Wem gehören die Berge, die Wälder und die historischen Stätten Europas?
„Menschen, die keinen Zutritt zu Land haben, sind Sklaven!“
„Ist die Wirtschaftskrise wirklich der Grund für den Ausverkauf Europas oder dient diese nur als Vorwand?“„Die Absicht, öffentliche Flächen oder Kulturgüter zu verkaufen, um die Spielschulden irgendwelcher Bänker zu decken, das ist eine bittere Pille!“
Den Versuch, die Privatisierung zu nutzen, um Staatsschulden zu „heilen“, kann man getrost vergleichen mit einem Krebskranken, der mit Aspirin behandelt wird.
Kurzfristig mögen Gewinne aus dem Verkauf von Staatseigentum erwirtschaftet werden, langfristig führt dieser Ausverkauf jedoch zu einem Verlust für alle Gesellschaftsschichten, insbesondere für die Ärmeren. Denn das Verhökern des Allgemeinbesitzes und die völlige Zerstörung jeglicher Staatseinnahmen gefährdet das Funktionieren eines Staates.
In fast allen Ländern Europas muss mittlerweile jedes öffentliche Gebäude, jeder öffentliche Park und Raum rentabel sein, damit nicht privatisiert wird. Griechenland verkauft seine Inseln… Österreich seine Berge! Wie schlecht steht es um unsere Staaten? Die Menschen müssen unbedingt begreifen, dass die langfristigen Auswirkungen der Privatisierung von Staatseigentum das Volk noch viel mehr kosten wird als ohne diese „Maßnahme“.
Außerdem sollten die Staaten eher bemüht sein, die Steuereinnahmen der großen Konzerne zu kontrollieren und einzufordern. Dies würde das Problem viel eher und effektiver lösen! Dann würde es diejenigen treffen, die maßgeblich für die Situation der Verschuldung von Staaten verantwortlich sind.
In Irland wäre beinahe der ganze öffentliche Wald verkauft worden, hätte es keine Aufstände in der Bevölkerung gegeben. Nun wird der Wald für 99 Jahre an Privat verpachtet, was einer Privatisierung durch die Hintertür gleichkommt.
In Frankreich wollte die Regierung ein Gebäude verkaufen, auf dessen Platz zur Zeit der französischen Revolution die Köpfe der Mächtigen rollten, stellen Sie sich dies bitte einmal vor!!! Außerdem kaufen reiche Chinesen viele Rebland-Grundstücke auf, obwohl der Wein doch zu den Franzosen gehört wie die Schokolade zu den Schweizern.
Dass sogar überlegt wird, die Mona Lisa zu verkaufen, darüber haben wir ja bereits berichtet: Frankreich: Verkauf von Mona Lisa um Schulden zu bezahlen
Selbst in Italien wäre um ein Haar das Kolloseum verkauft worden, hätte es keine Aufstände der Bevölkerung gegeben. In Spanien sollen öffentliche Parks eintrittspflichtig werden und Metrostationennamen werden an Firmen verpachtet, um ihre Namen dort zu vermarkten.
In Deutschland wird die Berliner-Mauer verkauft. Über den Ausverkauf Norwegens haben wir bereits berichtet. [Siehe: Privatisierung: Der Ausverkauf erreicht Norwegen]
Die Privatisierung durch die Hintertür findet in Europa leider immer mehr Platz
Die Tendenz des Ausverkaufs von Kultur- und Naturschätzen der öffentlichen Allgemeingüter auf Grund der massiven Verschuldungen der Staaten führt auf keinen grünen Zweig, sondern lediglich zur Enteignung der Bevölkerung gegenüber Staats- oder Allgemeingut. Das Resultat dieser Privatisierungen wird viel schlimmer sein als die momentane Situation.
Der folgende Bericht ist eine umfassende Zusammenstellung des Beitrags in Arte TV „Ausverkauf Europa„. Ich möchte hiermit Arte TV herzlich danken für die wirklich ehrlichen und guten Reportagen.
Die Berge, Wälder, Parks und historischen Stätten, wem gehören diese eigentlich? Niemals hätten wir uns auch nur im schlimmsten Traum vorgestellt, dass wir uns diese Frage einmal stellen müssten. Natur- und Kulturräume sind doch etwas, was seit geraumer Zeit dem Volk gehört. Allgemeingüter also, die den Grundstein für unsere kollektive Identität legen.
Auf Grund des Einflusses der Finanzkrise haben sich nun unsere Staaten entschlossen, anstatt gemeinsam der riesigen Steuerflucht von Großunternehmen und reichen Bürgern ein Ende zu setzen, eben einfach die der Allgemeinheit gehörenden Kulturgüter und Naturräume auszuverkaufen!
Viele Europäer empfinden diese im Internet eingestellten Kulturgüter, welche von den Staaten zum Verkauf angeboten werden, als klaren Akt der Enteigung.
Leider profitieren hiervon traurigerweise wieder die, die für dieses Desaster doch eigentlich verantwortlich sind. Es sind nämlich oft genau sie, die bereits für den größten Raubzug unserer Zeit durch Steueroptimierungen respektive Steuerflucht und die folgliche Unterversorgung der Staaten durch Steuereinnahmen verantwortlich sind.
[Siehe auch hier: Zerstörung der Demokratien und Staaten durch Steueroptimierung der multinationalen Unternehmen!]
Wenn man z. B. in Griechenland die Leute auf der Straße fragt, wem denn nun Griechenland gehöre, ist die Standardanwort oft:
„Irgendjemandem wohl, bloß nicht den Griechen, also nicht dem Volk!“
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Beispiel Österreich
Vor einigen Monaten ging ein Gerücht umher, in Ost-Tirol werde ein Berg verkauft. In Kartitsch sollten sogar zwei Berge verkauft werden. Im Rahmen der Ausschreibung dieser zwei Berge gab es mehrere Anfragen, unter anderem von einer großen deutschen EDV-Firma, welche sofort telefonischen Kontakt mit dem Bürgermeister suchte und meinte: „Wir kaufen diese zwei Berge sofort!“ Daraufhin intervenierte jedoch der örtliche Schützenverband, der sich bereits seit historischer Zeit als Bewahrer der Heimat sieht.
Die neuen Besitzer hätten sogar die Möglichkeit gehabt, den zwei Bergen neue Namen zu geben, unglaublich! Im ersten Weltkrieg hatte das betroffene Dorf gegen die Italiener gekämpft, viele Soldaten fielen dort oben. Das mit dem Verkauf beauftragte Unternehmen trägt den Namen: Bundes Immobilien Gesellschaft (BIG). Eigentlich wollte der Bürgermeister einen symbolischen Verkauf tätigen, bei dem die Bevölkerung trotzdem die Eigentumsrechte behalten hätte, leider gelang es nicht, dies bei den Verhandlungen mit der BIG durchzusetzen. Diese Gesellschaft verkaufte nach dem günstigen Kauf die einzelnen Gebäude auf den Bergen gewinnbringend an Privat. So entstand der Verlust von zwei Bergen der öffentlichen Hand an eine private Gesellschaft, der Ausverkauf der Heimat fand also bereits statt!
Doch plötzlich gab es einen medialen Rummel um die ganze Sache, der bis nach Japan gelangte. Die „BIG“ wurde gestoppt, der Verkauf wurde auf Eis gelegt. Dann war eine Weile lang Ruhe. Bis die Republik Österreich wusste, was sie möchte. Schließlich war der Druck auf die hohe Politik so groß, dass dieses Projekt glücklicherweise nochmals gestoppt wurde!
Eine österreichische Gesellschaft wollte also Güter der Allgemeinheit einfach verscherbeln und dies ist in Europa leider alles andere als ein Einzelfall!
Fast überall in Europa gibt es staatlich gegründete Firmen wie diese „Bundes Immobilien Gesellschaft“ in Österreich, welche oft mit den gleichen Interessen agieren wie die der potentiellen Käufer, um Allgemeingut der Staaten oder treffender formuliert, der Bevölkerung, auszuverkaufen.
Beispiel Irland
Für die Iren ist der Wald ein Kulturgut. Schon früh hatten die Iren einen großen Bezug zum Wald. Im Jahr 1100 waren noch 70% der Fläche Irlands mit Wald bedeckt. Im Jahr 1700 war es nur noch 1% der Fläche. Die Wälder wurden für zivile und militärische Zwecke abgeholzt.
In Irland war die Wirtschaftskrise als Erstes zu spüren. Dort wurden bereits viele Wälder der Bevölkerung ausverkauft! 2007 war der irische Staat fast bankrott. Die EU bot damals ihre Hilfe an und machte ein Sparpaket für Irland. Die Troika bestand darauf, dass Irland Staatsbesitz im Wert von 3 Milliarden Euro zum Verkauf anbietet.
Die Absicht, öffentliche Naturflächen zu verkaufen, um die Spielschulden irgendwelcher Banker zu decken, ist eine bittere Pille!
An oberster Stelle der Regierung stand der Verkauf der staatlichen Forstbehörde, welche für den Wiederaufbau vieler Wälder zuständig war. Die Wälder sollten geschützt und trotzdem so gewinnbringend wie möglich bewirtschaftet werden.
Die Forstbehörde ist nun also gewinnorientiert und nicht mehr nur für den Schutz der irischen Wälder zuständig!
Der Grund, warum die Behörde privatisiert wurde, ist, dass auf diese Weise viele Wälder verkauft werden können, die eigentlich der Bevölkerung gehören.
Hätte es keinen Widerstand gegeben, gäbe es schon heute keinen staatlichen Wald mehr in Irland, dann würde er schon einem Pensionsfonds gehören.
2013 kamen Tausende Demonstranten, um für dieses öffentliche Naturgut Wald zu kämpfen. Was die Leute hierbei besonders antrieb, war nicht etwa das eigene Überleben, sondern die Zukunft der Kinder! Sie wehrten sich gemeinsam gegen diese Sparmaßnahme. Sie konnten geltend machen, dass die Ressource Wald eine der letzten ist, welche Irland überhaupt noch gehört. Schließlich wurde der Verkauf zurückgestellt, vorübergehend gestoppt und momentan gibt es nur noch Bewirtschaftungsrechte.
Der Grund und Boden soll nun weiterhin der Bevölkerung gehören, die Bewirtschaftung jedoch mit 99-jährigen Pachtverträgen an Privat vergeben werden.
Der letzte Premierminister Bertie Ahern ist eigentlich für die Wirtschaftskrise und den darauffolgenden Ausverkauf verantwortlich zu machen. Nach seinem Rücktritt arbeitete er für eine Schweizer Bank, der ein Unternehmen in Irland gehörte. Beim Verkauf der Wälder war dieses Unternehmen eines der Hauptbieter – mehr als nur makaber also…
Wenn Politiker zuerst Privatisierung propagieren und schließlich selbst in der Privatwirtschaft davon profitieren, ist deren Rechtschaffenheit mehr als nur in Frage zu stellen.
Nur weil der politische Druck der Bevölkerung immer größer wurde, konnten diese Machenschaften überhaupt gestoppt werden, Widerstand bringt also sehr wohl etwas! Allerdings ist, wie erwähnt, der Verkauf des Waldes der irischen Bevölkerung noch immer nicht komplett vom Tisch… sondern lediglich auf Eis gelegt.
Beispiel Frankreich
Das „Hôtel de la Marine“ an der „Place de la Concorde“, dem größten Platz in Paris, sollte verkauft werden.
An genau diesem Platz wurden während der Revolution die damaligen Könige und andere Adliger oder deren Gehilfen geköpft. Welch eine Schande für das französische Volk… Ihnen sollte der Platz genommen werden, an dem sie ohne die Herrschaft der Könige ihren Staat gründeten und an dem die Demokratie des Volkes entstand.
Der französische Staat achtet beim Ausverkauf darauf, dass die Objekte behalten werden, welche möglichst kostengünstig und zweckmäßig sind. Kultur oder Geschichte des Volkes spielen hierbei keine Rolle. Es wird begründet von „France Domain“, der zum Verkauf beauftragten Stelle des Staates, dass alle Immobilien des Staates jährlich 8 Milliarden Euro Kosten verursachen würden und diese müsse man reduzieren.
Wie auch andere westliche Staaten hat Frankreich eine riesige Schuldenlast – von 2000 Milliarden Euro ist die Rede.
2005 fing Frankreich damit an, seine Immobilien zu verkaufen. Jedoch gingen nur 13% der Gelder in den Schuldenabbau des Landes, eine geradezu lächerliche Summe. Unglaublich eigentlich, dass trotzdem weiter privatisiert wird!
Der Verkauf wurde auf höchster Ebene beschlossen, es ist jedoch nicht nachvollziehbar, von wem. Die „France Domain“ bekräftigt, es sei nur ein Erbpachtvertrag von 99 Jahren für das „Hôtel de la Marine“ in Frage gekommen, kein Verkauf. Als Gegenleistung müsse der Pächter in die Gebäude investieren.
Olivier de Rohan-Chabot des Freundeskreises des „Hôtel de la Marine“ meint gar:
„In unserem Land werden ohne Vorwarnung krumme Dinger gedreht und wenn es dann einer endlich merkt, ist es bereits zu spät!“
Als er herausgefunden hatte, was da in Frankreich passierte, war diesem Herrn ganz klar, dass er viele Unterstützer brauchen würde, um die Situation zu ändern. Glücklicherweise kam auch Unterstützung vom Ex-Präsidenten, sodass diese Informationen große Teile der Bevölkerung erreichen konnten. Als dann plötzlich Pressemitteilungen kamen, dass es viele Angebote für das „Hôtel de la Marine“ gab, wollte niemand von der Regierung mehr etwas damit zu tun haben.
Schließlich kam es soweit, dass der damalige Präsident Nicolas Sarkozy sagte, er verkaufe nicht. Er wusste, wenn er dies nicht so sagen würde, hätte er das Volk nicht mehr hinter sich. Auch François Hollande schließt sich der Meinung des Volkes an, dass dieses Gebäude Eigentum des französischen Staates sei und bleibe.
Die Frage, ob es für die Franzosen schlimmer wäre, einen ausländischen Besitzer für diese ursprünglich öffentlichen Bauwerke zu haben, als einen Einheimischen, ist eine schwierige. Oftmals würden gerade Grundstücke, die in der Geschichte der Franzosen stark verankert sind, an ausländische Unternehmen verkauft. Obwohl viele verkaufte Grundstücke z. B. unter Denkmalsschutz stehen und diese auch nach dem Verkauf nicht verändert werden dürfen, ist dies vielen Franzosen trotzdem nicht geheuer.
Außerdem werden Preise für Rebland-Grundstücke geboten, vor allem von reichen Chinesen, welche die Kaufpreise stark in die Höhe treiben, was zu enormen Schwierigkeiten für die Winzer führt. Da immer das höchste Angebot zählt, haben normale Winzer keine Chance mehr, gutes Land hinzuzukaufen. Die Winzer in Frankreich fühlen sich gar als Leibeigene in Relation zu den Großgrundbesitzern.
Christie’s Auctions & Private Sales führt einmal pro Jahr den Verkauf der Grundstücke in Burgund durch.
Beispiel Italien
Italien besitzt sehr viele Grundstücke, die noch aus der Antike stammen und teilweise nicht nur zum Kulturerbe Italiens, sondern ganz Europa gehören.
Hier dann schon mal die große Frage: Wem gehört eigentlich das Kolosseum?
Die Italiener identifizieren sich sehr mit dem Kolosseum. Mehrere italienische Regierungen versuchten bereits, dieses großartige, kulturhistorische Erbe zu verhökern. Berlusconi hatte dies bereits bei seinem Amtseintritt zu einem seiner Ziele erklärt. Er gründete die SPA, eine privatrechtliche Aktiengesellschaft, welche ALLE dem Staat gehörende Immobilien bewerten sollte, sodass diese langfristig verkauft werden könnten.
Italien protestierte lautstark. Dieses kulturelle Erbe stellt „ein enormes ökonomisches Vermögen“ dar und noch viel bedeutender sind „die spirituellen Werte“. Von Generation zu Generation werden diese Objekte weitergegeben und sind so etwas wie Energieorte für die Bevölkerung. Es kann doch nicht angehen, dass wirklich alles verkäuflich ist?!
„Das Erbe, das hier verkauft werden soll, wurde doch nicht gebaut, damit es heute verkauft werden kann.“ Es geht doch vielmehr um die Identifikation der Bevölkerung mit ihren Bauten und der Geschichte.
Der Staat muss sich um diese Objekte kümmern. In der italienischen Verfassung gibt es hierfür sogar ein Gesetz, da die öffentliche Hand nur so den Erhalt dieser Gebäude für die Einwohner sicher stellen kann. Gehört etwas der öffentlichen Hand, gehört es allen – wird es privatisiert, gehört es nur noch einem und der bestimmt dann, was damit passiert.
Das Kolosseum darf zwar nicht mehr verkauft werden, jedoch erhält die private Gesellschaft, die nun die Eintritte kassiert, etwa 70% des Gewinns, während gerade einmal 30% an den Staat gehen.
Laut Gesetz müsste es jedoch genau umgekehrt sein. 12 Euro kostet der Eintritt ins Kolosseum, 6 Millionen Besucher gibt es dort jedes Jahr. Der Rechnungshof in Rom stellte fest, dass sämtliche durch private Firmen betreute Objekte fast keinen Gewinn mehr für den Fiskus abwerfen! Das eingenommene Geld für das Kolosseum reicht nicht einmal für die Renovierung des Gebäudes.
Schließlich suchte der Staat Sponsoren. Diego Della Valle, ein reicher Italiener und Präsident und CEO der Luxus-Gruppe Tod’s bekam den Zuschlag. Quelle: Diego Della Valle Gives Back to His Country. Er meinte, es sei dringend nötig, das Kolosseum zu renovieren. Es wäre jedoch absurd, dass Italien in einer solch brisanten Situation sei, dass es private Investoren brauche, um die öffentlichen Schätze Italiens zu erhalten. Kunstwerke, um die die ganze Welt Italien beneide.
Auf die Frage, ob der italienische Staat wirklich so arm sei, dass er sich die Denkmäler nicht mehr leisten könne, antwortete der italienische Kulturminister Massimo Bray:
„Wenn wir mehr Bewusstsein dafür aufbringen könnten, dass die Kultur ins Zentrum unserer Politik gehört, würde vermutlich eine andere Geschichte geschrieben werden.“
Man könnte also durchaus wieder von einer Privatisierung durch die Hintertür sprechen.
Die Bevölkerung befürchtet nun, das Kolosseum könnte als Werbeobjekt von Herr Della Valle missbraucht werden. Dieser wird nun sogar schon als „neuer Kaiser von Rom“ betitelt. Der Sponsorenvertrag sieht vor, dass Della Valle 25 Millionen Euro für die Renovierung zur Verfügung stellt. Das Erscheinungsbild muss jedoch erhalten bleiben und das Kolosseum darf nicht mit Werbebannern versehen werden. Jedoch darf Herr Della Valle die Finanzierung im Zusammenhang mit kulturellen Veranstaltungen medial verbreiten.
„Der italienische Staat hätte nie außer Acht lassen dürfen, dass unser Kulturerbe die wichtigste Ressource unseres Landes ist.“
Selbst in der italienischen Verfassung steht, dass die nationale italienische Identität auf der Bewahrung des künstlerischen und historischen Erbes gegründet ist. Wenn der italienische Staat nicht einmal mehr sein berühmtestes Monument unterhalten und finanzieren kann, kann man sich vorstellen, wie es um unbekanntere Objekte steht.
Im Süden von Neapel, in Ercolano (dem antiken Herculaneum), soll die Villa Favorita, ein Palast aus dem 18. Jahrhundert renoviert und zu einem öffentlich zugänglichen Objekt in der Stadtmitte werden. 40 Millionen Euro fehlen für die Renovierung. Als Erste-Hilfe-Maßnahme wurde zunächst einmal eine rissige Mauer Stück für Stück. verfestigt Der Bürgermeister, betont, dass zwar heutzutage niemand mehr Geld in den Kommunen habe, Investitionen in Denkmäler aber langfristig Arbeitsplätze und Tourismus schafften. Wichtig sei, dass die Villa öffentlich zugänglich werde. Ein geschlossenes Monument sei tot.
„Jeder von uns muss sich mit dem Land und seinen Monumenten verbunden fühlen, daraus entsteht staatsbürgerliches Bewusstsein.“
Auf der Internetseite der staatlichen Immobilienagentur steht die Villa zum Verkauf. Andere Villen in diesem Stil wurden bereits für 99 Jahre verpachtet, z. B. an Luxushotels. Der Bürgermeister hofft, die Villa Favorita mithilfe eines privaten Investors in öffentlicher Hand behalten zu können.
Das historische Erbe Europas könnte schon bald nicht mehr als öffentliches Gut der Bürger wahrgenommen werden.
Kaum ein Land bleibt von dieser Privatisierungswelle Europas verschont. Der Verkauf öffentlicher Güter und Naturschätze in den Staaten Europas, um die Kassen aufzufüllen, ist lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. Die langfristigen Folgen – sowohl finanziell als auch kulturhistorisch – sind viel höhere Verluste der Staaten, als würde man solche Objekte nicht verkaufen.
Beispiel Deutschland
Anscheinend ist es der deutschen Regierung – respektive der Stadt Berlin – nicht möglich, die Überreste der „Berliner Mauer“ zu erhalten. 2013 wurde ein Stück der Mauer entfernt, ohne vorgängige Beratungen. Die Folge war ein Aufschrei der Empörung. Ohne Vorankündigung ließ der Investor Mike Uwe Hinkel früh morgens 5-6 Meter Mauer aus der East-Gallery herausbrechen – unter massivem Polizeischutz. 1990 wurde die Eastside Gallery hier von über hundert Künstlern bemalt und steht unter Denkmalschutz. Auf Grund der guten Lage – mitten in einem Wohnviertel – trieben sich dort schon lange Spekulanten herum.
Nun sollen dort mehrere Luxusgebäude gebaut werden, genau da, wo damals 14 Menschen starben, darunter 5-6 Kinder aus Westberlin.
Während des kalten Krieges trennte die Mauer die Bundesrepublik von der DDR – ein menschenverachtendes Bauwerk, das der Nachwelt zur Erinnerung erhalten bleiben sollte. Einige sprechen gar von einem Weltkulturerbe, andere erwähnen das Berliner Denkmalsschutzgesetz Paragrapgh 10, in dem steht, dass eine Umgebungsbebauung nicht so gebaut werden darf, dass es die Wirkung des Denkmals beeinträchtigt.
Die Proteste weiteten sich aus, als die Bürger das Recht forderten, darüber entscheiden zu können, wie nach ihrer Meinung das Herz von Berlin aussehen soll. Nachtclubs, Kulturzentren und Gemeinschaftsprojekte sind schon lange integraler Bestandteil des Berliner Alltags. Eigentlich richtet sich der Protest gegen die Bauträger, welche mit ihren Visionen die Stadt Berlin total verändern.
Gemäß Hans Panhoff, Bezirksstadtrat Friedrichshain-Kreuzberg, war vor 15 Jahren die Stadtmitte noch so-genanntes „Wasteland“ also „unbrauchbares Land“ gewesen, welches sich nun in einen „Hotspot“ transformiert hätte.
Die Stadt und die Investoren schauen auf dieses Areal. Viele sind nun interessiert und es wird intensiv spekuliert. Die öffentlichen Bauten und staatlichen Güter werden von einer Privatgesellschaft verwaltet, dem Liegenschafts-Fonds. Doch die Mehrheit der unbebauten Flächen, vor allem auf der Seite der ehemaligen DDR, wurden in den 1990er Jahren sehr schnell an Investoren verkauft.
Berlin hat viele Schulden aus verschiedenen Gründen. Von über 60 Milliarden Euro wird gesprochen. Bei der Liegenschaftspolitik ging vieles schief. Die besten Grundstücke wurden zu Höchstpreisen verkauft und die Kultur ging immer mehr verloren. Als der Immobilien-Fonds ins Leben gerufen wurde, forderte man, dass die Verkäufe mit dem Stadtbild vereinbar sein müssen. Doch leider wurde darauf nicht geachtet, die Rede ist von „blindem Verkaufen“.
Wo früher die ärmere Gesellschaftsschicht lebte, werden in 10 Jahren wohl nur noch Vermögendere leben können. Sogar von Verdrängung gesprochen.
Jeglicher Anstand und jegliche soziale Verantwortung scheint in Berlin verloren gegangen zu sein.
Regierung und Bürger verlieren die Kontrolle über den öffentlichen Raum, sobald das Kommando nur noch der Markt hat.
Wie sollen solche Kulturgüter wie die Berliner Mauer geschützt werden, die ein Teil der Identität der Bürger und der Stadt, jedoch nicht profitabel sind?
Beispiel Spanien
In Barcelona gibt die Tourismusbranche den Ton an. Seit der Krise werden deren Entscheidungen in der Stadtverwaltung sehr ernst genommen.
Der Eintritt zum Güell-Park wurde plötzlich kostenpflichtig für die Bewohner. Dies ging ihnen zu weit. Es gab massive Proteste. Das Volk fühlte sich betrogen.
Eine Petition wurde erstellt, um dies zu verhindern. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde dieser öffentliche Park angelegt.
Er wurde nach 1975 zum Symbol für die katalanische Kultur. Jedoch machte die Tourismusindustrie den Park nun kostenpflichtig, momentan zwar noch nicht für Anwohner, für alle anderen jedoch schon.
Viele sehen es trotzdem schon als Enteignung, Eintritt in Höhe von 7-8 Euro für etwas zu bezahlen, was früher der Öffentlichkeit frei zugänglich war. Sogar in Kirchen werde bereits Eintritt verlangt. Dass Ausländer bezahlen müssen, wird eigentlich akzeptiert. Aber die Einwohner Spaniens sollen weiterhin kostenlos den Park besuchen dürfen, schließlich ist er ein Kulturgut Spaniens. Das Bild des Parks hat sich nun total zu einer Touristenattraktion entwickelt und nichts mehr mit dem eigentlichen Geist zu tun. Die Bürger protestieren.
Für die Stadt ist dies ein Präzedenzfall, vielleicht erst der Anfang einer großen Privatisierungswelle.
Barcelona will nun die Namen ihrer Metrostationen verkaufen! In Madrid ist das bereits so.
Die Station Puerto del Sol heisst nun Vodafone Sol. Für 3 Millionen Euro hat das britische Telefonunternehmen nun drei Jahre das Anrecht auf diesen Namen.
Beispiel Griechenland
Ein Land, welches von der Trojka „regiert“ wird.
Hier werden Autobahnen, Häfen, Wasserversorgung und andere Immobilien verkauft.
Selbst die Beamten des Staates werden so immer mehr reduziert. Ausverkauf ohne Grenzen?
Die Trojka will Zahlen sehen, kulturelles oder öffentliches Recht hat hier keine Bedeutung mehr.
Ein Land, in welchem sogar der staatliche Fernsehsender geschlossen werden kann… in so einem Land ist alles möglich.
Der Staat Griechenland sei ein schlechter Vermögensverwalter, Grundstücke sollten erhalten bleiben und trotzdem Gewinn abwerfen, so die Trojka. 2011 war der Staatsbankrott ganz nahe, die Trojka gründete einen Fonds, der die staatlichen Vermögenswerte überprüfen sollte: TAIPED.
Dieser Fonds soll eine der umfangreichsten Privatisierungen durchführen, die je in einem Land durchgeführt wurde. Gemäß Aussage des Generaldirektors von TAIPED wäre dieser Fonds so etwas wie eine unabhängige Behörde und entspräche der Rechtsstruktur einer Aktiengesellschaft, So könne man sehr flexibel handeln. Dieser Fonds hat Zugriff auf den gesamten staatlichen Grundbesitz.
Der Plan, große unberührte Flächen zu verkaufen, führte europaweit zu Unverständnis.
Eine Halbinsel in Griechenland soll bald für 99 Jahre an einen amerikanischen Investmentfonds verpachtet werden.
Korfu ist noch einer der unberührtesten Orte Griechenlands mit vielen Eidechsen und Vögeln – ein richtiges kleines Paradies. Man stelle sich vor, wie sich diese Insel von einem Naturparadies in eine Betonwüste verwandeln könnte. Es wäre eine ästhetische und ökologische Katastrophe und die Zerstörung eines einzigartigen Naturschutzgebietes.
Ein Lehrer hatte Berufung gegen diesen Verkauf eingelegt und gewonnen, weil verschwiegen wurde, dass ein Waldgebiet verkauft werden sollte. Dies ist gemäß griechischer Verfassung verboten. Doch die Vereinbarung mit dem IWF hatte Vorrang. Die nationale griechische Verfassung verlor also so gesehen gegen die Interessen des IWF!
So-genannte rechtliche Schnellverfahren wurden eingeführt bei der Gründung von TAIPED. Dadurch kann dieser Fonds schneller und leichter Nutzungspläne erstellen und Bauland erschließen. Die Trojka repräsentiere die EU, die europäische Zentralbank und die Mitglieder der Eurozone. Desshalb habe sie großen Einfluss bei der Lösung von Problemen, welche mit der EU zusammenhängen. TAIPED wolle sich dies zu Nutze machen.
Also ist auch hier ganz klar die EU die tragende Kraft der Privatisierung.
Der Ökotourismus wird weiltweit immer populärer. Gerade deshalb, im Bezug auf das Potential des Tourismus wäre diese Entscheidung jedoch fatal, meint ein griechischer Reiseunternehmer. Die naturbelassenen Zonen werten die erschlossenen Zonen auf, welche ja meist bereits zerstört sind.
Gemäß TAIPED soll ein großer Landstrich auf der Insel Korfu mit wunderbarem Meeresblick für 23 Millionen Euro verkauft werden, um Staatsschulden zu reduzieren.
Der Vergleich mit dem Versuch der Heilung eines Krebskranken mit Aspirin liegt hier leider nahe.
Warum richtet der Staat dort nicht einfach einen Naturschutzpark mit Wanderwegen und Eintrittsgeldern ein? Die Griechen verstehen nicht, wie ihr Staat Land verkaufen kann, dass dem griechischen Volk gehört. Was soll nun eigentlich aus Kassiopi, einer kleinen Hafenstadt auf der Insel Korfu werden?
Die endgültigen Pläne des Investors liegen der TAIPED nicht vor. Jedoch sollen gemäß den Plänen dort Luxushotels und hochpreisige Ferienhäuser entstehen. Der „gehobene Markt“ ist hier im Visier des Interessenten.
Viele Grundstücke Griechenlands scheinen wertlos zu sein oder werden massiv günstiger bewertet, aufgrund der Lage Griechenlands.
Der Geschäftsführer Südeuropa NCH Capital erklärt, sie seien genau an solchen Grundstücken interessiert, die momentan tief bewertet werden, für die Zukunft jedoch viel Potential haben.
Sie seien auf günstige Gelegenheiten aus, in denen die momentane Wahrnehmung der Realität auseinander gehen, sprich an Grundstücken, welche eigentlich einen viel größeren Wert haben. Er meint, durch diese Privatisierung sei nun ein riesiger neuer Markt entstanden… nur für wen ist die Frage – auf jeden Fall nicht für die Bevölkerung!
Diese Maßnahmen wären ein Abkommen zwischen Griechenland und der EU. Die griechische Regierung MUSS also diese Grundstücke verkaufen und die Erschließung dieser beschleunigen.
Griechenland ist nun ein Opfer von internationalen Firmen wie NCH Capital Inc., welche nur in Staaten investieren, die marode sind und deren Eigentum momentan als günstig eingeschätzt wird, wie also zum Beispiel die Ukraine, Albanien, Russland oder um 1990 die Balkanstaaten.
Es ist enorm frustrierend, wenn Fremde über Staatseigentum entscheiden, ohne dass die Bevölkerung selbst mitreden darf. TAIPED berät sich ausschließlich mit dem Wirtschaftsministerium. Geheimhaltungsabkommen mit allen betroffenen Parteien sind hierbei der Standard.
Fragen der Bevölkerung werden nicht einmal beantwortet. TAIPED begründet, sie seien nicht groß genug, um sich mit allen lokalen Gruppierungen herumzuschlagen.
Doch nicht alle sind gegen die Privatisierung. Einige glauben, es könne nur besser werden, als es momentan sei. Viele wandern auch zum Beispiel nach Deutschland aus, weil sie keine Arbeit mehr haben.
Selbst die Bewohner von Kassiopi meinen, die neuen Investoren seien Verbrecher, aber es könne nur besser werden, da dieses Gelände momentan eine Müllhalde sei.
Wenn etwas genutzt werde, dann sei es besser, als wenn es einfach zerfalle. Doch diese Aussagen entstehen wohl nur aus der gegenwärtigen Situation der Hilflosigkeit. Wenn Sie an einem Ort leben müssten, an dem alles zerfällt, würden Sie wohl ähnlich denken, oder?
Allerdings verstehen die Leute leider nicht, dass diese Verschuldung vielleicht ja so gewollt war, denn nur so kann man Einwohner davon überzeugen, dass Privatisierung gut ist!
Der griechische Staat verfügt über große Vermögenswerte, insbesondere hat er einen großen Anteil an Grundbesitz.
Auch viele Unternehmen gehören ihm an. Warum ein Staat jedoch so viele Unternehmen hat, ist sehr widersprüchlich und scheint nicht gut für das Wohl der Bevölkerung. Wie die Situation sich dort auch immer entwickeln wird, es handelt sich um beträchtliche Werte, die sich verkaufen lassen, um Schulden zu begleichen.
Es gibt ganz klar Vermögenswerte, die in staatlicher Hand bleiben müssen. Würde zum Beispiel die Akropolis verkauft werden, würde dies die Gefühle der Menschen verletzen. Die Akropolis sollte nicht nur als Symbol Griechenlands angesehen werden, nein als Symbol Europas oder der Menschheit. Einige Griechen meinen gar, würde dieses Objekt je verkauft werden, würden sie sich umbringen.
In allen in diesem Bericht erwähnten Ländern muss mittlerweile jedes öffentliche Gebäude, jeder öffentliche Park und Raum rentabel sein, damit es nicht privatisiert wird. Glücklicherweise muss man sagen, ist es noch immer nicht so einfach, in Europa öffentliche Grundstücke zu verkaufen, da die jeweiligen Einwohner sich wehren.
Dieser „Kampf“ ist der einzige Grund, warum die Privatisierung teilweise ins Stocken gerät. Mit der Auflehnung gegen die Veräußerungen öffentlicher Objekte steigt auch der Widerstand gegen den Markt, respektive gegen die Versuche des Marktes, sich über die öffentlichen Interessen und Rechte der Allgemeinheit zu stellen.
Geld ist also nicht mehr das größte Gut der Menschheit. Freiheit und öffentliche Rechte und Interessen sind viel bedeutender für die Menschheit.
In Berlin versammeln sich nun Anwohner, Investoren, die Stadtverwaltung und Demonstranten zu einem gemeinsamen Forum. Lösungen zur Erhaltung des öffentlichen Zugangs der Spree werden gesucht, der durch den Bau von Privatwohnungen dort in Gefahr ist. Die Hoffnung ist groß, dass es endlich einen Paradigmenwechsel gibt, weg von der Privatisierung, hin zu regionalen und kommunalen Systemen wie Daseinsvorsorge oder Ökologie.
In Irland soll die Verfassung geändert werden. Beim geplanten Verfassungskonvent geht es konkret um den Artikel 10a, der besagt, dass der Staat das Recht an allen natürlichen Ressourcen hat, inklusive der Luft.
Dort will man nun, dass das Wort Staat durch das Wort Volk ersetzt wird. Zwar eine kleine Änderung, aber eine klare und eindeutige.
Die europäische Gesellschaft wird vom Markt diktiert. Das Wort Volk steht somit im direkten Widerspruch hierzu. Wir gratulieren den Iren zu diesem Schritt und hoffen, es klappt nun so!
„Ausverkauf Europa“
Die Arte-Koproduktion „Ausverkauf Europa“ von Andreas Pichler wurde im Juli in Paris bei Radio France mit dem Deutsch-Französischen Journalistenpreis (DFJP) in der Kategorie „Video“ ausgezeichnet. Die Jury überzeugte der Dokumentarfilm „aufgrund seines brisanten und bisher weitgehend vernachlässigten Themas“. „Der Südtiroler Autor erzählt seine Geschichte bildstark und mit beeindruckenden Beispielen. Der Film betrifft alle Europäer und regt die Zuschauer zum Nachdenken an“, begründete die Jury ihre Entscheidung.
Der große Ausverkauf hat längst begonnen.
Dominik Crimi für die Netzfrauen
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