Man läuft ein paar Meter zum nächstgelegenen Supermarkt, kauft sich einen Erdbeer-Joghurt und isst ihn zu Hause.
Ohne darüber nachzudenken, ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir keinen großen Aufwand betreiben müssen, bis wir den Joghurt in unserer Hand halten. Bis er aber erst einmal im Regal steht, hat er schon eine ganz schön weite Strecke zurückgelegt.
Etwa 18 kg Joghurt isst der Deutsche pro Jahr. Einen regelrechten Boom erlebte der Joghurt erst in den 1960er-Jahren, als die Fruchtjoghurts auf den Markt kamen. Von ihnen versprach man sich, entsprechend dem sehr schlanken Schönheitsideal, eine kalorienarme Ernährung zu unterstützen. Seitdem ist der Joghurt aus den deutschen Supermärkten nicht mehr wegzudenken. Über 2000 verschiedene Marken gibt es – der Joghurt ist somit eines der vielfältigsten Lebensmittel in Deutschland.
Doch war Ihnen bekannt, dass nach der Elefantenhochzeit zwischen den Chemieunternehmen DuPont und Dow Chemical (wir berichteten) auch der Joghurt betroffen ist? Erst im Jahr 2011 hatte der Chemiekonzern DuPont den dänischen Konzern Danisco für 4,9 Milliarden Euro erworben. DuPont Danisco, ein Biotechnologie-Unternehmen, ist der weltweit führende Hersteller von Starterkulturen, Süßungsmitteln und Lebensmittelzusatzstoffen. In Niebüll werden Milchsäurebakterien gezüchtet und „geerntet“, in einer Zentrifuge konzentriert, pelletiert und bei minus 55 Grad eingelagert und teilweise auch gefriergetrocknet. Dann werden die pelletierten, gefriergetrockneten Bakterien bei minus 60 Grad zu unterschiedlichen Kulturen gemischt und abgefüllt, um später mit Milch zu Joghurt, Käse, Kefir und anderen Lebensmitteln weltweit in mehr als 90 Ländern verarbeitet zu werden. Jedes zweite Speiseeis und jede zweite Babynahrung, jeder dritte Käse und jede vierte Scheibe Brot enthalten Zutaten von DuPont Danisco.
Laut einer Statistik zählen in dem Bereich Quark, Pudding und Natur-/Fruchtjoghurt-Marken in Deutschland folgende zu den Beliebtesten: man staune, mit Abstand ALDI-Marken. Danach erst kommen Landliebe, Bauer, Ehrmann und Müller.
Die Molkerei Alois Müller GmbH & Co. KG ist eine der größten Molkereien Deutschlands, der Hersteller von Produkten wie „Müllermilch“, „Joghurt mit der Ecke“ und „Froop“ und viele mehr.
Seit über 125 Jahren ist die Stadt Wasserburg am Inn die Heimat des Konzerns Bauer. Hier werden täglich 3,4 Millionen Becher Joghurt hergestellt und in über 20 Länder exportiert.
Danone ist der weltgrößte Joghurthersteller, doch die traditionsreichen Danone-Fruchtzwerge verlieren an Beliebtheit, der Verbraucher legt mehr Wert auf „fettarm“ und „natürlich“. Dass man Joghurt neu erfinden kann, zeigte der Konzern Nestlé. 1995 brachte der Konzern einen Joghurt unter dem Namen LC1 auf dem Markt. Es war einer der ersten sogenannten „probiotischen Joghurts“. Nestlé investierte in die Werbung zur Markteinführung rund 7,7 Mio. € .Dabei sollte LC1 nicht als ein weiterer Joghurt unter vielen, sondern als ein völlig neues Produkt beworben und zu einen höheren Preis verkauft werden als herkömmliche Joghurts. Hier wird der Eindruck erweckt, dass man sich noch so ungesund ernähren kann, wie man will. Zum Ausgleichen gibt es ja probiotischen Joghurt von Nestlé.
Probiotischer Joghurt zeichnet sich durch einen hohen Gehalt an Keimen aus, die die Magensäure überleben und so lebend im Dickdarm ankommen. Hier sollen sie positive Effekte bewirken – zum Beispiel unerwünschte Keime verdrängen oder für eine bessere Verdauung sorgen. Allerdings können auch gewöhnliche Naturjoghurts, die nicht als probiotisch deklariert sind, Keime mit dieser Eigenschaft besitzen. Doch der Verbraucher zahlt lieber mehr Geld für einen „gesunden“ Joghurt und darum produzieren auch andere Joghurthersteller noch mehr „gesündere“ Joghurts.
Dass in einigen Joghurts so viel Zucker wie in einer halben Tafel Schokolade steckt, interessiert die wenigsten Verbraucher. Aldi wirbt auf der Verpackung des Söntner-Joghurts nach griechischer Art mit „Honig“. Im Joghurt steckt jedoch ein Zuckergemisch mit Wasser, das nur einen kleinen Anteil Honig enthält. Der Aldi-Joghurt hat einen Zuckergehalt von 16,6 Gramm Zucker pro 100 Gramm. Doch es geht noch mehr: In einem Becher Himbeer-Joghurt von Bauer stecken sogar 33 Gramm Zucker, dies ergab eine Stichprobe von NDR-Markt.
Hätten Sie auch Zucker in einem Naturjoghurt vermutet? Manche Hersteller verwenden bei der Zubereitung nicht nur Milch, sondern Milchtrockenmasse. Darin steckt mehr Zucker als in frischer Milch – der Joghurt schmeckt süßer. Vorteil für die Hersteller: Sie müssen Milchtrockenmasse – anders als zugesetzten Zucker – in der Zutatenliste nicht aufführen.
In den Kühlregalen hat der Verbraucher eine große Auswahl an Joghurts mit Früchten. Doch es gibt Unterschiede je nach genauer Bezeichnung des Joghurts, wie viel Frucht in ihm stecken muss. In Deutschland gibt es zwar keine gesetzliche Regelung für die Bezeichnungen „Fruchtjoghurt“ oder „Joghurt mit Fruchtzubereitung“, doch sollte
- ein als „Fruchtjoghurt“ bezeichnetes Produkt mindestens sechs Prozent Frischfrucht enthalten. Ausnahmen gibt es nur bei Früchten mit besonderer Geschmacksintensität wie Zitronen – hier genügen zwei Prozent
- einen geringeren Fruchtanteil darf ein „Joghurt mit Fruchtzubereitung“ aufweisen. Hier müssen nur 3,5 Prozent Frischfrucht (beziehungsweise 1,5 einer geschmacksintensiven Frucht) vorhanden sein
- liegt der Frischfruchtanteil unter 3,5 Prozent, darf das Produkt nur noch als „Joghurt mit Fruchtgeschmack“verkauft werden. Wo die Frucht fehlt, wird nicht selten mit Aromen nachgeholfen, um ein akzeptables Geschmackserlebnis zu erzeugen.
Joghurt gibt es in den unterschiedlichsten Varianten. Auf der Verpackung locken Bilder von prallen Früchten oder appetitlichen Fruchtstücken. Doch was Lebensmittelhersteller mit appetitlichen Fotos auf ihren Verpackungen von Fruchtjoghurts versprechen, ist häufig nicht mehr als schöner Schein.
Der lange Weg – Joghurt
Was wirklich im Joghurt drin ist, wollen wir in diesem Beitrag nicht weiter erläutern, sondern seinen langen Weg bis in Ihren Kühlschrank. Damit sich ein Joghurt Erdbeerjoghurt nennen darf, muss auf 150 g Joghurt nur eine Erdbeere enthalten sein. Alles andere ist ein Aroma aus Holzspänen und die Farbe wird fast immer aus farbintensiven Pflanzen wie Rote Bete, Holunderbeeren oder Karotten gewonnen. 200 unterschiedliche chemische Strukturen sorgen dafür, dass Sie sagen: „Schmeckt nach Erdbeere“ und dieses Molekül, dieses Vanillin, lässt sich relativ einfach aus Holz gewinnen.
Damit die Joghurtbecher in ausreichender Zahl und zur rechten Zeit wirklich im Supermarktregal stehen, müssen viele Fabriken, Lager und Transporteure in vielen Ländern zusammenarbeiten. Die Erdbeeren werden aus Polen, die Joghurt-Kulturen aus Schleswig-Holstein und das Weizenpulver aus Amsterdam angefahren. Verpackungsteile kommen aus Hamburg, Düsseldorf und Lüneburg an den Neckar. Insgesamt bringt es das fertige Joghurt-Produkt mit allen Zulieferbestandteilen auf eine Transportstrecke von über 9000 Kilometer.
- Die Starterkulturen liefert DuPont Danisco aus Niebüll/Schleswig-Holstein. Der Transport nach Stuttgart – macht 917 Kilometer.
- Der Zucker wird aus Rüben gewonnen, die in der Region um Offenau und Heilbronn geerntet werden. Durchschnittliche Entfernung von den Anbaugebieten zur Raffinerie: 35 Kilometer; und von der Raffinerie in Offenau zur Südmilch-Zentrale in Stuttgart: 72 Kilometer, Summa summarum: 107 Kilometer.
- Die Verpackung setzt sich zusammen aus einer Pappkiste, Steige genannt, die aus Bad Rappenau bezogen wird (55 Kilometer) und deren Komponenten (Top, Welle, Kraft) aus Aalen, Köln und Obergrünburg in Österreich kommen (1042 Kilometer). Den Steigenleim aus Kunstharz liefert eine Lüneburger Firma (659 Kilometer), die den Grundstoff aus Hamburg bezieht (75 Kilometer). Zur Verpackung gehören außerdem: eine polsternde Zwischenlage aus Pappe (Herkunftsorte: Varel und Ludwigsburg, Distanz: 647 Kilometer) und eine Kunststofffolie, die aus französischem Kunststoffgranulat gezogen wird (406 Kilometer). Gesamt: 2.884 Kilometer.
- Die Erdbeeren, in polnischen Plantagen gepflückt, landen zunächst in Aachen (800 Kilometer), dort werden die Früchte zubereitet und nach Stuttgart (446 Kilometer) transportiert – insgesamt 1246 Kilometer.
- Das Glas wird in Bayern hergestellt. Die Zutaten werden teils – per Bahn, teil per Lkw – aus der Region (Altglasscherben), aus Frechen (Quarz-sand), Solingen (Soda), Huettingen (Kalk), Essen (Filterstaub) und Düsseldorf (Zinkselenit) ins bayrische Neuburg, zu einer der größten Glasverarbeitungen Deutschlands verfrachtet: 546 Lkw-Kilometer müssen gefahren werden. Von Neuburg aus geht’s wieder nach Stuttgart (260 Kilometer) – zusammen 806 Kilometer.
- Das Etikett liefert eine Firma in Kulmbach (314 Kilometer), die ihr Papier aus dem niedersächsischen Uetersen bezieht (634 Kilometer). Den Etikettenleim bestehend aus Mais- und Weizenpulver aus holländischen und belgischen EG-Beständen (220 Kilometer), schickt eine Düsseldorfer Firma nach Stuttgart (419 Kilometer) – alles in allem 1.587 Kilometer.
- Die Milch kommt von 5930 Bauernhöfen in der Umgebung von Stuttgart und Heilbronn. 44 Tanklastwagen karren jeden Morgen rund 400 000 Liter in die Verarbeitungszentrale nach Stuttgart. Durchschnittliche Distanz zwischen Lieferant und Hersteller: 36 Kilometer.
- Das Aluminium für die Deckel wird im rheinischen Grevenbroich aus Bauxit und Rohaluminium hergestellt, von dort auch nach Weden bei Kulmbach geliefert (560 Kilometer), dort zu den Aludeckeln verarbeitet, die wiederum ihren Weg über 340 Kilometer nach Stuttgart nehmen. Insgesamt 864 Kilometer.
Da die Zahlen schon aus älteren Recherchen stammen, können sie von den aktuellen Zahlen abweichen. Anhand dieses Beispiels soll nur aufgezeigt werden, welch langen Weg ein Produkt hinter sich hat, bis es bei Ihnen auf dem Küchentisch steht. Stellen Sie sich nur einen Joghurt mit Ananas oder Bananen vor, oder dass Erdbeeren sogar aus China kommen. Die Vielfalt der verschiedenen Joghurtsorten kennt keine Grenzen. Joghurt ist hinsichtlich seiner Transportintensität keineswegs ein Extremfall, sondern steht für übliche Transportvorgänge, die bei x-beliebigen anderen Konzernen auch vorzufinden sind.
Es zeigt, wie wichtig es ist, regionale Produkte einzukaufen, um den täglichen Verkehrswahnsinn zu stoppen.
Auch bei einer Jeans ist es ähnlich: Viele Labels lassen einzelne Teile in verschiedene Ländern herstellen, um die Produktionskosten niedrig zu halten, obwohl später auf dem Etikett „Made in Germany” stehen wird. Über 50 000 Kilometer legt eine Jeans zurück.
Der Wasserverbrauch für die Herstellung einer Jeans ist übrigens immens: 8000 Liter!
Siehe: „Weltenbummler Jeanshose“
Die Wege, die Lebensmittel zurücklegen, werden immer länger. Dabei haben sich die Speisepläne kaum verändert. Neu hingegen sind die vielen und langen Transportwege der Lebensmittel. Ein wesentlicher Grund sind neben der Globalisierung vor allem die stark gesunkenen Transportkosten, wodurch niedrigere Produktionskosten selbst bei weiteren Transportstrecken immer noch zu Kostenvorteilen führen.
Fisch aus Afrika, Gemüse wie Spargel aus Peru und Bohnen aus Kenia, exotische Obstsorten wie Papayas, Guaven und Mangos oder Ananas aus Afrika, täglich kommen mehr als 140 Tonnen Lebensmittel als Luftfracht ins Land.
Wir Verbraucher haben es in der Hand. Kaufen Sie bewusst ein. Erdbeeren und Spargel statt zu Weihnachten lieber im Mai und Juni genießen. Saisonal und regional einkaufen, so schonen Sie die Umwelt.
© Netzfrau Doro Schreier
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