Kinder auf der Flucht – vermisst,verschleppt, ausgebeutet und missbraucht

Flüchtlinge8Die europäische Polizeibehörde geht davon aus, dass Schmuggler mit Menschenhändlern, die Flüchtlinge in die Zwangsprostitution und Sklaverei verkaufen, zusammenarbeiten. In den vergangenen 18 Monaten sei eine ganze kriminelle Infrastruktur entstanden, die Flüchtlinge ausbeuten.  270 000 Kinder sind seit dem vergangenen Sommer mit dem großen Migrationsstrom in die EU gekommen, sagt Europol-Stabschef Brian Donald gegenüber dem britischen „Observer“ – ein großer Teil von ihnen ohne Begleitung.

Europol nimmt an, dass von der Million Flüchtlinge, die 2015 nach Europa kamen, 27% Minderjährige waren. Die Zahl 10 000 vermisste Minderjährige ist eine reine Schätzung!

Wir Netzfrauen hatten bereits im November 2014 in unserem Beitrag Verlorene ‪Kindheit – Kinderflüchtlinge allein auf der ‪Flucht darüber berichtet, dass diese Kinder, um die Reise bezahlen zu können, oft ihre Körper im Rotlichtmilieu verkaufen oder auf einer Gemüseplantage in Südeuropa arbeiten. Erschreckend, dass diese Kinder auch als Prostituierte arbeiten, hierbei spielt es dann keine Rolle, ob diese Kinder Jungen oder Mädchen sind. Die Kinder sind oft mehrere Jahre auf der Flucht und den Schleppern schutzlos ausgeliefert. Die Zahlen der Kinderflüchtlinge, die nach Europa kommen, sind in den letzten Jahren rapide angestiegen. Hauptursache hierfür sei die Situation in Syrien, aber auch die Situation in Nordafrika.[Nordafrika versinkt im Krieg – Leichen säumen Libyens Küste]

Neu ist dieses Problem nicht, wir haben noch einmal im Juli 2015 auf dieses Thema hingewiesen. 

Organhandel – Flüchtlinge als billige Ersatzteillager

Ist Ihnen der illegale Organhandel bekannt? Zurzeit findet sogar ein regelrechter Boom statt. Millionen Menschen sind Opfer und die ärmsten der Armen trifft es besonders schlimm. Beliebte Opfer sind beispielsweise schutzlose Flüchtlinge. Sie haben meistens kaum Geld zum Überleben und sind so eine leichte Beute für die Organhändler. Viele Flüchtlinge werden auf dem Weg in ein neues Leben Opfer von Menschenhandel. Einer der Gründe für den grausamen Menschenhandel ist die Organentnahme.

Jedes Jahr flüchten Tausende Menschen in der Hoffnung auf eine bessere Lebensqualität von Eritrea, Äthiopien oder dem Sudan nach Israel. Auf ihrem Weg werden viele Flüchtlinge jedoch auf dem Sinai von Angehörigen des sogenannten Sawarka-Stammes gefangen genommen. Der Stamm fordert von ihnen einen Wegzoll von etwa 2000 Dollar, um den Berg überqueren zu dürfen. Da die Flüchtlinge meistens kein Geld mehr haben, müssen sie alternativ mit ihren Nieren und Lebern bezahlen. Mittlerweile ist der Wegezoll auf zehntausend gestiegen, da die Flüchtlinge meist diese Summe nicht bei sich haben, werden Verwandte, denen die Flucht geglückt ist, angerufen und diese sollen dann die Summen aufbringen. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass sich zwischen 500 und 1000 Flüchtlinge auf dem Sinai in der Gewalt von Schleppern befinden. 800 weitere, so wird vermutet, sitzen in Gefängnissen auf der Halbinsel. Genau weiß es niemand, denn die UNHCR hat keinen Zugang.

Libanons Schwarzmarkt boomt mit Organen von Flüchtlingen

Der Verkauf von Nieren in Beirut für 1 Million Libanesisches Pfund, das sind rund $ 670, ist eine sehr verlockende Summe für verzweifelte syrische Flüchtlinge. Vier Jahre Bürgerkrieg im eigenen Land treibt viele Syrer in den benachbarten Libanon. Dort wird ihre Verzweiflung auf vielfältige Weise ausgenutzt. Besonders der illegale Handel mit menschlichen Organen erlebt im Libanon einen Boom. Auch vielen Kinderflüchtlingen werden Organe entnommen, eine ganze Industrie hat sich rund um den Verkauf von Organen aufgebaut. Siehe: Organhandel – Flüchtlinge als billige Ersatzteillager

Was Sie in den Medien zu sehen bekommen, sind die Flüchtlinge, die bereits einen langen Weg hinter sich haben, doch was die Menschen auf diesen Weg erlebt haben, sieht keiner. Es fragte auch keiner,wie viele es wirklich bis nach Europa schaffen und wie viele spurlos verschwinden.

Europol meldet 10 000 Flüchtlingskinder als vermisst

Der Sprecher sagte, es handele sich bei der Zahl von 10 000 Kindern um eine zurückhaltende Schätzung, die sich auf den Zeitraum der vergangenen 18 bis 24 Monate beziehe. Allein in Italien seien rund 5000 Flüchtlinge unter 18 Jahren zwar registriert, aber seitdem unauffindbar. In Schweden liege die Zahl bei etwa tausend Personen. Für Österreich und Deutschland nannte Donald keine Zahlen.

Diese Zahlen nannte Brian Donald, der Vertreter der europäischen Polizeibehörde Europol, dem britischen„Observer“. „Dies bedeutet nicht, dass allen etwas passiert ist. Ein Teil der Kinder könnte sich bei Verwandten aufhalten. Aber es bedeutet, dass diese Kinder zumindest potenziell gefährdet sind.“ Es gebe kriminelle Organisationen, die mit Menschenhandel und der Ausbeutung der Kinder und Jugendlichen Geld verdienen wollten.

In Griechenland unterbrachen Fußballspieler ihr Spiel, um auf die Flüchtlingskinder aufmerksam zu machen.

Aus Protest gegen die Behandlung von Flüchtlingskindern unterbrachen die griechischen Mannschaften AEL Larissa und Acharnaikos unmittelbar nach dem Anpfiff das Spiel für 2 Minuten, um still zu protestieren. Sie wollten auf das Leid der täglich ertrinkenden Flüchtlinge in der Ägäis aufmerksam zu machen. Am Samstag starben 37 Menschen beim Versuch, von der Türkei nach Griechenland überzusetzen, unter ihnen auch zehn Kinder.

„Schottland wird auch weiterhin alle Flüchtlinge, die im Vereinigten Königreich ankommen, unterstützen und begrüßen darunter auch Kinder,“ schottische Regierung

Premierminister David Cameron gab bekannt, dass man bis zu 3000 Kinder aus dem Flüchtlingslager Calais  in Nordfrankreich aufnehmen wird. Damit wird der Appell von der Organisation Save the Children unterstützt.

Die EU verliert Flüchtlingskinder an den Menschenhandel

Die europäische Polizeibehörde geht davon aus, dass Schmuggler mit Menschenhändlern, die Flüchtlinge in die Zwangsprostitution und Sklaverei verkaufen, zusammenarbeiten. In den vergangenen 18 Monaten sei eine ganze kriminelle Infrastruktur entstanden, die Flüchtlinge ausbeuten, so der Sprecher von Europol.

Italien

Vom Sommer 2014 bis zum Sommer 2015 wurden fast 5000 unbegleitete Minderjährige, die an der italienischen Küste angekommen waren, vermisst, und doch sucht keiner nach ihnen. Die Kinder, die die italienischen Küsten erreichen, kommen meistens allein, sie stammen aus Nordafrika, fast 25 Prozent flüchteten aus Ägypten. Die Flüchtlingskinder kommen nach Europa, um zu überleben.

Ihre Realität

Doch das italienische Asylsystem ist überlastet und der bürokratische Aufwand enorm. So entstehen Wartezeiten von Monaten bis zu Jahren, um auf legalem Wege ein Leben in Europa zu beginnen. Was den Kindern zumeist bevorsteht, ist grausam. Sie enden im Sexhandel oder als fast unbezahlte Arbeitskräfte in der Landwirtschaft. Einige Kinder sind auf dem Frucht- und Gemüsemarkt (Centro Agrolimentare Roma) in der Hauptstadt Italiens, Rom anzutreffen, wo 12-Jährige Kisten schleppen und Lastwagen verladen. Sie werden von Menschhändlern vor den Auffanglagern abgefangen und ihre Hilflosigkeit wird schamlos ausgenutzt. Die Unterkünfte für unbegleitete Minderjährige sind überfüllt und so landen viele von ihnen in Auffanglagern für Erwachsene.

Dort werden sie nicht ausreichend betreut und sind eine leichte Beute für Menschenhändler. Sexuelle Ausbeutung ist die Realität zahlreicher minderjähriger Flüchtlinge. Die Kinder werden immer tiefer in das verstrickte System der organisierten Menschenhändler hineingezogen. Ihnen wird eingeredet, dass sie Schulden für etwaige Unterkünfte und Transport zu begleichen haben, und sie werden gezwungen, diese abzuarbeiten. Manchen Kindern wurde sogar zu Hause aufgetragen, Kontakt zu Menschenschmugglern aufzunehmen, um zu ihren Familienmitgliedern in Europa zu gelangen. Dass diese Kinder meist nicht an ihrem gewünschten Ort ankommen, ist in ihren Heimatländern nicht bekannt oder ein Risiko, welches in der Not in Kauf genommen wird. Wenn ein unbegleitetes Flüchtlingskind in Europa vermisst wird, gibt es keine großen Suchaktionen oder Anstrengungen der Polizei. Falls das Kind in den nächsten Tagen nicht zurück in das Auffanglager kommt, so wird das Bett anderweitig vergeben. Dies veröffentlichte Aktiv gegen Kinderarbeit Eine Kampagne von earthlink e.V. im Juli 2015 

Als wir Netzfrauen im September in Italien waren, erfuhren wir, dass ein Zentrum für Minderjährige Flüchtlinge nach einem Bericht der BBC geschlossen werden musste. Dort herrschten unmenschliche Zustände. Die Kinder waren total verwahrlost. Immer weitere private Einrichtungen werden auf Grund des Ansturms an Flüchtlingen errichtet. In Italien profitiert sogar die Mafia von den Flüchtlingen, die „soziale“ Einrichtungen eröffnet hat.

Türkei

Wir übersetzten im Oktober 2015 einen Beitrag für Sie, der die Situation der Kinderflüchtlinge in der Türkei schildert. Die Türkei, in der viele Kinder für lokale Kleidungs-, Schuh- und Kosmetik-Betriebe als billige Arbeitskräfte eingesetzt werden. So auch bei der Ernte von Haselnüssen: Drei Viertel der weltweiten Haselnüsse kommen aus der Türkei und werden von Kindern geerntet.

Wie viele der Kinder seines Alters in Esenyurt, wo lokale Kleidungs-, Schuh- und Kosmetik-Betriebe billige Arbeitskräfte rekrutieren, ging auch Halil (15) arbeiten, um seine Familie zu unterstützen.

Nachdem er zwei Monate lang Schuhe genäht hatte, kündigte er, weil sich sein Chef weigerte, ihm seinen Verdienst von 1250 Türkischen Lire (364 Euro bzw. $ 410) auszuzahlen.

„Ich konnte ihn nicht anzeigen, weil ich keine Aufenthalts-/Arbeitserlaubnis habe“, erklärt uns Halil an der Kasse des Cafés, wo er auf Suppe und Fladenbrot wartet. Dazu unser Beitrag: Wahl zwischen Pest und Cholera: Syrische Kinder in der Türkei – Between Devil and Deep Blue Sea: Syrian Children in Turkey

Fast 300 Flüchtlingskinder sind in Deutschland als vermisst gemeldet.

Diese Zahl wurde bekannt, nach dem ein 32-jähriger Mann Ende Oktober 2015 gestanden hatte, außer dem Flüchtlingskind Mohamed aus Berlin auch den seit Juli verschwundenen Potsdamer Jungen Elias umgebracht zu haben. Siehe R.I.P. Mohamed und Elias

Menschenhandel: In Europa verschwinden jährlich Hunderte Kinder (aus 2009)

Die Europäische Grundrechte-Agentur schlug  2009 Alarm: In Europa nimmt der Kinderhandel zu. Hunderte Minderjährige verschwinden spurlos.  Allein im Jahr 2008 wurden etwa 400 der 1320 Minderjährigen, die im Einwanderungszentrum der italienischen Insel Lampedusa überwiegend aus Afrika ankamen, als vermisst gemeldet, wie aus einem Bericht hervorgeht, den die Europäische Grundrechte-Agentur FRA im Juli 2009 vorlegte.

Die Agentur ging davon aus, dass die Kinder in die Hände von kriminellen Organisationen geraten sind. Für Befürchtungen von Hilfsorganisationen, dass sie Opfer von skrupellosen Organbeschaffern wurden, gebe es aber bisher keine Beweise.  Dazu auch unser Beitrag: Organhandel – Flüchtlinge als billige Ersatzteillager

6584 unbegleitete minderjährige Kinderflüchtlinge registrierte eine Erhebung des statistischen Bundesamtes 2013, dies sind ca. 2000 mehr als noch ein Jahr zuvor.

42 100 minderjährige Flüchtlinge waren es insgesamt. 89% dieser unbegleiteten Kinderflüchtlinge sind Jungen.

Doch es sind nicht nur Jungen, die von ihren Familien aus Angst, sie könnten Kindersoldaten werden, losgeschickt werden, nein, auch Mädchen begeben sich auf die Flucht. Sie fliehen öfter vor innerfamiliärer Gewalt, wenn ihnen eine Zwangsheirat oder eine Beschneidung bevorsteht. Viele unbegleitete Kinderflüchtlinge kommen aus Afghanistan und Syrien, da sie auf der Flucht von ihren Familien getrennt oder die Eltern auf der Flucht getötet wurden.

Vier jugendliche Flüchtlinge erzählen ihre Geschichte

Reportage: Kinder allein auf der Flucht: Unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge in Deutschland

Südafrika: Kinderflüchtlinge aus Simbabwe

Appell zur Wachsamkeit: „Missbrauch passiert öffentlich“

Vor allem in Deutschland und Ungarn seien in den vergangenen Monaten zahlreiche Kriminelle ausgeforscht worden, die es auf junge Flüchtlinge abgesehen hätten. „In den vergangenen eineinhalb Jahren ist eine gesamte kriminelle Infrastruktur rund um den Flüchtlingsstrom entstanden. In Deutschland oder Ungarn gibt es Gefängnisse, in denen die Mehrzahl der Häftlinge wegen Straftaten einsitzt, die mit der Flüchtlingskrise in Zusammenhang stehen“, sagt Donald von der EU-Polizeibehörde Europol.

Besonders bedenklich: Die Schleppernetzwerke und jene organisierten Gangs, die die Flüchtlinge innerhalb der EU als Zwangsarbeiter oder Prostituierte versklaven, arbeiten immer stärker zusammen, sind teilweise bereits miteinander verschmolzen: „Jene, die wir zuvor als Menschenhändler registriert haben, agieren nun auch als Schlepper und umgekehrt,“ Donald

Um der Versklavung minderjähriger Flüchtlinge entgegenzuwirken, appelliert Donald auch an die Bevölkerung: Die meisten verschollenen Kinderflüchtlinge würden sich „in aller Öffentlichkeit verstecken“. Die Menschen sollten wachsam sein und verdächtige Vorgänge melden. „Diese Kinder halten sich mitten in der Gesellschaft auf. Wenn sie missbraucht werden, passiert das öffentlich. Sie werden nicht im Wald gefangen gehalten, sie sind sichtbar.“

Wir wünschen uns für diese Kinder seitens der Europäischen Union eine schnelle vernünftige Lösung. Sie bleiben Kinder, auch und gerade auf der Flucht, und haben als Kinder besondere Bedürfnisse.

Flüchtlinge – Koordinierungsschwäche als Dauerzustand

Netzfrau Doro Schreier

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