Wie schwer es ist, eine bezahlbare Wohnung vor allem in Großstädten wie Berlin, Hamburg oder München zu finden, erleben besonders Alleinerziehende. Seit Jahren steigen die Mietpreise.
Dazu stellt der Wohngeld- und Mietenbericht 2014 fest: „Die höchsten Steigerungen der Angebotsmieten gab es 2014 vor allem in Ballungsregionen und Universitätsstädten.“ Demnach haben vor allem einkommensschwächere und sogar Haushalte mit mittleren Einkommen Schwierigkeiten, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Eine Folge des angespannten Wohnungsmarktes sind in diesen Regionen zunehmend auch Zwangsräumungen. In Berlin etwa nehmen selbst landeseigene Wohnungsbaugesellschaften, die laut Satzung eigentlich der Wohnraumversorgung breiter Bevölkerungsschichten dienen sollen, wenig Rücksicht auf die soziale Situation ihrer Mieter.
Sie nutzen den geringsten Anlass zur Kündigung und sind verantwortlich für circa 20 Prozent aller durchgeführten Zwangsräumungen in der Stadt, so das Ergebnis einer aktuellen Studie der Humboldt-Universität Berlin.
Die vielleicht traurigste Folge dieser Entwicklung: Rund 2500 Kinder sind nach Schätzungen der Arbeiterwohlfahrt in Obdachlosenheimen untergebracht.
Frontal 21 hat alleinerziehende Mütter getroffen, denen eine Zwangsräumung droht oder die mit ihren Kindern in Obdachlosenheimen leben müssen, weil sie auf dem Wohnungsmarkt keine Chancen mehr haben.
Hier einige Fakten:
- 10 000 Berliner verlieren ihre Wohnung jedes Jahr und die Zahl der Betroffenen wächst.
- Alleinerziehende Frauen sind immer öfter betroffen.
- Bis zu 30 Prozent der infolge einer Räumung in „Obdächern“ untergebrachten Betroffenen sind Frauen und mit ihnen geschätzt 2500 Kinder in den Heimen untergebracht.
- Deshalb verlieren fast alle Kinder bald darauf den Anschluss in der Schule
- Nicht einmal die genaue Zahl der Zwangsräumungen wird in Berlin erfasst.
- Zahlen aus 2012: Deutschlandweit gab es 25 000 Zwangsräumungen
- Es gab etwa 40 000 Räumungen ohne die Erlaubnis des Gerichts, eine Zwangsräumung durchzuführen.
- 2010 waren es noch 20 000 Zwangsräumungen.
- Menschen, die von Zwangsräumungen betroffen sind, droht oftmals die Obdachlosigkeit
- Zahlen aus 2014: 335 000 Menschen waren ohne Wohnung
- Ca. 239.000 (71 %) der wohnungslosen Menschen sind alleinstehend
- 96 000 (29 %) leben mit Partnern und/oder Kindern zusammen.
- Die Zahl der Kinder und minderjährigen Jugendlichen ohne Wohnungen wird auf auf 9 % (29 000) geschätzt,
- die der Erwachsenen auf 91 % (306 000).
- Der Anteil der erwachsenen Männer liegt bei 72 % (220 000);
- Der Frauenanteil liegt bei 28 % (86 000) und ist seit 2012 um 3 % gestiegen
In 2014 waren ca. 172 000 Haushalte (2012: 144 000) vom Verlust ihrer Wohnung unmittelbar bedroht. In ca. 50 % der Fälle konnte die Wohnung durch präventive Maßnahmen erhalten werden. Doch insgesamt gab es 86 000 neue Wohnungsverluste in 2014: davon ca. 33 000 (38 %) durch Zwangsräumungen und ca. 53 000 (62 %) sog. „kalte“ Wohnungsverluste. Beim „kalten“ Wohnungsverlust kommt es nicht zur Zwangsräumung, sondern die Mieter und Mieterinnen, vor allem alleinstehende, „verlassen“ die Wohnung ohne Räumungsverfahren oder vor dem Zwangsräumungstermin. Ein ausschließlicher Blick auf die Zwangsräumungszahlen verkennt das Ausmaß neu entstehender Wohnungslosigkeit.
Ursachen für die steigende Zahl der Wohnungslosen: Wohnungsmangel, hohe Mieten, Verarmung und sozialpolitische Fehlentscheidungen
Mehrere Faktoren sind maßgeblich für den dramatischen Anstieg der Wohnungslosenzahlen: Dazu gehört das unzureichende Angebot an preiswertem Wohnraum in Verbindung mit dem ständig schrumpfenden sozialen Wohnungsbestand, dem nicht durch Neubau und soziale Wohnungspolitik gegengesteuert wurde und wird. Seit 2002 gibt es eine Million Sozialwohnungen weniger. Dazu kommt:
- Kommunen, Länder und der Bund haben ihre eigenen Wohnungsbestände meistbietend an private Investoren verkauft und sich so selbst geeigneter Reserven preiswerten Wohnraums beraubt. Große Wohnungsbestände in attraktiven Lagen stehen wegen Gentrifizierung Mieterhaushalten mit geringem Einkommen nicht mehr zur Verfügung.
- Es fehlen mindestens 2,7 Millionen Kleinwohnungen. Dieser Wohnungsmangel, insbesondere bei den kleinen Ein- bis Dreizimmerwohnungen, hat zu einem extremen Anziehen der Mietpreise v. a. in den Ballungsgebieten geführt. Der besonders großen Nachfragegruppe der Einpersonenhaushalte (16,4 Millionen Menschen) steht nur ein Angebot von 13,6 Millionen Ein- bis Dreizimmerwohnungen gegenüber.
- Die Armut der unteren Einkommensgruppen hat sich verfestigt u. a. durch die Ausweitung des Niedriglohnsektors und der atypischen Beschäftigung sowie durch den unzureichenden ALG II-Regelsatz.
- Noch immer gibt es zu wenige Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungsverlusten in den Kommunen und Landkreisen. In vielen Fällen könnte bei Meldung des drohenden Wohnungsverlustes an eine entsprechende Fachstelle Wohnungslosigkeit vermieden werden. Doch viel zu wenige Kommunen, besonders Klein- und Mittelstädte und Landkreise machen von den gesetzlichen Möglichkeiten (im SGB II und im SGB XII) zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit Gebrauch.
- Die Krise auf den Wohnungsmärkten mit ihrem Mangel an bezahlbarem Wohnraum hat ebenfalls zu einer Krise im ordnungsrechtlichen Unterkunftssektor geführt: „Weil wohnungslose Menschen oft chancenlos auf dem Wohnungsmarkt sind, sitzen sie in den Unterkünften fest. Die Wohnungslosigkeit verfestigt sich und zugleich – und das ist besonders riskant angesichts des bevorstehenden Winters – gibt es zu wenige freie Unterkunftsplätze.
Quelle: Zahl der Wohnungslosen in Deutschland auf neuem Höchststand BAG Wohnungslosenhilfe: 335.000 Menschen in 2014 ohne Wohnung
Armut in Deutschland ist ein Thema, das viele nicht wahrhaben wollen. Aber auch bei uns klafft die Schere zwischen denen, die viel Geld besitzen und denen, die gar keines haben, immer weiter auseinander.
Gerade Frauen sind immer öfter von Armut betroffen. Sie versorgen den Haushalt, kümmern sich um Kinder, Kranke und Alte und bekommen dafür kein Geld. Sie haben schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, und wenn sie eine Stelle bekommen, verdienen sie trotz gleicher Qualifikation immer noch weniger als Männer.
In Deutschland ist das Armutsrisiko bei Alleinerziehenden besonders hoch, denn ca. 40 % aller Alleinerziehenden (neun von zehn sind dabei Frauen) beziehen Hartz IV. Was geschieht, wenn diese Frauen von der Zwangsräumung betroffen sind? Wohin mit den Kindern?
Stimmt es, dass diese Kinder von den Müttern getrennt werden? Wir hatten von Fällen gehört, dass Mütter sogar von ihren Kindern getrennt werden, wenn diese zwangsgeräumt werden. Zwangsräumung findet nicht nur statt, wenn Mütter ihre Miete nicht zahlen, sondern auch, wenn der Vermieter Eigenbedarf geltend macht.
Berlin, München, Hamburg – in den Metropolen steigen die Mieten rasant und verdrängen vor allem arme Menschen. Deutschland hat europaweit nach der Schweiz den zweithöchsten Mieteranteil. Luxussanierungen und die Aufwertung von Wohnvierteln treiben die Mieten in die Höhe. Gleichzeitig verkaufen die Kommunen immer mehr städtische Wohnungen. Die Zahl von Sozialwohnungen ist in Deutschland zwischen 2002 und 2010 von 2,47 Millionen auf 1,66 Millionen gesunken. Besonders für Alleinerziehnde.
Frontal21 berichtete in der Sendung vom 3. November 2015 über dieses Thema. Da wir bereits im Vorfeld involviert waren, legen wir Ihnen diese Sendung besonders ans Herz. Sie können die Sendung auch hier verfolgen: http://www.zdf.de/frontal-21/frontal-21-5989374.html
In Deutschlands Städten wird es eng. Der Wohnungsmarkt ist angespannt, die Mieten steigen. Immer mehr Menschen können das nicht mehr bezahlen, müssen raus aus ihrer Wohnung. Unter den Opfern von Zwangsräumung sind zunehmend Alleinerziehende. Frauen und Kinder zuerst – bedroht von Obdachlosigkeit. Kyo Mali Jung hat solche Frauen in Berlin über mehrere Monate begleitet: Frauen, die von den Landespolitikern zwar warme Worte über die soziale Stadt hören, aber sogar aus landeseigenen Wohnungen rausgeschmissen werden, raus in die soziale Kälte.
Ab Minute 22:14 können Sie den Beitrag von Kyo Mali Jung sehen.
Ebenfalls zum Thema: Frontal 21 „Es wir öfter zwangsgeräumt“
Mehr zu diesem Thema finden Sie auch in unserem Beiträgen:
Frauenarmut – Wir träumten vom Leben, aber nicht in Armut
Obdachlose Jugendliche – Tausende Kinder in einem Wohlstandsland auf der Straße – wie kann das sein?
Obdachlose – Der Kampf gegen die Armut hat sich zum Kampf gegen die Armen gewandt
FALSCHE ERNÄHRUNG: ARMUT GEFÄHRDET GEISTIGE ENTWICKLUNG VON KINDERN
Die Armut in Deutschland hat ein trauriges Rekordhoch erreicht
Wir bedanken uns bei Frontal21 und bei Ky Jung. Sie hat sehr lange an diesem Thema recherchiert und viele Interviews mit Betroffenen geführt.
Netzfrau Doro Schreier
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