Brüssel Business – Skandale in der EU – Wer steuert die Europäische Union wirklich?

Europäische UnionWie der European Round Table of Industrials (ERT) die EU-Kommission fest im Griff hat, eher eine EU-Institution ist als ein Club und warum die EU wirklich gegründet wurde.

– Wussten Sie, dass Brüssel (EU) an zweiter Stelle der Weltstädte steht, in denen Konzernlobbying betrieben wird? An erster Stelle liegt übrigens Washington D. C. (USA) – doch Brüssel holt rasant auf!
– Wussten Sie ferner, dass für Konzernlobbying momentan weit mehr als eine Milliarde Euro ausgegeben wird?
– Und wussten Sie auch, dass es etwa 10 000 – 20 000 Lobbyisten in Brüssel gibt? – Keiner kennt die genaue Zahl, weil es selbstverständlich keine Transparenz darüber gibt

Wir haben viel Zeit und Mühe investiert, um für Sie diesen Bericht zusammenzustellen. Bitte lesen Sie ihn aufmerksam durch und machen sich selbst ein Bild von der Lage.

Der Dokumentarfilm „Brüssels Business”, aus dem die Fakten stammen, machte sich auf eine kriminalistische Spurensuche und befragte Unternehmer, Lobbyismus-Kritiker, Aktivisten, EU-Kommissare und Wissenschaftler, um herauszufinden, wer in der EU die Strippen zieht.

Wir haben uns die Dokumentation angeschaut und für Sie zusammengefasst, denn gerade solche Beiträge sind auf youtube nicht erhältlich. Es ist wichtig, solche Informationen zu wissen, denn genau so wie die Filmemacher Friedrich Moser und Matthieu Lietaert verstehen wollen, wer in der EU wirklich die Strippen zieht, genau das wollen auch wir wissen. Wir wollen wissen, wie bestimmte Gesetze zustande kommen und warum welche Projekte durchgeführt wurden und noch werden.
Was wir als Informationen zusammen getragen haben, ist schockierend.

Wir sind für eine Europäische Gemeinschaft, aber nicht im Sinne der Lobbyisten, sondern zum Wohle aller Europäer. Dazu gehört auch Transparenz, denn die ist wichtig für eine Demokratie. Europa gestalten, doch bitte zum Wohle aller und nicht zur Unterstützung der Profitgier einiger weniger Konzerne. Eine Demokratie braucht Vertrauen, doch dieses Vertrauen geht immer mehr verloren. Schauen Sie sich um, überall kommt es zu großen Massenprotesten, weil viele Europäer unter den gravierenden Sparmaßnahmen zu leiden haben. Wir haben oft darüber berichtet, ob Griechenland, Portugal, Spanien oder Zypern. Ja sogar in Großbritannien finden Massenkundgebungen statt. Ein Aufschrei der Bevölkerung Europas, nein, so haben wir uns Europa nicht gewünscht. Wir haben geträumt von Frieden und Freiheit in einem gemeinsamen Europa, genau dafür erhielt die Europäische Union 2012 den Friedensnobelpreis. 

Lange Zeit konnte die Europäische Union auf eine breite, mehr oder weniger stillschweigende Zustimmung der Bevölkerung bauen. Diese Zeiten sind vorbei. Die EU steckt in einer tiefen Vertrauenskrise. Die vielen Massenproteste in vielen Mitgliedstaaten zeugen von wachsender Unzufriedenheit mit der Entwicklung der Europäischen Union. Dieses Vertrauen muss wieder aufgebaut werden. Demokratie bedeutet auch Teilhabe und diese Teilhabe verlangt Transparenz.

Daher haben wir diesen Bericht verfasst, weil wir wollen, dass es endlich in den europäischen Institutionen eine echte Transparenz gibt. Die Politik in Brüssel muss für die Bürger Europas gestaltet werden! Wir wollen keine Lobbyisten-Gesetze und Verordnungen, welche nur den Konzernen nützen und der Bevölkerung schaden. 

Zuerst folgen die wichtigsten Zitate und Informationen, bevor der Bericht in voller Länge beginnt.

Zitate

„Die EU ist keine Demokratie!“

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Olivier Hoedeman von Corporate Europe Observatory (CEO)

„Wenn Lobbyisten, Geld- und Gesetzgeber aufeinandertreffen, dann entsteht Korruption im grossen Stil!“

„Wenn Lobbying von der reinen Expertise sich zu etwas entwickelt, was man als Auftragslobbying beschreiben könnte.“

 

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Lobby-Reformer Washington DC, Craig Holman

„Um etwas zu erreichen, trifft man am besten ein Abkommen mit der WTO (Welt Handels Organisation) in Genf!“

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Lobbyist / Geschäftsführer des European Services Forum (ESF) Pascal Kerneis

Seinen Job in der EU-Kommission gab er 1990 auf, da er sich entschloss, lieber dahin zu gehen, wo das Geld liegt.

Hier ein paar weitere Zitate von Pascal Kerneis:
„Offensichtlich herrscht keine Chancengleichheit zum Nachteil der Unternehmen. In meinem Job geht es darum, diese Barrieren zu beseitigen.“
„Als ich an den GATS Verhandlungen für Finanzdienstleistungen arbeitete, merkte ich: Das ist wirklich interessant und das will ich machen.“
„Ein internationaler Vertrag, von der Europäischen Union unterschrieben, steht über dem EU-Gesetz. Alle Länder der Europäischen Union müssen einen internationalen Vertrag repektieren, den die Union unterzeichnet hat.“
„Wir entdeckten, dass es in Washington eine ganze Welt von Lobbyisten gab, die ihrer Regierung diktierten, was sie verhandelt haben wollten.
Daraufhin dachten wir, diesen Weg sollten wir auch einschlagen. Die europäischen Institutionen verlangen danach.“

„Wir wollten über ein Handelsabkommen diskutieren, welches im Geheimen von der OECD verhandelt wurde.“

 

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Erik Wesselius (Aktivist von CEO)
„Zur Debatte stand das multilaterale Abkommen über Investitionen, das MAI, es ging um Internationale Investitionen.
Klingt möglicherweise harmlos für einen Außenseiter, tatsächlich aber geht es um einen massiven Angriff und läuft auf eine mögliche Untergrabung der Demokratien hinaus.“

„Die Europäische Kommission ist davon überzeugt, dass die Aktivitäten von Interessensvertretern legitim und wertvoll für Entscheidungsfindungsprozesse sind.
Jedoch muss dies transparent geschehen. Die Kommission hält es für wichtig zu wissen, wer die Interessensvertretungen sind, welche Interessen sie vertreten und von wem sie finanziert werden.“

 

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Siim Kallas (ehem. EU-Verwaltungskommissar aus Estland) im Europäischen Parlament

Er führte schließlich ein freiwilliges System ein, entgegen dem Rat von NGOs und Experten, mehr konnte er jedoch nicht erreichen!

„Ich möchte mich aufrichtig bedanken für das Vertrauen, welches Sie in mich setzen. Ich weiß, dass dieses Vertrauen, auch ein großes Maß an Verantwortung für mich bedeutet.
Wir werden hart daran arbeiten, alles zu geben, um Europa zu dienen, den Institutionen der Europäischen Union zu dienen und all unseren Mitbürgern.“

barroso

Die Begrüßungsrede von Herrn Barroso in der EU-Kommission 2004

Leider haben wir, die Bewohner Europas, davon nicht viel mitbekommen!

Mehr Transparenz, bitte!

Das große Problem ist, dass wir keine Ahnung davon haben, wie viel Geld hinter der Brüsseler Politik steckt. Wir haben keine Ahnung davon, wie viel für Lobbying ausgegeben wird und von wem und für welche Ziele.
Wir müssen das sofort unter demokratische Kontolle bekommen. Es muss unbedingt transparent gemacht werden, wie groß die Rolle des Lobbyismus in der Brüsseler Politik ist.
Welche Rolle spielen Unternehmen wie MONSANTO oder SHELL? Welche Rolle spielen ausländische Regierungen wie China, Russland oder die USA bei den Entscheidungsfindungen in Brüssel?

ERT – EUROPEAN ROUND TABLE OF INDUSTRIALISTS

Wissen Sie, was ERT – EUROPEAN ROUND TABLE OF INDUSTRIALISTS ist?
Wussten Sie, dass das TEN (Trans-Europäische-Netzwerk)-Projekt dem Bericht der ERT (Reshaping Europe)  fast 1:1 entspricht? Es scheint, als hätte die EU-Kommission den Bericht übernommen, obwohl es sich bei den Autoren des ERT-Berichtes um 3 Vorstände von Konzernen handelt:

  • Wisse Dekker war Chef von Phillips.
  • Pehr Gyllenhammar war Chef von Volvo.
  • Jérome Monod war Chef von Lyonnaise des Eaux.

In dem Bericht enthalten: Der Eurotunnel, Scanlink, Pyrenäenkorridor.

Und wie aus den kopierten Dokumenten des ERT hervorging, arbeiten der European Round Table of Industrials und die EU-Kommission Hand in Hand.

Alle sechs Monate fand ein EU-Gipfeltreffen statt.

Alle sechs Monate traf sich der ER nur jeweils wenige Tage zuvor. Ort und Datum wurden geheimgehalten, gebucht wurde jeweils zwei Jahre im Voraus. Für das jeweils kurz darauf folgende Gipfeltreffen der Regierungen gab es klare Botschaften: Führt den Binnenmarkt ein, Währungsunion, Infrastrukturprojekte, einen flexiblen Arbeitsmarkt, Deregulierung, Reduzierung des öffentlichen Dienstes, Sparmaßnahmen. Die komplette neoliberale Agenda halt, mit welcher wir ja bereits stark in Berührung gekommen sind in den letzten Jahren und die noch viel mehr werden soll nach den Wünschen des ERT und der EU-Kommission!

wisse_dekker

Im Dezember 1985 schrieb Wisse Dekker (Chef von Phillips) an die Staatschefs unmittelbar vor der Unterzeichnung der einheitlichen, europäischen Akte, welche den Binnenmarkt starten sollte.
Die Kernaussage war: „Wir wissen nicht, was Sie vorhaben, jedoch wollen wir, dass Sie handeln! Sie können das in die eine oder in die andere Richtung tun. Jedoch entschließen Sie sich, keinen Binnenmarkt einzurichten, dann lassen Sie uns keine andere Wahl als unser Unternehmen möglicherweise woanders anzusiedeln!“
Eine klare und deutliche Drohung also an die Staatschefs Europas! Ein Riesenskandal!
Der ERT repräsentierte 60% der westeuropäischen Industrie, eine Erpressung also!

1993 wurde die Europäische Union gegründet.

Den Bürgern wurde dieses als politisches Projekt verkauft. Doch die Unterlagen, welche gefunden wurden, wiesen in eine ganz andere Richtung. War dahinter wieder ein Plan wie schon bei dem TEN-Projekt, geschrieben vom ERT?
Die Botschaft des ERT findet man auch in anderen Wirtschaftskreisen, was jedoch beängstigend war gemäß Erik Wesselius (Aktivist von CEO), waren so auch die enge Zusammenarbeit und die persönlichen Kontakte zwischen dem ERT und vor allem der Europäischen Kommission.
Aus den Unterlagen der kopierten Papiere bei einer Besetzung einer NGO vom Büro der ERT ging hervor, dass sich die EU-Kommission und der ERT regelmässig trafen.
Die Tonart war zwar sehr formell, jedoch fand alles im Geheimen statt!
Der ERT und die EU-Kommission arbeiteten Hand in Hand.

Mitte der 90ziger Jahre war der ERT überall vertreten, in Beratungsausschüssen der EU-Kommission, in Sachverständigengruppen, Forschungseinrichtungen und Denkfabriken (Thinktanks).
Die Präsentation „Europe, INC.“ der Aktivistengruppe der kopierten Dokumente sollte am EU-Gipfeltreffen in Amsterdam 1997 sein. Die ganze Presse würde dort sein, sie waren sehr gespannt.
Jedoch kam praktisch wie verhext genau an diesem wichtigen Tag fast keine Presse.

Aktivist Olivier Hoedeman (CEO) sagt:
„Das multilaterale Abkommen über Investitonen, das MAI hätte bedeutet, dass Regierungen ausländische Unternehmungen bei gesetzlichen Verbesserungen des Umweltschutzes, Arbeitsbedingungen, Gleichbererchtigung von Frauen oder bei der Besteuerung von Kapital entschädigen müssten.
Das MAI hätte Unternehmen sogar beim Ausbleiben erwarteter Profite, weil ein Gesetz oder eine Regulierung entstehen könnte, entschädigen sollen.
Dies ist gegen jede Logik, sogar gegen die des freien Marktes.“

Bitte beachten Sie die diversen Artikel der Netzfrauen zum Thema sogenannter Investitionsschutz, wie er derzeit wieder bei Verhandlungen zum TTIP und CETA verhandelt wird.

lori_wallachLori Wallach, Aktivistin aus Washington D. C. erläutert:

Die Dokumente kamen von einem demokratie-liebenden Beamten in einer Regierung, welche nicht genannt werden soll, zu seinem Schutz.

Daraufhin veröffentlichten sie diese Dokumente im Internet und schrieben einen Kommentar, der für jeden verständlich war. Schließlich stellte sich sogar heraus, dass viele europäische Länder nicht einmal hiervon wussten, und Frankreich legte dann sein Veto ein.

Dies geschah nur dank einiger Aktivisten, welche diese Dokumente von einem Staatsbeamten zugespielt bekommen hatten.

sir_leon_brittanTrotz der Niederlage bei den MAI-Verträgen in der OECD wollte Sir Leon Brittan (damaliger EU-Handelskommissar) das Projekt nicht aufgeben, er brachte es also einfach erneut ein unter dem Namen „multilaterales Investitionsabkommen (MIA)„.

Aktivist Olivier Hoedeman (CEO):
„Als Grundlage für dieses Handelsabkommen nahm die EU-Kommission lange die Interessen der grossen europäischen Konzerne.
Wenn wir die EU-Kommission um Dokumente wie Korrespondenzen oder Protokolle von Besprechungen baten, um daraus zu rekonstruieren, was in dieser Debatte vor sich ging, behandelte die EU-Kommission unsere Anfrage wie einen feindseligen Akt.
Sie schwärzten alle essentiellen Abschnitte, von denen sie nicht wollten, dass wir hiervon etwas erfahren sollten. Sie behandelten uns wie Feinde.“

Die Transparenz-Initiative von Siim Kallas, dem damaligen Verwaltungskommissar, musste er in ein freiwilliges System ändern entgegen dem Rat von NGOs und Experten, mehr konnte er nicht erreichen.

INFOBOX

Siim Kallas ist ein estnischer Politiker. Er war 2002/2003 Ministerpräsident der Republik Estland. Von 2010 bis 2014 war er Vizepräsident der Europäischen Kommission sowie Kommissar für Verkehr. 2005 lancierte er die Transparenz-Initiative, die 2008 in der Einführung eines freiwilligen Transparenz-Registers der EU mündete. 2012 wirkte er als Zeitzeuge in dem Dokumentarfilm „The Brussels Business – Wer steuert die Europäische Union?” mit. Seine Aussagen basierten auf seinen Erfahrungen als Vizepräsident der Europäischen Kommission. Quelle

Barroso ernannte eine unabhängige hochrangige Gruppe zur Finanzaufsicht

Im Oktober 2008, einen Monat nach Ausbruch der weltweiten Finanzkrise, ernannte Kommissionspräsident José Manuel Barroso eine unabhängige hochrangige Gruppe zur Aufsicht der Finanzmärkte. Ihre Aufgabe ist die Regulierung dieser Märkte, um einen Weg aus der Krise zu finden. Doch bei näherem Hinsehen entpuppt sich diese Gruppe von acht „EU-Weisen“ als gar nicht so unabhängig: Drei der acht Weisen sind direkt mit jenen US-Banken verbandelt, die die Krise ausgelöst haben. Der Kopf der Gruppe ist Vorsitzender einer großen Finanzlobby. Steht nach 20 Jahren Deregulierung und Liberalisierung die Europäische Union selbst plötzlich am Rande des Zusammenbruchs? Und steht nicht vielmehr die Demokratie selbst auf dem Spiel und mit ihr jene Werte, die uns teuer sind?

Die Hilfe bei der Überwindung der Finanzkrise durch diese Leute war gleich Null! Es floss hauptsächlich sehr viel öffentliches Geld in die Banken!

Kann das im Sinne von uns Europäern sein? War es naiv, einen europäischen Traum zu haben? Wurde dieser Traum von einigen wenigen für deren Profit ausgenutzt? Hätten wir es verhindern können? Fragen, die wir uns immer wieder stellen.

Brüssels Business – Wer steuert die Europäische Union?

Nun beginnen wir mit dem vollständigen Bericht:

Brüssel ist eine kleine Stadt. Sie gleicht eher einer Provinzstadt, doch dies ist eher eine oberflächlich betrachtete Meinung. Wenn man Brüssel besser kennt, ist Brüssel die Stadt überhaupt.
Der Schuman-Kreisel in Brüssel ist quasi das Epizentrum der politischen Macht in Europa.
Genau an diesem Platz sind einige der wichtigsten EU-Institutionen angesiedelt.
Genauer: Die europäische Kommission, das Gebäude des Ministerrats, das europäische Parlament liegen gerade mal 1 km davon entfernt.

Rund um den Platz und sogar auf dem Platz selbst sind enorm viele Lobbybüros angesiedelt, quasi direkt an der Quelle.
Der Aktivist / Corporate Europe Observatory (CEO) Olivier Hoedeman meint, es seien Unternehmen, die genau hier ihren Sitz gewählt haben, um EU-Entscheidungen zu beeinflussen.

BP (British Petroleum), Statoil und Phillip Morris befinden sich direkt an diesem Kreisel, geht man von dort aus der Avenue de Cortenbergh entlang, findet man viele weitere Firmen wie den Agroriesen BASF.
Gleich nebenan sind Pernod Ricard, General Electrics oder Airbus.
Das ganze „EU-Hauptquartierviertel“ erreicht um diesen Platz etwa die Ausmaße von 3-4 Quadratkilometern.
Früher war dies eine Wohngegend, heute befinden sich dort fast ausschliesslich Büros, entweder von EU-Institutionen oder eben von einem dieser Lobbybüros, welche die Entscheidungen in diesen Institutionen beeinflussen.

Corporate Europe Observatory (CEO) beobachtet die Auswirkungen des Konzernlobbying.
Seit über 10 Jahren arbeitet Olivier Hoedeman auf diesem Gebiet und kämpft für Veränderungen in der Entscheidungsfindung und gegen die Geheimniskrämerei rund um den Lobbyismus.
Brüssel steht an zweiter Stelle der Weltstädte, in denen Konzernlobbying betrieben wird, an erster Stelle liegt Washington D. C.. Brüssel holt rasant auf.

Es gibt ca. 10 000 – 20 000 Lobbyisten in Brüssel. Keiner kennt die genaue Zahl, weil es keine Transparenz darüber gibt. Für Konzernlobbying wird momentan weit über eine Milliarde Euro ausgegeben.

CEO empört sich darüber, dass mächtige Leute und Konzerne sich derart in die Politik der EU einmischen und teilweise gar „einkaufen“, kontrollieren, was eigentlich demokratische Prozesse sein sollten.
Dies ist keine Demokratie laut Olivier Hoedeman von CEO!

Wer steuert die Europäische Union, kurz EU?

esfLobbyist / European Services Forum (ESF) Pascal Kerneis meint, es wäre wirklich sehr interessant gewesen, als er nach Brüssel kam. Erst leistete er seinen Wehrdienst und wusste absolut nichts über diese Stadt.
Am 1. Juli 1987 war sein letzter Tag bei der Armee und bereits am 2. Juli sein erster Arbeitstag in Brüssel.
Er wusste nichts über diese Stadt, war aber sehr aufgeregt. Er fuhr also die ganze Nacht durch, um seinen neuen Job in der Europäischen Kommission wahrzunehmen.
Schließlich unterschrieb er einen 2-Jahresvertrag, hiermit begann für ihn ein total neues und anderes Leben.
Seinen Job in der EU-Kommission gab er 1990 auf, da er sich entschloss, lieber dahin zu gehen, wo das Geld liegt.
Also ging er zum Europäischen Bankenverband und wurde Lobbyist.
Dort arbeitete er neun Jahre und entdeckte eine Welt, welche weit über Europa hinausging, nämlich den internationalen Handel.

Pascal Kerneis ist nun Geschäftsführer von ESF.

Mitglieder seiner Organisation sind multinationale Unternehmen, Wirtschaftsverbände, Banken oder Versicherungen, Unternehmen wie die Deutsche Bank, Barclays Bank oder AXA. [Infos: Weltherrschaft weniger Konzerne – wer mit wem?] Pascal Kerneis meint, als Lobbyist sind Kontakte lebenswichtig. Er hätte bestimmt 100 sehr wichtige Kontakte. Selber beschreibt er sich als Networker, als Botschafter und in dieser Position müsse man wissen, mit wem man reden müsse.

Pascal Kerneis vertritt nach seinen Aussagen 80% aller Dienstleistungsexporteure und Investoren. Der Umsatz dieser mache ca. 50% des Bruttoindlandsprodukts der EU aus.

Schicksal existiert nicht, das Schicksal kann man selber bestimmen und es liegt an jedem selbst, ob man die Chance ergreift. Die Eltern entschieden, als er jung war, dass er in ein Internat kommen sollte
Dort merkte er schnell, dass er sich verändern musste, denn wenn er es nicht tun würde, dann würde er zum Opfer.
„Wenn Du etwas erreichen willst und alle Mittel nutzt, dann kannst Du es schaffen!“

„Jedermann geht davon aus, dass Gesetze in den Institutionen geschrieben werden, also in der Kommission, im Ministerrat und im Europäischen Parlament. Doch im Untergrund spielt noch etwas Entscheidendes hinein, nämlich, wie man genau diese Institutionen beeinflussen kann.“

Genau diese Tatsache hat Pascal Kerneis‘ Interesse geweckt, meint er mit einem lachenden Gesicht.
Er kann ja schließlich auch noch gut lachen, die Frage ist eher, wie lange noch…
Er sieht sich selbst als Vermittler und findet es nicht gut, dass Lobbying so negative Assoziationen auslöst.
Für ihn ist Lobbyismus nur Networking und es gehe nur um den Kontakt mit Menschen. Die Welt sei sehr klein und die Leute, die er erreichen müsse, werden immer wie weniger. Nach seiner Ansicht seien vielleicht 100 Leute wirklich wichtig, alle weiteren schwirren nur etwas in der Welt herum.

Unternehmen wären heute global aufgestellt, dadurch wären seine Verbündeten die amerikanischen, chinesischen und taiwanischen Unternehmen. Alle würden am selben Ziel arbeiten, den Markt zu öffnen. Sie hätten eine globale Dienstleistungskoalition gegründet und könnten so Druck machen für gemeinsame Ziele.

Doch um etwas zu erreichen, trifft man am besten ein Abkommen mit der WTO (Welt Handels Organisation) in Genf.

Es reicht nicht einmal, Lobbying zu betreiben, man muss dasselbe immer und immer wieder „reinhämmern“, um es zu erreichen. Die ESF agiert nach seinen Aussagen langfristig.

„Sehr viele Unternehmen, die im Ausland investieren, werden gegenüber ihren Mitstreitern benachteiligt.
Manchmal bekommen sie keine Lizenz oder werden hoch besteuert. Es gibt Mittel und Wege, Unternehmen zu behindern. Offensichtlich herrscht keine Chancengleichheit, zum Nachteil der Unternehmen. In meinem Job geht es darum, diese Barrieren zu beseitigen“, so glaubt er.

Als er noch klein war, war eines seiner schönsten Weihnachtsgeschenke ein Globus. Er schaute ihn sich an und träumte vom Reisen und hoffte, dass er einmal weit herumkommen würde. Lobbying, so wie es einmal konzipiert wurde, ist eigentlich eine gute Sache. Kein Staat kann Experte sein in allen Bereichen, in die er involviert ist, deshalb lassen sich die Politiker von „Experten“ beraten.

Auftragslobbying

Lobbying ist, wenn sich von der reinen Expertise etwas entwickelt, was man eher als Auftragslobbying beschreiben könnte, gemäß Lobby-Reformerin Craig Holman, Washington D. C.

Nun haben wir die Situation, dass wir viele Lobbyisten haben, die keine Experten sind, jedoch von ihren Kunden (u. a. multinationalen Konzernen) dafür bezahlt werden, deren Wünsche und Ziele in die Politik mit einzubringen. Sie sind sehr effizient.

«Viele hiervon haben bereits in Regierungen gearbeitet und werden von den Firmen und Leuten angeworben nach ihrer „Staatsbeamtenzeit.“»

Somit haben genau diese „neuen Lobbyisten“ dann sehr viel Hintergrundwissen über die Regierung, für welche sie gearbeitet haben. Und genau dort entsteht dann die Korruption, sobald dann noch das Geld mit ins Spiel kommt.

«Wenn Lobbyisten, Geld und Gesetzgeber aufeinander treffen, dann entsteht Korruption im großen Stil!»

Im Europäischen Parlament sitzen 730 Parlamentarier.

Wie viele hiervon vertreten eigentlich noch die Interessen des Volkes und wie viele die des BIG BUSINESS?

Undercover-Journalisten filmten im Parlament einige merkwürdige Vorkommnisse mit versteckter Kamera.

ernst_strasserDer bekannteste Fall war der von Ernst Strasser, dem Fraktionsführer der österreichischen Konservativen im Europäischen Parlament. Er bezeichnete sich damals selbst in dem Video als Lobbyist, dass Lobbyisten viele Fehler machen würden und glauben würden, sie wären die Chefs.

Jedoch stimmt das so nicht, denn des Lobbyisten Kunde ist der Chef!
Namentlich erwähnte er Windows, Google, Apple und AT&T, die in Brüssel ihre Lobbying-Firmen haben, und dass es wirklich sehr interessant ist, wie diese es machen.
Er meinte, wenn man als Abgeordneter des Europäischen Parlaments zu denen gehen würde, dann stünden die Türen offen. Er bestätigte sogar, dass ein Kunde ihm 100 000 Euros im Jahr bezahlen würde und dass er zwischen 5 und 6 Kunden hätte. Wenn er nur einmal gegen seine Kunden handelt, wäre er sofort aus dem Geschäft, und er wolle dies doch nicht, denn ihm wäre seine Zukunft wichtig, auch nach dem Leben als Parlamentarier.

Ernst Strasser und zwei Parlamentarier aus Slowenien und Rumänien mussten nach seinem „ungewussten Interview“ das Parlament verlassen und müssen nun mit rechtlichen Schritten rechnen.

INFOBOX:

Ex-Innenminister von Österreich Ernst Strasser war zwei als Lobbyisten getarnten englischen Undercover-Journalisten auf den Leim gegangen und verlangte 100 000 Euro im Jahr dafür, im EU-Parlament für eine Abänderung von drei EU-Richtlinien (bezüglich gefährlicher Stoffe in Elektrogeräten, genetisch verändertem Saatgut und Elektroschrott) zu sorgen.

Am 13. Oktober 2014 entschied der Oberste Gerichtshof zum zweiten Mal und endgültig, dass der ehemalige ÖVP-Innenminister Ernst Strasser ins Gefängnis muss. Der Schuldspruch wegen Bestechlichkeit wurde bestätigt, das Strafmaß angepasst. Das Urteil lautet nun auf drei Jahre Haft – der Berufung wurde also stattgegeben, ein halbes Jahr Haft wurde erlassen. Quelle

Dies ist nur die Spitze des Eisberges.

Denn dieser Fall ist klar illegal, da diese drei Personen Parlamentarier waren. Interessengruppen schaffen es jedoch immer wieder, die Gesetzgebung in Brüssel zu beeinflussen, denn dieses Lobbysystem ist legal und das seit geraumer Zeit.

Anfang der 1990er-Jahre arbeitete der Aktivist Olivier Hoedeman (CEO) als Umweltschützer für eine NGO in Amsterdam, die mit anderen NGOs in Europa kooperierte.

Im Sommer 1993 bekam er ein Fax ins Büro dieser NGO. Es kam aus Südfrankreich von einer lokalen Umweltgruppe. Die Gruppe kämpfte gegen den Bau einer Autobahn durch das Aspeltal, eine ökologisch sehr wertvolle und wunderschöne Gegend.

Sie wollten wissen, ob sie mehr über die Rolle der EU, insbesondere der Rolle der EU-Kommission wüssten.
Daraufhin fingen sie an zu recherchieren.

Dieses Autobahnprojekt dort war Teil vom sogenannten Trans-Europäischen-Netzwerk, kurz TEN. Dieses war das größte Infrastrukturprojekt der Geschichte mit einem geschätzten Budget von 400 Milliarden Euros.
Freunde aus Schweden wiesen sie damals auf einen weiteren Detail hin. Hinter TEN stand eine sehr einflussreiche Lobbygruppe.
Die schwedischen Freunde fragten, ob sie den ERT kennen würden, den EUROPEAN ROUND TABLE OF INDUSTRIALISTS . Sie fanden daraufhin einen Bericht, der „Reshaping Europe“ lautete, auf Deutsch „Europa umgestalten“.

Darin enthalten waren: Der Eurotunnel, Scanlink und der Pyrenäenkorridor.

Schließlich verglich Olivier Hoedeman die Publikationen des TEN-Projektes der Europäischen Kommission und das Dokument „Reshaping Europe“ vom ERT miteinander und stellte fest, dass es fast identische Berichte waren.
Es schien, als kopiere die EU-Kommission den Bericht der ERT.
Nun wurde er richtig neugierig, was „Reshaping Europe“ wirklich bedeutete.
Ein Treffen in Dublin wurde im ERT-Bericht erwähnt mit 45 Konzernchefs, alle von multinationalen Konzernen mit milliardenschweren Umsätzen.
Firmen wie FIAT, LAFARGE, BP, HOECHST, NESTLÉ, SIEMENS, SHELL, UNILEVER und viele andere waren dort und alle unterstützen, was in diesem Bericht steht.
Die Autoren sind drei Konzernchefs: Jérome Monod, Pehr Gyllenhammar und Wisse Dekker. Wisse Dekker war Chef von Phillips. Pehr Gyllenhammar war Chef von Volvo. Jérome Monod war Chef von Lyonnaise des Eaux.

Ein politisches Manifest verfasst von den größten Industriekapitänen.

Ein erstaunliches Werk über die mögliche Umgestaltung Europas, verfasst von drei Konzernchefs.

Im Dezember 1993 fand die Jahresversammlung des NGO-Netzwerks statt, wofür Olivier Hoedeman arbeitete.
Alle waren sehr beeindruckt, was sie über den Einfluss der ERT auf die EU herausgefunden hatten.
Damals gab es keine wissenschaftlichen Studien über die Macht dieser großen multinationalen Konzernen in der EU-Politik.

Sie waren sich einig. Nun war der Zeitpunkt da, die Aufmerksamkeit auf den ERT zu lenken. Sie wollten provozieren und schrieben am Vorabend eine Pressemitteilung und gingen daraufhin am frühen Morgen zum ERT-Büro.
Einer meinte, er wäre Student und möchte gerne ein paar Dokumente besichtigen. Als sich die Türen öffneten, rannten alle gemeinsam hinein, direkt in das Büro des ERT.

„Wir besetzen Ihr Büro.“

brussels_business_keith_richardsonKeith Richardson, ehemaliger Generalsekretär European Round Table of Industrials (ERT), erinnert sich gut an diesen Tag.
Früh morgens hatte er eine Besprechung, kam also erst etwas später ins Büro und sah Transparente und viele unbekannte Gesichter. Er wollte wissen, was los ist und die Gruppe meinte: „Wir besetzen Ihr Büro.“
Die Polizei wollte er jedoch nicht rufen, da er eine Eskalation vermeiden wollte. An diesem Tag war ein Geschäftsessen geplant und so nahm er alle seine Mitarbeiter mit zu diesem Essen und überließ das Büro der Gruppe.

Die Aktivisten waren von dieser Reaktion sehr überrascht und beschlossen kurzerhand die Liste des ERT zu verwenden und diese samt Pressemitteilung an internationale Medien zu faxen.

Reaktion der Medien – Fehlanzeige!

Eigentlich hätte diese Aktion die Medien ja mehr als interessieren müssen, doch leider kam es anders.
Eine einzige Zeitung und ein Radiosendung waren interessiert, von den anderen Medien kam keine Reaktion.

Sie hatten damals keine Ahnung, wann die Mitarbeiter wieder zurückkommen würden. Überall lagen zahlreiche Dokumente und das Archiv war auch ordentlich gefüllt und geführt. Sie kopierten also viele Dokumente.
Sie fanden Anfragen an Europäische Regierungen und die EU-Kommission und die Antworten darauf.
Allein dies zeigte die enorme Verbindung und den Zugang zur EU. Anhand der Dokumente war der Einfluss der Lobbyisten deutlich erkennbar. Sie fanden so auch heraus, dass der ERT Anfang der 1980-er Jahre entstanden war.

Wie alles begann in Europa mit dem ERT und der EU-Kommission:

In den frühen 1980ern war Europa wirtschaftlich angeschlagen, Japans Aufschwung war sichtbar und die USA waren stark. In Europa befürchtete man, noch weiter benachteiligt zu werden.

brussels_business_maria_green_cowlesMaria Green Cowles ist Politikwissenschaftlerin aus Washington D. C und erzählt über die Gründung des ERT.
Pehr Gyllenhammar, der damalige Chef von Volvo, plante einen Weg von der Schaffung eines Marshallplanes für Europa. Er war sehr politisch und liebte es, im Mittelpunkt zu stehen.
Nun konstruierte er eine Liste mit Leuten, welche große multinationale Unternehmen führten, Leute, welche sich vielleicht zusammenschließen würden, um Ideen zu entwickeln und Lösungen für die wirtschaftliche Misere zu finden.

Keith Richardson glaubt, dass eine Schlüsselfigur der damaligen Kommission ein Belgier war.
Er hatte einen diplomatischen Hintergrund und kam aus der Wirtschaft und erkannte, gemäß Keith Richardson, was nötig war.

etienne_davignion

Vicomte Étienne Davignon fragte 1981 im Europäischen Parlament: „Wenn ich eine Frage habe an die Industrie, an wen soll ich mich dann wenden?“
Als Industriekommissar fand er anscheinend heraus, dass der Kontakt zwischen der Kommission und der Wirtschaft unzureichend war.

«Es gab eine Verbindung zu den Industrieverbänden, aber eher formaler Art. Die Leute, welche aber tatsächlich für einzelne Unternehmen verantwortlich waren, zu denen gab es keine Verbindung.»

Er war der Ansicht, dass der Kommission die Industrienähe fehlte, deshalb gründeten sie damals den ERT, um den direkten Draht zu den Vorständen der Konzerne zu haben.

Der CEO von FIAT, PHILLIPS, VOLVO, SIEMENS und einiger weiterer großer Unternehmen waren dabei.

Ein paar wenige Leute, welche die größten Unternehmen Europas führten, waren bereit, über politisch wichtige Themen mit denen zu sprechen, welche für die „Europäische Regierungsmaschinerie“ verantwortlich waren.

In Paris fand 1983 das erste ERT Treffen statt.

Im Rahmen des ERT versammelten sich erstmals die „Asse“ der europäischen Großunternehmen, um über die Politik von Europa zu sprechen.

jaques_delors1985 wurde Jacques Delors Präsident der EU-Kommission und dieser Herr sah alles genauso wie die Herren des ERT.
Es wurde beschlossen zu kooperieren und die Pläne zu bündeln, das war der große Durchbruch der ERT!

1993 wurde die Europäische Union gegründet.
Den Bürgern wurde dieses als politisches Projekt verkauft.
Doch die Unterlagen, welche gefunden wurden, wiesen in eine ganz andere Richtung.
Wieder ein Plan, so wie schon bei dem TEN-Projekt, geschrieben vom ERT?
Die Botschaft des ERT findet man auch in anderen Wirtschaftskreisen.

Gemäß Erik Wesselius (CEO) sind die enge Zusammenarbeit und die persönlichen Kontakte zwischen dem ERT und vor allem der Europäischen Kommission beängstigend.
Aus den Unterlagen der kopierten Papiere aus dem Büro der ERT ging hervor, dass sich die EU-Kommission und der ERT regelmäßig trafen.
Die Tonart war zwar sehr formell, jedoch fand alles im Geheimen statt!
Der ERT und die EU-Kommission arbeiteten Hand in Hand.

1984 entstand das Werk „Missing Links“ vom ERT. Daraufhin gründete die EU-Kommission dazu eine Arbeitsgruppe mit dem ERT. Im Januar 1985 verkündete Phillips sein Europa 1990 und seinen Aktionsplan für den Binnenmarkt.
Zehn Tage später hielt Jacques Delors eine Rede im Europäischen Parlament, die exakt das Gleiche beinhaltete wie der Plan von Wisse Dekker, dem damaligen Chef von Phillips.

Welch ein Zufall?!?…

lord_cockfieldIm Juni 1985 publizierte Lord Cockfield, Vize-Präsident der EU-Kommission, sein Weisbuch zum Binnenmarkt, eine Kopie des Dekker-Planes!
Alle sechs Monate fand ein EU-Gipfeltreffen statt. Alle sechs Monate traf sich der ERT, nur jeweils wenige Tage zuvor angekündigt.
Ort und Datum wurden geheimgehalten, gebucht wurde jeweils zwei Jahre im voraus.
Auch Keith Richardson (Ex-ERT) meint:

«Treffen gab es zwei Mal pro Jahr und die Treffen waren immer in sehr wohlhabendem Umfang und an außergewöhnlichen Orten. Es wurde darauf geachtet, dass jeweils ein Premierminister oder Außenminister dabei war.»

Der ERT war wie ein großer Club. Es gab keine Vertretungen, alle kamen persönlich, um sich mit den anderen Mitgliedern auszutauschen. Alle Teilnehmer investierten jeweils 48 Stunden für dieses Treffen, was für Leute in dieser Position schon damals sehr lange war.

«Sie hofften, dass alle Teilnehmer ihre Botschaft im eigenen Land weitergeben und der eigenen Regierung klar gemacht würde, dass ein besseres Europa gefordert ist im Sinne des ERT natürlich.»  [Lesen Sie dazu auch EFTA – Freihandelsabkommen mit dem Golfkooperationsrat (GCC) tritt am 1. 7. 2014 in Kraft – Dient alles nur noch dem Wachstum? Dem wirtschaftlichen Profit? Haben wir eine Bundeskanzlerin, die die Galionsfigur der deutschen Wirtschaft ist?]

«Ohne Europa wären sie verloren»,

so Keith Richardson.
Für das jeweils kurz darauf folgende Gipfeltreffen der Regierungen gab es klare Botschaften:

«Führt den Binnenmarkt ein! Währungsunion, Infrastrukturprojekte, einen flexiblen Arbeitsmarkt, Deregulierung, Reduzierung des öffentlichen Dienstes, Sparmaßnahmen.»

Das ist die komplette neoliberale Agenda, mit welcher wir ja bereits in den letzten Jahren stark in Berührung gekommen sind. Geht es nach den Wünschen des ERT und der EU-Kommission, ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht.

Die Vermutungen von CEO erhärteten sich immer mehr und wurden durch eine amerikanische Wissenschaftlerin, Maria Green Cowles, bestätigt. Sie war sehr interessiert an dem Thema Europa.

In den USA wussten sie bis dahin nicht viel über das Binnenmarktprogramm, bis Wirtschaftsvertreter es vor dem Kongress brachten.

Auf einmal gab es diese Diskussion über eine Festung Europa, und dass die europäische Gesellschaft amerikanische Firmen daran hindere, in Europa Geschäfte zu machen.
So dachte sie darüber nach, welche Rolle wohl die Wirtschaft im Binnenmarktprogramm spielte.
Was zu diesem Zeitpunkt darüber veröffentlicht wurde, vermittelte den Eindruck, dass dies eine von Regierungen eingeleitete Initiative war.

Doch als sie in Brüssel einige Leuten Fragen darüber stellte, kam etwas anderes heraus.
Sie fragte Konzernchefs und Firmensprecher dieser Unternehmen nach dem  genauen Ablauf und jeder erzählte ihr ein kleines Stückchen der Geschichte.

Dann traf sie sich mit Keith Richardson, sie sprachen über verschiedenes und er brachte sie auf einige Ideen.
Auch mit vielen anderen Leuten sprach sie und so kamen immer wieder neue Fragen auf.
Manchmal wusste Keith Antworten, manchmal nicht.
Schließlich, so glaubt sie, fragt sie Keith bei ihrem siebten Treffen nach Dokumenten.
Er meinte, er hätte einen Stapel Kartons im Keller des ERT, diese wären aus den Anfangszeiten. Diese Dokumente wurden in Kartons zur Aufbewahrung in den Keller gebracht und seit dem nicht mehr geöffnet. Insgeheim dachte sie sich: „Das ist es!“

Maria Green Cowles durchstöberte sämtliche Dokumente des ERT und stieß auf ein Telex von Wisse Dekker, dem Chef von Phillips.

Im Dezember 1985 hatte er an die Staatschefs geschrieben, unmittelbar vor der Unterzeichnung der einheitlichen, europäischen Akte, welche den Binnenmarkt starten sollte.

Eine klare und deutliche Drohung an die Staatschefs Europas – ein Riesenskandal!

Die Kernaussage war: „Wir wissen nicht, was Sie vorhaben, jedoch wollen wir, dass Sie handeln! Sie können das in die eine oder in die andere Richtung tun. Jedoch entschließen Sie sich, keinen Binnenmarkt einzurichten, dann lassen Sie uns keine andere Wahl, als unser Unternehmen möglicherweise wo anders anzusiedeln!“

Eine klare und deutliche Drohung also an die Staatschefs Europas! Ein Riesen-Skandal! Der ERT repräsentierte 60% der westeuropäischen Industrie, eine Erpressung also!
Warum schwiegen die Regierungen über diese Äußerungen oder über nachfolgende Drohungen?
Diese waren doch unsere gewählten Volksvertreter…

Olivier Hoedeman (CEO) empfand dies als Verrat und wollte zusammen mit anderen etwas dagegen unternehmen. Es war ihnen wichtig, dass die breite Öffentlichkeit davon in Kenntnis gesetzt würde.
So beschlossen sie ein Buch darüber zu veröffentlichen, sammelten Daten und führten Interviews, verdeckte Interviews.

Erik Wesselius (Aktivist CEO) war der ideale Mann für diese Aktion. Damals bekam man noch ganz leicht Presseausweise, hatte man dann noch ein Magazin oder ein Journal, war man bereits ein Journalist.
Es war nicht ganz richtig, aber auch nicht ganz falsch, meinte Erik.

Mitte der 1990-er Jahre war der ERT überall vertreten, in Beratungsausschüssen der EU-Kommission, in Sachverständigengruppen, Forschungseinrichtungen und Denkfabriken (Thinktanks).

Manche sagten, sie wären kaum mehr eine Lobbygruppe, sie wären eher ein Teil der EU-Institution.
Dennoch war der ERT nur eine von 2000 Lobbystrukturen in Brüssel: Wirtschaftsverbände, Lobbyberatungsunternehmen, Politikberater, Thinktanks…

Sie begannen nun damit, in die Lobbywelt einzutauchen….
Im Frühjahr 1997 fügten sie die Ergebnisse ihrer Nachforschungen und Interviews in einem Bericht zusammen.
Der Bericht heißt: Europe, INC.

Die Präsentation sollte beim EU-Gipfeltreffen in Amsterdam 1997 erfolgen. Die ganze Presse würde dort sein, sie waren sehr gespannt. Alles war bereit. Eine halbe Stunde vorher trafen die ersten Freunde ein.

Jedoch kam praktisch wie verhext genau an diesem wichtigen Tag fast keine Presse.
Der erste öffentliche Auftritt der Aktivistengruppe wurde leider kaum wahrgenommen. Es war enttäuschend.

«Sie dachten, sie hätten höchst wichtiges Material für die Bevölkerung Europas, doch die Geschichte wurde von den Medien kaum aufgegriffen.»

GATS, Marrakech Marokko 1994 12-15 April:

Sir Leon Brittan EU-Handelskommissar sprach:
„Wir haben die ambitionierteste Verhandlung zur Marktöffnung und zu einem Regelwerk abgeschlossen.
Es sieht eine Stärkung des regelbasierten, multilateralen Handels vor und, vielleicht wichtiger noch, die Gründung einer stärkeren und breiter angelegten Welthandelsorganisation.“

Als er an den GATS-Verhandlungen für Finanzdienstleistungen arbeitete, merke er, dass das wirklich interessant ist, und das wollte er machen, meint Lobbyist / European Services Forum (ESF) Pascal Kerneis.

«Ein internationaler Vertrag, von der Europäischen Union unterschrieben, steht über dem EU-Gesetz.
Alle Länder der Europäischen Union müssen einem internationalen Vertrag respektieren, den die Union unterzeichnet hat.»

peter_sutherlandPeter Sutherland, Generalsekretär GATT und WTO sagte:

„Wir stehen nun am Ende der weitreichendsten Handelsgespräche, welche es je gab.
Sie, die Unterhändler der 117 beteiligten Regierungen, haben einen beachtlichen Erfolg erzielt. Mit Ihrer Zustimmung erkläre ich die Uruguayrunde nun als abgeschlossen.“

Lobbyist / European Services Forum (ESF) Pascal Kerneis:
„Der Binnenmarkt der Europäischen Union wurde gerade sehr wichtig. Ein reicher Markt mit einem hohen Bruttoinlandsprodukt. Wenn nun die EU nach außen hin als Block auftrat, hatte sie reale Macht, denn sie war nun der größte Exporteur, der größte Importeur und der größte Investor.“

Doch Sir Leon Brittan beschwerte sich. Bei Verhandlungen mit den USA traf er natürlich seinen Amtskollegen.
Dieser wiederum hatte in seinem Rücken die Bosse großer Banken und Versicherungen, welche sagten:“Tun sie dies für uns, oder jenes für uns.“Wenn sich jedoch Brittan umdrehte, waren da nur ein paar Minister, dies passte ihm natürlich nicht.

«Wir entdeckten, dass es in Washington eine ganze Welt von Lobbyisten gab, die Ihrer Regierung diktierten, was sie verhandelt haben wollten.»

„Daraufhin dachten wir, diesen Weg sollten wir auch einschlagen. Die Europäischen Institutionen verlangen danach.
Die können sich nicht ausschließlich auf die Informationen ihrer Mitgliedsstaaten oder Experten in den Finanzministerien verlassen, sie benötigen direkte Informationen von Banken und Versicherungsgesellschaften.“

Die Welthandelsorganisation (WTO) wurde zu einer Zeit geplant, als weltweit eine Welle von Privatisierungen stattfand und der Gedanke dominierte: Was gut für große Unternehmen ist, ist gut für alle.
Gebt ihnen freie Bahn.

Das MAI – multilaterales Investitionsabkommen:

Im Oktober 1997 fuhr er zu einem Treffen von Aktivisten in Paris, welche von allen Teilen der Welt zusammenkamen.

„Wir wollten über ein Handelsabkommen diskutieren, welches im Geheimen von der OECD verhandelt wurde“, laut Erik Wesselius (Aktivist CEO)

„Zur Debatte stand das multilaterale Investitionsabkommen, das MAI, es ging um Internationale Investitionen.
Klingt möglicherweise harmlos für einen Außenseiter, tatsächlich aber geht es um einen massiven Angriff und um eine mögliche Untergrabung der Demokratien.“

Lori Wallach, Aktivistin Washington DC meint hierzu:

„Das MAI, wurde von einigen der weltgrößten Konzerne und deren Verbände ausgeheckt.
Das Ziel war, Regierungen davon abzuhalten, Großkonzerne sowie Kapital- und Investitionen zu regulieren, es beschnitt die Regierungen effektiv. Das Abkommen band den Regierungen die Hände und stärkte die Konzerne. Sie brauchten keinerlei Regulierungen hinnehmen und könnten sogar die Regierungen verklagen.“

Aktivist Olivier Hoedeman (CEO) sagt:

„Dieses Abkommen hätte bedeutet, dass Regierungen ausländische Unternehmungen bei gesetzlichen Verbesserungen des Umweltschutzes, der Arbeitsbedingungen, der Gleichbererechtigung von Frauen oder bei der Besteuerung von Kapital entschädigen müssten.
Gemäß MAI hätten Unternehmen sogar beim Ausbleiben erwarteter Profite entschädigt werden sollen, weil ein Gesetz oder eine Regulierung entstehen könnte. Dies ist gegen jede Logik, sogar gegen die des freien Marktes.“

Das ist der sogenannte Investitionsschutz, wie er derzeit wieder bei Verhandlungen zu TTIP und CETA verhandelt wird. Bitte beachten Sie die diversen Artikel der Netzfrauen zu diesem Thema.

Die Verhandlungen wurden unter großer Geheimhaltung gehalten, bis der offizielle Entwurf der EU durchsickerte. Kanadische Aktivisten wären an einen elektronischen Entwurf des Textes gelangt.

Lori Wallach, Aktivistin Washington D. C., erläutert: „Die Dokumente kamen von einem demokratie-liebenden Beamten in einer Regierung, der zu seinem eigenen Schutz nicht genannt werden soll.
Daraufhin veröffentlichten Sie diese Dokumente im Internet, und schrieben einen Kommentar, der den Text erläuterte, sodass diesen jedermann verstehen konnte.

Schließlich stellte sich sogar heraus, dass viele europäische Länder nicht einmal hiervon wussten und schließlich legte dann Frankreich sein Veto ein.

Das BIG BUSINESS war so erfolgreich in der Beeinflussung des MAI-Vertrages, dass es dieses Mal zum Glück kontraproduktiv war.

Trotz der Niederlage bei den MAI-Verträgen in der OECD wollte Sir Leon Brittan (damaliger EU-Handelskommissar) das Projekt nicht aufgeben, er brachte es also einfach erneut ein, unter dem Namen „multilaterales Investitionsabkommen (MIA)“ und beabsichtigte einen ähnlichen Vertrag über Investitionen in den Verhandlungen der WTO zu führen.

Europäisches Parlament 1998:

Lobbyist EFS Pascal Kerneis sagt:
„An einem bestimmten Punkt entschied Sir Leon Brittan, dass die Verbände das Thema nicht ernst nehmen würden. Er lud Konzernchefs der größten Dienstleistungsunternehmen Europas zu einem Abendessen ein. Hierbei handelte es sich um die CEOs von großen Banken, Telekommunikationskonzernen, Versicherungen, Distributionsdienstleistern, Transportunternehmen und Tourismuskonzernen.
All diese Sektoren zusammen machten ca. 70% des Bruttoinlandsproduktes Europas aus.
Nach dem Essen sagte er, nachdem sie nun von der EU-Kommission beköstigt wurden, schulden sie mir was. Sie müssen etwas für mich tun.“

Sir Leon Brittan hierzu:
„Die Leute glauben manchmal, die EU-Kommission ließe sich einfach irgendetwas einfallen, um es dann umzusetzen.“
Jedoch stimme das so nicht. Die EU-Kommission lechze nach Ideen der Wirtschaftsvertreter, welche uns bei der Entscheidung helfen sollen, etwas voranzutreiben, und was im Interesse Europas sei.

Lobbyist EFS Pascal Kerneis weiter:
„Daraus entstand die Idee, ein Netzwerk von Verbänden und Unternehmen aufzubauen, welches sich für den privaten Sektor im Dienstleistungshandel einsetzt.“
So wurde er Geschäftsführer des European Services Forum (ESF).
„Im Januar 1999 hatten wir 11 Monate Zeit, um Seattle vorzubereiten. Die erste Ministerkonferenz der WTO nach ihrer Gründung 1994.
Dieses Treffen sollte die Milleniumrunde auf den Weg bringen, für die Sir Leon Brittan so sehr gekämpft hatte.“

Aktivist Olivier Hoedeman (CEO):
„Als Grundlage für diese Handelsabkommen nahm die EU-Kommission lange die Interessen der großen europäischen Konzerne.
Wenn wir die EU-Kommission um Dokumente wie Korrespondenzen oder Protokolle von Besprechungen baten, um daraus zu rekonstruieren, was in dieser Debatte vor sich ging, behandelte die EU-Kommission unsere Anfrage wie einen feindseligen Akt. Sie schwärzten alle essentiellen Abschnitte, von denen sie nicht wollten, dass wir hiervon etwas erfahren sollten. Sie behandelten uns wie Feinde.“

Sir Leon Brittan kam nie nach Seattle. Die ganze Kommission musste zurücktreten wegen massiver Betrugsfälle, in welche mehrere Kommissare verwickelt waren.
In Seattle selbst nahm die Milleniumrunde eine unerwartete Wendung.
Demonstranten verhinderten nämlich dieses Treffen. Mit Transparenten wie „SHUT DOWN THE WTO“ blockierten die Demonstranten damals diese Verhandlungen.

Für diese Aktion danken wir Netzfrauen den Aktivisten, so wie es auch sämtliche weitere Erdenbürger tun sollten!

Lobbyist EFS Pascal Kerneis hierzu:
„Die Aktivisten hielten uns für eine Geheimorganisation. Stattdessen ist alles bei uns transparent und auf der Website nachzulesen. Mein Job ist es, die EU-Kommissionsbeamten zu kontaktieren, welche für meinen Bereich zuständig sind. Wenn jemand anderer das selbe machen möchte: Meine Telefonnummer steht auf der Website, ich mache nur meinen Job. Die EU-Kommission steht in Verbindung mit dem EFS, weil sie bestimmte Informationen braucht, bevor sie in seinem Namen verhandelt. Darüber sprechen wir, der Handel wird dann von den Unternehmen betrieben, nicht von NGOs, von denen wir eine sind.“

Beim jährlichen Dinner von Friends of Europe (FoE), einer großen Brüsseler Organisation, trafen sich viele Menschen aus verschiedenen Berufsgruppen und Wirtschaftsschichten.
Alle dort waren daran interessiert, wie sich Europa weiterentwickeln könnte, nach Aussagen der Gruppe. Wie kann man Dinge verbessern und wie können wir auf dem aufbauen, was wir bereits gemacht haben?
Keith Richardson (Ex ERT) nennt dies eine Denkfabrik.

„Denkfabriken füllen in Brüssel einen Teil des Vakuums, welches auf EU-Ebene existiere, da es keine öffentliche europäische Debatte gäbe. Sie sind also Foren, in denen innerhalb dieser Brüsseler Blase so etwas wie eine Debatte stattfinde.“, meint Olivier Hoedeman von CEO.

Hier sind nationale Politiker, Europapolitiker, Beamte, die gefürchteten Eurokraten, Diplomaten, Geschäftsleute, Universitätsprofessoren, alle möglichen einflussreichen Leute halt.
Brüssel ist ein bisschen wie ein Dorf, jeder spräche mit jedem. Als Keith Richardson noch beim ERT war, war es sein Job, die Kontakte aufrecht zu erhalten.

«In den Denkfabriken sind zwar keine Lobbyisten, jedoch sind sie ein Teil der Lobbylandschaft, weil Unternehmen sie benützen, um ihre Vorstellungen und Sichtweisen zu übermitteln.
ALLE Thinktanks sind sehr von der Finanzierung durch die Industrie abhängig!»

Darauf Keith Richardson:
Viele Unternehmen würden die FoE sehr unterstützen, auch Microsoft, die amerikanische Geschäftswelt ist präsent in Europa, so auch Microsoft, warum auch nicht?!

Es gab Thinktanks, die direkt von der Ölindustrie finanziert worden seien und herausarbeiten sollten, ob es wirklich einen Klimawandel gäbe und ob Regierungen wirklich CO2-Emissionsabgaben veranlassen müssten, meint Olivier Hoedeman.

„Man kann Forschungseinrichtungen einrichten, die dann Ergebnisse liefern, welche die eigene Position stärken. Man kann riesige PR-Kampagnen lancieren und die Medien mit Informationen überfluten.“, meint Erik Wesselius (Aktivist CEO).

«Sogar FAKE-NGOs werden gegründet, für den großen Kampf um die Software-Patent-Regelung.»

Plötzlich gab es Inserate einer NGO, die behauptete, sie repräsentiere kleinere und mittlere Unternehmen, jedoch waren die finanziellen Hintermänner Microsoft und SAP.

Am Ende ginge es immer nur ums Geld. Es heiße dann, pro Person maximal eine Stimme.
Jedoch im Brüsseler Business heißt es pro Euro eine Stimme.

Das große Problem ist, dass wir keine Ahnung haben, wie viel Geld hinter der Brüsseler Politik steckt. Wir haben keine Ahnung davon, wie viel für Lobbying ausgegeben wird und von wem und für welche Ziele.

«Wir müssen das sofort unter demokratische Kontrolle bekommen. Wie groß die Rolle des Lobbyismus in der Brüsseler Politik ist, muss unbedingt transparent gemacht werden,
Welche Rolle spielen Unternehmen wie MONSANTO oder SHELL? Welche Rolle spielen ausländische Regierungen wie China, Russland oder die USA bei den Entscheidungsfindungen in Brüssel? – so CEO.»

Eine der ersten Anhörungen vor der Europäischen Kommission öffnete Craig Holman (Lobby-Reformer, Washington DC) die Augen.
Ein Kommissar unterbrach ihn und meinte, er verstehe, dass sie in den USA Probleme hätten mit den Lobbyingaktivitäten. Jedoch sind wir hier in Brüssel, in Europa, hier gäbe es so etwas nicht. Es hätte ihn fast umgehauen, dass jemand so naiv sein konnte, meint Craig Holman.

Seine Antwort darauf war, er gestehe ein, dass viele dieser professionelle Lobbyisten in Washington korrupt sein mögen, jedoch wisse er ganz genau, dass jede dieser größeren Lobbyfirmen in Brüssel eine Niederlassung hätte.
Sie liegen also auch im Bett von Europa. Wenn er schon glaube, dass diese so korrupt sind, ob er dann nicht wissen wolle, wer diese seien und wer für sie bezahle und was diese genau von der EU wollen?

Lange wollte CEO Lobbying in der EU-Politik regulieren.
Doch dann kam im Jahr 2004 eine neue EU-Kommission ins Amt und erstmals waren 10 osteuropäische Länder dabei.
Als die erste Barroso-Kommission ihre Aufgaben aufnahm, schrieb CEO einen offenen Brief an Manuel José Barroso, der von über 50 NGOs unterzeichnet war.

Die Begrüßungsrede von Herrn Barroso war die folgende:

„Ich möchte mich aufrichtig bedanken für das Vertrauen, das Sie in mich setzen. Ich weiß, dass dieses Vertrauen auch ein großes Maß an Verantwortung für mich bedeutet.
Wir werden hart daran arbeiten, alles zu geben, um Europa zu dienen, den Institutionen der Europäischen Union zu dienen und all unseren Mitbürgern.“

CEO bekam eine ganz kurze Antwort auf seinen offenen Brief von der EU-Kommission, in welchem stand: „Vielen Dank für Ihren Brief, wir haben ihn erhalten und es ist sehr interessant, was darin steht.“
Mehr stand dort aber leider nicht und schon gar keine Antworten.

Deshalb schickte CEO einen ganz ähnlichen Brief an alle Vize-Präsidenten der EU-Kommission.
Ende Februar bekamen sie plötzlich eine Meldung von Siim Kallas, dem Verwaltungskommissars von Estland. Dieser lud die Aktivisten von CEO zu sich ein.

So gingen sie also ins Büro von Herrn Kallas.
Sie hatten keine Ahnung, was sie erwartete, sie waren noch nie zuvor von einem Kommissar kontaktiert worden, daher waren sie sehr aufgeregt. Kallas und einer seiner Kabinettsmitglieder empfingen sie. Herr Kallas hatte eine Broschüre dabei, über welche sie schmunzeln mussten, den „Lobby-Planet-Brüssel-Führer“
Ein ironischer, aber auch sehr kritischer Blick auf das Industielobbying, welches CEO so hart anprangerte und wessen Bericht sie verfasst hatten.

Als er als Verwaltungskommissar anfing, sah er sehr viel Misstrauen gegenüber der Entscheidungsfindung innerhalb der Europäischen Union. Er empfand es als notwendig, dieses Misstrauen abzubauen.
Kallas teilte ihnen mit, er wolle „die Europäische-Transparenzinitiative“ lancieren, CEO erkannte sofort die große politische Chance darin.

Als Außenseiter des Brüsseler Geschäfts hatte er ein klares Gefühl darüber, wie der Normalbürger über die Brüsseler Politik dachte. Und so nahm es Kallas mit der Lobbyindustrie auf.

Im Europäsichen Parlament sagte Siim Kallas:
„Die Europäische Kommission ist davon überzeugt, dass die Aktivitäten von Interessenvertretern legitim und wertvoll für Entscheidungsfindungsprozesse sind. Jedoch muss dies transparent geschehen. Die Kommission hält es für wichtig zu wissen, wer die Interessenvertretungen sind, welche Interessen sie vertreten und von wem sie finanziert werden.“

Er hatte sich mit dieser Rede sehr viel Mühe gegeben. Natürlich hatte er Grundprinzipien der Transparenz-Initiative angesprochen, was zu tun wäre. Dies führte dann natürlich zu großer Aufregung.

Hier ein paar Reaktionen darauf im Parlament:

„Ohne finanzielle Transparenz könne niemand herausfinden, wer wirklich hinter Kampagnen stehe.“
„Wann ist ein Anwalt ein Anwalt und ab wann ein Lobbyist?“
„Etwas mehr Kontrolle zerstört nicht unseren Ruf bei den Wählern!“
„Transparenz darf nicht unsere Kontakte mit dem wirklichen Leben behindern, mit den Interessengruppen oder den Gruppen ohne Interessen. Kommissar Kallas versteht das sicher.“

Als die Europäische Union eine Transparenz-Initiative erwog, suchten sie nach Tipps, wie manche dieser Errungenschaften in den USA abgehandelt würden. Deshalb wurde Craig Holman (Lobby-Reformer, Washington D. C.) etwa sechs mal nach Brüssel eingeladen, um vor der EU-Kommission und dem Parlament vorzusprechen.
Er war sehr beeindruckt von Siim Kallas, als er zum ersten Mal mit ihm in der EU-Kommission arbeitete.
Er hat wirklich viel dazu beigetragen, die Bedeutung und Notwendigkeit von Transparenz anzuführen.
Anfangs forderte er ein System mit verpflichtender Offenlegung, von völliger Transparenz.
Jedoch auf halbem Wege zum Ziel stieß Kallas auf die politische Realität.

Nach drei Jahren Bemühungen und politischen Streitereien betritt Siim Kallas nochmals die Bühne, um endlich ein Transparenzregister einzuführen.
Er begrüßte die Menge.

„Heute ist ein sehr wichtiger Tag. Vor drei Jahren schlug ich vor, ein Lobbyregister einzuführen, um Transparenz und Legitimität rund um die EU-Entscheidungsprozesse zu verbessern. Dieses Register tritt heute in Kraft. Schließlich schlugen wir eine freiwillige Lösung vor, weil ich davon überzeugt bin, dass dies allen Erwartungen entspricht.
Ich glaube, dass heute ein bedeutender Moment kulturellen Wandels stattfindet, im Bezug auf die Entscheidungsfindung in den europäischen Institutionen.“

Er führte nun also ein freiwilliges System ein entgegen dem Rat von NGOs und Experten, mehr konnte er nicht erreichen.

Über zwei Jahre versuchte CEO bereits herauszufinden, wer Kallas‘ ursprüngliche Initiative blockiert hatte, etwa andere Kommissare, das EU-Kommissions-Sekretariat oder gar die Lobbyisten?

Jedes Jahr feiert sich die Brüsseler Lobbygemeinde, jedes Jahr gibt es Preise für die beste Performance.

European Public Affairs, Preisverleihung 2009:
Die Friends of Europe (FoE) bekamen eine Auszeichnung.

So sprach der damalige Sprecher der FoE:
„Ich nehme nun eine kleine Änderung vom Ablaufplan vor.
Es war nicht vorgesehen, dass ich eine Rede halte, jedoch werde ich es trotzdem tun, weil ich etwas sagen möchte.
Wir, die Friends of Europe (FoE), waren nicht sicher, ob wir uns hier beteiligen sollten oder nicht.
Grund hierfür war EU-Kommissar Kallas, der nicht den Unterschied zwischen Denkfabriken und Lobbyisten kennt.
Ich habe darüber nachgedacht, ich dachte, wir, die Friends of Europe wie auch die anderen Denkfabriken bieten eine Plattform für unterschiedliche Standpunkte.Und sie, die Public-Affairs-Leute, helfen, diese Standpunkte zu formulieren. Diese Auszeichnung bedeutet uns, den Friends of Europe, eine Menge, denn wir haben wirklich eine Ahnung davon, wie man die Debatten in Brüssel gestalten sollte und ihr gestaltet sie.
Also vielen Dank!“

Hinzufügen möchten wir hier einzig, dass Herr Kallas sehr wohl den Unterschied kennt, resp. einzig eine Transparenzregelung forderte, was jedoch den FoE nicht passte!

Einen Monat nach Beginn der Finanzkrise im Oktober 2008, ernannte Barroso eine unabhängige, hochrangige Gruppe zur Finanzaufsicht.

Die Gruppe sollte Vorschläge erarbeiten, um die Finanzmärkte zu regulieren und einen Weg aus der Krise zu finden.

Acht sogenannte „Weise“ wurden dieser Gruppe hinzugefügt.
jaques_de_larosiere Jaques de Larosière, Vorsitzender einer Finanzlobbyorganisation.

rainer_masera Rainer Masera, steht mit Lehman Brothers in Verbindung.

onno_ruding Onno Ruding mit der Citygroup.

othmar_issing Otmar Issing mit Goldman Sachs.

Callum_mc_carthy Callum Mc Carthy, notorischer Deregulierer.

leszek_balcerowiczLeszek Balcerowicz, notorischer Deregulierer.

jose_perez_fernandezJosé Pérez Fernandez versorgt große Banken mit Informationen aus dem Finanzmarkt.

lars_nybergLars Nyberg, notorischer Deregulierer.

Die angefügten Vermerke entstanden gemäß den Aussagen von CEO.

Drei von den Auserwählten waren eng mit amerikanischen Banken verflochten, welche direkt an der Auslösung der Finanzkrise beteiligt waren. Unglaublich, aber wahr.

Leszek Balcerowicz steht außerdem in enger Verbindung mit amerikanischen rechtsgerichteten Denkfabriken, dem Cather Institute, einem der engsten Berater der damaligen Bushregierung.

Er ist auch involviert in neoliberalen Denkfabriken in Brüssel, Polen und Großbritannien.

Nicht ein einziger dieser sogenannten „Weisen“ war für eine strikte Regulierung, kein Einziger war wirklich unabhängig. Die Hilfe bei der Überwindung der Finanzkrise durch diese Leute war gleich Null.
Hauptsächlich floss sehr viel öffentliches Geld in die Banken.
Nach 20 Jahren Deregulierung und Liberalisierung stand die EU plötzlich am Rande des Kollapses.
Wollten wir Europäer dies wirklich so? War es naiv, einen europäischen Traum zu haben?

Brookings Institution, Washington D. C. – Rede des griechischen Premierministers Andreas Papandreou im 2010:

andreas_papandreou

„Das alles hat einen bitteren Geschmack eines Déja-vus. Die gleichen Finanzinstitute, die mit Steuergeldern  gegründet wurden, belangen nun die gleichen Steuerzahler mit tiefen Einschnitten in deren Löhne und Finanzdienstleistungen.“
(sinngemäß aus dem Englischen übersetzt)

Die Informationen in diesem Beitrag stammen zu größten Teilen aus der Dokumentation. Wir haben teilweise genau die selben Wörter und Sätze verwendet.

The Brussels Business – Brüssels Business – Bruxelles Business – Wer regiert die EU Im Vorzimmer der Macht – Arte Doku mit Unterstützung von ORF Film/Fernseh-Abkommen Österreichisches Filminstitut, Filmfonds Wien, Vlaams Audiovisueel Fonds – Ein Film von Friedrich Moser und Matthieu Lietaert.

Wir möchten uns herzlich und ausdrücklich bei allen Beteiligten bedanken und hoffen, wir haben die enthaltenen Informationen in ihrem Sinne genutzt.

Wir wünschen uns eine Europäische Union genau so, wie sie uns Europäern versprochen wurde, zum Wohle der Menschen und nicht der Konzerne.

Die Handelsabkommen TTIP, CETA und TISA müssen sofort gestoppt werden. Das ist notwendig, um unsere Demokratie zu wahren.

Unser Ziel ist es, dass Europa einmal ein großes, gemeinsames Haus für die Europäer wird, ein Haus der Freiheit. – Konrad Adenauer

Ihr Netzfrauen-Mann Dominik Crimi

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