Die Türkei schiebt offenbar systematisch Bürgerkriegsflüchtlinge zurück nach Syrien ab und verstößt damit gegen internationales Recht. Die Europäische Kommission schaut zu, sie schaut auch zu, wie die türkische Armee die Kurden bekämpft, obwohl diese es sind, die die Terrorgruppe IS erfolgreich bekämpft.
Viel zu schnell hat die Welt Kobane vergessen. Am 26. Januar 2015 meldeten die Frauen aus Kobane: «Ja, es ist wahr – Kobane ist frei».Der Namen der kleinen Grenzstadt war lange Zeit in den Schlagzeilen, weil sich hier die kurdischen Verteidiger zäh den Angreifern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) entgegenstellen. Und sie kämpfen weiter gegen die brutalen IS, doch sie haben einen weiteren Feind, Sultan Erdogan. Dieser spielt ein Doppelspiel, wobei, jetzt da die Türkei bereits nach wenigen Stunden mitteilen konnte, dass der Selbstmordattentäter ein Syrischer IS war, der das Massaker am 12.Januar in Istanbul verübte und zehn deutsche Touristen mit in den Tod riss, muss Erdogan doch froh sein, dass die Kurden die IS bekämpfen.
Erdogan muss die Grenze zu Syrien gegenüber dem IS dicht machen und jegliches Geschäft mit dem IS unterbinden.
Wir haben schon mehrfach zahlreiche Anschuldigungen gegen Erdogan und seine Familie in Anbetracht deren Beteiligung an diversen Verbrechen gehört. Dazu gehört auch die Unterstützung des Islamischen Staates, einer terroristischen Organisation, die einen unmittelbaren Affront gegen den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen darstellt.
Wie bereits in unserem Beitrag:Erdogan FAMILY will Onassis überholen – Treffen Sie den Mann, der ISIS finanziert: Bilal Erdogan, der Sohn des türkischen Präsidenten erwähnt, taucht immer wieder ein Name auf, der scheinbar Hauptagitator im Handel mit dem ISIS-Öl ist: der Name des Sohns des türkischen Präsidenten Reep Erdogan: Bilal Erdogan. In dem Beitrag hatten wir uns auch die Schiffsflotte der Söhne des Ministerpräsidenten angeschaut und festgestellt: Der Erdogan-Clan will Onassis überholen – Fracht: Öl.
ISIS-Kämpfer wurden von den USA, den Israelis und, wie jetzt herauskommt, in den letzten drei Jahren auch von türkischen Special Forces in geheimen Basen in der Konya Provinz nahe der syrischen Grenze ausgebildet. Aber Erdogans Verstrickung mit ISIS geht viel tiefer. Zu der Zeit, als Washington, Saudi-Arabien und sogar Katar ihre Unterstützung für ISIS scheinbar einstellten, blieb ISIS doch erstaunlich beständig.
Der Grund scheint der Grad an Unterstützung durch Erdogan und seinen neo-ottomanischen, sunnitischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu zu sein. Darüber berichteten wir in unserem Beitrag.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan versicherte in seiner Neujahrsansprache seine Entschlossenheit im Kampf gegen die PKK: “Im Jahr 2015 sind innerhalb und außerhalb des Landes bei Operationen von Sicherheitskräften 3100 Terroristen neutralisiert worden. Gleichzeitig betrauern wir den Märtyrertod von 200 Sicherheitskräften und den Tod von Zivilisten während der Operationen.” Die Anzahl getöteter Zivilisten nannte Erdogan nicht. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurden seit vergangenem Juli mehr als 100 Zivilisten getötet. Und auch 2016 geht das Töten weiter. Nicht die Terrorgruppe IS, sondern Kurden.
Obwohl nach Angaben der Türkei ein syrischer IS-Kämpfer für das Massaker in Istanbul verantwortlich sein soll, bleibt die türkische Grenze von Dschihad-kontrollierten Gebieten in Syrien offen. Waffen, Kämpfer und Nachschub können ungehindert durch Checkpoints in das von IS-Kämpfern besetzte Gebiet gelangen.
Wenn es sich bewahrheiten sollte, dass der IS tatsächlich hinter dem Anschlag in Istanbul steckt, dann muss auch Erdogan erkennen, dass es sich nicht lohnt, in der Kriegsregion ein Doppelspiel zu betreiben. Man kann nicht Geschäfte mit dem IS machen und gleichzeitig indirekt den Kampf gegen ihn unterstützen. Solange die EU und die Nato schweigen, wird Erdogan davon überzeugt sein, dass er der alleinige Herrscher über alles und jeden ist. Und genau dies ist das Gefährliche an der Situation.
Wie weit darf ein Mann gehen, den man einen „Verbündeten“ nennt und in dessen Land die Gewalt eskaliert – Gewalt, die auch auf unsere Straßen überspringen könnte? Ein Mann, der verspricht, seine Kampfjets gegen den IS-Terror starten zu lassen. dessen Bomben jedoch seit Wochen ganz andere treffen? Erdogans Krieg und Merkels Schweigen
Türkische Regierung schiebt syrische Flüchtlinge ins Kriegsgebiet ab – EU-Kommission will Hinweisen nachgehen
Bereits im Dezember berichteten wir, dass in der Türkei Flüchtlinge gefangen gehalten werden, und zwar in Einrichtungen, die mithilfe von EU-Geldern betrieben werden. Flüchtlinge zeigten Amnesty Hinweisschilder von Betten und Regalen aus einem Haftzentrum, in dem sie gefangen gehalten wurden. „Es ist schockierend, dass die Europäische Union Haftzentren für Flüchtlinge in der Türkei finanziert“, so Wiebke Judith. „EU-Vertreter in Ankara bestätigten Amnesty International außerdem, dass es sich bei sechs geplanten Aufnahmezentren für Flüchtlinge, die die Türkei im Rahmen des neuen Aktionsplanes mit EU-Mitteln einrichtet, in Wahrheit um Haftzentren handelt.“
Am 29. November beschlossen die EU-Regierungschefs einen „Aktionsplan“ mit der Türkei: Für drei Milliarden Euro hilft Ankara der EU bei der Abschottung ihrer Außengrenzen, dafür wurde baldige Visa-Freiheit in Aussicht gestellt und wurden die EU-Beitrittsverhandlungen wieder intensiviert. Das Verhalten der Türkei ist brutal. Flüchtlinge sind, um den Patrouillen der Küstenwache aus Türkei zu entgehen, gezwungen, eine längere Seeroute in Kauf zu nehmen, um zur Insel Lesbos zu gelangen. Das Meer wird zunehmen rauer und nicht nur die Preise der Schlepper steigen, auch das Risiko, mit dem Boot nicht heil ans andere Ufer zu gelangen.
„Die Türkei stellt die Menschen vor eine unmenschliche Wahl: Entweder sie bleiben auf unbestimmte Zeit in Haft oder sie kehren in ihre Heimatländer Syrien und Irak zurück, wo ihnen Verfolgung, Folter und Tod drohen. Damit verstößt die Türkei eindeutig gegen internationales Recht und handelt in starkem Kontrast zu ihrer bisherigen sehr humanitären Haltung“, sagt Wiebke Judith, Asyl-Expertin bei Amnesty International in Deutschland. „Flüchtlinge berichteten Amnesty International davon, dass ihnen in der Haft jeder Kontakt zur Außenwelt verboten wurde. Deswegen rechnen wir auch mit einer hohen Dunkelziffer an ähnlichen Fällen“, sagt Wiebke Judith. EU-Vertreter in Ankara bestätigten Amnesty International außerdem, dass es sich bei sechs geplanten Aufnahmezentren für Flüchtlinge, die die Türkei im Rahmen des neuen Aktionsplanes mit EU-Mitteln einrichtet, in Wahrheit um Haftzentren handelt.“
Die Türkei schiebt offenbar systematisch Bürgerkriegsflüchtlinge zurück nach Syrien ab und verstößt damit gegen internationales Recht. Dies belegen auch Recherchen des ARD-Magazins MONITOR (heute, 21:45 Uhr im Ersten). Mehrere syrische Flüchtlinge in der Türkei berichteten dem Magazin unabhängig voneinander, sie seien zunächst von türkischen Grenzbeamten zurück nach Syrien abgeschoben worden, bevor ihnen mithilfe von Schleppern die erneute Flucht gelungen sei.
Dem ARD-Magazin liegen auch Video-Aufnahmen vor, auf denen laut der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ Hunderte syrische Bürgerkriegsflüchtlinge zu sehen sind, wie sie von der Türkei nach Syrien abgeschoben werden.
Die Recherchen widersprechen der bisherigen Darstellung der Bundesregierung, die noch Ende Dezember davon ausging, „dass die türkische Regierung weiterhin zu ihrer Zusicherung steht, wonach keine syrischen Flüchtlinge nach Syrien abgeschoben werden“. Diese Haltung bestätigte das Auswärtige Amt gegenüber MONITOR erneut auf Anfrage.
Vor dem Hintergrund der MONITOR-Recherchen bezeichnete die EU-Direktorin von „Human Rights Watch“, Lotte Leicht, die Flüchtlingspolitik der EU als „zynisch“. „Es geht nur darum, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren.“ Die EU nehme das Vorgehen der Türkei billigend in Kauf und „bringt die Flüchtlinge so in noch gefährliche Situationen“, sagte Lotte Leicht gegenüber MONITOR.
Die EU-Kommission teilte MONITOR gegenüber mit, irreguläre Abschiebungen ohne individuelle Prüfung würden einen „Bruch internationalen Rechts“ bedeuten und die „Europäische Menschenrechtskonvention verletzen“. Man habe bisher aber noch keine Möglichkeiten gehabt, die Vorwürfe zu überprüfen. Die Türkei habe der EU gegenüber solche Abschiebungen bestritten. Den Hinweisen wolle man nun nachgehen.
Blutiger Terroranschlag in Provinz Diyarbakır
Es wäre ratsam gewesen, dass Erdogan einen Waffenstillstand anstrebt und das nicht nur im Fall der PKK, sondern auch der kurdischen Peschmerga, die an der Front zum Terrorstaat IS kämpfen. Doch seit heute wissen wir, es ist Krieg.
Bei einem schweren Bombenanschlag auf ein Hauptquartier der türkischen Polizei in der südöstlichen Provinz Diyarbakir starben heute mindestens fünf Menschen. Türkische Medienberichte und die Polizei machen inzwischen die PKK für den Anschlag verantwortlich.
Anschlag in #Cinar/#Diyarbakır, min. 5 Tote, 39 Verletzte pic.twitter.com/H7jSQ2t4Sr #TürkeiKrieg
— Ismail Küpeli (@ismail_kupeli) 14. Januar 2016
Kurden in #Diyarbakir :nach den Anschlägen der #PKK auf Zivilisten zünden Kurden Parteigebäude der DBP (pro PKK) an pic.twitter.com/p15SuaHAeI
— MEMO (@memorte2023) 14. Januar 2016
Es war im Oktober 2014: Journalisten, bekleidet mit einer sicheren Schussweste, richteten die Kamera auf die Stadt Kobane und schauten zu, wie dort ein Völkermord stattfand. Deutschland redete sich raus und Kanzlerin Merkel hatte keine Zeit, sie musste zu der Zeit ein Abkommen mit dem chinesischen Ministerpräsidenten zum Wohle des Wachstums treffen. Die Europäische Kommission kümmerte sich lieber um das Staubsaugergesetz.
Am 29. November 2015 beschloss die Europäische Union mit der Türkei einen Aktionsplan, welcher in erster Linie dazu führen soll, dass weniger Flüchtlinge in die Europäische Union kommen. Im Gegenzug soll die Türkei für Flüchtlingsprojekte Finanzhilfen in Höhe von bis zu 3 Mrd. Euro erhalten.
Etwa 2,2 Millionen Vertriebene leben auf türkischem Boden, aber nur 260 000 von ihnen in Camps. Die übrigen kennt niemand und keiner weiß, wo sie sich aufhalten. Es gibt keine kontrollierte Einwanderung in die Türkei, keine Registrierung, keine Daten. Mehr als 900 Kilometer ist die Grenze zwischen der Türkei und Syrien lang. 2011 und 2012 stellt die EU der Türkei 440 Millionen Euro für die Grenzsicherung zur Verfügung. Die Türkei sollte u. a. die illegale Einwanderung verhindern.
Die EU setzt bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise auf die Türkei, doch diese Hilfe gibt es nicht umsonst. Dass die Türkei zurzeit in einem Bürgerkrieg versinkt, das scheint die EU auch nicht zu interessieren. Bundesinnenminister Thomas de Maizière plädiert dafür, die Türkei als sicheres Herkunftsland einzustufen. Bei dem Doppel-Anschlag in Ankara starben 102 Menschen.
Die Türkei könne keine Einigung unter dem Motto ‚Gebt uns Geld und sie bleiben in der Türkei‘ akzeptieren, sagte Davutoglu im Oktober dem TV-Sender A Haber. „Die Türkei ist kein Konzentrationslager.“ Das habe er auch Merkel gesagt. „Niemand kann von der Türkei erwarten, dass sie sich in ein Konzentrationslager verwandelt, in dem alle Flüchtlinge bleiben“, sagte Davutoglu.
Erdogan treibt sein Doppelspiel weiter, nicht nur den Krieg gegen die Kurden, sondern schiebt syrische Flüchtlinge ins Kriegsgebiet ab. Nebenbei will die Familie Erdogan Onassis überholen. Erdogan sagt, er würde zurücktreten, wenn Beweise für die Ölkäufe von den IS vorliegen. Doch zu viele Länder sind bereits in dem Öl-Geschäft der IS verstrickt, sogar Länder in Europa.
Wir befinden uns mitten in einem Krieg, dies dürfte jedem nun klar sein und mittendrin ein unberechenbarer Sultan.
Netzfrau Doro Schreier
Der nächste Konflikt – Türkei schießt russischen Kampfjet ab – Nato beruft Sondertreffen ein
IS-FRAUEN UND SITTENWÄCHTERINNEN IN SYRIEN ERZÄHLEN VON KOLLABORATION, ANGST UND FLUCHT