Es lohnt sich einfach nicht mehr, Kinder zur Welt zu bringen – jedenfalls aus Sicht der Krankenhäuser. Immer mehr Geburtenabteilungen schließen aus Kostengründen und werden zentralisiert. Kliniken streichen viele Hebammenstellen. Jede dritte Frau in Deutschland bringt mittlerweile ihr Baby mit Kaiserschnitt zur Welt bringt. Hinzu kommen die seit Jahren steigenden Versicherungsbeiträge für Geburtshelferinnen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Prämie verzehnfacht – obwohl es immer weniger Komplikationen gibt.
Ein schockierter Vater wandte sich an uns und bat uns um Hilfe. Er wurde zum ersten Mal Vater und war entsetzt über das, was er bei der Entbindung seiner kleinen Tochter erfahren hatte. In einem Gespräch mit der Hebamme erfuhr er, dass die freiberufliche Hebamme für eine Geburt nur etwa 250,- Euro bekommen würde, die Geburt seiner Tochter zog sich sehr hin und sie fühlten sich von der Hebamme sehr gut betreut. Doch wie lange die Hebamme noch weiterhin werdende Eltern betreuen kann, ist nur eine Frage der Zeit, denn schon wieder sind die Beiträge für die Haftpflichtversicherung gestiegen. Es bleiben ja nicht mehr viele Krankenhäuser, wo noch entbunden werden kann, so waren sie auch entsetzt, als er und seine Frau bei einer Besichtigung gefragt wurden, wann dann der Geburtstermin gewünscht sei. Wieso, fragten sie, wir warten, bis die Wehen einsetzen. Er war sehr überrascht, dass viele Frauen es als völlig normal sehen, sich einem Kaiserschnitt unterziehen zu lassen. Sie hatten Glück und fanden eine gute Klinik, mussten dazu aber etwas weiter fahren. Und stellten fest, vieles erfährt man erst, wenn man selber damit konfrontiert wird. Was sind unsere Kinder dem Staat noch wert, so seine Frage, die auch sich die anderen Eltern stellten, die in der Zeit sich ebenfalls in der Klinik befanden.
Wir Netzfrauen hatten bereits mehrfach über die Probleme der Hebammen berichtet: Siehe auch: Aus für die freie Geburtshilfe? Die sichere Geburt – Wir brauchen unsere Hebammen! Doch eine Besserung ist nicht eingetreten, im Gegenteil, nun schließen auch noch auf Grund wirtschaftlicher Gründe die Geburtenkliniken.
Hebammen-Haftpflichtproblematik – Erhöhung der Jahresprämie auf 6843 Euro zum 1. Juli 2016, 2017 auf 7639 Euro
Wenn ein Kind auf die Welt kommt, richtet es sich nicht nach der Entfernung zum nächsten Kreißsaal. Die werdenden Eltern müssen in angemessener Zeit zu einem Ort gelangen, wo sie Hebammenhilfe bekommen. Dass diese in vielen Regionen ohnehin schon Mangelware ist, zeigt eine Landkarte der Unterversorgung auf alarmierende Weise.
Und je mehr Geburtskliniken, geburtshilfliche Abteilungen und Kreißsäle schließen, desto schlimmer wird die Lage. Doch genau das passiert immer wieder: Orte für Hebammenhilfe, Orte für Geburten werden auf Grund finanzieller oder organisatorischer Entscheidungen abgeschafft. Etliche künftige Geburtsorte fallen ersatzlos weg.
Etwa 75 Prozent der Geburts-Abteilungen in dünn besiedelten ländlichen Kreisen schreiben bereits rote Zahlen. In den kreisfreien Großstädten machen „nur“ 42 Prozent der Geburtshilfen Verlust. Die Statistik der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) besagt, dass in den vergangenen zehn Jahren deutschlandweit etwa 200 Kliniken ihre Geburtshilfen geschlossen haben.
Baden-Württemberg plant, die Geburtshilfen zu zentralisieren. Die Regierung begründet dies damit, dass sie im Zweifel Qualität für wichtiger hält als kurze Wege – ohne jedoch genaue Zahlen zu nennen.
1991 gab es noch 1186 Kliniken, in denen Geburten möglich waren. 2014 waren es nur noch 725 Kliniken mit Geburtshilfe. Seitdem schließt fast jeden Monat ein Kreißsaal ganz oder vorübergehend die Türen.
Das Ende der Geburtenstationen betrifft ganz Deutschland. Und während immer mehr Geburtenstationen schließen, steigt die Kaiserschnittrate. Sie liegt in Deutschland zurzeit bei über 31 Prozent, nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation wäre ein Kaiserschnitt aber nur bei jeder achten Entbindung wirklich sinnvoll. Für die Kliniken ist diese Geburtsmethode in jedem Fall kontrollier- und planbarer, weniger zeitaufwändig und definitiv lukrativer. Für einen Kaiserschnitt zahlen die Krankenkassen je nach Abrechnungsmodus mehr als das Doppelte als für eine herkömmliche Geburt.
Riskante Geburten wegen Kreißsaal-Schließungen
Was das im Ernstfall bedeutet, das musste Tabea Scheffs am eigenen Leib erfahren. Sie war auf Fehmarn, als die Wehen losgingen. Ein Rettungswagen sollte sie in den Kreißsaal bringen. Nach Oldenburg hätte sie es geschafft, doch da es diese Geburtsstation nicht mehr gibt, musste sie bis nach Lübeck. Die Zeit reichte nicht. Tabea Scheffs gebar ihren Sohn auf dem Seitenstreifen der Autobahn A 1. Die Leidtragenden der Schließung der beiden Geburtsstationen seien die schwangeren Frauen, sagt sie. „Ich habe schon das Gefühl, hier wird etwas auf dem Rücken der Frauen ausgetragen.“ Mehr auf NDR HIER
Geburt auf Bestellung
Auch wenn medizinisch gesehen gar nichts gegen eine „normale“ Geburt spricht, ziehen es immer mehr schwangere Frauen von sich aus vor, die Geburt ihres Kindes auf dem Operationstisch anstatt im Kreißsaal zu verbringen. Dieses Phänomen ist nicht nur in Deutschland zu finden, sondern auch in Österreich entscheiden sich vermehrt Frauen für einen Kaiserschnitt.
Laut der Geburtsallianz Österreich hat sich in Österreich in den letzten 10 Jahren die Anzahl der Kaiserschnitte verdoppelt! Im Jahr 2010 lag die Kaiserschnittrate bei 31,5 % aller Geburten. Mittlerweile gibt es von mehreren Seiten Bestrebungen die Rate der Schnittentbindungen wieder zu senken: Viele Frauenärzte, Kinderärzte, Hebammen, Kinderkrankenschwestern, Therapeuten, PolitikerInnen, Mütter und Väter sind überzeugt, dass es nicht notwendig ist, jedes 3. Kind per Kaiserschnitt auf die Welt zu holen. Angesichts der negativen physischen und psychischen Auswirkungen auf Mutter und Kind und angesichts der hohen Kosten für das österreichische Gesundheitssystem und letztendlich für die SteuerzahlerInnen sollte die Schnittentbindung ausschließlich für den Notfall vorbehalten sein!
Die derzeitige Situation der Geburtshilfe in Österreich ist auf Grund der vielen medizinischen Interventionen (künstliche Geburtseinleitungen, Einsatz von PDA, Medikamenten, Schmerzmittel, Saugglocke und Zange, usw.) sehr bedenklich und die explodierende Zahl an Kaiserschnitten bei gleichbleibend niedriger Säuglingssterblichkeit und mehrfach erhöhten Müttersterblichkeit daher verwunderlich!
Hausgeburtshilfe in den Niederlanden
Schauen wir zu unseren Nachbarn, den Niederlanden, denn hier hat die Hausgeburt überlebt. Nach unseren Recherchen werden immer noch ungefähr ein Drittel aller holländischen Kinder zu Hause geboren. Die Wochenbettpflege ist in den Niederlanden von großer Bedeutung für die Hausgeburt. Während der Geburt ist der Hebamme eine fachlich ausgebildete Schwester behilflich, die Vorbereitungen trifft, während der Geburt Sachen anreicht und nach der Geburt die Mutter wäscht und versorgt. Und wenn man sich anschließend zusammensetzt, sorgt sie für die Tasse Tee und den Zwieback mit Mäuschen. Das gehört in den Niederlanden zur Tradition, wenn ein Kind geboren ist. Die Mäuschen sind aus Zuckeranis und rosarot, auch wenn es ein Junge ist. Noch immer gilt in den Niederlanden: Fachärztliche Betreuung dann, wenn sie wirklich indiziert ist – keine medizinische Einmischung, wenn dafür kein Grund vorliegt. Und gäbe es mehr Hebammen, so würden sicherlich die Hausgeburten steigen.
Das holländische Geburtshilfesystem steht auf drei Hauptpfeilern, die essentiell sind für die Erhaltung der Hausgeburt:
- Holländische Hebammen haben ihre eigene Autonomie sichern können – übrigens nicht ganz eigenständig, sondern mit Hilfe vom Staat sowie von Hausärzten und von Gynäkologen, die befürworten, dass die normale Schwangerschaft und Geburt vor unnötigen Eingriffen geschützt werden muss.
- Holländische Hebammen arbeiten mit dem Selektionsprinzip von highrisk und lowrisk, und begrenzen sich in ihrer Arbeit auf den lowrisk-Bereich.
- In Holland gibt es ein System der Wochenbettpflegeschwester, die den Hebammen bei der Hausgeburt hilft und die Wöchnerin im Wochenbett versorgt.
Natürlich gibt es durchaus Kritiker und nicht alle Niederländer bevorzugen eine Hausgeburt. Aber für die, die sich dagegen entscheiden, gibt es ja noch das Krankenhaus.
Vom 30. Mai 2016 bis zum 11. Juni 2016 haben sich mehrere Hebammen aus dem Ausland von der Arbeit der Hebammen in Niederlanden überzeugen können. Die Zusammenarbeit wird als großer Erfolg gesehen, berichtet die Royal Dutch Organisation von Hebammen (KNOV). Hebammen aus den Vereinigten Staaten, Kroatien und Brasilien nahmen an einer Veranstaltung an der niederländischen Midwifery Summer School teil. Hier ging es unter anderem auch um die Erhaltung des Berufes der Hebamme. Nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern gibt es Initiativen zur Unterstützung der Erhaltung von Hebammen.
Ganz ohne Hebammen?
Würde das dann bedeuten, dass in Zukunft keine Schwangere mehr Betreuung durch eine Hebamme erhält? Oder geht es hier wieder um Themen wie Geld, Macht und Profit, z. B. an einer Geburt?
Dies war nur ein kleiner Einblick. Fakt ist, dass der Beruf Hebamme bei uns in Deutschland in Gefahr ist und wir uns fragen: Was kommt danach?
In den letzten Jahren haben zahlreiche Hebammen ihren Beruf wegen steigender Haftpflichtprämien aufgeben müssen, so die Berufsverbände. Für freiberuflich in der Geburtshilfe tätigen Hebammen hat sich die Prämie in den vergangenen zehn Jahren trotz abnehmender Schadenszahlen verzehnfacht bei weiterhin niedriger Vergütung.
Oder werden wir irgendwann sogar in der Zukunft mit der „künstlichen Gebärmutter“ konfrontiert, denn diese befindet sich längst in der Entwicklung bzw. die Forschung ist abgeschlossen. Siehe: „Schöne neue Welt“ – Die künstliche Gebärmutter – Maschine statt Mama ist Realität!
„Da werden Hände sein, die Dich tragen
und Arme, in denen Du sicher bist
und Menschen, die Dir ohne Fragen
zeigen, dass Du willkommen bist.“
So lautet ein Spruch zur Geburt, aber anscheinend steht nur noch der Profit der Krankenhäuser im Vordergrund und auch bei dem Gesundheitsministerium für ein Land wie Deutschland lohnt sich eine Geburt nicht mehr? Schon bitter traurig!
Netzfrau Doro Schreier
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