Kontrolleure schlagen in einem Brandbrief Alarm – Die zugespielten Fotos, so scheint es, sind wohl doch keine Ausnahme. In großen Schlachthöfen hängen die Schweinehälften am Band. Am Untersuchungspodest rattern 1200 bis 1400 Schweinehälften pro Stunde an den Fleischbeschauern vorbei. Herbert Ahrens, Vorsitzender der amtlichen Fleischkontrolleure, meint: „Das Band läuft sehr schnell. Mit der Geschwindigkeit, die teilweise auf Schlachthöfen herrscht, ist das Schwein schnell an einem vorbei. So, dass wir das nicht mehr vernünftig untersuchen können. Das rauscht einfach durch.“
Bereits mehrfach berichteten wir über die Fleischindustrie. Es ist eine bis heute vor allem auch landwirtschaftlich geprägte Region. Das Oldenburger Münsterland weist die größte Dichte an Geflügel-, Schweine- und Rinderzuchtbetrieben in Deutschland auf. Hier befindet sich das „Silicon Valley der Agrarindustrie“.
Die industrielle Fleischproduktion findet vor allem in den Landkreisen Emsland, Cloppenburg, Oldenburg und Vechta statt.
Etwa jede dritte Pute, jedes fünfte Ei, jedes achte Hähnchen und jedes zehnte Schwein aus deutschen Landen kommt aus dem Oldenburger Münsterland. Von den rund 8,5 Millionen Schweinen in Niedersachsen stehen allein mehr als eine Million im Landkreis Cloppenburg und eine knappe Million im Landkreis Vechta.
Brandbrief an Veterinäramt – Fleischkontrolleure beklagen Machtlosigkeit
Als die Fotos beim NDR eingingen, glaubten die Reporterinnen von Panorama 3 und Markt noch an eine Ausnahme. Zu sehen sind eitrige Abszesse auf Schweinefleisch. Aufgenommen in einem niedersächsischen Schlachthof. Ekelfleisch wie dieses ist ungesund für den Verbraucher. Unschön, aber doch wohl selten.
Fleischbeschauer beklagen, dass die Fleischkontrolle teilweise nicht mehr gewährleistet sei. Dadurch gelange auch Fleisch in die Verarbeitung, das aussortiert gehöre.
Wäre da nicht ein Brandbrief aus dem Landkreis Cloppenburg. Dort schlugen kürzlich rund 50 Fleischkontrolleure bei ihrem Veterinäramt Alarm. In dem Schreiben ist von Überlastung durch Personalabbau die Rede. Und dass dadurch die einwandfreie Qualität des Fleisches nicht mehr gegeben sei. Etliche Abszesse würden deshalb in die Zerlegung gelangen.
In Folge des Pferdefleischskandals vom Februar 2013 konnten wir feststellen, dass nur geringfügige Veränderungen der Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Fleischbestandteile ins Auge gefasst wurden. Wie schon so oft, die EU-Kommission unternahm nichts, oder nur geringfügig. Wirklich präzise Verbraucherinformationen seien zu teuer für Schlachtereien und Zwischenhändler, fand die Kommission. In einem Bericht der zuständigen EU-Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz werden zahlreiche Gründe gegen präzise Verbraucherinformationen zur Herkunft des Fleisches in Fertiggerichten genannt. Fazit: es wird sich nichts ändern. Im Gegenteil:
Im Juni 2014 änderte sich EU-weit das Verfahren der Fleischbeschau. Wurden die Schweinehälften und Organe bis dahin durch Anfassen und Anschneiden kontrolliert, soll nun allein das geschulte Auge genügen. „Visuelle Fleischbeschau“ nennt sich das. Sie soll eine Verbesserung sein, denn das Anschneiden könne mitunter unhygienisch sein.
Der Verband der Fleischwirtschaft setzte sich sehr für dieses neue Verfahren ein. Zeigen will er es uns allerdings nicht. Kein Schlachthof öffnet seine Türen für unsere Kamera. Zitat: „Wir können Ihnen leider keinen Schlachtbetrieb vermitteln, weil die Filmaufnahmen zur tatsächlichen Erläuterung der visuellen Fleischuntersuchung als wenig hilfreich beurteilt werden.“
Bereits im Dezember 2015 wandte sich der niedersächsischen Landesverband der Fleischkontrolleure (Fleischfachassistenten) mit einem Brandbrief unter anderem an das niedersächsische Landwirtschaftsministerium, den Landkreis Cloppenburg und die Landwirtschaftskammer Oldenburg. 49 amtliche Kontrolleure und Tierärzte haben das Schreiben unterzeichnet. Darin wird die Kritik so zusammengefasst: „Unter den aktuellen Umständen sehen wir eine ausreichende Fleischbeschau im Sinne des Verbrauchers als nicht gewährleistet an und lehnen jede Verantwortung ab.“
Untersuchung dauert nun 12 statt 50 Sekunden
Ein Streitpunkt zwischen den Befürwortern und Gegnern der „visuellen Fleischbeschau“ ist die Untersuchungszeit der Tiere. Befürworter wie etwa Karl-Wilhelm Paschertz, Veterinäramtsleiter des Landkreises Cloppenburg, weisen darauf hin, dass nach der EU-Verordnung bereits die lebenden Tiere länger und genauer untersucht würden. So könnten kranke Tiere bereits vor der Schlachtung besser erkannt werden und würden so erst gar nicht in die Schlachtung gelangen. Der Landesverband der Fleischfachassistenten glaubt dagegen, dass sich viele Krankheiten erst durch eine eingehende Untersuchung am Schlachtkörper entdecken lassen. Die Mindestuntersuchungszeit bei Schweinen betrage jetzt allerdings nur noch 12 Sekunden statt bisher 50 Sekunden.
Das Unternehmen Danish Crown, das in Essen im Landkreis Cloppenburg einen der größten Schlachtbetriebe in Niedersachsen betreibt, hält die Vorwürfe aus dem Brandbrief für falsch. Mitarbeiter Andreas Rode erklärt: „Das Schreiben ist nicht korrekt, die Kritik ist nicht berechtigt. Alle vom Gesetzgeber geforderten Maßnahmen und Umstrukturierungen wurden konsequent umgesetzt. Der Verbraucherschutz und die Lebensmittelsicherheit sind gewährleistet.“ Die Kritik an der „visuellen Fleischbeschau“ erklärt sich Rode so: „Ich kann mir nur vorstellen, dass das die Unsicherheit der Fleischfachassistenten ist.“
Infobox
Wir haben nur die Informationen zugefügt, das es sich um einen der größten Schlachtbetriebe in Deutschland handelt – und der Konzern sich zu dem Brandbrief geäußert hat – dass er die Vorwürfe des Brandbriefes für falsch hält! Sie bekommen hier einen Eindruck, wie viele Schweine allein diese Konzerne schlachten.
Danish Crown und Westfleisch gaben im April 2015 bekannt, dass der Bereich Sauenzerlegung und -vermarktung als Gemeinschaftsunternehmen „WESTCROWN“ als 50:50-Beteiligung gründen werden. Westfleisch betreibt seit vielen Jahren eine Sauenzerlegung mit einer Jahresmenge von zuletzt 355 000 Tieren in Schöppingen nahe der holländischen Grenze.
Danish Crown schlachtet ca. 325 000 Sauen p. a. in Dänemark. Bisher wurden diese überwiegend als Hälften verkauft, vorrangig an Kunden in Deutschland. Im Dezember 2015 erteilte das Kartellamt die Genehmigung für das Joint Venture. Nach Zustimmung der Brüsseler Wettbewerbsbehörde wird die Produktion im nordrhein-westfälischen Schöppingen demnächst starten. Im ersten Halbjahr 2016 erfolgt dann jedoch der Umzug in die neuen Räumlichkeiten nach Dissen in Niedersachsen, wie Christian Leding, Vorstandsmitglied der Westfleisch SCE, mitteilte.Danisch Crown
Die Danish Crown Gruppe ist nach eigenen Angaben heute (Stand 2013) der größte Schweineschlachter Europas und der zweitgrößte der Welt, Europas größter Fleischverarbeiter sowie der größte Rinderschlachter in Dänemark, zudem einer der drei größten Fleischexporteure der Welt und von den Schweinefleischexporteuren der weltgrößte.
Danish Crown liefert Schweinefleisch an Kunden der ganzen Welt – Die Hauptmärkte sind die EU, Japan, China und die USA.
Danish Crown Ingredients beschäftigt sich für den Danish Crown-Konzern mit Roh- und Fertigwaren in folgenden Produktsegmenten:
- Funktionelle Proteine und Gelatine
- Pharma
- Zerlassenes Fett und Grieben
- Separatorenfleisch
- Blut
- Tierfutter
- Nerzfutter
- Kat 1-, 2- und 3-Ware
Vertirebsgesellschaften:
- Danish Crown – UK
- Danish Crown – Deutschland
- Danish Crown Italien
- Danish Crown Frankreich
- Danish Crown USA
- DC Trading Co. Japan
- Danish Crown Russland
- Danish Crown Kroatien
- Danish Crown Spanien
- Danish Crown Beef Division – Italien
- Danish Crown Korea
Der Jahresumsatz der Gruppe liegt bei rund 7,6 Milliarden Euro, sie beschäftigt rund 23 500 Mitarbeiter, davon das Mutterunternehmen allein 10 500. Jährlich werden 21,8 Millionen Schweine verarbeitet (davon 6,3 Millionen im Vereinigten Königreich, Polen und Schweden) und 600 000 Rinder (die Hälfte davon in Dänemark Quelle
Westfleisch größter Ferkelvermarkter
Der größte Ferkelvermarkter in Deutschland ist Westfleisch. Das Nutzviehzentrum in Münster-Nienberge schlug in dem traditionellen Geschäftsfeld rund 2,51 Mio. Tiere um. Das war 2014 ein Anstieg in der Menge um +7,6 % zum Vorjahr. Der Absatz an Ferkeln lag bei 2,46 Mio. Stück. Auch der Handel mit Großvieh konnte ausgebaut werden. Das Plus bei Fleckviehfressern und schwarzbunten Kälbern lag bei +15,9 % im Vergleich zum Vorjahr; insgesamt wurden über 46 800 Tiere abgesetzt. Pressemitteilung zur Generalversammlung vom 11. 6. 2015
Andere Schlachtbetriebe:
Tönnies:
„Silicon Valley der Agrarindustrie“- Massentierhaltung stoppen!
#lidllohntnicht „Wege des Fleisches“ – Woher kommt unser täglich Fleisch?
Der Landesverband der Fleischfachassistenten hofft jetzt auf eine schnelle Reaktion der Politik auf den Brandbrief. Wenn nichts geschehe, erfüllten – so der Verband – die Kontrollen allenfalls eine Alibi-Funktion.
Der Bericht auf NDR weiter: Schlachtbetriebe sind in jedem Landkreis gern gesehene Unternehmen. Garantieren sie doch Arbeitsplätze und Gewerbesteuern. Probleme in den Schlachthöfen können so allerdings auch zu einem Problem der Landkreise werden. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Karin Thissen ist Tierärztin und hat 22 Jahre als Veterinärin in Schlachthöfen gearbeitet. Für sie sind die Kontrolleure zwar formal unabhängig, nicht aber in der Realität: „Da wird auf den Landrat Druck ausgeübt. Man möge an die Arbeitsplätze denken. Euer Veterinäramt ist hier zu streng. Wenn es so weitergeht, gehen wir ins Ausland! Und da wird schnell eingeknickt, wird Druck auf die Veterinärämter ausgeübt.“ Thissen sagt auch einen Satz, der nachdenklich macht. Fleischkontrolleure seien Erfüllungsgehilfen der Betriebe geworden, weil ihre Vorgesetzten ihnen zu wenig Rückendeckung geben.
Panorama 3 – 15.03.2016 21:15 Uhr
Das Amt für Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung Cloppenburg erklärt in einer ausführlichen Stellungnahme seinen Standpunkt. (PDF-Dokument zum Download) Download (51 KB)
Hier einige Fälle – und Sie werden feststellen – es wird sich nichts ändern – denn der Verbraucher ist der Fleischindustrie ausgeliefert.
07. 11. 2013
Handyvideos. heimlich gedreht von Mitarbeitern des Fleischbetriebs, zeigten 2013 Bilder von grauem, stinkendem Geflügelfleisch, Abfälle aus anderen Fabriken, billig eingekauft, so die Version der Arbeiter.
Die Videos zeigen kistenweise Fleisch, das laut Vermerk gesperrt ist. In einem anderen Film ist zu sehen, wie die gesperrte Ware in den Fleischwolf geschüttet wird. 1000 Tonnen Gammelfleisch soll der Unternehmer angekauft haben. Eine Tonne schlechtes Fleisch wurde mit drei Tonnen gutem Fleisch vermischt. Die Anweisung dazu bekamen wir vom Schichtleiter, so die Arbeiter. Die Arbeiter schleusten eine Probe aus dem Betrieb. Untersuchungen an der Hochschule Münster ergaben: Es handelt sich um Gammelfleisch, verdorben, für den Verzehr ungeeignet. Die Verbraucher sind schutzlos. Das Gammelfleisch wurde zu Wurst verarbeitet. Und da, so die Verbraucherzentralen, werden so viele Gewürze und Zusatzstoffe verarbeitet, dass man den Geruch nicht mehr wahrnehmen kann.
Da die Staatsanwaltschaft Oldenburg die Ermittlung aufgenommen hat, dürfen sich die zuständigen Kontrolleure zu dem aktuellen Fall nicht äußern. Nach Informationen des NDR wurde in dem Betrieb in Bad Bentheim sogar öfter kontrolliert, als die EU-Vorgaben vorsehen. Der zuständige niedersächsische Minister setzt daher auch nicht auf eine Ausweitung der Kontrollen, sondern auf die Courage der Mitarbeiter in den Fleischbetrieben wie in diesem Fall.
Wir Netzfrauen hatten über diesen Fall in dem Beitrag: „Silicon Valley der Agrarindustrie“ – wieder Gammel-Fleisch – die EU-Kommission entscheidet zugunsten Schlachtereien und Zwischenhändler berichtet.
Nach Bekanntgabe des Gammelfleischskandals können Sie auf der Seite des Niedersächsisches Landwirtschaftsminister Folgendes entnehmen: Niedersachsen zieht Konsequenzen: Neue Task-Force Verbraucherschutz kommt – Verbraucherminister Meyer: Gegen Missstände in der Billigfleisch-Industrie – Ministerium verlangt Lieferliste. Niedersachsens Verbraucherschutzminister Christian Meyer macht sich für eine anonyme Melde- und Beratungsstelle stark, um Missständen in der Billigfleisch-Industrie noch schneller auf die Spur zu kommen und den Schutz der Verbraucher zu stärken. „Wir haben diese Forderung bereits im Koalitionsvertrag vereinbart. Wir prüfen, ob wir diese in der geplanten Task-Force Verbraucherschutz im LAVES integrieren können.“
Schauen Sie jetzt auf die Seite, werden Sie Folgendes finden: Die Task Force Verbraucherschutz wurde zu Beginn des Jahres 2013 neu gegründet und befindet sich derzeit im organisatorischen und fachlichen Aufbau. Quelle
So gut wie keine Strafen – für Betrügereien
Im Mai 2015 wurde gegen einen Großschlachter eine zweijährige Bewährungsstrafe verhängt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Großschlachter in seinem Betrieb Fleisch aus beschlagnahmten Rinderhälften unrechtmäßig herausgeschnitten und verkauft hatte. Außerdem hatte der Großschlachter Fleisch von Rindern beschneiden lassen, bevor sie gewogen wurden. Hierdurch sei den Landwirten ein erheblicher Schaden im sechsstelligen Bereich entstanden. Es ging um Betrug in 15 000 Fällen. Der Schlachthofleiter wurde zu einer einjährigen Bewährungsstrafe wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt. Seine Ehefrau, die als Amtstierärztin eingesetzt war, muss eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30 Euro bezahlen.
Die Staatsanwaltschaft Coburg ermittelte, nachdem bekannt worden war, dass bis zum Februar 2013 dieses Jahres Fleisch der Kategorie 3 aus dem Coburger Schlachthof an Gastronomen verkauft wurde – Fleisch, das normalerweise nicht für den menschlichen Verzehr geeignet ist und zum Beispiel zu Tierfutter verarbeitet wird. Im Visier der Ermittler standen mit Dellert und Termin zwei der Firmen, die sich in den Schlachthof eingemietet hatten.
Auch 2015 gab es wieder einen Pferdefleischskandal!
Kriminelle Händler verkauften in Europa Pferdefleisch, das nicht für den Verzehr geeignet war. Bei grenzüberschreitenden Razzien wurden 26 Personen festgenommen, zumeist in Frankreich. Sie sollen Papiere gefälscht haben, um das Fleisch in Umlauf zu bringen. Die Ermittlungen haben nichts mit dem Pferdefleischskandal von Anfang 2013 in Deutschland zu tun: Damals war einwandfreies Pferdefleisch falsch deklariert und in Lebensmitteln – vor allem Lasagne – verarbeitet worden.
Zu den Vorwürfen hat Panorama3 die Veterinäramtsleitung befragen wollen. Denn schließlich hatten rund 50 Fleischkontrolleure in ihrem Brandbrief an den Landkreis auch von ihrer Angst einzugreifen geschrieben. Doch hier heißt nur, es gäbe keine Probleme. Bei den Fleischbeschauern klingt das anders: „Es würde mich ekeln, wenn ich das wüsste, dass Abszesse so oft durchgehen. Dass sie in die Wurst reingehen. Dann überlege ich mir, ob ich mein Fleisch noch im Supermarkt kaufe.“ Die Abgeordnete Thissen meint: „Das geht einfach nicht. Es muss wieder klar sein, dass der Kontrolleur eine Amtsperson ist und dass es seine Aufgabe ist zu kontrollieren.“
Guten Appetit!
Netzfrau Doro Schreier
Mehr Informationen:
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