Armut und Hunger – Essen aus dem Müll

ObdachloseArmut in Deutschland ist ein Thema, das viele nicht wahrhaben wollen. Aber auch bei uns klafft die Schere zwischen denen, die viel Geld besitzen und denen, die gar keines haben, immer weiter auseinander.

Hunger: nur ein Problem von Entwicklungsländern? Nicht ganz: Auch in den „reichen“ Industrieländern leben laut der UN-Welternährungsorganisation FAO inzwischen 15 Millionen chronisch Unterernährte. Chronische Unterernährung ist in Deutschland zwar selten, dennoch kann man auch hierzulande von einer Rückkehr von Ernährungsarmut sprechen.

Deutschland ist ein reiches Land – im Schnitt werden hier über 30 000 Euro pro Jahr und Einwohner erwirtschaftet. Doch acht Prozent der Bevölkerung sind völlig abgehängt und zwischen 16 und 20 Prozent leben unterhalb der Armutsgrenze. Gleichzeitig werden die Reichen laut den offiziellen Statistiken immer reicher. Die obersten zehn Prozent verfügen über rund 53 Prozent des Vermögens. Manche Berechnungen gingen von mehr als 60 Prozent aus. Die Armut in Deutschland nimmt kontinuierlich zu und betrifft immer mehr Gruppen in der Gesellschaft.

Armut in Deutschland hat einen historischen Höchststand erreicht.

Zu diesem Ergebnis gelangt der Paritätische Gesamtverband in einem Bericht zur regionalen Armutsentwicklung. Danach waren 2013 mehr als zwölf Millionen Menschen von Armut bedroht. Die Armutsquote stieg gegenüber dem Vorjahr von 15 auf 15,5 Prozent. Zugleich ist die Kluft zwischen wohlhabenden und wirtschaftsschwachen Regionen weiter gewachsen. Verbandsgeschäftsführer Ulrich Schneider spricht von einer „armutspolitisch tief zerklüfteten Republik“. Nie zuvor sei die Armut so hoch, nie die regionale Zerrissenheit so tief gewesen wie heute.

Die wichtigsten Befunde im Überblick:

1: Die Armut in Deutschland hat mit einer Armutsquote von 15,5 Prozent ein neues Rekordhoch erreicht und umfasst rund 12,5 Millionen Menschen.

2: Der Anstieg der Armut ist fast flächendeckend. In 13 der 16 Bundesländer hat die Armut zugenommen. Lediglich Sachsen-Anhalt verzeichnet einen ganz leichten und Brandenburg einen deutlicheren Rückgang. In Sachsen ist die Armutsquote gleich geblieben.

3: Die Länder und Regionen, die bereits in den drei vergangenen Berichten die bedenklichsten Trends zeigten – das Ruhrgebiet, Bremen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern – setzen sich ein weiteres Mal negativ ab, indem sie erneut überproportionalen Zuwachs aufweisen.

4: Die regionale Zerrissenheit in Deutschland hat sich im Vergleich der letzten Jahre verschärft. Betrug der Abstand zwischen der am wenigsten und der am meisten von Armut betroffenen Region 2006 noch 17,8 Prozentpunkte, sind es 2013 bereits 24,8 Prozentpunkte.

5: Als neue Problemregion könnte sich neben dem Ruhrgebiet in Nordrhein-Westfalen auch der Großraum Köln/Düsseldorf entpuppen, in dem mehr als fünf Millionen Menschen leben und in dem die Armut seit 2006 um 31 Prozent auf mittlerweile deutlich überdurchschnittliche 16,8 Prozent zugenommen hat.

6: Erwerbslose und Alleinerziehende sind die hervorstechenden Risikogruppen, wenn es um Armut geht. Über 40 Prozent der Alleinerziehenden und fast 60 Prozent der Erwerbslosen in Deutschland sind arm. Und zwar mit einer seit 2006 ansteigenden Tendenz.

7: Die Kinderarmut bleibt in Deutschland weiterhin auf sehr hohem Niveau. Die Armutsquote der Minderjährigen ist von 2012 auf 2013 gleich um 0,7 Prozentpunkte auf 19,2 Prozent gestiegen und bekleidet damit den höchsten Wert seit 2006. Die Hartz-IV-Quote der bis 15-Jährigen ist nach einem stetigem Rückgang seit 2007 im Jahr 2014 ebenfalls erstmalig wieder angestiegen und liegt mit 15,5 Prozent nun nach wie vor über dem Wert von 2005, dem Jahr, in dem Hartz IV eingeführt wurde.

8: Bedrohlich zugenommen hat in den letzten Jahren die Altersarmut, insbesondere unter Rentnerinnen und Rentnern. Deren Armutsquote ist mit 15,2 Prozent zwar noch unter dem Durchschnitt, jedoch seit 2006 überproportional und zwar viermal so stark gewachsen. Keine andere Bevölkerungsgruppe zeigt eine rasantere Armutsentwicklung.

Quelle 

Armut in Deutschland ist ein Thema, das viele nicht wahrhaben wollen. Aber auch bei uns klafft die Schere zwischen denen, die viel Geld besitzen und denen, die gar keines haben, immer weiter auseinander.

Obdachlose – Der Kampf gegen die Armut hat sich zum Kampf gegen die Armen gewandt.

Wenn das Thermometer sinkt, wird das Leben auf der Straße für viele Obdachlose zum Überlebenskampf. Jede Nacht geht es nur ums nackte Überleben. Notunterkünfte sind überlastet und immer mehr Obdachlose brauchen einen Schlafplatz.

In vielen Ländern Europas steigt, verschärft durch die Wirtschaftskrise, die Zahl der Obdachlosen. Doch anstatt zu helfen, werden in einigen Länder Bußgelder verhängt, sind Obdachlose nicht erwünscht.

Auch in einem reichen Land wie Deutschland leben Menschen auf der Straße. Ihre Zahl hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Aber statt die Armut zu bekämpfen, werden Arme auch hier aus den Innenstädten vertrieben.‎ Der Kampf gegen die Armut hat sich zum Kampf gegen die Armen gewandt.

In Spanien trat in Januar die neue „Verordnung über das Zusammenleben im öffentlichen Raum“ in Kraft: Strafen von 1.500 Euro für Bettelnde mit Kind, sowie unerlaubtes Campieren im öffentlichen Raum. In Spanien werden immer mehr Menschen zwangsgeräumt und landen auf der Straße.

Hier erwarten sie dann Bußgelder, wenn sie in der Öffentlichkeit auf Straßen übernachten. Mehr Informationen: Gewusst? Hungerschlangen in Spanien – Hungern, während Banker sich ihre Schandtaten mit Millionen versüßen

In London sind Obdachlose nicht erwünscht. In den vergangenen drei Jahren sei allein die Zahl der Menschen, die in London auf der Straße schlafen, um 75 Prozent gestiegen, zitierte der „Guardian“ eine Hilfsorganisation. Demnach lebten 2013 mehr als 6400 Leute in der britischen Hauptstadt auf der Straße. Damit sich Obdachlose nicht in windgeschützte Hauseingänge niederlassen können, werden Metallspieße angebracht, die aus dem Boden ragen.

In Frankreich sind sogar Zehntausende trotz Jobs obdachlos. Eine vom französischen Statistikamt Insee veröffentlichte Studie zur Beschäftigungslage französischsprachiger Obdachloser, kommt zu einem überraschenden Ergebnis: Jeder vierte Obdachlose in Frankreich hat eine Arbeit. Das Gehalt reicht nicht aus, um eine Wohnung zu halten. Die Hälfte der Obdachlosen Frauen sind als Haushaltshilfe, in der Kinderbetreuung oder als Krankenpflegerin tätig.

Rund 60.000 Frauen leben schätzungsweise in Deutschland auf der Straße. Sie neigen stärker dazu, ihre Not zu vertuschen, leben meist in verdeckter Wohnungslosigkeit. Besonders obdachlose Frauen, leiden unter dem Klischee der herumlungernden Obdachlosen und versuchen, nicht aufzufallen: Sie verstecken sich, werden unsichtbar und nicht selten Opfer sexueller Ausbeutung. In Köln wurde die Initiative  H.i.K. Heimatlos in Köln gegründet, ihr Ziel ist es, eine Begegnungsstätte zu schaffen, die speziell auf die Bedürfnisse von obdachlosen Frauen ausgerichtet ist und zum Abbau von Klischees und Vorurteilen gegenüber Obdachlosen beiträgt. [Mehr Informationen erhalten Sie hier: H.i.K. Heimatlos in Köln]

Auch Straßenkinder trifft man überall, auch hier in Deutschland, ob in Parks, auf Bahnhöfen, auf alten Fabrikhöfen – sie sind unter uns.

In den USA sind fast 2,5 Millionen Kinder obdachlos. Die Zahl der Minderjährigen ohne eigene Wohnung ist damit so hoch wie nie zuvor, wie aus einem Bericht des National Center on Family Homelessness hervorgeht. Auch hier die gleichen Gründe wie in Europa, hohe Armutsquote, zu wenig bezahlbarer Wohnraum und die Folgen der Weltwirtschaftskrise.

Hungrig – Essen aus dem Müll

Der Film „Hungrig“ sucht Antworten auf die Frage, warum in Deutschland immer mehr Menschen aus den Mülleimern der Städte ihr Essen holen – obwohl es Sozialstationen mit Essensausgaben gibt. Die Autorin Susanne Jäger blickt in der Kölner City genau dort hin, wo die meisten Passanten wegsehen. Sie beobachtet Menschen, die aus Armut schamvoll in die Mülleimer greifen und spricht mit denen, die sonst selten zu Wort kommen.

„Obdach“ bedeutet Unterkunft oder Wohnung. Obdachlosigkeit wird definiert als Zustand, in dem Menschen über keinen festen Wohnsitz verfügen und im öffentlichen Raum, im Freien oder in Notunterkünften übernachten.

In Wien steigt die Zahl der Obdachlosen seit Jahren stetig an. 2013 gab die „Gruft“ (Notschlafstelle der Caritas in Wien-Mariahilf) an, dass sie 97 000 warme Mahlzeiten an Menschen ausgegeben haben, denen das Geld oft für das Nötigste fehlt. So viele wie noch nie zuvor. Das Problem nicht leistbarer Mieten hat die Mittelschicht längst erreicht. Über Ziffern kann man nicht reden, sie bloß schätzen. Wenigstens einige hundert schlafen immer im Freien, ebenso viele nehmen Zuflucht in den vielen Notschlafstellen der Stadt.

Lt. Wiener Tafel weist Wien mit 17 % der Bevölkerung das größte Armutsrisiko auf. Längst schon geht Armut durch alle Bevölkerungsschichten. Neben den geschätzten 800 permanent Obdachlosen nehmen über 7.100 Menschen zeitweise Obdachloseneinrichtungen in Anspruch. In Wien stehen 4.500 Wohn- und Schlafplätze für Menschen ohne Wohnung zur Verfügung. Expertenschätzungen zufolge, sind in Österreich insgesamt rund 12.000 Menschen wohnungslos. Armut macht krank und einsam. Sie grenzt aus, entwürdigt den Menschen, schwächt ihn und die Gesellschaft.

Obdachlosigkeit trifft auch immer häufiger Menschen unter 30, heißt es von der Caritas. „Das Bild des klassischen Sandlers hat ausgedient. An seine Stelle treten vermehrt junge Menschen, Frauen und psychisch erkrankte Personen“, sagte Klaus Schwertner, der Generalsekretär der Caritas der Erzdiözese Wien. Viele von ihnen finden akut Hilfe bei der zentralen Anlaufstelle „P7“. [Mehr dazu in: Hilfe für Obdachlose: „P7“ ist zehn]

Auch immer mehr europäische Besucher in Österreich sind von Obdachlosigkeit betroffen und sie kommen aus vielen Ländern Europas, vornehmlich aber aus den früheren Ostblock-Staaten Bulgarien, Polen, Ungarn, der Slowakei und Tschechien. Sie kommen, um Arbeit zu finden. Doch wenn das nicht funktioniert, bleiben sie trotzdem. Sie denken wohl, „besser in Wien obdachlos, als in Budapest“. Die ungarische Regierung hat bekanntlich das Übernachten auf der Straße verboten, Obdachlosen drohen Geld- und Gefängnisstrafen.

Die ersten zwei Monate sind für die Obdachlosen in den Notschlafstätten kostenlos. Danach aber müssen sie einen Kostenbeitrag von 4 € pro Nacht bezahlen, wie die Wiener Stadträtin für Gesundheit und Soziales, Sonja Wehsely (SPÖ), per 1. September 2010 einführte. Sie begründete dies damals als Maßnahme „im Sinne der sozialpolitischen Steuerung“.

Mehr Zynismus geht nicht mehr.

Gleichzeitig hat die Stadt Wien noch dazu den Heizkostenzuschuß halbiert und im Winter 2012-2013 von Geldleistungen auf Sachleistungen umgestellt.

Durch Wien, diese Glitzer-Metropole, streunen nach einer Schätzung der Caritas-Einrichtung a_way mindestens 300 obdachlose Minderjährige. Seltsam frühreife Wesen mit übertriebener Selbstständigkeit, die ihre Tage mit der Beschaffung des nächsten Schlafplatzes, von Lebensmitteln und Drogen verbringen. Sie haben gelernt zu nehmen, was kommt, auch wenn nichts kommt. Seit der frühen Kindheit in desolaten Familien misshandelt, vernachlässigt, traumatisiert und schließlich verjagt.

Im Vorjahr wurden aufgrund von Anrainerbeschwerden, die Obdachlosen aus dem Stadtpark von der Polizei vertrieben. Im Anschluß daran herrschte große Aufregung bei allen NGOs, den Ämtern und der Bevölkerung. Der Vorschlag, eine Zeltstadt zur Verfügung zu stellen, wurde abgelehnt. Eine Expertenkommission sollte etabliert werden, dies fand jedoch keine Mehrheit. Ob sonst jemand über eine gute Lösung nachdachte, ist fraglich. Und der nächste Winter steht schon vor der Tür.

Netzfrauen Lisa Natterer und Doro Schreier

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