:Die Klotüren sind abgeschlossen, weil die Spülung nicht funktioniert – wieder einmal. Das Dach ist undicht. Im Flur steht deshalb ein Eimer, der die Tropfen auffängt. Die Fenster sind zugeschraubt, denn die Gefahr, dass sie herausfallen, ist zu groß. Drei Sanierungsfälle, die den Alltag in Deutschlands Schulen abbilden. Überall Bruch und Trümmer.
Im April 2013 sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), dieses absurde Betreuungsgeld müsse unbedingt abgeschafft werden und die dann frei werdenden bis zu zwei Milliarden Euro sollten lieber in den Schulausbau und in die Reparatur gesteckt werden. Schließlich ginge es um die Zukunft unserer Kinder und damit auch unserer Gesellschaft. Das Bundesverfassungsgericht stoppte das Betreuungsgeld im August 2015. Hannovers Schulen gammeln weiter vor sich hin! Der Sanierungsstau ist gewaltig. Modernisierungsbedarf in den nächsten zehn Jahren: 740 Mio. Euro!
Deutschland glänzt mit der „schwarzen Null” – auf Kosten zusätzlicher Investitionen in Bildung. Finanzminister Schäuble erwirtschaftete im vergangen Jahr einen hohen Milliarden-Überschuss, 12 Milliarden Euro – und dann kein Geld für Deutschlands Zukunft?
In Österreich wurde das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und universitären Betrieb einfach abgeschafft und dem Wirtschaftsministerium zugewiesen. Praktisch, so haben die Konzerne leichtes Spiel, gerade in Bezug auf Bildung, ihren Einfluss zu nehmen. Wissenschaft nun komplett in den Rachen der Wirtschaft?
Für viele Kinder und Jugendliche in Deutschland ist der Schulbesuch nicht mehr ganz sicher und auch manchmal sogar gesundheitsgefährdend. Immer mehr Schulen verfallen: Decken drohen einzustürzen, Sporthallen sind durch Schimmel unbenutzbar, Heizungen defekt oder Klassenräume so marode, dass beispielsweise Knöterich durch das Gemäuer wächst.
Eine aktuelle Untersuchung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) beziffert den Investitionsstau bei Schulen auf 32 Milliarden Euro !
Dort, wo die Grundlage für den Wohlstand von morgen gelegt wird, gleicht Deutschland einer Bildungsbaracke. Es herrscht ein Investitionsstau, der so groß ist wie beim Straßenbau. Aber Schlaglöcher bekommen eben mehr Aufmerksamkeit. Deshalb fragten ZEIT und ZEIT ONLINE ihre Leser: Wie sieht es in den Schulen Ihrer Kinder aus? Rund 3000 Eltern antworteten, und fast die Hälfte von ihnen gab an, die Ausstattung der Schule ihrer Kinder sei „eher schlecht“ oder wirklich „schlecht“. Fast 90 Prozent der Eltern gaben an, sie seien schon einmal aufgefordert worden zu streichen, zu renovieren oder mit Sachspenden auszuhelfen, weil die Schule allein die Instandhaltung der Gebäude nicht mehr bewältigt bekommt.
Genau das hatten wir Netzfrauen auch in unserem Beitrag Bildung – Die Zukunft der Massen! aus 2014 festgestellt.
Schule und Kinderarmut – was haben diese beiden doch so unterschiedlichen Dinge miteinander zu tun?
Im Jahr 2008 gab es von der Bundesregierung einen Bildungsbericht. In Deutschland mit dem Ergebnis, dass wie in keinem anderen EU-Land die Bildung weitgehend vom sozialen Status der Eltern abhängt. Arche-Sprecher Wolfgang Büscher sagte in einem Interview: „Es macht eben einen Unterschied, ob einem Kind bis zur Einschulung 3000 Stunden vorgelesen wurde oder ob es 3000 Stunden RTL gesehen hat.“
Eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung kommt zu dem Schluss, dass 20% der Kinder und Eltern durch die bildungspolitische Diskussion um die bestmögliche Förderung kaum oder gar nicht erreicht werden – ein wahrhaft alarmierendes Signal!
Seit Ende der 1950er Jahre gibt es immer wieder Studien darüber, wie ungleich die Chancen bei der Bildung zwischen Arm und Reich seien. „50er“ Jahre: „Das Kind eines Professors oder Hochschullehrers hat siebenmal größere Chancen, ein Abitur zu machen, als ein Arbeiterkind. Ein Kind aus der Mittelschicht hat immer noch etwa viermal größere Chancen als ein Arbeiterkind.“
Eine Studie aus den „80er“ Jahren kommt zu einem identischen Ergebnis. Dann gab es Ende der „90er“ Jahre eine ähnliche Studie. Hier allerdings fing man bereits an, die Schuld nicht beim System zu suchen, sondern schob es auf den hohen Migrantenanteil. Zwischenzeitlich gab es eine neue Studie, die ebenfalls die Schuld am schlechten Abschneiden der Schüler den Migranten in die Schuhe schiebt. Fassen wir zusammen:
Seit etwa 60 Jahren gibt es fortlaufend Studien, die eindeutig belegen, dass Kinder aus besseren Verhältnissen eindeutig im Vorteil sind. Damals gab es das Thema Migranten aber noch nicht! Nun plötzlich braucht man einen Aufhänger, um zu rechtfertigen, warum es an deutschen Schulen so schief läuft. Da kommen unsere Migranten gerade recht. Wasser auf die Mühlen der Ewig-Gestrigen!
Viele Lokalpolitiker begründen diese schlechte Lage damit, nicht genügend Geld zur Verfügung zu haben. Vor einem Jahr protestierten Tausende niedersächsische Schüler in Hannover.
Mit diesem Protest sollte eine Rückgängigmachung der Klassenfahrtenstreichung, welche ab 2014 an vielen Gymnasien beschlossen wurde, erreicht werden. Diese schließt Kennenlernfahrten, Lehrfahrten, reguläre Klassenfahrten und Abschlussfahrten ein. Nur Austauschfahrten bilden die Ausnahme. Zudem sollen die Arbeitsverhältnisse der Lehrkräfte verbessert werden und auf Missstände in Bezahlung und Ansprüchen hingewiesen werden.Siehe Protest: Tausende Schüler aus ganz Niedersachsen marschieren durch Hannover
Im Dezember 2014 hatten in Schleswig-Holstein und Hamburg Tausende Studenten wegen den unzumutbaren Zuständen an den Universitäten demonstriert, dazu unser Beitrag: #UNIohneGeld – Überfüllte Vorlesungen, bröckelnde Fassaden – Studenten demonstrieren in Hamburg und Kiel – das Geld für eine Sanierung wurde zwar versprochen, aber noch nicht umgesetzt.
Die maroden Bauten der Bildungsrepublik
Verfall macht Schule – hieß ein Beitrag von Frontal21 vom 30.06.2015
Geld – welches wir für die Bildung brauchen, aber die uns Bürger entzogen werden – Steuerflucht der Konzerne
Gerade erst mit dem Geld der Steuerzahler gerettet, erarbeiten die Banken neue Strategien, um ihren reichen Kunden die Steuerhinterziehung zu ermöglichen. Die Entlarvung von Steuerflüchtlingen wie Amazon und Total macht begreiflich, wie die tiefen Löcher in Europas Staatskassen entstehen konnten.
20 bis 30 Billionen Dollar Finanzvermögen liegen weltweit in Steueroasen. Die fehlenden Steuereinnahmen daraus bringen mittlerweile ganze Staaten an den Rand des Ruins. Auch in Deutschland werden Milliarden erwirtschaftet, ohne dass darauf Steuern gezahlt werden. Diese fehlen eindeutig auch in der Sanierung der Schulen, inklusive Schulbedarf.
Nach Jahrzehnten des Wegschauens beginnen die Staaten endlich damit, langsam hinzuschauen und zu reagieren. Die Steuerflüchtlinge profitieren von unseren Steuergeldern, von unserer durch diese Gelder aufgebaute Infrastruktur.
Doch auch wenn die Staaten jetzt reagieren, die Steuern, die hätten gezahlt werden müssen, sind weg. Ein Beispiel wäre AMAZON. Deutschland ist der wichtigste Auslandsmarkt für Amazon: Der Erlös des Deutschland-Geschäfts von Amazon (amazon.de) belief sich dem Bericht des Konzerns zufolge im Jahr 2014 auf fast zwölf Milliarden Dollar (etwa 10,8 Milliarden Euro). Der Internetkonzern Amazon änderte zwar seine Steuerstrategie: Er verbucht deutsche Verkäufe seit Mai in Deutschland. Hohe Steuereinnahmen wird das trotzdem nicht bringen, denn Amazon macht kaum Gewinn. Konzernchef Jeff Bezos will expandieren und investiert den Großteil seines Profits direkt wieder. Mehr Informationen in unserem Beitrag: Steuerflucht – Wie Konzerne Europas Kassen plündern!
Wie bereits oben erwähnt, im April 2013 sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), dieses absurde Betreuungsgeld müsse unbedingt abgeschafft werden und die dann frei werdenden bis zu zwei Milliarden Euro sollten lieber in den Schulausbau und in die Reparatur gesteckt werden.
Aber noch immer müssen sich viele Schulleiter in Hannover und Umgebung über den Sanierungsstau ärgern: „Von behindertengerecht kann bei uns keine Rede sein“, sagt Renate Lippel, Rektorin der Anna-Siemsen-Schule in der HAZ . Dabei soll ab 2017 die Inklusion, also der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung, die Regel werden. Das könnte an den baulichen Vorgaben scheitern. Außerdem wartet man in der Schule auch vergeblich auf eine neue Schulküche.
Die Alice-Salomon-Schule mahnt seit Jahren die Sanierung der maroden Toiletten in ihrer Außenstelle in Herrenhausen an. „Bei Schülerumfragen ist das immer der Knackpunkt“, sagt Schulleiterin Sabine Sahling. Das Geld sei zwar bereitgestellt worden, aber passiert sei trotzdem nichts. Dabei nutzen rund 1800 Berufsschüler aus dem medizinischen Bereich die Sanitäranlagen in dem Gebäude. Auch eine neue Sporthalle in Kleefeld bleibt für die Berufsbildende Schule vorerst ein frommer Wunsch.
Wenn die Kommunen oder Bundesländer kein Geld für die Schulen haben, helfen sicher die Konzerne gerne aus.
Stellen Sie sich vor: Ihr Kind ruft aus der Schule von dem neuen Handy, natürlich von Apple, an und teilt Ihnen mit, dass Sie nicht kochen brauchen. Es gab eine neue Kreation von McDonald’s, dazu eine neue Kreation von einem Softdrink aus dem Hause Coca-Cola. Natürlich darf die Nachspeise nicht fehlen, denn auch Nestlé hat eine neue Schokolade auf dem Markt gebracht. Zwischendurch durfte das Kind an einem neuen Müsliriegel knabbern, aus dem Hause Monsanto mit gentechnisch verändertem Getreide. Damit der Unterricht nicht leidet, wurde noch ein neues Schulprogramm vorgestellt aus dem Hause Microsoft. Und da ja eh die Schuluniform seit langem im Gespräch ist, gibt es die mit einem Werbelogo aus dem Hause Nike, denn sportlich zu sein ist ja auch erwünscht und wenn es nur die Kleidung betrifft. Siehe auch TTIP – Der Ausverkauf der Bildung
Wie ist das möglich, werden Sie sich fragen, dazu ein Beitrag aus 2006:
Neun Schulen und vier Kitas sollen in Halle von privaten Unternehmen und Banken saniert werden. Die Privaten betreiben anschließend auch die Einrichtung. Die Stadt, die für die Bildung zuständig bleibt, ist aber weiter Eigentümerin der Immobilie. Sie begleicht die Kosten mit Ratenzahlungen, die einen Zinssatz von 4,1 Prozent enthalten, über einen Zeitraum von 25 Jahren. Diesem so-genannten PPP-Modell (Puplic Private Partnership) hat der Stadtrat gestern (22. 11. 2006) grünes Licht gegeben. Halle ist mit diesem Modell Pilotprojekt in Deutschland. Quelle
Beispiel Luzern/Schweiz und Nestlé
Seit 2006 wird dem Lebensmittelriesen Nestlé im Bereich der Hirnforschung an der bundeseigenen Technischen Hochschule ETH Lausanne (Eidgenössische Technische Hochschule) ein vertraglich zugesichertes Vetorecht auf Forschungsinhalte und die Besetzung von Lehrstühlen eingeräumt. Im Gegenzug dazu finanziert Nestlé der ETH Lausanne mit jährlich zehn Millionen zwei Lehrstühle und mit weiteren zwei bis vier Millionen Schweizer Franken Forschungsprojekte. Da gewisse Nahrungsmittel die Hirnleistung möglicherweise beeinflussen können und dies ein großer Markt für Nestlé wäre, wird deutlich, aus welchem Grund sich der Lebensmittelkonzern in diesen Forschungsbereichen finanziell „engagiert“.
Luzern plant trotz leerer Kassen eine neue Fakultät, die von Banken, Versicherungen und weiteren Großsponsoren mit notwendigen vier bis fünf Millionen Schweizer Franken finanziert werden soll. Eine großzügige Geste der Geldgeber oder eine Investition mit aussichtsreichen Gewinnchancen?
Die Universität Zürich erhält bis mindestens 2022 von der UBS eine Finanzhilfe, um den Aufbau eines Forschungszentrums zu finanzieren. Der Vertrag sollte geheim gehalten werden, bis zwei Journalisten der Geheimniskrämerei ein Ende bereiteten.
Die Glaubwürdigkeit der Universität sowie die Unabhängigkeit von Lehre und Forschung sind stark gefährdet. Großkonzerne können auf Personalvorschläge Einfluss nehmen oder sie sogar verhindern, diese Konzerne bestimmen über das, was die Schüler oder Studenten lernen sollen.
Zu wenig Geld fließt in Reparaturarbeiten
Es handelt sich um ein deutschlandweites Problem. Die Hochschulgebäude sind größtenteils eine Zumutung, für Studenten und Professoren – Geld für Reparaturarbeiten fließt aber viel zu wenig. Mittlerweile ist ein Sanierungsstau in Höhe von Milliarden Euros aufgelaufen. In einigen Uni-Städten müssen Hochschüler und Personal manchmal Schirme aufspannen, um im Seminarraum oder Büro nicht nass zu werden.
Deutschland glänzt mit der „schwarzen Null“ – auf Kosten zusätzlicher Investitionen in Bildung.
Netzfrau Doro Schreier
Bildung – Die Zukunft der Massen!
TTIP – Der Ausverkauf der Bildung
Jordaniens Königin Rania redet Tacheles und fordert mehr Bildung als Waffe gegen ISIS
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