Geschichte einer alten Frau im Pflegeheim – Wir fordern: Menschenwürdiger Umgang mit ‪Pflegebedürftigen, ‪Kranken und‪ Pflegekräften

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Denkt Ihr, wenn Ihr mich anschaut: Eine mürrische alte Frau, nicht besonders schnell, verunsichert in ihren Gewohnheiten, mit abwesendem Blick, die ständig beim Essen kleckert, die nicht antwortet, wenn Ihr sie anmeckert, weil sie wieder nicht pünktlich fertig wird. Die nicht so aussieht, als würde sie merken, was Ihr macht und ständig den Stock fallen lässt: Füttern, waschen und alles was dazu gehört.

Der Pflegebereich ist ein Milliardenmarkt. Bis zu 1,6 Millionen Menschen sind heute in Deutschland an Demenz erkrankt. Demenz als Ware, die gehandelt wird – Rechtlos, ausgeliefert und abgezockt?

Engagements von Finanzinvestoren in Pflegeheimen und Kliniken nehmen zu. Mit 138 500 Betten stellen die 30 größten Träger stationärer Pflegeeinrichtungen 16 Prozent aller verfügbaren Pflegeplätze zur Verfügung, 12,5 Prozent aller Heime befinden sich in der Trägerschaft der größten Ketten. Die Curanum AG führt die Liste der größten Betreiber mit insgesamt 13 201 Pflegeplätzen im stationären Sektor deutlich an.

Organisierte Kriminalität im Pflegebereich!

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums gaben Kranken- und Pflegekassen sowie Sozialämter zuletzt jährlich deutlich über 20 Milliarden Euro für die Patientenversorgung in Deutschland aus. Teile dieses Geldes sind allerdings in kriminelle Kanäle geflossen, schätzt das Bundeskriminalamt (BKA).

Heuschrecken“ im Alten – und Pflegeheim

Wo Profite zu erwarten sind, sind „Heuschrecken“ nicht weit. Im Portfolio des Investors Advent befindet sich die Klinikkette Median, die bundesweit 27 Rehakliniken und zwei Pflegeheime in Baden-Württemberg betreibt. Eigentümer der Pflegeheimkette Alloheim, Rang zwölf der größten Betreiber, ist der amerikanische Investor Carlyle. Ein Private Equity Investor aus Paris hält die Mehrheit an der Münchener Silver Care Holding GmbH, die mit 53 Einrichtungen und rund 5200 Pflegeplätzen auf Platz 11 der größten Pflegeheimbetreiber 2013 liegt. Chequers Capital investiert neben dem stationären auch im ambulanten Pflegemarkt in Deutschland. Im April 2013 übernahmen die Franzosen die Mehrheit an der ebenfalls in München ansässigen Deutschen Fachpflege Holding GmbH, die Marktführer für ambulante Intensivpflege in der Bundesrepublik ist. Nur einige Beispiel von vielen.

Medikamentöse Ruhigstellung betreuungsbedürftiger Menschen

Die viel geübte Praxis, Demenzpatienten mit Antipsychotika ruhigzustellen, wird schon lange heftig kritisiert. Zunächst waren es allein ethische Bedenken, dann kamen medizinische Gründe hinzu. Über 50 Prozent der dementen Menschen in Pflegeheimen sollen laut Recherchen mit einem Cocktail aus Neuroleptika und anderen Psychopharmaka behandelt, obwohl diese gerade bei alten Menschen schwerwiegende Nebenwirkungen haben. Die Weltgesundheitsorganisation WHO, die europäische und auch die deutsche Arzneimittelbehörde warnen vor dem unbedachten Einsatz dieser Mittel. Vergeblich.

In unserem Beitrag Organisierte Kriminalität – Demenz als Ware, die gehandelt wird – Rechtlos, ausgeliefert und abgezockt? erfahren Sie die erschütternde Wahrheit im Pflegebereich. Es bedeutet nicht, dass es überall so sein muss. Sicherlich gibt es Pflegeheime, die sorgsam mit ihren Patienten umzugehen wissen. Es gibt aber auch „Schwarze Scharfe“!

In zehn Jahren wird es 3,4 Millionen Pflegebedürftige bundesweit geben, eine Million mehr als heute. Kritiker sprechen schon heute von katastrophalen Zuständen. Und die, die an der Pflege verdienen, lassen sich immer neue Tricks einfallen, wie sie das Geschäft beleben können.

Um auf das Thema aufmerksam zu machen, haben wir diesen Brief veröffentlicht. Es ist sehr wohl möglich, auch mit Demenz würdevoll zu leben, sofern die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Jeden kann es treffen, den Weg des Vergessens zu betreten. Diese Geschichte sagt so viel aus. Ob es diesen Brief wirklich je gegeben hat, lässt sich nicht überprüfen, doch sicherlich könnte so mancher Mensch, der gepflegt werden muss, einen solchen Brief schreiben:

Denkt Ihr denn so von mir, Schwestern, wenn Ihr mich seht, sagt?

Was sehen Sie, Schwester, wenn Sie mich angucken und was denken Sie? „Eine knöchrige Alte“ mit abwesenden Blick, nicht mehr ganz zurechnungsfähig, die sich nicht zu benehmen weiß und kleckert und nicht antwortet, wenn Sie mit ihrer lauten Stimme sagen, sie solle sich doch wenigstens ein bisschen Mühe geben, die nicht zu beachten scheint, was Sie machen, die mal hier einen Strumpf verliert und da einen Schuh, und die trotz aller Ermahnungen nicht mithilft, wenn sie gebadet oder gefüttert wird.

Wenn Sie das, Schwester, sehen und denken, dann liegen Sie falsch. Das bin ich nicht, die da so still sitzt, und die auf Ihr Geheiß aufsteht und isst. Machen Sie die Augen auf, ich sage Ihnen, wer ich bin:

Ich bin ein Kind von 10 mit einem Vater und einer Mutter und Brüdern und Schwestern, die einander lieben. Ein junges Mädchen von 16 mit Flügeln an den Füssen, die davon träumt, bald ihre wahre Liebe zu treffen. Eine Braut von 20,  mein Herz springt vor Freude, wenn ich an die Gelübde denke, die ich zu halten versprach. Mit 25 habe ich dann eigene Kinder, für die ich ein sicheres, glückliches Heim baue. Eine Frau von 30, meine Kinder wachsen schnell, miteinander durch treue Bande verbunden.
Mit 40 bin ich, meine Söhne sind weg, aber an meiner Seite steht mein Mann und unterstützt mich. Mit 50 habe ich wieder spielende Kinder um mich. Wir haben Enkel, mein Liebster und ich.

Dann kommen dunkle Tage, mein Mann stirbt, ich schaue mit Angst in die Zukunft, denn meine Kinder sind dabei, ihr eigenes Heim zu bauen. Ich denke an die Jahre und die Liebe, die ich erfahren habe.

Ich bin jetzt eine alte Frau, die Natur ist sehr grausam. Sie hat sich ausgedacht, Alte wie  N A R R E N  erscheinen zu lassen. Der Körper zerfällt, Anmut und Stärke schwinden, wo einst ein Herz war, ist jetzt ein Stein.

Aber in diesem alten Gerüst wohnt ein noch junges Mädchen, und hin und wieder schwillt mein geschundenes Herz.
Ich denke an die Freude zurück und den Schmerz, und ich liebe und lebe das Leben noch mal, und erinnere die Jahre, viel zu wenig und viel zu schnell vergangen und nehme die bittere Tatsache an, dass nichts bleibt.
So machen Sie die Augen auf, SCHWESTER und sehen Sie nicht eine alte kratzbürstige Frau, sehen Sie mich!!!

Diese Geschichte soll eine alte Frau geschrieben haben, die seit langem in einem Pflegeheim in Schottland lebte und von der man meinte, sie sei desorientiert. Man fand es nach ihrem Tod bei ihren Sachen.

So oder ähnlich mag es auch anderen älteren Menschen gehen: Wer schaut schon hinter die „Fassade“ und interessiert sich für das, was sie einmal waren.

Viele sehen die alten Menschen als diejenigen, die sie heute sind. Für einen würdevollen Umgang im Alltag und auch in der Pflege ist es aber wichtig, den ganzen Menschen zu erkennen und dazu gehört an erster Stelle seine Lebensgeschichte. Wir vergessen oft, dass auch diese Menschen einst jung waren.

Die Lebenserfahrung älterer Menschen und ihre Weisheit wurden in früheren Zeiten intensiv genutzt. Sei es im alten Rom oder bei den Indianern, der Rat der Alten und Weisen wurde respektiert und befolgt. Unsere Technikgläubigkeit macht uns vor, dass wir alles messen und beurteilen können und daher auf Erfahrung und Weisheit gut verzichten können. Die Ergebnisse dieser Annahme, die wir an der Entwicklung in Wirtschaft und Politik ablesen können, zeichnen ein katastrophales Bild.

Das Wissen der Älteren war früher wichtig für die Gemeinschaft – für das Überleben der ganzen Familien oder bei den Indianern  des ganzen Stammes, weshalb Alte ein hohes Ansehen besaßen. Die alten Menschen haben genauso wie die übrigen Angehörigen gelebt. Wenn sie nicht mehr in der Lage waren, sich selbst zu versorgen, übernahm dies die Familie, der Stamm oder die Sippe.

Heute können viele Angehörige sich nicht mehr um die Pflege der Älteren kümmern. Immer mehr alte Menschen landen sogar in Altersheimen jenseits der deutschen Grenze. Heute Polen und Ungarn, morgen Bulgarien oder Rumänien. Die „Alten“ werden aus Kostengründen abgeschoben. Wenn alte Menschen nicht mehr allein in ihrer Wohnung leben können, ist das Pflegeheim oft der letzte Ausweg, doch zu welchem Preis?

Ruhig gestellt und abgeschoben statt liebevoll gepflegt – so sieht der Alltag in vielen Pflegeheimen aus. Doch nicht nur die Pflegebedürftigen sind Opfer des Systems. Auch die Pfleger leiden unter der oft unmenschlichen Arbeit – viele sind sowohl körperlich als auch seelisch überlastet. Hinzu kommt die Kritik an einer viel zu geringen Bezahlung für diese anspruchsvolle Tätigkeit.

Wenn jemand sich um das Vermögen anderer Menschen kümmert, dann wird dieses „gut“ bezahlt. Hat sich jemand aber für den Beruf entschieden, sich um Menschen zu kümmern, wie eben in der Altenpflege, dann wird derjenige mit einem Hungerlohn abgespeist. Schon einmal darüber nachgedacht?

Siehe Wenig Aufwand – hoher Ertrag – dies lässt die BIG4 der Klinikbetreiber gesunden – Solche Pflege ist Folter!

Natürlich müssen sich Kosten und Leistungen decken, doch hierfür müssen andere Rechenmodelle her und das nicht auf Kosten von Menschen – sowohl auf Kosten der alten Menschen als auch auf Kosten des Pflegepersonals. Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass jeder Cent zählt, aber eher auf der Habenseite des Pflegeheimes. Wie bei den Konzernen, der Gewinn ist nie ausreichend und da darf gerne noch hier und dort gespart werden, merkt ja keiner, oder doch?  Die Pflege im Akkord, wie am Fließband, doch wer pflegt die Pflege?

Wie wäre es, wenn Profit in der Gesundheitspflege und im Sozialbereich in Zukunft untersagt wird? Dann müssten doch die Überschüsse sowohl auf das Pflegepersonal als auch auf die Pflegebedürftigen verteilt werden. So wird das Streben nach Gewinn auf Kosten von Menschen verhindert. So lag das Umsatzvolumen und Wertschöpfung in der Pflege in Deutschland im Jahr 2011 von privaten Trägern im Pflegebereich bei rund 12,63 Milliarden Euro.

Wenn ein Pflegeheim Pflegeversicherungsgeld einstreicht,  jedoch zum Beispiel nur 65 Prozent der dafür vorgesehenen Pflegeleistung ganz bewusst und mit voller Berechnung erbringt, nennt man so etwas Betrug. Bei einem Handwerksbetrieb würde man das nie akzeptieren. Aber Heimbetreiber haben wegen solcher Delikte nichts zu befürchten. So kann deshalb eine solche Praxis überhaupt praktiziert werden. Mitarbeiter und Außenstehende haben normalerweise keinen Einblick in die Kostenbilanz der Heime. Kaum ein Heim ist bereit, seine Zahlen und Fakten offen zu legen. Genau hier müsste angefangen werden, eine Überprüfung der Bilanzen.

Ein Faktor, den wir noch weiter ausarbeiten werden. Sie können uns helfen, schildern Sie uns Ihre Erfahrungen.

„Wenn ein alter Mensch stirbt, ist es so, als ob eine ganze Bibliothek abbrennt.“ Afrikanisches Sprichwort.

Netzfrau Doro Schreier

Mehr Informationen zu dem Thema Pflege erhalten Sie hier:  Pflege 

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