Der Pflegebereich ist ein Milliardenmarkt.
Bis zu 1,6 Millionen Menschen sind heute in Deutschland an Demenz erkrankt. Als wir anfingen, über das Thema zu berichten, lag die Zahl bei 1,2 Millionen. Demenz als Ware, die gehandelt wird – Rechtlos, ausgeliefert und abgezockt?
Engagements von Finanzinvestoren in Pflegeheimen und Kliniken nehmen zu. Mit 138 500 Betten stellen die 30 größten Träger stationärer Pflegeeinrichtungen 16 Prozent aller verfügbaren Pflegeplätze zur Verfügung, 12,5 Prozent aller Heime befinden sich in der Trägerschaft der größten Ketten. Die Curanum AG führt die Liste der größten Betreiber mit insgesamt 13 201 Pflegeplätzen im stationären Sektor deutlich an.
Das Unternehmen mit Sitz in München gehört zum europäischen Marktführer im stationären Pflegemarkt, der Korian-Gruppe aus Frankreich. Die KORIAN-Gruppe ist mit inzwischen knapp 600 Einrichtungen (Stationäre Pflege, Kliniken, Betreutes Wohnen, Ambulante Pflegedienste) und rund 57 000 Betten in Frankreich, Italien, Belgien und Deutschland die europäische Nummer eins im Pflegemarkt und beschäftigt rund 40 000 Mitarbeiter.
Schweiz: Im Schweizer Altersheimmarkt mischen nationale und internationale Ketten mit. Die größte unter ihnen ist Seniocare mit 27 Häusern und einem Umsatz von 100 Millionen Franken (2013). Hinter Seniocare steht die international tätige Investmentgesellschaft.Waterland. Eine Statistik des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) über die detaillierten Zahlen der einzelnen Einrichtungen zeigt, dass viele Alters- und Pflegeheime in der Schweiz mit unsauberen Tricks ihre Gewinne maximieren.
Organisierte Kriminalität !
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums gaben Kranken- und Pflegekassen sowie Sozialämter zuletzt jährlich deutlich über 20 Milliarden Euro für die Patientenversorgung in Deutschland aus. Teile dieses Geldes sind allerdings in kriminelle Kanäle geflossen, schätzt das Bundeskriminalamt (BKA). Nach Informationen von BR Recherche und der „Welt am Sonntag“ geht die Behörde davon aus, dass vor allem russische Pflegedienste systematisch und organisiert in diesem System betrügen. Das Problem ist nicht neu. Bereits 2014 hieß es, dass bundesweit wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug gegen zahlreiche ambulante Pflegedienste ermittelt werden würde.
Auch in der Presse ist das Thema seit langer Zeit dauerpräsent (z.B. „Berliner Pflegedienst-Skandal“). Hierbei kommt es leider auch zu Vorverurteilungen in der Presse und insbesondere z. B. russische oder türkische Pflegedienste werden unter Generalverdacht gestellt. Schon längst wird der Patient in so manchen Pflegeeinrichtungen als Ware angesehen und den Verdacht des Abrechnungsbetruges gibt es bereits solange, wie der Patient die Kosten der Pflegeeinrichtungen decken muss. Auch in deutschen Pflegeeinrichtungen sollten die monatlichen Abrechnungen überprüft werden:
Wir hatten einen Fall in der Familie, bei dem auf der Abrechnung stand: Windeln wegen Inkontinenz. Unsere Oma trug keine Windeln und litt auch nicht unter Inkontinenz. Als wir es feststellten, musste die Pflegeeinrichtung diese Abrechnung korrigieren – und es war kein Einzelfall.
Das Hauptproblem: es gibt viel zu wenig Personal, aber der Bedarf wird immer größer und darunter leidet die Qualität. Wir sehen es jeden Tag in den Supermärkten. Milliarden-Umsätze sollen erwirtschaftet werden mit immer billiger werdenden Produkten. Dazu auch unser Beitrag: Fresenius/Helios, Asklepios, Sana Kliniken, Rhön-Klinikum : Das Geschäft mit unserer Gesundheit.
Möchten Sie so behandelt werden? Ruhiggestellt und abgeschoben statt liebevoll gepflegt – so sieht der Alltag in vielen Pflegeheimen aus. Kaum ein Pflegebedürftiger weiß wirklich, was ihn im Pflegeheim erwartet. Anders sieht es auch nicht in den Krankenhäusern aus. Gewinnmaximierung durch Personalabbau oder durch Einsetzen von Zeitarbeitern, da wird dann auch gern an Sachmitteln für den Pflegebereich gespart.
Wir haben bereits viele Beiträge über das Thema Pflege geschrieben. In diesem Beitrag möchten wir uns dem Thema Demenz widmen.
„Heuschrecken“ im Alten – und Pflegeheim
Im Portfolio des Investors Advent befindet sich die Klinikkette Median, die bundesweit 27 Rehakliniken und zwei Pflegeheime in Baden-Württemberg betreibt. Eigentümer der Pflegeheimkette Alloheim, Rang zwölf der größten Betreiber, ist der amerikanische Investor Carlyle. Die Carlyle Group übernahm im August 2013 die Trägerschaft der 49 Einrichtungen mit mehr als 4700 Pflegeplätzen vom britischen Investor Star Capital Partners. Die Alloheim Senioren-Residenzen GmbH ist seit dem Einstieg von Star Capital Partners 2008 von 13 Einrichtungen auf nunmehr 49 Residenzen gewachsen. Neben amerikanischen und britischen Investoren spielt mit Chequers Capital auch ein französischer Finanzinvestor eine große Rolle im deutschen Pflegemarkt. Der Private Equity Investor aus Paris hält die Mehrheit an der Münchener Silver Care Holding GmbH, die mit 53 Einrichtungen und rund 5200 Pflegeplätzen auf Platz 11 der größten Pflegeheimbetreiber 2013 liegt. Chequers Capital investiert neben dem stationären auch im ambulanten Pflegemarkt in Deutschland. Im April 2013 übernahmen die Franzosen die Mehrheit an der ebenfalls in München ansässigen Deutschen Fachpflege Holding GmbH, die Marktführer für ambulante Intensivpflege in der Bundesrepublik ist. Quelle
Den Sprung in die Top-30 der größten Heimbetreiber schaffte 2013 die Deutsche Seniorenstift-Gesellschaft aus Hannover. Mit der Übernahme der beiden Heime der Rommerskirchen GbR in Hamburg im Dezember 2013 verfügt die DSG nunmehr über gut 2000 Pflegeplätze in 18 Einrichtungen und belegt Rang 28 der größten Heimbetreiber in Deutschland.
Die Nummer1:
Die CURANUM – ein Unternehmen der KORIAN Gruppe – beschäftigt rund 13 000 Mitarbeiter und betreibt derzeit insgesamt 146 Einrichtungen sowie 23 Ambulante Dienste bundesweit.
Zu den Leistungen gehören vollstationäre Lang- und Kurzzeitpflege für alle Pflegestufen, betreutes Wohnen sowie insbesondere die Betreuung von Demenzerkrankten, Palliativpflege und andere besondere Pflegeformen (z. B. Apalliker, junge Behinderte, MS-Patienten und Suchtkranke). Die Curanum-Einrichtungen haben Versorgungsverträge mit Pflegekassen und Sozialhilfeträgern geschlossen.
Zum 7. November 2011 erwarb Curanum sechs Wohnstifte der in Bremen ansässigen Gesellschaft für Wohnen im Alter
Die Curanum AG führt die Liste der größten Betreiber mit insgesamt 13 201 Pflegeplätzen im stationären Sektor deutlich an. Das Unternehmen mit Sitz in München gehört seit diesem Jahr zum europäischen Marktführer im stationären Pflegemarkt, der Korian-Gruppe aus Frankreich. Die Korian-Gruppe ist bereits seit 2007 in Deutschland aktiv und übernahm im September 2007 die Phönix Seniorenheime Beteiligungsgesellschaft GmbH mit Sitz in Füssen. Seit September 2013 sind die Phönix Einrichtungen ein Teil der Curanum AG, die nun mit 124 stationären Einrichtungen in Deutschland vertreten ist. Europaweit betreibt die Korian-Gruppe rund 600 Einrichtungen und ist der Marktführer in Deutschland, Frankreich und Belgien sowie die Nummer zwei in Italien.
HINWEIS: Sophie Boissard ist Vorstandsvorsitzende der Korian-Gruppe. Ab 2007 arbeitete sie als stellvertretende Büroleiterin für Christine Lagarde, damals französische Ministerin für Wirtschaft, Finanzen und Industrie. Seit Juli 2011 ist Christine Lagarde die geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds.SKANDAL: Das Malheur beginnt beim größten Aktionär, der Norddeutschen Landesbank. Deren Stimmrechtsmitteilung vom 11. März 2008 gehört zu den absoluten Kuriositäten der Börsenhistorie. Wie die Landesbank mit monatelanger Verspätung mitteilte, hatte sie mehrfach Aktien von Curanum gekauft und verkauft und hielt schließlich 4,3 Mio. Stück. Allerdings behauptete die Bank, sie habe die Aktien nur für einen Kunden geordert – den Finanzinvestor Vatas. Der Streit ging vor Gericht. Vatas ging pleite. Die Landesbank hielt mit Stand vom September 2010 13,1 Prozent an Curanum. Ihr Kaufkurs: rund neun Euro. Ihr Buchverlust: rund 30 Mio. Euro. Quelle
Größte Anteilseigner waren nach Angaben der Deutschen Börse 2011 die niederländische Beteiligungsgesellschaft Navitas (13 %), die Norddeutsche Landesbank (13,1 %) sowie institutionelle Investoren wie Pentagon Bermini Fund (8 %) und Audley (12,4 %). Auch der US-Investor Guy Wyser-Pratte soll über seine Fonds mit rund 5 % noch mit von der Partie sein.Guy Wyser-Pratte ist das, was man in Deutschland eine „Heuschrecke“ nennt.
Im Juni 2011 stieg das Investmentunternehmen Triton mit 17,22 % bei Curanum ein. Triton Partners ist eine deutsch-schwedische Private Equity-Gesellschaft. Sie wurde 1998 mit Geld von der KfW, der Weltbank und mehreren schwedischen Familienstiftungen gegründet. Das Unternehmen ist über hierzu aufgelegte Fonds an 30 Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von 14 Mrd. Euro und mehr als 60.000 Angestellten mehrheitlich beteiligt. Triton investiert vornehmlich in Unternehmen, die in ihrem jeweiligen Markt führend sind.
Am 12. Februar 2015 wurde die Gesellschaft mit der Korian-Gruppe verschmolzen.
Nur, damit Sie einen Einblick bekommen – wer die Anteilseigner von der Korian Gruppe sind:
Threadneedle Asset Management Limited Premium 1,714,499 27,247 2.16 2.08 01/31/2016 Moneta Asset Management Premium 1,125,000 -245,000 1.42 1.47 09/30/2015 AXA Investment Managers Paris Premium 760,029 0 0.96 1.79 10/31/2015 Zadig Gestion (Luxembourg) S.A. Premium 733,400 132,106 0.92 5.87 12/31/2015 CPR Asset Management Premium 700,734 26,807 0.88 1.48 11/30/2015 DNCA Finance S.A Premium 768,839 60,000 0.97 3.60 03/31/2016 Pioneer Investment Management Limited Premium 686,784 0 0.86 1.24 02/29/2016 Vanguard Group Inc Premium 642,944 25,680 0.81 0.01 03/31/2016 Dimensional Fund Advisors LP Premium 645,985 45,408 0.81 0.04 02/29/2016 Allianz Global Investors GmbH – Frankfurt Premium 517,391 54,700 0.64 1.23 01/31/2016 Total: Top 10 institutions Premium 8,295,605 126,948 10.43
Freie gemeinnützige Träger
Stand 2013: Mit rund 60 000 Pflegeplätzen bieten die Heime der Arbeiterwohlfahrt insgesamt das größte Angebot, der Bezirksverband Westliches Westfalen rangiert als größter Träger stationärer Pflegeeinrichtungen innerhalb der AWO mit gut 7000 Pflegeplätzen in 60 Einrichtungen auf Platz sechs der Rangliste der größten Pflegeheimbetreiber. Etwa 65 000 Plätzen bieten die zahlreichen diakonischen Vereinigungen und Verbände, Caritas und das Deutsche Rote Kreuz sind mit rund 45 000 und 30 000 Pflegeplätzen im stationären Pflegemarkt vertreten. Das Bayrische Rote Kreuz und der Arbeiter Samariter Bund verfügen jeweils über rund 11 500 Plätze, die 91 zentral betriebenen Einrichtungen der Johanniter bieten Platz für 7700 Pflegebedürftige. Die Johanniter Seniorenhäuser GmbH ist damit der größte gemeinnützige Träger und belegt im Ranking den fünften Platz. Quelle
Demenz – Rechtlos und ausgeliefert?
Weltweit erkrankt alle 3,2 Sekunden ein Mensch an Demenz und die Zahlen steigen stetig an. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums gaben Kranken- und Pflegekassen sowie Sozialämter zuletzt jährlich deutlich über 20 Milliarden Euro für die Patientenversorgung aus. Derzeit leben weltweit 46,8 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung. 2030 werden es bereits 74,1 Millionen sein, 2050 schon 131,5 Millionen.
Bis zu 1,6 Millionen Menschen sind heute in Deutschland an Demenz erkrankt. Als wir anfingen, über das Thema zu berichten, lag die Zahl bei 1,2 Millionen. Auch die Bundesregierung legte einen Bericht vor, der voraussagt, dass sich die Zahl der demenziell erkrankten Menschen bis zum Jahr 2050 verdoppeln wird. Trotz aller Fortschritte bleibt Demenz eine gewaltige Herausforderung.
Der Pflegebereich ist ein Milliardenmarkt. Er ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Rund 2,8 Millionen Menschen, erhalten in Deutschland Pflegeleistungen. Der Bundestag verabschiedete im November 2015 eine neue Pflegereform. Das zweite Pflegeergänzungsgesetz tritt am 1. Januar 2017 in Kraft. Es sieht vor, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Demenz künftig den gleichen Anspruch auf Pflegeleistungen haben wie körperlich beeinträchtigte Menschen. Dadurch erhalten zusätzlich etwa 500 000 Personen Leistungen aus der gesetzlichen Versicherung.
Im Juli 2015 stellten wir eine Studie vor, die besagt, dass in den USA zwischen heute und 2050 über 28 Millionen Menschen mit der Diagnose Alzheimer konfrontiert werden. 2040 leiden bereits 10 Millionen Menschen an der Krankheit – eine Verdoppelung gegenüber den Alzheimer-Patienten im Moment – so die Prognose. Ob es so eintreffen wird, vermag keiner zu sagen, denn wie alle Prognosen können sie sich ändern. Fakt ist, dass zurzeit auf der ganzen Welt nach Ursachen und Heilmitteln geforscht wird.
„Weg vom Geist“ bzw „ohne Geist“ – so lautet die wörtliche Übersetzung des Begriffs „Demenz“ aus dem Lateinischen. Damit ist das wesentliche Merkmal von Demenzerkrankungen vorweggenommen, nämlich der Verlust der geistigen Leistungsfähigkeit. Am Anfang der Krankheit stehen Störungen des Kurzzeitgedächtnisses und der Merkfähigkeit. In ihrem weiteren Verlauf verschwinden auch bereits eingeprägte Inhalte des Langzeitgedächtnisses, sodass die Betroffenen zunehmend die während ihres Lebens erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten verlieren.
Im Film „Honig im Kopf“ erklärt der Kinderarzt Enkelin Tilda anschaulich, was es mit der Demenz ihres Opas auf sich hat:
Das Gehirn ist wie ein Bücherregal. Mal fällt dieses, mal jenes Buch um. Je nach Tagesverfassung stellt sich auch mal wieder ein Buch auf. Aber: Schreitet Alzheimer fort, fallen immer mehr Bücher aus dem Regal.
Medikamentöse Ruhigstellung betreuungsbedürftiger Menschen
Die viel geübte Praxis, Demenzpatienten mit Antipsychotika ruhigzustellen, wird schon lange heftig kritisiert. Zunächst waren es allein ethische Bedenken, dann kamen medizinische Gründe hinzu.
Über 50 Prozent der dementen Menschen in Pflegeheimen werden mit einem Cocktail aus Neuroleptika und anderen Psychopharmaka behandelt, obwohl diese gerade bei alten Menschen schwerwiegende Nebenwirkungen haben. Die Weltgesundheitsorganisation WHO, die europäische und auch die deutsche Arzneimittelbehörde warnen vor dem unbedachten Einsatz dieser Mittel. Vergeblich.
Beispiele:
Walter Mette beschrieb diese Chronik heimlicher Sedierung seiner Frau und erstattete Strafanzeige gegen Ärzte sowie das Heim. In ähnlicher Weise dürfte das in den allermeisten Heimen ablaufen. Darum raten wir Angehörigen, Veränderungen zu beobachten und sofort zu reagieren. Rechtsverstöße dieser Art passieren vor allem deshalb, weil viel zu selten Anstoß genommen wird. Dabei hat der Gesetzgeber die Rechte von Patienten in 2013 nochmals gestärkt.
Hier ein gut dokumentiertes Beispiel: Medikamentöse Gewalt gegen Menschen mit Demenz – Beispiel aus Hamburg 2005. Der folgende Bericht stammt von einer Frau, die ihren an einer Demenz erkrankten Mann während seiner Odyssee durch verschiedene Fachkliniken und Heime in Hamburg begleitet hat.
Ein Auszug aus der Dokumentation:
„In manchen Bereichen hat die Medizin in den letzten Jahrzehnten erstaunliche Fortschritte gemacht, in anderen tritt sie auf der Stelle oder produziert chronische Krankheitsverläufe und Multimorbidität wie nie zuvor. Dies betrifft insbesondere die Demenz. Hier waren nach meiner Beobachtung manche Ärzte vor dreißig Jahren an Erkenntnis und Behandlungserfolgen weiter, als es die meisten heute sind. Wie das oben Geschilderte deutlich macht, wurde in keiner Klinik, in keinem Krankenhaus, in das Herr M wegen Verhaltsauffälligkeiten eingeliefert worden war, nach den möglichen Ursachen im Umgang mit dem Kranken gefragt. Die Betreuerin kam schließlich alleine darauf, dass offenbar ein Zusammenhang besteht zwischen der Art, wie mit Herrn M umgegangen wurde, und seiner Aggressivität. Von den Fachleuten wurden sofort und ausschließlich Medikamente eingesetzt, um den Mann verträglich zu machen. Diese Praxis, die ich selbst in den letzten dreißig Jahren immer wieder beobachtet habe, ist nach meiner Einschätzung zu einem Großteil an der beklagenswerten Situation in der Pflege schuld. Ganz abgesehen von den Kosten, die gespart werden könnten, würden Patienten die Nebenwirkungen dieser Medikamente erspart. Im Dezember 2005 feiert die Forschungsgesellschaft für Gerontologie ihr 15-jähriges Bestehen, lese ich heute. Ich frage mich, was es hier zu feiern gibt, wenn man solche Ergebnisse sieht. Wem haben die Forschungen dieser Gesellschaft wirklich genutzt? Was nutzen überhaupt die unzähligen Modelle und Studien, wenn sich niemand verpflichtet fühlen muss, positive Erkenntnisse, die daraus gezogen werden können, zum Nutzen Demenzkranker einzusetzen. Was wir stattdessen brauchten, wäre ein ergebnisorientiertes Gesundheitssystem.“
Nach acht Wochen Klinikaufenthalt und Behandlung mit Neuroleptika konnte Herr O kaum noch ohne Hilfe einen Schritt vor den anderen setzen. Da seine Frau diesen Zustand, der eindeutig auf die Medikation zurückzuführen war, nicht akzeptieren konnte, suchte sie einen Arzt, der bereit war, diese Medikamente auszuschleichen. >Teure Fehlbehandlung
Der Einsatz von Neuroleptika bei Demenzkranken soll zu einer erhöhten Sterblichkeit führen.
Eine veröffentlichte amerikanische Studie unterstreicht die Problematik des Off-Label-Use und weist auf relevante Unterschiede im Gefahrenpotenzial unterschiedlicher Neuroleptika hin. In der Praxis werden diese Daten weitgehend ignoriert. Neuroleptika werden bei Demenz – ohne entsprechende Zulassung – im großen Stil gegen Aggressivität und innere Unruhe sowie nächtliches Umherwandern eingesetzt. Kritiker argumentieren, Neuroleptika würden gegen problematisches Verhalten eingesetzt, um dem Personal die Pflege zu erleichtern und das eigentliche Problem des Pflegenotstandes zu kompensieren. Siehe dazu: pharmazeutische-zeitung.de
Es gibt durchaus hoffnungsvolle Initiativen. In innovativen Pflegeheimen und Wohngemeinschaften können Demenzkranke ein menschenwürdiges, zufriedeneres Leben führen.
Im Grundgesetz steht geschrieben, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Kriminelle Betreuer – RECHTLICHE BETREUUNG – WENN DAS GERICHT EINSCHREITET
Wenn Demenzkranke ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können und eine Vorsorgevollmacht oder andere Maßnahmen dies nicht auffangen, kann eine rechtliche Betreuung erforderlich sein.
Jede Person ist berechtigt, eine rechtliche Betreuung anzuregen – auch Betroffene selbst. Ein formloser Situationsbericht reicht aus, um prüfen zu lassen, ob diese Maßnahme nötig ist oder nicht. Üblicherweise ist das Amtsgericht am Wohnsitz der betroffenen Person dafür zuständig. Übrigens: Wenn, wie bei einer Demenz, eine geistige Erkrankung vorliegt, kann das Betreuungsgericht eine rechtliche Betreuung sogar gegen den Willen der Kranken einrichten.
INFOBOX:
Vorrang ehrenamtlicher Betreuer
Meist setzt das Gericht pflegende Angehörige als Betreuer ein, falls eine Betreuungsverfügung dies nicht ausschließt. Findet sich in der Familie niemand oder lehnen die Vorgeschlagenen das Ehrenamt auf Grund von Überlastung und Überforderung ab, bestimmt das Gericht einen Berufsbetreuer oder eine Berufsbetreuerin. Diese kosten allerdings mehr: Ehrenamtliche Betreuer haben einen Anspruch auf Erstattung ihrer Sachkosten, die ihnen durch die Führung der Betreuung entstehen. Dabei können sie wählen zwischen einem pauschalen oder einem tatsächlichen Aufwendungsersatz. Der pauschale Aufwendungsersatz beträgt 323 Euro im Jahr.
Berufsbetreuer erhalten zwischen 27 und 44 Euro die Stunde – allerdings pauschaliert und nach oben begrenzt. Betreute, die nicht mittellos sind, müssen diese Kosten je nach finanzieller Situation teilweise oder ganz selbst tragen. Gleiches gilt für die Kosten des Betreuungsverfahrens.
Quelle: Bundesministerium
Es kann schnell gehen: Unfall oder Krankheit – und plötzlich steckt man in Betreuung. Was aber, wenn die Betreuer kriminell sind? Eine Studie zeigt: Die Einfallstore für Betrug stehen weit offen.
In ganz Deutschland wurden 2015 1,3 Millionen Menschen rechtlich betreut. 80 Betreuungen und mehr pro Betreuer sind da keine Seltenheit. Darunter leidet die Qualität enorm. Trotzdem gibt es keine verbindliche Obergrenze für die Anzahl der Betreuungen pro Betreuer.
Im Einführungsjahr des Betreuungsgesetzes beliefen sich die Kosten für die Betreuungen in Deutschland auf 5 Millionen Euro. Im Jahr 2014 kostet die Betreuung 840 Millionen Euro.
Studienergebnisse
Kriminalrat Markus Binninger hat knapp 40 Fälle von Betreuungskriminalität im Rahmen einer Studie der Polizeihochschule in Münster untersucht. In über der Hälfte der untersuchten Fälle lag eine finanzielle Notsituation des Betreuers vor. Trotzdem durften diese Personen Betreuer werden. Ebenfalls bei der Hälfte der Fälle fanden die kriminellen Handlungen in einem Zeitraum von 12 bis 24 Monaten statt, bis die Taten schließlich entdeckt wurden. Es waren Fälle dabei, in denen Betreuer noch am Tag ihrer Bestellung die erste unrechtmäßige Vermögensverfügung tätigten.
Überfordert mit Kontrolle
Wo bleibt also die Kontrolle? Die existiert. Sie wird von Rechtspflegern übernommen. Doch auch die sind heillos überlastet. Ein Rechtspfleger soll bis zu 900 Fälle gleichzeitig kontrollieren – schier unmöglich. Entscheidende Verbesserungen sind nicht in Sicht. So bleibt der Betreuungskriminalität weiterhin Tür und Tor geöffnet …
Eines schreibt das Gesetz jedoch klar vor: Ein Betreuer muss den Willen des Betreuten beachten. Doch die schutzlose Situation der Betreuten lockt auch schwarze Schafe an. Dabei geht es nicht „nur“ um Entscheidungen, die nicht im Sinne des Betreuten gefällt werden. Geld oder Wertsachen werden unterschlagen. Manchmal sogar im ganz großen Stil.
Intransparenz, Betrug und Korruption. Laut einer Studie von Transparency International Deutschland zählen für Pflegedienstleister Gewinne mehr als das Wohl ihrer Patienten. Manche Anbieter verkauften ihre Kunden sogar weiter. Die Branche boomt. Es gebe zu wenig Kontrollmöglichkeiten und jede Menge Optionen, die Abhängigkeit von Menschen mit Pflegebedarf wirtschaftlich auszubeuten, hieß es bei der Vorstellung der Studie in Berlin.
Wir fordern: Menschenwürdiger Umgang mit Pflegebedürftigen, Kranken und Pflegekräften
Weil wir so nicht behandelt werden möchten – weil das ja wohl das mindeste ist, was ein Mensch/jeder Mensch verdient hat – Menschenwürdiger Umgang. Rechte und Bedürfnisse pflegebedürftiger Menschen müssen im Mittelpunkt der Pflege stehen.
In zehn Jahren wird es 3,4 Millionen Pflegebedürftige bundesweit geben, eine Million mehr als heute. Kritiker sprechen schon heute von katastrophalen Zuständen.Und die, die an der Pflege verdienen, lassen sich immer neue Tricks einfallen, wie sie das Geschäft beleben können.
Hier muss aber auch erwähnt werden, so wie es „schwarz Schafe “ gibt, so gibt es auch Einrichtungen, die herausragendes leisten und den Menschen in den Vordergrund stellen.
Mehr Informationen zu dem Thema Demenz:
Pflege geht uns ALLE an – „Solche Pflege ist Folter“
Netzfrau Doro Schreier
Weitere Informationen:
Fresenius/Helios, Asklepios, Sana Kliniken, Rhön-Klinikum : Das Geschäft mit unserer Gesundheit
Erfahrungsbericht einer Pflegekraft
Wir fordern menschenwürdigen Umgang mit pflegebedürftigen Kranken und Pflegekräften
“Verlorene” Kindheit – wenn kleine Kinder zu Pflegekräften werden
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