Die türkische Polizei hat in Istanbul und Ankara Demonstrationen zum Weltfrauentag gewaltsam aufgelöst. Die Frauen forderten anlässlich des morgigen Weltfrauentags die Stärkung der Frauenrechte.
Die Gefahr, von einem Mann erschossen, erstochen oder totgeprügelt zu werden, ist für eine Frau größer, als bei einem Autounfall oder an Krebs zu sterben. Gewalt gegen Frauen sei die Haupttodesursache unter Frauen zwischen 15 und 44 Jahren in der Türkei.
Özgecan Aslan wurde am 13. Februar 2015 in einem Flussbett im südlichen Provinz von Mersin, Türkei gefunden.
Die 20-jährige Psychologiestudentin, die an der Çağ-Universität studierte, war, bevor ihr Körper verbrannt wurde, vergewaltigt worden, mit einem Eisenrohr geschlagen und ihre Finger waren bei lebendigem Leib abgeschnitten worden. Daraufhin versammelten sich Tausende Frauen in Istanbul, Ankara und Mersin, um gegen die Wirkungslosigkeit der Regierungspartei im Umgang mit der Gewalt gegen Frauen zu protestieren. Siehe unser Beitrag: Türkei: Grausamer Mord an Özgecan Aslan – Frauen protestieren auf der Straße und auf Twitter
Die Organisatoren hatten die Kundgebung vor dem Weltfrauentag am Dienstag vorgezogen, um mehr Teilnehmer anzuziehen. Die Behörden hatten die Veranstaltung aber aus Sicherheitsgründen verboten. Die Frauen ließen sich von dem Verbot nicht abschrecken. Tausende Frauen folgten dem Aufruf. In Istanbul und Ankara kam es daraufhin zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Dabei feuerten die Sicherheitskräfte Gummigeschosse in die Menschenmenge und setzten Tränengas ein.
Auch heute kommt es immer wieder zu Übergriffen auf der Frauen-Demo. Die Frauen haben beschlossen, die Demonstration nicht zu verlassen. Hier können Sie Live sehen, wie die Polizei mit Gewalt gegen die Frauen vorgeht:
Viele der Frauen erinnerten auch an den kaltblütigen Mord an Özgecan Aslan, so wie Sie es am 11.Februar 2016 taten, dem Jahrestag dieses Ereignisses.
A year has passed since the brutal murder of #özgecanaslan. We did not forget! #sendeanlat #tellyourstory pic.twitter.com/bJoX725uo3
— Capulcu Tonella (@diehimbeertonis) 11. Februar 2016
In der Türkei ist Gewalt gegen Frauen so alltäglich, dass die meisten Todesmeldungen gleichgültig oder mit bitterer Resignation aufgenommen werden. Sie ist ein Symptom für größere Geschlechterfragen innerhalb des Landes. Im World Economic Forum 2014 Gender Gap Report rangiert die Türkei auf Platz 125 von 142. Die Zahl der Morde an Frauen ist in den letzten zwei Jahren enorm angestiegen: Um fast 45 Prozent. Schon 2010 sorgte eine Statistik für Aufruhr, nach der sich die Zahl der ermordeten Frauen von 2003 bis 2010 mehr als verzehnfacht hat.
Fast 300 Frauen wurden 2014 in der Türkei von ihnen verwandten Männern ermordet.
Gleichheit zwischen Mann und Frau? Das könne es nie geben, denn es sei wider die Natur, sagte Erdogan im November 2014. Gleichwertigkeit, das sei erstrebenswert. Aber nicht Gleichheit. Frauen seien beispielsweise für viele Arbeiten nicht geeignet. Erdogan hat auch eine Begründung parat: Das Wesen der Frauen und ihre körperlichen Voraussetzungen seien anders als bei Männern.
Nach dem brutalen Mord am 11. Februar an der Studentin Özgecan Aslan von Adana setzen sich türkische Frauen zur Wehr
Die Proteste gegen den Mord an Özgecan Aslan hält bis heute an – Dieses Foto zeigt die Demonstration der Frauen am 15. Februar 2015
Diese Geschichte erinnert an Indien, auch hier löste die Vergewaltigung einer jungen Frau einen Protest aus, der bis heute anhält. [Lesen Sie dazu unseren Beitrag: Traurige Statistik: Frauen und Mädchen in Indien]
Laut einer Studie des türkischen Instituts für Sexualgesundheit haben vierzig Prozent der türkischen Frauen schon einmal Gewalt erfahren, zwanzig Prozent von ihnen sexuelle. Wird eine Frau in der Türkei vergewaltigt, dann ist ihr in zwei von drei Fällen der Täter bekannt – es ist ihr Ehemann, Liebhaber, Vater oder ein Verwandter. Gleichzeitig sind noch immer weite Teile der türkischen Gesellschaft davon überzeugt, dass eine Frau, die vergewaltigt wurde, dies provoziert haben muss. Auch die türkische Rechtsprechung zeugt von dieser Mentalität: Wird eine Prostituierte vergewaltigt, dann kommt der Täter mit einem blauen Auge davon, dabei bleiben Vergewaltiger ohnehin nie lange im Gefängnis. Die Frau hingegen gilt fortan als beschmutzt.
Halay^^ #8MartYasaklanamaz pic.twitter.com/76ji2z7Egr
— Tilili (@esratilili) 6. März 2016
Turkey Woman’s Day ?#MothersDay #8MartYasaklanamaz pic.twitter.com/0ZNWqnrMhm
— deniz (@miniksercednz) 6. März 2016
İstanbul Kadıköy’de polisin tüm tacizlerine rağmen kadınlar sokakları terketmiyor! #8MartYasaklanamaz pic.twitter.com/reDeEBFc3Y
— Kadın Kolektifi (@kadinkolektifi) 6. März 2016
Selbst an Tagen der Kundgebungen, mit Kerzen an Gedenkstätten auf den Universitäten im ganzen Land und der internationalen Aufmerksamkeit werden weiterhin Frauen in der Türkei geschlagen, vergewaltigt und misshandelt. Wird die Türkei zukünftig Gesetze erlassen, damit Frauenrechte beachtet werden? In Indien hatte es erst nach den Protesten den Anschein, doch auch um die vergewaltigten Frauen in Indien ist es ruhig geworden, obwohl immer noch Frauen öffentlich vergewaltigt werden.
Wir wünschen den Frauen in der Türkei viel Kraft und werden sie bei ihrer Aktion unterstützen.
„Die Freiheit ist wie eine unsichtbare Krone, die Ihr alle auf Euren Köpfen tragt, ohne es zu bemerken. Diese Krone ist nur für uns Gefangene sichtbar, denn wir dürfen sie nicht tragen!“
Reyhaneh Jabbari
Netzfrau Doro Schreier
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