Pakistan liegt auf der Liste der für Frauen und Mädchen gefährlichsten Orte der Welt auf Platz 3 – direkt hinter Afghanistan und dem Kongo. Wir berichteten schon oft über den Genderzid, den Völkermord am weiblichen Geschlecht in Indien. Dabei gibt es Länder wie Pakistan, die ebenso gefährlich sind für Mädchen und Frauen. Länder, in denen sie ebenfalls auf Grund ihres Geschlechts unterdrückt, misshandelt, vergewaltigt und/oder getötet werden.
Im zarten Alter von elf Jahren wurde Malala eine internationale Verfechterin für Frauenbildung, indem sie einen Blog schrieb und Bildung für Mädchen im Swat Tal forderte. Am 9. Oktober 2012 musste sie einen schweren Preis für ihre Bemühungen mit einer Kugel in der Stirn bezahlen. Doch bedauerlicherweise für die Taliban überlebte Malala und schlug zurück, um Millionen von Frauen auf der ganzen Welt zu inspirieren. Außerdem wurde sie am 12. Dezember 2014 zur jüngsten Nobelpreis-Trägerin gekürt.
Die einundzwanzigjährige Afsheen Musarrat aus Multan wurde Opfer eines Ehrenmordes. Ihr Freund Hassan gefiel der Familie nicht, der Großvater wollte nicht, dass durch eine Heirat Ländereien an Hassans Clan fielen. Sie wurde mit einem Piloten verheiratet, die Ehe scheiterte, Afsheen wurde aufs Land verbannt. Sie floh mit Hassan, wurde gefunden, kehrte nach Hause zurück, weigerte sich, einen anderen zu heiraten. Der Großvater erklärte sie darauf zur „Kari“, zur „angeschwärzten Frau“, die nicht gehorcht, die Männer durch ihr Verhalten beleidigt. Das war das Todesurteil. Im Elternhaus wurde sie von Vater, Großvater und Onkeln ermordet.
“Tötet sie, tötet sie”, feuerten die Zuschauer damals das Gericht an. Sechs Jahre ist es her, seit die Christin Asia Bibi als erste Frau in Pakistan wegen Blasphemie zum Tode verurteilt wurde. Seitdem sitzt die fünffache Mutter in Einzelhaft, in einer fensterlosen, gerade 2,4 mal drei Meter großen Zelle, und wartet auf ihre Hinrichtung.
Die pakistanische Journalistin und Dokumentaristin Sharmeen Obaid-Chinoy erhielt 2012 einen Oscar in der Kategorie „Beste Dokumentation, Kurzfilm“.„Saving Face“, eine Dokumentation, die auf die Misere von mit Säuren attackierten Opfern aufmerksam macht, erhielt internationale Aufmerksamkeit, als dieser den begehrten Preis erhielt. Säure-Attacken auf Frauen sind in Südasien weit verbreitet. Sie werden fast nie bestraft. Allein in Pakistan werden jährlich rund 150 Vorfälle registriert.
Obaid setzt sich weiterhin für pakistanische Frauen ein, doch noch immer hat sich an der Situation für Frauen in Pakistan wenig geändert.
Mit ihrem Dokumentarfilm “A Girl in the River: The Price of Forgiveness” ist Sharmeen Obaid-Chinoy erneut für einen Oscar nominiert. Sie will auf das Problem der Ehrenmorde in ihrem Land aufmerksam machen. Der Film handelt von der 18-jährigen Saba, die einen Anschlag durch ihren Vater und ihren Onkel überlebt. Der Streifen ist in der Kategorie Bester Dokumentar-Kurzfilm nominiert. Nach Angaben der pakistanischen Menschenrechtskommission werden Ehrenmorde oft von Verwandten verübt. Viele werden nie angezeigt oder rechtlich verfolgt.
Ehrenmord: Saba Maqsood überlebte, nachdem ihr Vater ihr in den Kopf geschossen hatte
Ein Vater schoss seiner eigenen, damals noch 18-jährigen Tochter, Saba Maqsood, vor zwei Jahren in den Kopf, packte sie in einen Leinensack und warf sie nahe der Stadt Hafizabad in einen Kanal. Saba hatte ihren Nachbarn Muhammad Qaiser aus Liebe und gegen den Willen ihrer Familie geheiratet. Nachdem der Vater davon erfuhr, schoss er zweimal auf sie, ehe er sie in den Sack packte und wegwarf, in der Annahme, sie sei tot. Sie schaffte es mit Hilfe von zwei Passanten zur nächsten Tankstelle und alarmierte die Polizei und überlebte.
Pakistan verabschiedete zwar im Jahr 2004 ein Gesetz gegen diese Morde, doch 70 Prozent der Täter kommen davon, weil es ein „Vergebungs“-Schlupfloch im Gesetz gibt. Wenn eine Frau „Schande“ über ihre Familie bringt – weil sie die Zwangsehe verweigert, einen Mann zu lange anschaut oder sogar vergewaltigt wird – darf ein Mann sie umbringen, solange ein anderes Familienmitglied ihm vergibt! Wenn Kulturkreise ihre Ehre wertschätzen und schützen, kann das etwas Vornehmes sein. Doch diese Morde haben nichts mit Ehre zu tun, sondern damit, Frauen wie Besitztümer zu behandeln. Durch das Schlupfloch können Frauen und Mädchen nach wie vor als Besitz betrachtet und getötet werden.
“Wenn man kleine Städte oder Dörfer in Pakistan besucht, stellt man fest, dass die Leute denken, Ehrenmorde sind keine Verbrechen, weil niemand jemals dafür ins Gefängnis geht. Also wollte ich eine nationale Diskussion über Ehrenmorde anstoßen. Denn die Menschen müssen begreifen, dass das ein sehr schweres Verbrechen ist. Es ist nicht Teil unserer Religion oder unserer Kultur. Es sollte als vorsätzlicher Mord verfolgt werden und die Täter sollten ins Gefängnis dafür kommen”, so Sharmeen Obaid Chinoy in einem Interview in Euronews.
Sabas Vater und Onkel wurden festgenommen und kamen ins Gefängnis. Aber die junge Frau wurde unter Druck gesetzt, den Tätern zu verzeihen. Das ist eine Option im pakistanischen Gesetz. Eine geplante Gesetzesänderung dazu wurde bis heute nicht umgesetzt.
“Der größte Gewinn des ‘The Girl in the River’-Films für mich wäre, wenn der Premierminister die Führung übernähme und alle Akteure zusammenbrächte, um das Gesetz gegen Ehrenmorde von 2014 durchzusetzen. Sein Vermächtnis an die Frauen und seine Familie wäre, dass keine Frau in diesem Land im Namen der Ehre getötet werden könnte, und wenn, dann kämen die Täter ins Gefängnis dafür, um Nachahmer abzuschrecken”, so die Filmemacherin.
Nach der Oscarnominierung des Film gratulierte Premierminister Nawaz Sharif der Filmemacherin und versprach, sich für diese Angelegenheit einzusetzen. Außerdem lud er Sharmeen Obaid Chinoy ein, die Doku in seinem Haus führenden Persönlichkeiten des Landes vorzuführen.
Pakistan, ein gefährliches Pflaster für Frauen und Mädchen
Laut Amnesty International wurden in Pakistan Tausende von Fällen dokumentiert, bei denen Frauen und Mädchen Opfer von Gewalt wurden. Wie auch in Indien wird die Dunkelziffer auf Grund der traditionell untergeordneten Rolle der Frau und der Ächtung der Opfer durch die Gesellschaft deutlich höher liegen. Auch die gezielte Abtreibung weiblicher Föten, das Töten und Aussetzen vornehmlich weiblicher Kinder, Zwangsverheiratung, Kinderhochzeiten, Misshandlungen, Säureattacken, Ehrenmorde, Vergewaltigung erinnern an den Genderzid in Indien, von dem wir schon des Öfteren berichteten.
Auch in Pakistans Justiz – von der Polizei bis zu den Richtern – herrscht Korruption und „Recht“ wird eher nach Geldbeutel und Ansehen des Täters als nach Beweisen (sofern diese überhaupt gesichert werden) gesprochen. Auch hier gibt es Dorfgerichte, die zwar nicht erlaubt sind, aber dennoch Urteile fällen und deren Vollzug anordnen. Auch Vergewaltigung ist bei diesen Gerichten eine häufige Strafe.
Erschwerend kommt hinzu, dass in Pakistan das islamische Recht – die Sharia – gilt und Richter häufig eher nach religiösem als nach weltlichem Recht urteilen, wodurch sie zum Schutz von Frauenrechten erlassene Gesetzesänderungen quasi aushebeln und einen dahingehenden Fortschritt ausbremsen.
Die Opfer sind meist Frauen und Kinder, die Täter meist Männer: Mehr als hundert Menschen werden in Pakistan jährlich durch Säureangriffe verstümmelt. Sharmeen Obaid-Chinoy erhielt 2012 einen Oscar in der Kategorie „Beste Dokumentation, Kurzfilm“.„Saving Face“.
„Saving Face“ erzählt davon, wie ein Arzt ihnen hilft, trotz allem ihr Gesicht zu wahren.
Und es bewegt sich doch
Besonders tragisch ist es, dass in einigen Fällen ein Gerücht als Auslöser für einen Ehrenmord ausreicht. Die Unterstellung einer sexuellen Beziehung oder eines Flirts reicht in einer Gesellschaft, in der der Ehrenmord praktiziert wird, oft als eine provokative, nicht hinzunehmende Beleidigung der Familienehre aus. Blut muss fließen, um die Ehre wieder herzustellen. Hier haben Ehre und Wahrheit nichts mehr miteinander zu tun. Auch Zeichen und Hinweise oder Träume, die nicht mit diesem Thema in Zusammenhang stehen müssen, werden bisweilen als „Beweis“ der Untreue der Frau gedeutet.
Nach der Oscarnominierung des Film gratulierte Premierminister Nawaz Sharif der Filmemacherin und versprach, sich für diese Angelegenheit einzusetzen.
Ein Gesetzesentwurf zur Abschaffung dieser „Vergebungs“-Klausel wurde bereits vorgelegt. Doch er verlief im Sande, weil er in der Regierungspartei keinen einflussreichen Verfechter fand. Der Premierminister, der sich noch nie zuvor dafür eingesetzt hat, hat nun Gesetzesreformen versprochen, um diese Verbrechen zu stoppen. Und er hat seine Tochter einbezogen, die als politische Erbin der Partei ihres Vaters gilt. Doch es wird eine Gegenbewegung geben und Experten sagen, dass nur weltweite Aufmerksamkeit Saba, Maryam und Frauenrechtsaktivisten in ganz Pakistan den Rückhalt geben kann, den sie zur Änderung des Systems brauchen.
Sorgen wir dafür, dass Sabas Geschichte bei der Oscarverleihung viel Aufmerksamkeit erhält und tragen wir unseren Aufruf dann bis nach Pakistan.
An den pakistanischen Premierminister Nawaz Sharif, Maryam Nawaz Sharif, den pakistanischen Präsidenten Mamnoon Hussain und alle pakistanischen Parlamentarier:
Wir begrüßen Ihr Versprechen, sich gegen Ehrenmorde einzusetzen. Bitte nehmen Sie umgehend eine Gesetzesänderung vor, um die Vergebungsklausel abzuschaffen, die die Täter schützt, und dafür zu sorgen, dass diese vor Gericht gestellt werden. Wir fordern Sie ebenfalls dazu auf, eine große Kampagne zur Bewusstseinsschärfung der Öffentlichkeit in die Wege zu leiten, um diese Verbrechen gegen Frauen einzudämmen, und außerdem die nötige Infrastruktur zu schaffen, die es Frauen ermöglicht, Schutz zu erhalten. Zur Petition – über 1 Millionen Menschen haben bereits unterschrieben: >>>>hier klicken: Pakistan: Frauen vor Ehrenmorden schützen
In der Vergangenheit wurden in Pakistan diverse Anschläge auf Frauenrechtlerinnen verübt. Bekanntestes Beispiel ist wohl Malala Yousafzai, das Mädchen, das sich unermüdlich einsetzt für das Recht auf Bildung für Mädchen. Ihre Geschichte ging um die Welt, nachdem sie ein von den Taliban auf sie verübtes Attentat, bei dem sie in den Kopf geschossen wurde, nur knapp überlebte.
Wir wünschen Sharmeen Obaid-Chinoy bei der Oscarverleihung viel Glück.
„Ein Mädchen ist nicht vorherbestimmt, eine Sklavin zu sein. Es muss vorwärts gehen in ihrem Leben. Es ist nicht nur eine Mutter, nicht nur eine Schwester, nicht nur eine Ehefrau – es sollte eine Identität haben und anerkannt werden, mit den gleichen Rechten wie ein Junge.“ Malala Yousafzai
Netzfrau Doro Schreier
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