Der Krieg mit anderen Mitteln – ein Kommentar

close-up big white feather, isolated on black

Betroffenheit, Wut und Trauer – Da sitze ich, schreibe eine schöne Nachricht über den Erfolg der Bienen in Frankreich und plötzlich die schreckliche Nachricht, 2 Explosionen auf dem Brüssler Flughafen.

Erinnerungen kommen hoch, war ich doch erst kürzlich das erste Mal in meinem Leben, allein geflogen – von Hamburg nach Brüssel, zu einem Treffen mit den Mitgliedern des Monsanto-Tribunals. Erleichtert kam ich in Brüssel an.

Ich spüre plötzlich wieder die Aufregung in mir, denn Fliegen ist nicht mein Ding, nicht dass ich Angst hätte, sondern ich vertrage es nicht und bin heilfroh, wenn ich einen Flug überstanden habe

Bei meinem Rückflug nach Hamburg hatte ich Zeit, also schaute ich mir den Flughafen Brüssel an und war schon etwas verwundert, dass ich alles dem Computer überlassen musste.Einchecken –  einfach Reisepass in den dafür vorgesehenen Computer und schon wurde alles ausgedruckt – Koffer bei den dafür vorgesehenen Computer abgeben, alles automatisch, das wars. Ich bin jetzt ein gläserner Mensch, nirgends wurde mir das bewusster, als im Brussels Airport.

Wie konnte dann ein Terroranschlag geschehen, war meine erste Reaktion, während ich mir die Bilder im Netz anschaute. Genau, eine vollkommene Sicherheit gibt es nicht.

Es herrscht Krieg, mit anderen Mitteln. Das wurde mir auch bewusst, als ich gestern auf Twitter nachschaute. Damit die anderen im Netzfrauen-Team sehen können, was getwittert wird, baue ich internationale Tweeds in die Beiträge ein. Und da waren sie, die ISIS-Anhänger: „Wir holen euch, dies ist die Rache:“ Es waren so viele Tweeds, dass ich wie erstart auf die arabische Schrift schaute, die dann automatisch von Twitter übersetzt wurden. Wie eine wild gewordene Horde, immer mehr. Da wurde mir schon klar, es könnte sich um einen Terroranschlag handeln. Nein, ich wollte denen keine Aufmerksamkeit schenken, keinen ihrer Tweeds einbauen. Ich wurde wütend. Da sind Menschen, die sich freuen, dass unschuldige Menschen sterben müssen. Da sind Menschen, die Krieg spielen auf Twitter.

Und während ich mich wieder dem Brüssler Airport widmete, Tränen in den Augen, der nächste Schock, eine weitere Explosion, jetzt in der U-Bahn-Station in Maelbeek. Schnell werden auch hier die Videos und Fotos im Netz verteilt.

.Noch nie, war man so nah am Geschehen dabei, wie durch die neuen Medien. Auf der einen Seite die erschütternden Tweeds, derer die den Anschlag überstanden hatten, auf der anderen Seite, die anderen, die sich freuten, dass der Anschlag viele Menschen mit in den Tod riss.

Nein, ich wollte nie über den Terror schreiben müssen, doch seit 2 Jahren ist alles anders. Der Terror hat einen Namen, die ISIS. Und ihre Waffen sind die Selbstmordattentäter und die sozialen Netzwerke. Jeden Tag irgendwo auf der Welt. Auch die Terrorguppe – Al Shabaab versucht durch verstärkte Selbstmordattentate in Somalia, Kenia und Uganda ihren vormaligen Einfluss zurückzuerobern. Wie in anderen Ländern werden Orte oder Hotels gewählt, wo sich Touristen aufhalten. Somit erreichen sie eine größere Aufmerksamkeit. In Nordafrika werden vermehrt Mädchen als Selbstmordattentäter eingesetzt, die Vermutung, dass es sich um entführte Mädchen handelt, hat sich bereits bewahrheitet.

Medienwirksame Anschläge, wie in Paris, Mali, Brüssel, Asien, Afrika, Europa, überall auf der Welt, sind an der Tagesordnung. Krieg mit anderen Mitteln, dazu noch die Medien, wie Twitter, Facebook oder youtube. Auch ein gefundenes Fressen für die Journalisten. Schlagzeilen werden nun „frei Haus“ geliefert. Fotomaterial inclusive.

Da frage ich mich, was wäre wenn, niemand berichten würde. Wenn ein solches Ereignis einfach nicht televisiert würde. Erleben wir oft genug, denn wen interessiert, was zum Beispiel in Nigeria geschieht? Denn wer berichtet schon von Nigeria, wo die Boko Harams ihr Unwesen treiben, auch sie nutzen Selbstmordattentäter. Aber eben nicht so medienwirksam, denn sie überfallen kleine Dörfer, dort wo Schulen sind und entführen die Kinder.

Alles ist so krank. Mittlerweile hat sich eine neue Gruppe gebildet, die diese Attentaten für sich ausnutzen wollen. Natürlich auch medienwirksam – die Hater- oder auch Hetzer. Relativ schnell sind diese gleich auf den sozialen Netzwerken vertreten. Nein nicht in Afrika, dort ist man erschüttert über das, was die Terrorgruppen anrichten, egal wie sie sich nennen, sie haben sich alle mit den ISIS verbrüdert.

In Afrika betrauert man die Opfer gemeinsam und man macht sich mut, geht weiter zur Schule und weiss, dass man nur gemeinsam etwas gegen diesen Krieg unternehmen kann.

Dagegen in Europa, gibt es vier Gruppen, die Opfer, die Täter, die Journalisten und die Hetzer.

Ich zähle mich eher zu den Opfern, denn ich leide, zum einen weil ich nicht fassen kann, was passiert, zum anderen, weil Freunde von mir betroffen sein könnten, wie in Brüssel. Aber auch Opfer, weil ich wütend bin, wütend, wenn ich lesen muss, wie solche Hater sich auch noch lustig machen, über das, was geschieht.

Wir posteten auf Facebook ein Foto: Unser Wortlaut über das Foto: „In solidarity with ‪Belgium‬ and against terror. They will never win.“

Die Hater waren gleich zu Stelle. Eine, die mitmachte, arbeitet laut Profil in einem Waldorfkindergarten, die andere beim Rettungsdienst der Malteser. Während ich trauere kommentieren Menschen, die erklärter Maßen im sozialen Bereichen tätig sind, unbekümmert und machen sich über die Situationen lustig. Schaut man weiter im Netz, sieht man die „selbsternannten“ Experten, die gleich zu verbreiten wissen, dass der Anschlag gar nicht von den ISIS-Anhänger kommen soll, sondern diese Anschläge nur veranstaltet wurden, zum Beispiel – damit noch mehr Überwachungen kommen. Die Rechten fanden auch gleich wieder einen Aufhänger und die Journalisten füttern kräftig mit.

Die ARD hat gleich wieder einen Brennpunkt, die Sendungen verschieben sich um eine viertel Stunde und „Hart aber Fair“ kommt mit einer Sondersendung, natürlich wieder mit vielen Experten. Da frage ich mich, wie kann man so schnell eine Sendung organisieren, dazu noch die „Experten“ in die „Show“ bekommen?.

Die Bilder auf ntv oder N24 wiederholen sich den ganzen Tag und eigentlich weiss man, dass man gar nichts weiss. Aber alle sind glücklich, haben sie doch wieder eine Schlagzeile und viele Klicks.

Und die Opfer? Wer denkt an diese? Wer denkt an die Angehörigen, an die Freunde, die voller Sorgen auf ein Lebenszeichen warten?!

Wir sind im Krieg, ein anderes Wort gibt es dafür nicht, genauso wie es keine volle Sicherheit gibt. Und dass ich Opfer von einem Selbstmordattentärer werde, ist wesentlich geringer, als auf der Autobahn zu verunglücken, wo Menschen anstatt auf dem Verkehr zu achten, lieber telefonieren oder sogar während der Fahrt eine SMS schreiben, da sie ja ihre sozialen Kontakte informieren müssen.

Angst ist auch kein guter Begleiter, denn eines muss uns bewusst sein, dieser Krieg ist noch lange nicht vorbei.

Und seien wir doch ehrlich, eine richtig heile Zeit gab es noch nie, irgendwo fielen Schüsse, irgendwo gab es Bomben und irgendwo starben Menschen. Nur waren wir nie live dabei, denn was wir hatten waren vielleicht 3 Programme im TV oder eine Tageszeitung, das war es.

Heute haben wir Informationen aus der ganzen Welt, aber mit diesen Informationen das Richtige anzufangen, zu filtern oder einfach nur mal zu hinterfragen, nein – das scheinen nur wenige wirklich gelernt zu haben.

„Schalte dein Hirn ein“, sagte immer mein Großvater, „und nutze es. Lies viel und zwar über alles. Schaue dir die Welt genau an und merke dir: Es gibt überall auf der Welt gute und schlechte Menschen, die gab es schon immer und wird es immer geben. Und die Chancen an einen schlechten Menschen zu geraten, ist genau so groß, wie an einen guten Menschen zu geraten.“

Nein, ich wollte nie über Terror schreiben, sondern wollte hinterfragen und aufklären, aber gehört nicht der Terror zum Leben dazu? Muss man nicht auch hier hinterfragen? Dazu braucht man nur Jahrhunderte und Jahrtausende in der Geschichte zurückgehen – Kriege gab es schon immer,  nur mit anderen Mitteln.

Man beklagte die Opfer und lebte weiter. Aber niemand machte sich über eine Katastrophe lustig, man feierte einen Sieg, ja, das stimmt. Aber der nächste Feind lauerte schon um die nächste Ecke und man wurde selbst zum Opfer. Leben und leben lassen, so sollte es sein. Jeder Tag ist ein neuer, das wird sich nie ändern.

„Was ist das Leben? Es ist das Aufblizen eines Glühwürmchens in der Nacht. Es ist der Atem eines Büffels im Winter. Es ist der  kleine Schatten, der über das Gras huscht und im Sonnenuntergang verschwindet! “ von Blackfoot auf seinem Totenbett

Auch nach Brüssel geht das Leben weiter und so mancher Anschlag wird noch folgen, so ist das Leben. Doch können Sie sich selber entscheiden, zu welcher Gruppe Sie gehören wollen.

Dieser Beitrag hat mich heute sehr berührt:

KN 23.März 2016

KN 23.März 2016

Ich habe, nachdem ich meinen Beitrag über die Attentate geschrieben hatte und veröffentlichte, mich wieder meinem Beitrag zu Frankreich und den Bienen gewidmet. Gute Nachrichten gibt es auch und andere Themen ebenfalls.

„Der Terrorismus ist wie ein Krebs, der sich über die ganze Welt ausbreitet“, hörte ich den spanischen Außenminister im Fernsehen sagen, während ich weiter schrieb, und dachte, genau das ist es doch, was die Terroristen wollen. Die Angst wie die vor einer tödlichen Krankheit. Vor einigen tausend Jahren war die Angst unserer Vorfahren nichts anderes als Überlebensstrategie. Im Laufe der Zeit hat sich diese Angst allerdings sehr verändert. Wir haben zwar nach wie vor Angst, jedoch ist es in fast allen Fällen hausgemachte Angst, die mit einer wirklichen Angst nichts zu tun hat. Manche Menschen haben sogar Angst vor der Angst. …und werden schnell zu Opfern, die diese Angst für sich zu nutzen wissen.

Sagt der alte Indianer zu seinem Enkel:

In meinem Herzen leben zwei Wölfe. Einer ist groß und schwarz, er ist ein Unruhestifter, ein Lügner und macht Menschen böse. Er hat immer schlechte Gedanken und denkt immer nur negativ. Und weil er immer Angst hat, streut er die Angst über andere, das macht ihn so gefährlich. Der andere ist groß und weiß, er ist ein liebevoller Begleiter, hilft in Notsituationen, bringt die Liebe in die Wigwams, macht gute Gedanken und denkt immer gut und positiv. Und weil er immer hilft und lächelt, fällt ihm fast alles leicht, er macht die Menschen froh.

Da fragt der kleine Enkel: „Und welcher Wolf gewinnt in deinem Herzen?“ Der alte Indianer lächelt und sagt: „Der, den ich füttere“.

Welchen Wolf füttern Sie?

„Wer Freiheiten aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, verdient weder Freiheit noch Sicherheit.“ Benjamin Franklin

Netzfrau Doro Schreier

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