Armut in Griechenland hat ein weibliches Gesicht

ArmutDie Situation ist katastrophal. Immer mehr junge Frauen werden in die Sexarbeit getrieben. Finanziell und seelisch am Ende – Die neue Armut in Griechenland hat ein weibliches Gesicht. Die neuen Obdachlosen sind vor allem Frauen aus der ehemaligen Mittelschicht. Die Sparpolitik trifft sie besonders hart und die Prostitution stieg um 1500 Prozent.

Mittlerweile ist in Griechenland nur noch jeder Dritte der elf Millionen Einwohner erwerbstätig.

Die Wirtschaftskrise und die durch die Sparpolitik herbeigeführte humanitäre Krise betrifft ganz Griechenland. Eine Sozialhilfe gibt es nicht. Wer die Miete nicht mehr zahlen kann, zählt bald zu den „neuen Obdachlosen“, „neo Astegos“, die in Athen an vielen Plätzen zu sehen sind. Fünf Jahre sind eine lange Zeit, wenn man von einer Krise betroffen ist. Fünf Jahre freier Fall und kein Ende in Sicht.

Am härtesten trifft es diejenigen, die ohne Arbeit, alt oder krank sind: Rentner können sich nicht gegen die Kürzungen wehren, Jugendliche haben zur Zeit gar keine Zukunftschanchen, Kranke werden ohne Medikamente und ohne medizinische Versorgung gelassen.

Prostitution ist in Griechenland legal, die Armut zwingt  Frauen, Geld mit ihrem Körper zu verdienen. Griechinnen verdienen etwa 22 Prozent weniger als Griechen. Werden ihre Gehälter gekürzt, sind sie sehr viel schneller existenziell bedroht. Weil der Staat spart, gehen die Arbeitsplätze verloren, die üblicherweise stärker von Frauen besetzt sind: öffentliche Verwaltung, Pflege- und Sozialeinrichtungen.

Wie immer, wenn Frauen keine andere Möglichkeit mehr sehen, Geld zu verdienen, wird die Prostitution zu einer Option. Griechenland in der Krise heißt auch, dass arme Männer ihre letzten Euros zu noch ärmeren Frauen tragen und sich Sex kaufen. Die Athener Prostitution stieg laut Athens Bürgermeister um 1500 Prozent. Auch in der Armut bleiben Ausbeutungsstrukturen zwischen Männern und Frauen bestehen. Auch die Gewalt an Frauen hat zugenommen.

Aktuell lebt etwa ein Viertel der griechischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze, während weitere 37 % von Armut bedroht sind. 25 % der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sind arbeitslos, in der Altersgruppe bis 25 Jahre sind es sogar über 50 %. Viele Familien sind auf Grund der Arbeitslosigkeit auf die Rente der Großeltern angewiesen.

Wer in Griechenland nicht genug Geld mit der Prostitution verdient, geht in ein Nachbarland. Laut der italienischen Zeitung Il Messaggero wird in Italien das Eintreffen Prostituierter aus Griechenland beobachtet.

Prostituierte aus Griechenland begannen sich in Italien einzustellen – Noch ein Resultat der Wirtschaftskrise“, schreibt die italienische Zeitung Il Messaggero in einem Artikel. „Die Austerität, die Griechenland von Europa aufgezwungen wurde, beginnt einen Teil des Landes auf die Bürgersteige zu treiben, welche bisher die Banden monopolisierten, die rumänische, moldauische und ukrainische Bordsteinschwalben ausnutzen“, fügt die italienische Zeitung an.

Den Informationen der Zeitung zufolge handelt es sich um griechische Prostituierte aus Igoumenitsa und Patras, die sich in den Straßen des weiteren Gebietes von Bari in Süditalien einstellten. Laut polizeilichen Quellen, auf welche sich Il Messaggero beruft, „handelt es sich um Mädchen, die nicht leicht zu unterscheiden sind, da sie sich abseits von den anderen halten, als ob sie nicht in das Revier der übrigen prostituierten Frauen wollen, bis sie ihr eigenes finden“.

Die Armut hat unfassbare Folgen, und der Hunger vermag die Menschen sicherlich signifikant zu verändern“, kommentiert die Zeitung, merkt allerdings auch an, dass bisher die Anzahl der Frauen gering und nicht festgestellt worden sei, ob es hinter ihnen Menschen der organisierten Kriminalität gibt.

Bereits 2010 zeigte eine EZB-Studie, dass vor allem die Bankenrettung das Land in Not brachte, denn das Kreditrisiko stieg massiv, während das der Banken in gleichem Ausmaß sank. Paradoxerweise verlangten die Verursacher vom Land Risikoaufschläge. Nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Mitte September 2008 gaben die meisten Staaten – darunter Griechenland – umfangreiche Garantien für ihre Banken ab. Einige Argumente sprechen zudem dafür, dass vor allem die Regierungen der großen Länder an der Finanzkrise eine Mitschuld tragen. Sie glaubten den Ökonomen, die die Effizienz der Finanzmärkte gepredigt hatten, und sie ließen sich von der mächtigen und finanzkräftigen Bankenlobby einwickeln.

Eine Reihe von Studien legen nahe, dass die Regierungen und Notenbanken mitschuldig an dem Desaster waren, das die öffentlichen Haushalte der meisten Länder zerrüttete. Daraus ließe sich ableiten, dass große Volkswirtschaften wie Deutschland mit großen Banken und international führenden Zentralbanken, die die Deregulierung vorangetrieben haben, in einer besonderen Verantwortung gegenüber Ländern wie Griechenland stehen, die nun zu den Hauptleidtragenden zählen.

Mehr als jeder Zehnte im erwerbsfähigen Alter hat in den Euro-Staaten keinen Job. Schlusslicht ist das kriselnde Griechenland. Der immer noch reichste Kontinent dieser Welt lässt mehr als zehn Prozent seiner Bewohner ins soziale Abseits rutschen.

Humanitäre Krise in Griechenland

Die Finanzkrise hat Griechenland nachhaltig verändert. Die Industrie liegt brach, Millionen Menschen wurden in die Arbeitslosigkeit getrieben. Die Armut drängt die Menschen ins soziale Aus. Hoffnung auf bessere Zeiten haben nur Wenige. Betroffen sind nicht nur Arme, sondern längst auch Angehörige der Mittelschicht. Sie tragen nun den Familienschmuck zum Pfandleiher – auch wenn es schwerfällt.
„Neo Astegos“ nennt man in Griechenland die neuen Obdachlosen: Menschen, die vor wenigen Jahren in der sogenannten Mittelschicht lebten, durch die Krise zuerst ihre Arbeit und dann ihre Existenz verloren haben. Jüngeren Berechnungen zufolge werden in Griechenland pro Tag 1000 Erwerbstätige gekündigt. War im Jahr 2008 jede elfte Frau arbeitslos, ist es jetzt jede dritte. Schnell verlieren sie dann ihr Dach über dem Kopf, denn das Arbeitslosengeld wird in Griechenland unabhängig vom bisherigen Einkommen in einer Höhe von 360 Euro für maximal ein Jahr ausbezahlt. Dann ist Schluss. Der Staat zahlt keinen Notstand, keine Mindestsicherung, nichts.

Laut einem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vom März 2014 leben 30 Prozent der griechischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze und siebzehn Prozent der Menschen sind nicht in der Lage, ihren täglichen Bedarf an Nahrungsmitteln zu decken.

Rund 300 000 Haushalte haben kein Einkommen mehr und ebenso viele leben unterhalb der Armutsgrenze. Letztes Jahr wurde das Kindergeld für eine Ein-Kind-Familie von gerade mal 98,64 Euro pro Jahr für 300 000 Familien halbiert.

Achtzig Prozent der Griechen haben ihren Einkauf von Grundnahrungsmitteln eingeschränkt. Die Arbeitslosigkeit ist auf mehr als ein Viertel der Bevölkerung und unter Jugendlichen auf mehr als 50 Prozent gestiegen. Viele sind gezwungen, mit dem mageren, zeitlich begrenzten Arbeitslosengeld auszukommen, und warten oft Monate, bis sie eine Zahlung erhalten. Sobald die Arbeitslosenunterstützung ausgelaufen ist, stehen sie ohne Einkommen und ohne dеn automatischen Anspruch auf Krankenversicherung da. Was den Frauen, zum Teil auch Mütter, bleibt, ist der Verkauf ihrer Körper.

Die Zahl der Obdachlosen stieg in Griechenland seit Beginn der Krise um 30 Prozent, gab die Regierung bekannt. In Athen dürfte es sich um ein Vielfaches handeln. Gemäß der FEANTSA NGO sind bis zu 15 000 Menschen in Athen obdachlos. Neu daran sind der drastische Anstieg und der hohe Frauenanteil. 65 Prozent der jungen Griechinnen haben keine Arbeit. Viele Frauen sehen nur noch einen Ausweg – Prostitution, mit gravierenden Folgen. Die unkontrollierte Zunahme der Prostitution, die laut dem Bürgermeister von Athen 1500 % überstiegen hat, trug zu einem ungeheuren Anstieg der sexuell übertragenen Krankheiten bei. Seit den Kriegszeiten fast in Vergessenheit geratene Krankheiten wie Syphilis, Gonorrhoe („Tripper”) und Condylomata acuminata („Feigwarzen”) sind wieder aktuell geworden.

Rund 18 500 Frauen arbeiten in der Prostitution. Viele der Sexarbeiterinnen sind dermaßen verzweifelt, dass sie ihren Körper für den Preis eines Sandwichs verkaufen. Der Basispreis für 30 Minuten Sex fiel von 50 Euro auf 2 Euro. Prostitution ist in Griechenland legal, jedoch verfügen die wenigsten Bordelle über eine staatliche Lizenz.

Aus diesem Grund gehen viele Sexarbeiterinnen auf der Straße anschaffen. „Einige der Frauen machen es für ein Stück Käsepastete oder ein Sandwich, das sie brauchen, weil sie Hunger haben“, zitiert die „Times“ den griechischen Soziologieprofessor Gregory Laxos, der die Studie in den vergangenen drei Jahren geleitet hat. Wie der britische„Independent“ berichtet, wurde im vergangenen Monat ein trauriger Fall von Zuhälterei bekannt. Eine arbeitslose Mutter aus Griechenland hatte ihre zwölfjährige Tochter gegen Geld an einen Priester und einen Rentner vermietet. Die Frau wurde zu 33 Jahren Gefängnis und 100 000 Euro Strafe verurteilt.

Finanziell und seelisch am Ende – Die Armut in Griechenland hat ein weibliches Gesicht und Rettung ist nicht in Sicht.

Mehr Informationen auch unter:

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 © Netzfrau Doro Schreier

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