Ist der «Dschungel» in Calais vom Brexit betroffen? Französische Fischer machen Geschäft mit den Flüchtlingen – Calais Border Deal With France Not Affected by Brexit, Says Paris

calaiszur englischen Version Im «Dschungel» in Calais leben bis zu 5000 Flüchtlinge, im Lager von Grande-Synthe mindestens 800. Wird die französische Regierung angesichts des Brexit eine Vereinbarung mit dem Vereinigten Königreich kippen, die Grenzkontrollen in Frankreich beinhaltet und eine Migrationswelle über den Kanal verhindert?

Bisher sprach man vor allem von der Todesfalle Mittelmeer. Bald könnte aber auch der Ärmelkanal zu einer gefährlichen Route der Flüchtlinge werden. Seit der Eingang zum Eurotunnel in Calais abgeriegelt worden ist und die Kanal-Fähren ihre Kontrollen verstärkt haben, wählen immer mehr Migranten den Weg nach Großbritannien über den Kanal. Französische Fischer sollen das große Geschäft mit den Flüchtlingen entdeckt haben. Schon mehrmals musste die britische Küstenwache eingreifen. Ende Mai 2016 rettete sie 18 Albaner aus einem sinkenden Schlauchboot. Zwei Wochen zuvor fand man an der Küste ein Boot mit 30 Schwimmwesten, aber keine Passagiere. Laut «Daily Mail» kassieren die Fischer als Schleuser pro Migrant  1000 Pfund, was knapp 1500 Franken entspricht.

Auf einer ehemaligen Mülldeponie leben die Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Verhältnissen. Sie sind auf beiden Seiten des Ärmelkanals unerwünscht. Täglich sterben Flüchtlinge bei dem Versuch, die englische Küste zu erreichen. Das Camp trägt den Spitznamen „Dschungel“. Nachts stehen Bereitschaftspolizisten davor.

Noch im März hatte Frankreich den Briten gedroht, im Falle eines Brexit die Kontrollen aufzuheben und die Flüchtlinge ungehindert über die Grenzen gehen zu lassen. In der nordfranzösischen Hafenstadt harren Tausende von Flüchtlingen aus, um durch den Eurotunnel nach Großbritannien zu gelangen. Die Grenzen von Großbritannien, das nicht Mitglied im Schengen-Raum ist, werden bereits in Calais kontrolliert. Sie versuchen, auf Lastwagen zu klettern, um so mit Fähren oder Zügen illegal nach Grossbritannien zu gelangen.

Angefangen hat alles Anfang Juli 2015 mit einer Meldung zu einem 90 km langen Stau in Calais. Lastwagen mussten sowohl in England als auch in Frankreich auf den Standstreifen warten und dies bei einer Hitze von 35° C. Was wir bei der Recherche vorfanden, hat uns so entsetzt, dass wir versuchten mehr Informationen über das Flüchtlingslager zu erfahren. Seither hat sich die Lage nicht entspannt. Hilfsorganisationen und Menschenrechtsaktivisten kritisieren schon seit langem die Zustände in dem Lager.

Wir Netzfrauen haben unermüdlich weiter über die Tausenden von Flüchtlingen geschrieben, die dort in einem Camp unter katastrophalen Bedingungen leben. Die französische  Regierung scheint auch weiterhin die Bewohner des Lagers schnellstmöglich loswerden zu wollen. Übergriffe durch die Polizei, über die wir bereits mehrfach berichteten, verschlimmern die Situation zudem.

Wie angespannt die Situation ist, zeigt ein Video von britischen Urlaubern. Sie filmten bei Calais, wie die französische Polizei Tränengas gegen Migranten einsetzt. Hunderte Flüchtende hatten versucht, als blinde Passagiere nach Großbritannien zu gelangen.

Die Situation in Calais ist weiterhin sehr angespannt  Frankreich könnte sich mit dem Brexit eines großen Problems im Transportsektor entledigen. Mit dem Brexit könnte auch das bilaterale Abkommen zur Grenzsicherung zur Disposition stehen. Die Vereinbarungen von Touquet waren 2003 unterzeichnet worden und hatten nicht zuletzt die Kontrollen im Güterverkehr unter Beteiligung englischer Beamter auf die französische Seite des Kanals vorgeschoben. Frankreich wurde damit auch die Aufgabe zuteil, sich um die Registrierung und die Regulierung des Flüchtlingsstroms zu kümmern. Wer dann in England nicht erwünscht war, wurde nach Calais zurückgeschickt. Französische Politiker wie der Präsident der betroffenen Region Hauts-de-France, Xavier Bertrand, fordern jetzt auch hier Neuverhandlungen. Man solle die Übergangszeit von zwei Jahren nutzen, um den Schutz der Grenze zurück zu verlagern, meint der französische Europaabgeordnete Dominique Riquet. Bereits bevor das Ergebnis der Abstimmung bekannt war, hatte Wirtschaftsminister Emmanuel Macron gewarnt: „Frankreich wird die Migranten nicht mehr in Calais zurückhalten.“

Das britische Innenministerium hatte im August 2015 die Bildung eines gemeinsamen Einsatzzentrums in der französischen Stadt Calais bekannt gegeben. Neben den britischen Polizisten und ihren französischen Amtskollegen ist auch Personal der Border Force eingesetzt. Die Border Force ist für die Grenzkontrolloperationen in der Luft, auf See und auf den Schienen für die Häfen im United Kingdom zuständig. Sie wurde in Nordfrankreich in der Hafenstadt eingesetzt und verhindert, dass Flüchtlinge nach Großbritannien gelangen. Die britische Regierung hatte bereits £ 20 Millionen in 2014 zugesagt. Dieses betrifft die Verteidigung rund um den Hafen von Calais und den Eurotunnel. Siehe auch: Sieht so Hilfe aus? Cameron schickt Polizisten gegen Flüchtlinge nach Calais – British police deployed to Calais target trafficking gangs

Wir haben für Sie einen Beitrag übersetzt, der sich genau mit diesem Thema beschäftigt. Was wird aus dem „Dschungel“ von Calais?

Wird die französische Regierung  angesichts des Brexit eine Vereinbarung mit dem Vereinigten Königreich kippen, das Grenzkontrollen in Frankreich beinhaltet und eine Migrationswelle über den Kanal verhindert?

Sie bestreitet es jedenfalls. Gemäß einem bilateralen Vertrag aus dem Jahre 2003, bekannt als Le-Touquet-Vereinbarung, können britische Beamte Pässe in Frankreich überprüfen und französische Beamte ebensolche im UK. Während der Referendumskampagne deutete Cameron das mögliche Ende dieses Deals an, indem die illegalen Migrantencamps von Calais nach Kent migrieren könnten.

Ihm wurde Panikmache und Angstmacherei vorgeworfen.

Auf die Frage nach einem möglichen Ende der Le-Touquet-Vereinbarung versicherte Jean-Marc Ayrault, der französische Außenminister, die Grenze bleibe, was sie sei, denn da gebe es wichtige bilaterale Abkommen. „Würde das auch bedeuten, Boote für Menschen zu stellen, die sonst zu ertrinken drohen? Ich denke, wir sollten das ernst nehmen.“ fügte er in einem Interview auf der Webseite der Regierung hinzu.

Die Le-Touquet-Vereinbarung bestand nur zwischen der britischen und der französischen Regierung und hatte mit der EU nichts zu tun. Von den illegalen Migranten, die versuchen, nach Großbritannien zu kommen und auf dem Festland festgehalten werden, entscheiden sich viele, im „Dschungel“-Camp zu bleiben, von wo aus sie heimlich als blinde Passagiere in LKWs oder im Schiffsbauch von Fähren versuchen, das UK zu erreichen. Regierungssprecher Stéphane Le Foll bestätigte Ayraults Statement.

Der Abgang des UK aus der EU verändere die bilaterale Vereinbarung nicht, sagte er dem Figaro am Freitag. Trotz der klaren Haltung der Regierung wünschen der Bürgermeister von Calais und andere Lokalpolitiker ein Überdenken von Le Touquet. „Das britische Volk wollte seine Freiheit zurück, also sollte es auch seine Grenze neu sehen“, äußerte Xavier Bertrand, Chef der Region Hauts-de-France, zu der auch das Camp von Calais gehört, gegenüber dem Telegraph. „Boris Johnson wollte den Wechsel und er bekam ihn mit dem Brexit. Uns geht es genauso,“ fügte er hinzu.

Calais Border Deal With France Not Affected by Brexit, Says Paris

The French government has slapped down suggestions that, after Brexit, they will scrap a deal with the UK placing border checks in France and insuring illegal migrants are not waved across the English Channel. Under a bilateral treaty signed in 2003, known as the Le Touquet accord, British officials can check passports in France and vice-versa.

During the referendum campaign, however, David Cameron suggested the deal could be scrapped, bring the illegal migrant camps from Calais to Kent. He was accused of “scaremongering” and “project fear”.

“But the border is where it is… there are bilateral agreements that are very important…” said French foreign minister, Jean-Marc Ayrault, this Friday when asked about the possibility of ending Le Touquet. “Would that also mean putting in place boats for people who otherwise risk drowning? I think we should be serious,” he added in an interview publish on a government website.

The Le Touquet accord was made independently of the European Union (EU), between the British and French governments.

Illegal migrants trying to enter Britain are kept in Europe, with many choosing to stay in the ‘Jungle’ camp from where they launch clandestine attempts to enter the UK in the back of lorries or hidden in ferries.

Following Mr. Ayrault’s instant dismissal of the prospect of scrapping this system, a spokesman for the government, Stéphane Le Foll, reaffirmed the French government’s position.

“The output of the United Kingdom of the European Union does not modify the Franco-British bilateral treaties on immigration,” he told Le Figaro on Friday.

Despite the government’s clear position, the Mayor of Calais and other local politicians have said they want Le Touquet reconsidered.

“The British people have chosen to take back their freedom, they must take back their borders,” Xavier Bertrand, head of the Hauts-de-France region that includes the Calais camp, told the Telegraph.

“Boris Johnson wanted change and he got it with Brexit. So do we”, he added.

Source 

Netzfrauen Ulla Rissmann-Telle (Übersetzung) und Doro Schreier (Einführung)

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