu:Eine Schande! Friedensnobelpreisträger EU mit Schlagstöcken und Tränengas gegen Flüchtlinge
Die Antwort gibt in „Der Marsch“ der Anführer der Flüchtlinge, El-Mahdi, in Worten, die dem Zuschauer die Kehle zuschnüren. Den eilig nach Afrika entsandten Vermittlern der EU, die den Flüchtlingstreck zur Umkehr bewegen sollen, hält El-Mahdi entgegen: „Ihr habt in Europa so kleine Katzen. Es heißt, eine Katze kostet mehr als zweihundert Dollar pro Jahr. Lasst uns nach Europa kommen als eure Haustiere. Wir könnten Milch trinken, wir könnten eure Hand lecken. Wir könnten schnurren. Und wir sind viel billiger zu füttern.“
Flüchtlinge – Die Angst vor dem Ansturm
„Der Marsch“ sagte die Flüchtlingswelle voraus vor 25 Jahren
In dem von David Wheatley produzierten Film ist es die Entwicklungskommissarin Claire Fitzgerald, die im Namen der EU den Flüchtlingen im Gegenzug für die Rückkehr in ihre Heimatländer millionenschwere Unterstützung verspricht. Doch El-Mahdi und seine Schicksalsgenossen gehen nicht auf das Angebot ein, und in Europa macht sich die Angst vor dem bevorstehenden Ansturm breit.
Als die Flüchtlinge am Ende des Films mit Tausenden von Booten nach Gibraltar übersetzen, werden sie an der spanischen Küste von Panzern empfangen. Im Widerstreit von humanitärer Hilfe und militärischer Härte sichert die Festung Europa ihren Burggraben mit Waffengewalt. „Wir sind noch nicht bereit für euch, vielleicht später, vielleicht eines Tages. Wir können es nur hoffen. Was für eine Welt würde es sonst sein?“ So spricht Mrs. Fitzgerald zu dem „schwarzen Gandhi“ aus dem Sudan, als Europa seine Grenzen endgültig verschließt.
25 Jahre später: Festung Europa – Frontex: Einsatz gegen Flüchtlinge
Dazu schreibt die FAZ am 11.10.2005 (!!)
Flüchtlingsstrom – Wir haben sie kommen sehen
Die Vorgeschichte von „Der Marsch“ wirft selbst ein Schlaglicht auf das Verhältnis Europas zur Flüchtlingsproblematik. Der Film entstand als Gemeinschaftsproduktion europäischer Sendeanstalten unter Federführung der BBC, allerdings gegen die Bedenken spanischer und italienischer Sender, denen die Idee einer „ökologischen Migration“ von Afrikanern in ihre Länder zu nahe und realistisch schien. Er wurde im Mai 1990 als Höhepunkt der europäischen Medieninitiative „Eine Welt für alle“ ausgestrahlt, von einem für heutige Verhältnisse ausführlichen Begleitprogramm flankiert und von der Kritik für seine perfekte Machart und die glanzvollen Dialoge gelobt.
William Nicholson, der schon früher zahlreiche Reportagen über Entwicklungsländer für die BBC gedreht hatte, ist mittlerweile als Drehbuchschreiber von Blockbustern wie „Gladiator“ und „Shadowlands“ und als Kinderbuchautor bekannt, dessen „Windsänger“-Trilogie auch in Deutschland gelesen wird. Ihr Thema ist die Gegenbewegung zum Ansturm auf Ceuta und Melilla. Die jüngste „Amazon“-Rezension eines Lesers aus Fellingshausen (Hessen, Deutschland) fasst die Handlung so zusammen: „In dem Buch geht es um Aramanth, eine Stadt, die zur Diktatur geworden ist, in Form von Leistung und der Abschaffung des ,Andersseins‘. Die Menschen in dieser Stadt leben für und von Leistung. Wer Leistung erbringt, kann seiner Familie etwas bieten. Wer das nicht kann oder nicht will, wird ausgegrenzt und muss in den untersten Bezirk der Stadt ziehen. Einmal im Jahr finden die Prüfungen statt, zu denen auch die Familie Hath erscheinen muss. Als ihre jüngste Tochter nicht besteht und somit keine Leistung erbringt, muss die Familie in einen niedrigeren Bezirk ziehen.“ Wir sind gewarnt.
Der Film war ein Plädoyer für mehr Einsatz der Industrieländer für die Entwicklungsländer.
Lesen Sie dazu auch: Der vergessene Kontinent in den Medien – Überschwemmungen, Not und Elend in Afrika
Netzfrau Doro Schreier