In Äthiopien lassen sich immer mehr ausländische Firmen nieder, für die Einheimischen bleibt nichts – sie hungern weiter! – Ethiopia declares state of emergency over protests

erdogan7zur englischen Version In Äthiopien sind seit Jahrzehnten Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen – während im Nordosten Millionen Menschen mit den Folgen der schwersten Dürre seit 50.Jahren kämpfen sind, erklärt die Regierung den Notstand mit sofortiger Wirkung unmittelbar nach Gewalt und Unruhen in der Region Oromia. Während die eigene Bevölkerung hungert, bietet die Regierung ausländischen Investoren die Rahmenbedingungen, die kaum günstiger sein könnten.

Zum Auftakt ihrer Afrika-Reise in 2007 hatte  Bundeskanzlerin Angela Merkel in Äthiopien das große Interesse Europas an der Entwicklung des afrikanischen Kontinents betont, 9 Jahre später besucht Frau Merkel erneut Äthiopien. Was ist in der Zwischenzeit geschehen? Die Entwicklung Äthiopiens ist vorangeschritten, aber nur für fremde Investoren, nicht für die hungernden Menschen selber:  Business as usual.

In Äthiopien lassen sich immer mehr ausländische Firmen nieder, für die Einheimischen bleibt nichts.

Auf der Prioritätenliste der äthiopischen Regierung steht auch schon länger, dass ausländische Investoren billiges Land für Agrarvorhaben bekommen sollen, um dort Nahrungsmittel für den Export anzubauen. Schon pervers, denn nach wie vor ist Äthiopien auf fremde Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Im Nordosten kämpfen die Menschen in Äthiopien mit der schlimmsten Dürre seit über 50 Jahren. Zwar hat es nun angefangen zu regnen, doch die Folgen der Dürre hat Spuren hinterlassen.Teilweise regnete es so stark, dass die Felder überschwemmt wurden. Äthiopien gehört immer noch zu den Ländern mit den meisten Hungernden. Mehr als 10 Millionen Menschen in Äthiopien, darunter 5,65 Millionen Kinder, leiden unter der schlimmsten Dürre, darüber berichteten wir im Mai 2016. Siehe: Trotz Dürre-Katastrophe und Kampf ums Land als eines der größten Sicherheitsrisiken – Nestlé gräbt das Wasser ab – neue Abfüllanlagen in Äthiopien und Nigeria.

Hailemariam Desalegn Bosche ist seit dem 15. September 2012 Ministerpräsident seines Landes, davor war er seit dem 01. September 2010 zum Außenminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten ernannt worden. Anfang 2015 traf er sich mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan. In diesem Zusammenhang wurde die Beziehung zwischen den beiden Ländern noch weiter gefestigt und Abkommen zur Zusammenarbeit wurden unterschrieben, denn die größte Gesamtinvestition kommt aus der Türkei. Bei seinem Besuch sagte Erdoğan, sie hätten den äthiopischen Behörden mitgeteilt, dass die Privatschulen der parallelen Struktur im Ausland geschlossen werden müssten. Der äthiopische Ministerpräsident seinerseits sagte, sie wären diesbezüglich bereit, direkt mit der türkischen Regierung zu kooperieren.

Rund 3 Mrd. $ türkisches Kapital sei bereits in Äthiopien, sagte der türkische Botschafter in Addis Abeba Mitte 2015 der äthiopischen Presse und bereits 82 chinesische Unternehmen seien in Äthiopien aktiv und wollen insgesamt fast 500 Projekte stemmen. Mehrheitlich kommen sie aus dem Textil-, Bekleidungs- und Ledersektor, zum Teil auch aus der Fertigung, wie die Tecno-Gruppe, die in Äthiopien Handys zusammenbauen will. Wie den Chinesen geht es den Türken vornehmlich um die Produktion von Textilien und Bekleidung sowie die Fertigung von Konsumgütern. So plant die türkische Kumtel Industrial Plc den Bau einer umgerechnet rund 400 Mio. $ teuren Montagefabrik für Haushaltsgeräte.

Genau dort, wo es zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommt, unterzeichnete die Akgün-Gruppe aus der Türkei 2009 eine Vereinbarung mit der äthiopischen Regierung, die es ermöglicht, eine internationale Industriezone in der Region Oromia in der Nähe von Legetafo zu entwickeln. Mit einer Fläche von 600 000 km2 erstreckt es sich von den Grenzen zum Sudan zu den Grenzen zu Somalia, und von den Grenzen des Afar-Land bis zur abessinischen Hochebene. Akgün hatte sich zunächst 100 Hektar Land von der regionalen staatlichen Regierung gesichert, die in Zukunft erweitert wird, sobald das Projekt fertiggestellt ist. Die Gesamtkosten des Projekts werden auf 10 Milliarden Dollar geschätzt und voraussichtlich soll eine Million Menschen beschäftigt werden. Akgün arbeitet mit vielen Geschäftspartnern von verschiedenen bekannten Marken in der Europäischen Union. Das Netzwerk erstreckt sich auf Länder wie Deutschland, Frankreich, Österreich, Belgien, Italien und Südkorea. Das Unternehmen Akgün-Gruppe hat mit den ersten Arbeiten begonnen. Maschinen und Anlagen sind auf dem Weg nach Äthiopien. Die Baustelle liegt genau im Einzugsgebiet vom Staudamm des Legedadi. Von hier aus werden 50% der 3 Millionen Einwohner von Addis Abeba mit sauberem Trinkwasser versorgt. Wir haben darüber berichtet. Was haben Erdogan, Indonesien, Äthiopien, Monsanto und H&M mit Ihren Schuhen gemeinsam?

Doch nicht nur die Türkei ist am Landgrabbing in Äthiopien interessiert, auch der Bekleidungsriese H&M ist in Äthiopien beteiligt. Nachdem das Oaklandinstitut forschte, woher die Baumwolle stammt, die H&M bezieht, zeigte die Untersuchung, dass die Baumwolle aus dem unteren Omo-Tal bezogen worden war. In dem unteren Tal des Omo-Flusses im Südwesten Äthiopiens ist die Heimat mehrerer indigener Völker, die zusammen etwa 200 000 Angehörige zählen. Sie leben seit Hunderten von Jahren in dieser Region. Durch die Baumwollplantagen hat ein riesiger Landraub stattgefunden, Hunderttausende Menschen wurden vertrieben. Das Institut zeigte in seinem  Bericht über Äthiopien, dass der schwedische Bekleidungsriese H&M verantwortlich ist. In der Untersuchung wurde festgestellt, dass ein großer Teil der Baumwolle aus gerade diesem Gebiet kommt. Siehe „Geld stinkt nicht“ – Zusammenarbeit H&M und WWF – trotz verseuchtem Trinkwasser, schlechten Arbeitsbedingungen, Landgrabbing, Kinderarbeit – WWF and H&M – 12-plus-hour days and child labour – Panda instead of human rights – Greenwashing

Eine Schlüsselfigur spielt auch Saudi Arabien mit Sheikh Mohammed Hussein Al Amoudi. Er ist ein saudisch-äthiopischer Unternehmer und einer der reichsten Menschen der Welt. Privat-staatliche Investoren aus Saudi Arabien sind in Äthiopien schon lange aktiv, um dem Königreich am Golf Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Im März 2009 übergab ein Unternehmer aus Saudi-Arabien eine Kostprobe der ersten Reisernte von seinen neuen Feldern in Äthiopien seinem König Abdullah – ein Beitrag zur Ernährungssicherung durch off-shore farming. Und das ist erst der Anfang. Premierminister Meles Zenawi erklärte, Äthiopien sei „begierig, Investoren aus Saudi Arabien Zugang zu Hunderttausenden von Hektar Agrarland zu geben“. Dabei werden die klassischen Sektoren wie Blumen und Obst, in denen bislang vorrangig Investoren aus Europa und Israel investierten, um den Markt in Europa zu bedienen, zunehmend ergänzt durch Viehhaltung, meist für die Ausfuhr in die Golfstaaten, und Agrartreibstoffe. Mit der Verlagerung auf großflächige Viehzucht und Plantagen für Agrartreibstoffe wächst der Landbedarf sprunghaft an. Land kann allerdings nicht gekauft, sondern nur von der Regierung gepachtet werden, meist auf 20 bis 45 Jahre. Die Pachtpreise liegen mit umgerechnet drei bis sechs Euro je Hektar und Jahr sehr niedrig.

Landgrabbing ist eine Zeitbombe, denn Äthiopien hat  bereits jetzt schon die Fähigkeit verloren, seine eigene Bevölkerung zu versorgen. In Äthiopien eskaliert es, wir haben für Sie einen Beitrag übersetzt, der die Situation vor Ort schildert.

Äthiopien erklärt Notstand nach Protesten

Die Regierung erklärt den Notstand mit sofortiger Wirkung unmittelbar nach Gewalt und Unruhen in der Region Oromia.

09. Oktober 2016

Äthiopien rief den Notstand aus nach Monaten oft gewaltsamer Proteste gegen die Regierung, insbesondere in der unruhigen Region Oromia.

„Ein Notstand wurde ausgerufen, weil die Situation eine große Gefahr für die Menschen des Landes darstellt“, sagte der äthiopische Premierminister Hailemariam Desalegn am Sonntag im Staatsfernsehen.

Örtliche Medien teilten mit, der Notstand, der zum ersten Mal seit 25 Jahren ausgerufen worden ist, würde sechs Monate andauern.

Am Sonntag früh berichtete der Äthiopische Staatsfunk, der Notstand sei mit Wirkung vom Samstagabend in Kraft als ein Mittel, gegen „friedensfeindliche Elemente vorzugehen, die sich mit ausländischen Kräften verbündet hätten und den Frieden und die Sicherheit des Landes aufs Spiel setzten“.

Ferner hätte der Ministerrat über den Schaden gesprochen, den Protestierende landesweit verursacht hätten, und den Notstand in einer Botschaft an Hailemariam erklärt.

Was löst die Unruhen in Äthiopien aus?

Fahmi da Miller von Al Jazzera, die aus Mombasa berichtet, sagte, die Menschen seien besorgt wegen der „Machtbefugnisse, die dieser Notstand dem Premierminister in die Hand gäbe“.

„Die Sicherheitskräfte werden nun z. B. direkt der Kontrolle durch den Premierminister unterstellt. Im Laufe des vergangenen Jahres sind Dinge wie das Internet blockiert worden, um die Menschen an der Kommunikation zu hindern und so die Proteste zu unterbinden“, sagte sie.

In dieser Woche flammten die Proteste in der Region Oromia wieder auf – die größten einer Welle von Demonstrationen – nachdem Dutzende von Menschen am 2. Oktober bei einer Massenpanik getötet worden waren. Diese war ausgelöst worden durch die Polizei, die Tränengas und Warnschüsse auf eine große Menge von Protestierenden bei einem religiösen Fest abgefeuert hatte.

Die offizielle Zahl der Toten wurde mit 55 angegeben, obwohl Aktivisten der Opposition und Menschenrechtsgruppen es für möglich halten, dass mehr als 100 Menschen starben, als sie vor den Sicherheitskräften flohen und in Gräben fielen, mit denen das gesamte Gebiet übersät war. Laut Regierungsbeamten brannten Fabriken, Geschäfte und Autos vollständig aus oder wurden während der neuesten Protestwelle beschädigt. Es hieß, viele Straßen, die in die Hauptstadt Addis Abeba führen, seien blockiert.

Die Todesrate durch die Unruhen und die Zusammenstöße zwischen Protestierenden und der Polizei der letzten Jahre beläuft sich nach Schätzungen der Opposition und Menschenrechtsgruppen auf mehrere hundert. Mindestens 500 Menschen sind durch Sicherheitskräfte getötet worden, seit die Proteste gegen die Regierung im vergangenen November begannen, sagte die Human-Rights-Watch-Gruppe (mit Sitz in New York) im August.

Die Regierung erklärt diese Zahlen für übertrieben und leugnet, dass die Gewalt durch die Sicherheitskräfte System habe. Im August verweigerte sie eine Forderung, Beobachter ins Gebiet zu entsenden, und sie beruft sich darauf, sie allein sei verantwortlich für die Sicherheit ihrer Bürger.

Die Demonstrationen gegen die Regierung begannen im November unter den Oromo, Äthiopiens größter ethnischer Gruppe, und sie dehnten sich später auf die Am Hara aus, die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe. Zuerst ging es bei den Demonstrationen um Landrechte und später erhoben sich auch Rufe nach mehr politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechten. Beide Gruppen erklären, eine multi-ethnische Regierungskoalition und die Sicherheitskräfte würden von der ethnischen Gruppe der Turgay dominiert, die nur sechs Prozent der Bevölkerung ausmachen.

Die Regierung hingegen beschuldigt Rebellengruppen und Dissidenten aus dem Ausland, die Gewalt angefacht zu haben.

Ethiopia declares state of emergency over protests

Government declares a state of emergency effective immediately following violence and unrest in Oromia region.

09 October 2016

Ethiopia has declared a state of emergency following months of often violent anti-government protests, especially in the restive Oromia region.

„A state of emergency has been declared because the situation posed a threat against the people of the country,“ Ethiopian Prime Minister Hailemariam Desalegn said on state-run television on Sunday.

Local media said the state of emergency, declared for the first time in 25 years, will last for six months.

Earlier on Sunday, the state Ethiopian Broadcasting Corporation reported that the state of emergency was effective as of Saturday evening as a means to „deal with anti-peace elements that have allied with foreign forces and are jeopardising the peace and security of the country“.

It added that the Council of Ministers discussed the damage by the protests across the country and declared the state of emergency in a message delivered to Hailemariam.

What is triggering Ethiopia’s unrest?

Al Jazeera’s Fahmida Miller, reporting from Mombasa, said that people were concerned about „the powers this state of emergency allows the prime minister to have“.

„The security forces for example will now fall under the prime minister’s control specifically. And if we look back over the last year, things like the internet have been blocked to prevent people communicating and allowing these protests to continue,“ she said.

Protests reignited this week in the Oromia region – the main focus of a recent wave of demonstrations – after dozens of people were killed in a stampede on October 2, which was sparked by police firing tear gas and warning shots at a huge crowd of protesters attending a religious festival.

The official death toll given by the government was 55, though opposition activists and rights groups said they believe more than 100 people died as they fled security forces, falling into ditches that dotted the area.

According to government officials, factories, company premises and vehicles were burnt out completely or damaged during the recent wave of protests. Many roads leading to the capital, Addis Ababa, were reported to be blocked.

The death toll from unrest and clashes between police and demonstrators over the past year or more runs into several hundred, according to opposition and rights group estimates. At least 500 people have been killed by security forces since anti-government protests began in November, New York-based Human Rights Watch group said in August.

The government says such figures are inflated and has denied that violence from the security forces is systemic. In August, it rejected a United Nations request to send in observers, saying it alone was responsible for the security of its citizens.

The anti-government demonstrations started in November among the Oromo, Ethiopia’s biggest ethnic group, and later spread to the Amhara, the second most populous group.

Though they initially began over land rights, they later broadened into calls for more political, economic and cultural rights.

Both groups say that a multi-ethnic ruling coalition and the security forces are dominated by the Tigray ethnic group, which makes up only about six percent of the population.

The government, though, blames rebel groups and foreign-based dissidents for stoking the violence.

Netzfrauen Ursula Rissmann-Telle und Doro Schreier
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