José Mujica war wohl einer der ungewöhnlichsten Präsidenten, die nicht nur Südamerika je gesehen hat. An Glamour liegt dem 80-Jährigen, der sein Amt am 1. März abgab, nichts. Er führt ein einfaches Leben auf einem kleinen Bauernhof. Zum Abschied dankte er den Uruguayern dafür, dass er ihr Präsident sein durfte. Und wer nun gedacht hat, Pepe, wie der ehemalige Präsident genannt wird, würde sich zurückziehen, der hat sich geirrt. Er ist nicht nur als Senator tätig, nein er reist durch Lateinamerika, und fliegt über die Grenzen hinaus und spricht vor Studenten. Und nicht nur in Brasilien wurde er wie ein großer Rockstar gefeiert, sondern auch in der Türkei. Überall , wo Pepe vor Massen von Menschen spricht, hat er eine Botschaft.
Die Augen sind auf die Türkei gerichtet, die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) trafen sich im türkischen Urlaubsort Belek. Insgesamt sollen etwa 1.500 Pressevertreter über das Treffen der 20 Teilnehmern und die zusätzlich eingeladenen Ländern Aserbaidschan, Malaysia, Senegal, Singapur, Spanien und Simbabwe berichten. Für den G20-Gipfel hat die türkische Regierung einen kilometerlangen Küstenstreifen abgeriegelt und zur Festung ausgebaut.
Ganz im Gegensatz der ehemalige Präsident aus Uruguay Jose „Pepe“ Mujica. Er legt wert auf Einfachheit. Residiert wird in einem Drei-Sterne-Hotel am Taksim Platz, sein Fortbewegungsmittel ist ein VW Baujahr 1973. Gemeinsam mit seiner Ehefrau ist er einer Einladung gefolgt und begab sich nicht mit einem Privatjet, sondern mit einer Turkish Airlines Maschine zu einer 10-Tägigen Reise in die Türkei.
Kurz nach Mitternach kam das Ehepaar Mujica am Atatürk Airport an. Empfangen wurde sie vom Stellvertretenden Vorsitzenden der CHP. Mujica kam von Paris, wo er vor Studenten einer Universität für Politikwissenschaften gesprochen hatte. Hier verschonte er Europa und Frankreich nicht mit Kritik. Mujica erinnerte an die koloniale Vergangenheit Frankreichs. „Man zertrampelt Afrika und jetzt ist es an der Zeit, die Verantwortung zu übernehmen, für das, was sie sich nahmen.“ Europa ist für vieles, was in der Welt geschieht verantwortlich“, so Mujica
Auch in Paris wurde Jose Mujica wie ein Rockstar gefeiert. Er war u.a. als Hauptredner auf der Konferenz zum Thema: „Neue Herausforderungen in der Beziehung Lateinamerika zur Europäischen Union“ eingeladen, die am 26. Oktober 2015 stattfand.
Mujica: un #rockstar en París que no opacará a #VázquezenFrancia https://t.co/96UcsJJaCg. Informa @MAlmada2 pic.twitter.com/VA0bpvEzHz
— El Espectador (@espectador810) 26. Oktober 2015
Salle comble pour accueillir #Mujica et @jlmelenchon à Paris @LePG pic.twitter.com/7qPxBI0JQa — Paul Vannier (@Vannier75) 29. Oktober 2015
Mujica traf sich in der Türkei mit dem Vorsitzenden Kemal Kilicdaroglu von Atatürks Partei CHP , der ihn eingeladen hatte. Er besuchte eine Reihe von Gemeinden, darunter Şişli und Beylikdüzü. Auch Istanbul stand auf dem zehntägigen Programm, genauso Konak in Izmir und Odunpazari in Eskişehir.
Überall wo Mujica auftrat, jubelten ihn Menschen zu. Türkische Medien schrieben sogar, dass er genau das Gegenstück von Erdogan sei.
Geboren wurde Pepe Mujica im Jahre 1935. Er war kein gewöhnlicher Präsident und trotzte „Standards“. So fuhr er in seiner Zeit als Abgeordneter mit einer Vespa in die Abgeordnetenkammer, weigerte sich eine Krawatte zu tragen. Auch während seiner Amtszeit als Präsident vom 01. März 2010 – 01. März 2015, war es nicht anders – im Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln, das über die Jeanshosen hängt, mit halb zugebundenen Hausschuhen und einer Baseballkappe. Anstatt in einen Präsidentenpalast zu ziehen, blieb auf seinem baufälligen Bauernhof wohnen.Und dort wo er auftritt, sticht er durch sein Auftreten heraus, so auch in der Türkei.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan mag es hingegen deutlich opulenter. Zuletzt sorgte die Größe seines umstrittenen Präsidentenpalastes für Spott während eines Staatsbesuchs. Anlässlich seiner Visite in der Türkei hatte der finnische Präsident Humor bewiesen. Im Scherz erklärte er, es aufgrund der Ausmaße äußerst schwierig zu finden, sich im Präsidentenpalast zurecht zu finden. „Ich hoffe, dass ich dort nicht verloren gehe“, so der Staatsmann im Gespräch mit der türkischen Zeitung Hürriyet kurz vor seinem Treffen mit seinem Amtskollegen Erdoğan. „Vielleicht nehme ich einen Kompass mit.“
José Mujica: „Politik ist nicht dazu da Geld zu verdienen“ Die Konsumgesellschaft, daraus machte er nie einen Hehl, sei ihm zuwider. Seiner Ansicht nach müsse die Menschheit anfangen, für eine andere Art von Kultur zu kämpfen. Nicht derjenige sei schlecht, der wenig besitze, sondern der, der immer noch mehr wolle, so Mujica auf der Rio + 20 Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung. Für seinen Kampf für eine bessere Welt wurde Pepe mit dem León (Löwenherz) vom Verband der Hochschulstudenten (FEU) in Mexiko ausgezeichnet. Das bewegende Video finden Sie in unserem Beitrag: José Mujica, Präsident von Uruguay, spendete 550.000 $ von seinem Gehalt . Pepe war ein Guerilla-Kämpfer für die Tupamaros ( eine Art „Robin Hood“ Organisation, die von den Reichen stahl und den Armen gab) In dieser Zeit wurde er zweimal inhaftiert, wo er unter schrecklichen Bedingungen leben musste. Einmal gelang ihm sogar die Flucht wurde dann aber wieder festgenommen. Er wurde 14 Jahre später wieder freigelassen, als die Demokratie in Uruguay wieder hergestellt war.
#turkey Jose Mujica: ‚Ne Yüzle Nobel Barış Ödülü Veriyorlar?‘ https://t.co/9ATtbjTKhN #turkiye #magazin pic.twitter.com/F07ZkB3cH8 — salih (@salih_tr17) 4. November 2015
Pepe Mujica lehnt Friedensnobelpreis ab
Während seines Aufenhaltes hielt er in dem Ahmed Adnan Saygun Center, Ismir, eine Rede. Es kam zu einer Massenhysterie, als wäre ein ganz großer Rockstar auf der Bühne. In einem Interview auf der Bühne erklärte Pepe auch, warum er keinen Friedensnobelpreis haben wollte.
Die Journalistin Ece Temelkuran interviewte Pepe zu dem Thema “ Armut verhindern“ und alle Zuschauer bekamen wichtige Informationen, die auch für uns Netzfrauen neu waren. Wir haben bereits sehr viele Beiträge über Pepe geschrieben, ihn zum Menschen 2014 ausgezeichnet und ihn mehrfach für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.
Die erste Frage bezog sich auf den Friedensnobelpreis. Zum ersten Mal lesen auch wir die Begründung. Pepe erzählte von seiner Verweigerung: “ Es ist der Krieg, der dem Friedensnobelpreis das Gesicht gibt, in dieser Welt. Darum dachte ich mir, ich werde diesen Preis ablehnen. Es gibt einen Krieg in jeder Ecke der Welt, muss dies eigentlich sein? Es führt zur Depression. Heute stellt sich selbst Angesicht der technologischen Entwicklung und dem dadurch entstehenden enormen Kosten dem Krieg zur Seite. Ich weiss nicht ob es zur Verwirrung führt, wenn jedermann es live erleben kann. Die moderne Art und Weise zu kämpfen, aufgrund der technologischen Entwicklungen und Fortschritte dient nur dazu, die Regierungen reich zu machen. Ich denke, für den Frieden müssen alle Völker der Welt zusammen kommen und NEIN zum Krieg sagen.“
„Zeit kann man nicht kaufen“
„Es lastet viel Druck auf Arme. Sie denken, dass keine Notwendigkeit besteht, über arme Menschen zu diskutieren“, erwähnte Mujica Er betonte aber, dass es notwendig sei , zu lernen nur mit einem Koffer zu leben.
Er sagte weiter, dass man mit Geld nicht alles kaufen könnte. Mit Kaufen und das Geld dazu zu verdienen verbringt man Zeit seines Lebens. Wenn Sie die Chance haben, Zeit zu haben, dass ist der wahre Reichtum. Kann mir ein Supermarkt 5 Jahre Zeit verkaufen? Nein, so Pepe.
„Die Menschen müssen ihre Rechte verteidigen“
Pepe Mujica sei heute gegen den Krieg, die Frage an ihn, ob er als ehemaliger Guerilla eine Nachricht an die Menschen, die Waffen in den Händen halten, hätte:
„Ich werde nicht lügen, denn jedes Land hat die eigene Realität. Ich komme aus einem Land mit mehr als 100 Jahre Geschichte. Ich habe alle Arten von Selbstverwaltungen befürwortet. Aber es war nicht das, was ich wollte. Ich wollte das Recht auf Selbstbestimmung. Meine eigenen Vorlieben und Abneigungen haben. Jedem Menschen sollte frei gestellt sein, seine eigenen Probleme zu lösen. Lassen Sie mich ein wenig deutlicher werden:… jedes Volk muss frei sein um ihre eigene Angelegenheiten zu verwalten. Jedes Teil meines Herzens ist immer auf der Seite der Menschen, die ihre Rechte verteidigen. Ob es den Regierungen gefällt oder nicht, wir müssen lernen, miteinander zu leben.“
Wir haben diesen Beitrag frei übersetzt – das Original ist in Türkisch Jose Mujica: ‚Ne Yüzle Nobel Barış Ödülü Veriyorlar?‘
José Mujica, der „Star der türkischen Medien“
Die Türkischen Medien titelten, dass der „ärmste Präsident der Welt“ in Türkei zu Gast sei. Alle beschrieben Pepes Bescheidenheit. Sogar wir Netzfrauen, die Pepe während seiner Amtszeit als Präsident begleitet haben, mussten feststellen, dass wir noch nicht alles wussten. Das Manuela, das ist Pepes dreibeiniger Wachhund, den Bauernhof beschützt, war uns bekannt, aber die türkischen Medien erwähnten nicht nur Manuela, sondern auch zwei Polizisten, die das Anwesen bewachen würden. Dieses wäre für Erdogan undenkbar, dieser braucht eine ganze Armee um seinen Palast zu bewachen. so die Medien.
Die Türkischen Medien schrieben auch, von dem uruguayischen Gesetz, wo Mujica bei Antritt seines Amtes als Präsident 2010 seinen Reichtum transparent machen musste. Es bekam etwa 1.800 $ und fuhr seinen VW Käfer, ein 1987er Modell. Auch wurde darüber berichtet, dass er 90 Prozent seines Monatsgehalts in Höhe von etwa 12.000 $ an wohltätige Organisationen, an arme Menschen und Start-up-Unternehmer spendete. Die Bakırköy Gemeinde hat für Mujica einen 73 ‚Vollkswagen als offiziellen Dienstwagen zur Verfügung gestellt, mit Veli Agbaba, stellvertretender Vorsitzender der CHP als Fahrer angeordnet.
#turkey ‚Dünyanın en sevilen‘ cumhurbaşkanı José Mujica: Devlet başkanı halkının nasıl… https://t.co/RtM3tjBjIN pic.twitter.com/WyBNJGLmke — Ceren (@crn2170) 1. November 2015
Als sich Pepe sich mit Kemal Kilicdaroglu von Atatürks Partei CHP in Istanbul traf, wurde genau berichtet, was zum Frühstück gegessen wurde. Mujica, der mit seiner Frau kam, aß das Menü, bestehend aus Bagels, Käse, Tomaten Olivenöl und Butter. CHP Abgeordnete Sezgin Tanrıkulu und Veli Agbaba nahmen ebenfalls am Treffen teil, wie auch der Bakırköys Bürgermeister Bülent Kerimoğlu. Mujica zog auch hier mit seiner bescheidenen Art und gewöhnlichen Kleidung die Journalisten an. Von den Kameras beim Frühstück gestört, aß er erst weiter, nachdem die Kameras weg waren.
Republican People’s Party (CHP) leader Kemal Kilicdaroglu met with ex-Uruguay leader Jose Mujica, who was famed with his humble character, in a breakfast in Istanbul 06.11.2015
Mujica ließ sich dann zu einer spontanen Rede hinreißen und die Journalisten dankten es ihm: „Ich bin so dankbar für die Gastfreundschaft und das herzliche Interesse des türkischen Volkes. Die Gemeinschaft Lateinamerikas und ihre Macht müssen die Beziehungen zu den Ländern der Welt verbessern. China hat ist der größte Exporteur und Profiteur aus Lateinamerika. Wir müssen unsere Beziehungen mehr variieren und auch die mediterrane Welt, arabische Welt und Kleinasien mit ein beziehen. Mein Land ist so klein, aber es ist ein Land in der Weltarena, insbesondere durch die Lateinischen Ländern. Ich hoffe, dass auch wir uns in Zukunft näher kommen werden. Das ist für die Unabhängigkeit notwendig, für die Verwaltung, den Handel und Intelligenz zwischen den Ländern, auch unabhängig zu bleiben. Wir haben viele Dinge aus der Türkei gelernt „, sagte Pepe. Auf eine Frage eines Journalisten, antwortete er, dass es nicht die Botschaft aus Uruguay, sondern seine Botschaft wäre. Am 31. Oktober 2015 besuchte Pepe Mujica den Platz, wo Mütter jeden Samstag auf ihre vermissten Kinder aufmerksam machen. Sie wollen wissen, wo ihre Kinder sind, die während der Haft verschwunden sind. Diese Mütter werden auch Samstagsmütter genannt. Auch hier ließen sich die türkischen Journalisten nicht nehmen, Pepe zu verfolgen und zu fotografieren. Aufgrund des Anschlages am 10.Okotber 2015, wurden die Sicherheitmaßnahmen verstärkt.
#turkey Jose Mujica, Cumartesi Anneleri’nin 553’üncü Buluşmasına Katıldı https://t.co/r3f9YnxBIm #turkiye #magazin pic.twitter.com/7J01E9Gn99 — salih (@salih_tr17) 31. Oktober 2015
„Ich ging ins Gefängnis, weil ich die Welt verändern wollte -. Ich habe es für eine bessere Welt gemacht. Das Gefängnis hat aus mir das gemacht, was ich bin, meine Art zu denken, wurde noch vertieft. Wir wollten eine perfekte Welt. Wir wollten, dass Menschen mehr zu essen, ein Dach über dem Kopf, bessere Gesundheit und Bildung haben. Nichts ist schöner als das Leben, und gleich danach kommt die Gesellschaft. Jetzt gehe ich aufs Grab zu. Natürlich ganz langsam.. Der Tod ist Teil des Lebens. Man kehrt zurück zur Quelle. Aber bis das eintrifft, werde ich weiter politisieren. Ich halte nichts von einem Leben als Pensionist. Ich würde vor Traurigkeit in einer Ecke sterben.
Ich werde weiterhin zu meinen Nachbarn gehen und Kaffee trinken. Dort sind meine alten Freunde, sie rufen mich „Pepe“, auch als ich der Präsident war.
Ich würde gerne sagen, dass junge Menschen wissen sollten … aufstehen, wenn du fällst. Das Leben kann viele Gelegenheiten bieten. Das Wichtigste ist, wieder aufzustehen und weiterzugehen.“
José Mujica ist wohl einer der ungewöhnlichsten Präsidenten, die nicht nur Südamerika je gesehen hat. Wir Netzfrauen waren der Ansicht – dass er ein würdiger Kandidat für den Friedensnobelpreis sei. Er wurde sogar nominiert.
Mujica: „Ich sagte denen, sie würden spinnen. Überall auf der Welt tobten Kriege, und man kam mir mit dem Friedensnobelpreis! Ich schlug ihnen vor, ihn doch post mortem Gandhi zu geben.“
Danke Pepe.
© Netzfrau Doro Schreier
Sollten Sie an unseren Recherchen interessiert sein, dann melden Sie sich bei uns unter Info@netzfrauen.org und verwenden diese bitte nicht ungefragt – in diesem Beitrag stecken 10 Stunden Arbeitszeit.
José Mujica: „Politik ist nicht dazu da Geld zu verdienen“
Uruguay – Pepe Mujicas ergreifende Worte an Evo Morales, Präsident von Bolivien
Unsere Menschen 2014: José „Pepe” Mujica, Präsident von Uruguay und 90-jähriger Arnold Abbott
Sechs Guantánamo-Häftlinge in Uruguay – Offener Brief von José „Pepe“ Mujica an Obama
Vorbildlich! José Mujica spendete als Präsident von Uruguay 550.000 $ von seinem Gehalt
4 Kommentare » Schreibe einen Kommentar