Liebes Christkind! Ich bin traurig. Ich bin verzweifelt. Ich weiß nicht, an wen ich mich wenden soll

Flüchtlinge 9999999Liebes Christkind!

Ich bin traurig. Ich bin verzweifelt. Ich weiß nicht, an wen ich mich wenden soll. Mein Land macht es mir nicht leicht. Wer ist zuständig? Da fängt mein Problem an.

Seit Juni bin ich ehrenamtliche Helferin bei „Klosterneuburg hilft“. Ich konnte das Nichtstun nicht mehr aushalten. Ich habe mich bemüht und Deutsch in der Magdeburgkaserne unterrichtet. Und ich bin keine Deutschlehrerin. Ich bin Ärztin. Ich bin Mutter. Ich bin berufstätig.

Dann war ich ein paar Mal in Traiskirchen und mit den Nerven am Ende. Weißt du, ich bin nicht gerade zart besaitet, ich habe schon viel als Intensivmedizinerin in den Notaufnahmen in allen Teilen der Welt gesehen. Aber Traiskirchen hat mich erschüttert. So erschüttert, dass ich noch eifriger wurde. Ich lernte die Menschen kennen, die vor Krieg und Terror flohen. Ich sprach mit ihnen, ich kochte mit ihnen, stell Dir vor, ich hatte Spaß mit ihnen. Die Menschen, die hier herkamen, die Menschen, die ihnen halfen, das gab mir wieder Hoffnung. Dann kam der 12. November. Nein, es war nicht die Nacht der Nächte, in der ich mit anderen Helfern eingeladen von Christian Konrad feierte. Es war eine unruhige, nervenaufreibende Nacht. Spät abends erhielt ich die Nachricht, dass meine Freunde am nächsten Tag aus der Magdeburgkaserne gebracht werden und zwar um 7:00 morgens. 113 Menschen wurden weggebracht. Es gab keine Gelegenheit, den Transfer zu verhindern oder sich zu verabschieden.

Die Schulen wurden vorab nicht informiert. Die Kasernenleitung ebenfalls nicht. Ich war wütend. Meine Freunde wurden ins Burgenland gebracht. Das Quartier dort entspricht nicht der Würde eines Menschen. Nichtsdestotrotz dachte ich mir: nur nicht aufgeben.

„Ja nicht aufgeben. Haus suchen, hier in der Umgebung – jetzt.“ Damit der Schulbesuch fortgeführt werden kann, damit die Integrationsarbeit, die wir hier leisten, fortgesetzt werden kann, damit die Möglichkeit des Deutschlernens bestehen bleibt. Damit die Familie zusammenbleibt, ein Teil wohnt nämlich bereits hier. Ich bin im ständigen Kontakt mit ihnen. Gedacht. Nachgedacht. Handlungen gesetzt. Haus gefunden.

Alles in die Wege geleitet- für den LEGALEN Transfer vom Burgenland nach Niederösterreich. Der Verlegungsantrag wurde 2 Wochen später, am 26.11 eingereicht. Für eine Verlegung vom BURGENLAND nach NIEDERÖSTERREICH. Nicht von Syrien in die Türkei. Nicht von der Türkei nach Griechenland. Nicht von Griechenland hierher. Vom Burgenland nach Niederösterreich. Und es passierte: Nichts.

Währenddessen haben wir in den Medien von Wertekursen, islamischen Kindergärten, nach Geschlechtern getrennten AMS-Kursen und Wertebroschüren gehört. Von Zigtausenden Menschen in Notunterkünften. Und von einem Unterkunftsmangel. 15 000 Grundversorgungsquartiere fehlen laut der Presseaussendung der Hilfsorganisationen vom 15.12.. Gleichzeitig stehen Privatquartiere leer, weil? Ja, weil?

Die Verantwortlichen sagen immer nur, WAS ALLES NICHT GEHT. Und ich will beweisen, dass es geht. Es geht, mit Zuhören. Es geht, mit Zuspruch. Es geht, mit geballter Kraft. Mission: Würde zurückgeben. Mission, Perspektiven schaffen.

Ich bin Ärztin, ich bin Mutter, ich bin berufstätig. Es benötigt viel Zeit. Aber es muss gehen. Es muss doch gehen, dass man begonnene Integration nicht kaputtbürokratisiert. Es muss doch gehen, dass man hier weiterplanen kann. In meinem Kopf und nicht nur in meinem – da sind Ideen, Ende nie. Von der Gründungsidee mit der Näherin bis zum Inskribieren der Erwachsenen an der Uni – alles wäre möglich. Alles machbar. Doch bis heute, nach knappen 20 Telefonaten, unzähligen Emails, trotz Unterstützung des zuständigen Bürgermeisters und der Ortsvorsteherin ist die Familie, die zuvor 2,5 Monate hier in Klosterneuburg war, immer noch im Burgenland. Ohne Schule. Ohne Deutschkurse. Ohne ausreichende Anzahl von Betten, in einer menschenunwürdigen Unterkunft, die wir auch mit Fotos belegen können.

Der Eigentümer des ersten Hauses, welches wir gefunden haben, benötigt sein Haus jetzt selbst, nachdem es monatelang leer gestanden hat – und es in dieser Zeit den NGOs aufgrund Personalmangels nicht möglich gewesen ist, eine Flüchtlingsfamilie einzuquartieren. In Windeseile, d.h. genau einen Tag später, haben wir, eine Gruppe von berufstätigen Müttern – Ärztinnen, es geschafft, ein neues Zuhause aufzutreiben – dies ist den Behörden sofort gemeldet worden.

Wir haben es eingerichtet. Komplett mit gespendeten Möbeln. Eine alleinerziehende Mutter, die selbst sehr knapp bei Kasse ist, hat uns eine ADA-Bettcouch geschenkt. Wir haben einen Transporter organisiert, wir haben die Couch getragen, transportiert. Wir haben einen Tisch, Kleiderschränke, Eckbank, 6 Betten, Bettwäsche, Handtücher, Lampen, Geschirr, kurzum  ALLES organisiert. Die Menschen wollen helfen. Diese Dinge wurden gespendet. Also – es geht.

Alles ist da. Nur die Familie nicht.

Liebes Christkind,

Integration, ein Mitglied in der Gesellschaft zu werden, mit den Werten, die wir so hochhalten, kann nur stattfinden, wenn man sie nicht ständig torpediert.

Liebes Christkind, die Herbergssuche für diese Familie war erfolgreich. Doch eine Übersiedlung vom Burgenland nach Niederösterreich ist ein bürokratischer Kraftakt. Und ich spreche hier nicht von einem Einzelfall, liebes Christkind. Und das, obwohl es alle wissen, dass es gehen muss, liebes Christkind. Hör dir doch mal die Geschichte da im Radio an, heute auf Ö1, Herbergssuche.

Mein größter Wunsch ist, dass sich der Integrationsminister, die Innenministerin und die Landeshauptleute endlich zuständig fühlen und die Verantwortung nicht ständig herumschieben. Und gemeinsam handeln. Nicht immer mit dem Finger auf die EU zeigen und Solidarität schreien und es im eigenen Land nicht hinkriegen. Nicht immer mit dem Finger auf die Menschen, die Hilfe benötigen, zeigen und ihnen erklären, wie es nicht geht.

Zeigen, was alles geht. Liebes Christkind, go for it.

Dankeschön.

Deine Eva

Dieser Brief ging zusätzlich an:

Ergeht zusätzlich an…Sebastian Kurz – Johanna Mikl Leitner- Hans Niessl- Erwin Pröll- Christian Konrad

Wir Netzfrauen bedanken uns bei Frau Dr. Eva Potura

PS: Liebe Mitmenschen. Bitte teilen. Danke.

…und es begab sich zu der Zeit – da die Menschlichkeit verloren ging

Shame on the World…schon wieder kleine Kinder auf der Flucht ertrunken – Menschenunwürdig.

Refugees Welcome – Danke an alle helfenden Hände – It’s time to say ‚thank you‘

Erstes Undercover-Video und Augenzeugenberichte aus 
Erstaufnahme-Zentrum Traiskirchen

Europas eiserner Vorhang – rasiermesserscharfer Stacheldraht gefördert von der EU

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