Türkei – ZYNISCHES RECHT …nicht strafbar, wenn der Vergewaltiger das Opfer heiratet!

tuerkei-5In der Türkei sorgt ein Gesetzesentwurf der Regierung vielerorts für Empörung. Er sieht vor, dass sexueller Missbrauch straffrei bleiben soll, wenn der Vergewaltiger das Opfer danach heiratet. Sollte der Entwurf so angenommen werden, könnte das für viele Frauen furchtbare Konsequenzen haben.

Gleichheit zwischen Mann und Frau? Das könne es nie geben, denn es sei wider die Natur, sagte Erdogan im November 2014. Gleichwertigkeit, das sei erstrebenswert. Aber nicht Gleichheit. Frauen seien beispielsweise für viele Arbeiten nicht geeignet. Erdogan hatte auch eine Begründung parat: Das Wesen der Frauen und ihre körperlichen Voraussetzungen seien anders als bei Männern.

Der Aufschrei war groß, nachdem im August bekannt wurde, dass die Türkei angeblich den Sex mit Minderjährigen legalisiert hat. In der Türkei wurde beim Verfassungsgericht die Entscheidung getroffen, dass sexuelle Handlungen, bei denen 12- bis 15-Jährige beteiligt sind, nicht mehr prinzipiell als Kindesmissbrauch zu ahnden sind. Das Gericht begründet diese Entscheidung unter anderem damit, dass bislang bei allen sexuellen Handlungen mit unter 15-Jährigen das gleiche Strafmaß galt. Wegen der Vorwürfe gegenüber der Türkei wurden sogar einzelne Botschafter einbestellt. So wurde, nachdem die schwedische Außenministerin Margot Wallström sich per Twitter empörte, das Gesetz würde den Sex mit Minderjährigen legalisieren, der schwedische Botschafter ins türkische Außenministerium bestellt. 

Die Gefahr, von einem Mann erschossen, erstochen oder totgeprügelt zu werden, ist für eine Frau in der Türkei größer, als bei einem Autounfall oder an Krebs zu sterben. Gewalt gegen Frauen sei die Haupttodesursache unter Frauen zwischen 15 und 44 Jahren in der Türkei. Siehe Weltfrauentag Türkei: Mit Tränengas und Gummigeschosse gegen Frauen-Demo

Immer mehr Kinder werden in Flüchtlingsunterkünften zwangsverheiratet. Besonders häufig betroffen sind vor allem minderjährige Mädchen aus Syrien. Auch in der Türkei habe sich die Zahl der Zwangsehen erhöht. Siehe Children of Syria – Weibliche Flüchtlinge: Ausbeutung statt Schutz – IS exekutieren 250 Frauen

Wir bekamen folgenden Hilferuf:

„Wir sind angewidert und fassungslos! #AKP-Abgeordnete in der Türkei haben gestern im Parlament einen Antrag gestellt, indem sie die Verheiratung von Vergewaltigungsopfern und ihren Peinigern fordern. Schon der Gedanke daran lässt einen erschaudern! Eine Ehe zwischen Opfer und Peiniger wäre eine neue Dimension an Perversion. Die türkische Regierung tritt die #Menschenwürde – ohne mit der Wimper zu zucken – mit Füßen. Wir verurteilen diese ekelhafte Forderung! Lf Senem Kahraman #Türkei #Frauen #Solidarität

Vergewaltigunsopfer in der Türkei § 213: “…nicht strafbar, wenn der Vergewaltiger das Opfer heiratet”

Mit diesem Vorgehen würde sich die Türkei Malaysia anschließen. In August 2016 sorgte ein Bericht der Borneo Post für weltweite Empörung, nachdem bekannt wurde,  dass mit der Heirat des Opfers ein Malaysier eine langjährige Gefängnisstrafe wegen Vergewaltigung umgangen hat. Das Gericht im Bundesstaat Sarawak auf Borneo stellte das Verfahren ein, weil es „keine Notwendigkeit“ einer weiteren Strafverfolgung mehr gebe.Die Begründung der Richter: Das erst 14-jährige Opfer und der mutmaßliche Täter seien ja jetzt ein Ehepaar. Opferfamilien in dem konservativen muslimischen Land willigten aus Sorge um die Ehre lieber in eine Heirat ein, als dass ihr Name während eines Prozesses bekannt werde.

Nach dem schockierenden Selbstmord einer 16-Jährigen, die gezwungen worden war, ihren Vergewaltiger zu heiraten, hat Marokko Anfang des Jahres 2014 die Straffreiheit für Vergewaltiger abgeschafft. In Tunesien und Algerien haben jedoch ähnliche Gesetze weiterhin Bestand. Nachdem Aminas Fall bekannt wurde, gingen Tausende ­Marokkanerinnen und Marokkaner auf die Straße, um gegen die unmenschlichen und frauenverachtenden Gesetze zu protestieren. Internationale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International prangerten den Fall an. Auch Aminas ­Familie, untröstlich über den Verlust, war unter den Demons­trierenden. Auf den Protestplakaten stand: „Vergewaltige mich, dann heirate mich“, „Ruhe in Frieden, Amina“ oder „Paragraf 475 tötete mich“. Aminas schockierende Geschichte war zu einem Katalysator geworden, der eine längst überfällige gesellschaftliche Entwicklung in Gang brachte.

Die Gesetze führen dazu, dass sie das Täter-Opfer-Verhältnis umkehren: Frauen und Mädchen werden nicht als Opfer einer zu ahndenden Gewalttat gesehen, sondern als Verursacherinnen.

Ein Gesetzentwurf der Regierungspartei AKP in der Türkei,  in dem es heißt, dass Täter einer Strafe entgehen sollten, wenn sie ihre Opfer heiraten, hat heftige Diskussionen ausgelöst. Die Tat müsse aber ohne „Gewalt, Drohung oder jegliche andere Form von Zwang“ erfolgt sein. Wie will ein „Kind“ beweisen, dass diese Tat ohne jegliche Gewalt verübt wurden ist?

Am kommenden Dienstag, dem 22.November 2016 entscheidet sich, wie in der Türkei mit vergangenen und künftigen Sexualdelikten verfahren wird. Dabei geht es vor allem um 4000 Vergewaltiger, die sich bereits strafbar gemacht haben, darunter auch Täter, die sich an Minderjährigen vergangen haben. Sie sitzen derzeit in Haft und hoffen auf ein Durchwinken eines Gesetzesentwurfes der Regierungspartei AKP am Dienstag. Darin heißt es, eine Vergewaltigung sei “…nicht strafbar, wenn der Vergewaltiger das Opfer heiratet.”

Neben Paragraph 213 ist ergänzend zu berücksichtigen, dass es noch den Paragraphen 103 gibt, der bis Januar 2017 entweder neu definiert werden muss oder wie bisher stehenbleibt: Darin geht es um die Frage, ob Geschlechtsverkehr bereits mit Minderjährigen ab 12 Jahren oder wie gehabt erst ab 15 Jahren gesetzlich erlaubt sein soll, sofern beide Geschlechtspartner dem zustimmen.

Würden solche Gesetzesentwürfe umgesetzt oder neu ausgehandelt, könnte auch die Quote vergewaltigter Minderjähriger noch weiter ansteigen, befürchtet Nazan Moroğlu, Koordinatorin und Anwältin des Frauenvereins Istanbul. In den letzten Jahren hätten sich die Verhandlungen zu Sexualdelikten um das Siebenfache erhöht, fasst die Zeitung Diken die Statistik des türkischen Parlaments zusammen. Nur ein Bruchteil dieser Fälle endete mit einem angemessenen Urteil. Die meisten Täter blieben von langen Haftstrafen verschont.

Den Preis müssen die Betroffenen und unter Umständen die Kinder zahlen. Quelle dtj-online.de

Erst im Oktober 2016 löste eine brutale Vergewaltigung einer 16-Jährigen in Argentinien einen Generalstreik der Frauen aus. 70 000 Frauen gingen auf die Straße, viele weitere Länder Lateinamerikas schlossen sich an: Siehe  Generalstreik der Frauen in Argentinien nach brutaler Vergewaltigung einer 16-Jährigen – Women set for first-ever general strike in Argentine history

Am 7. März 2016 gingen Tausende Frauen in der Türkei zum Weltfrauentag auf die Straße. In der Türkei ist Gewalt gegen Frauen so alltäglich, dass die meisten Todesmeldungen gleichgültig oder mit bitterer Resignation aufgenommen werden. Sie ist ein Symptom für größere Geschlechterfragen innerhalb des Landes. Im World Economic Forum 2014 Gender Gap Report rangiert die Türkei auf Platz 125 von 142. Die Zahl der Morde an Frauen ist in den letzten zwei Jahren enorm angestiegen: Um fast 45 Prozent. Schon 2010 sorgte eine Statistik für Aufruhr, nach der sich die Zahl der ermordeten Frauen von 2003 bis 2010 mehr als verzehnfacht hatte.

Laut einer Studie des türkischen Instituts für Sexualgesundheit haben vierzig Prozent der türkischen Frauen schon einmal Gewalt erfahren, zwanzig Prozent von ihnen sexuelle. Wird eine Frau in der Türkei vergewaltigt, dann ist ihr in zwei von drei Fällen der Täter bekannt – es ist ihr Ehemann, Liebhaber, Vater oder ein Verwandter. Gleichzeitig sind noch immer weite Teile der türkischen Gesellschaft davon überzeugt, dass eine Frau, die vergewaltigt wurde, dies provoziert haben muss. Auch die türkische Rechtsprechung zeugt von dieser Mentalität: Wird eine Prostituierte vergewaltigt, dann kommt der Täter mit einem blauen Auge davon, dabei bleiben Vergewaltiger ohnehin nie lange im Gefängnis. Die Frau hingegen gilt fortan als beschmutzt. Siehe: Weltfrauentag Türkei: Mit Tränengas und Gummigeschosse gegen Frauen-Demo

Nach dem brutalen Mord am 11. Februar 2015 an der Studentin Özgecan Aslan setzen sich türkische Frauen zur Wehr

Die Proteste gegen den Mord an Özgecan Aslan hat in der Türkei die Frauen dazu bewegt, sich zu Wehr zu setzen.  – Dieses Foto zeigt die Demonstration der Frauen am 15. Februar 2015

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Selbst an Tagen der Kundgebungen, mit Kerzen an Gedenkstätten auf den Universitäten im ganzen Land und der internationalen Aufmerksamkeit werden weiterhin Frauen in der Türkei geschlagen, vergewaltigt und misshandelt. Wird die Türkei zukünftig Gesetze erlassen, damit Frauenrechte beachtet werden? Wie es zur Zeit ausschaut, dramatisiert sich die Situation der Frau in der Türkei.

Ein weiteres Argument sei laut dtj-online.de, dass auch heutzutage Mädchen in islamischen Ländern bereits mit 12 Jahren verheiratet werden würden. Sicherlich gibt es dort Ehen, die im Kindesalter vollzogen werden, allerdings nicht rechtens. Denn auch hier wird übersehen, dass in anderen islamischen Ländern eine strikte Altersregelung bezüglich der Heirat besteht. Nur in sehr orthodoxen Glaubensschulen werden Ehen mit Minderjährigen von 12 Jahren oder sogar jüngeren Alters vollzogen. Dennoch, trotz fragwürdiger Argumente scheint es, dass die AKP den Entwurf durchsetzen wird. Siehe auch. Der Internationale Mädchentag – Mädchen sind Kinder, die ihre Ausbildung nicht Zwangsverheiratung verdienen

Die Aussichten stehen gut. Die Grundlagen dafür sind bekanntlich bereits geschaffen: Nach Absetzung vieler Juristen und Beamter, ist der Staats- und Justizapparat frisch saniert worden. Der Richter habe sich von der Reaktion der CHP nicht weiter stören lassen. Sie hatte sich gemeinsam mit der MHP von dem Entwurf distanziert, sogar lautstark dagegen protestiert. Wenn dieses Gesetz verabschiedet wird, werden zahlreiche Häftlinge “heiratswütig” vor den Altar treten wollen, um entlassen zu werden, so die Autorin , am 

Wir wünschen den Frauen in der Türkei viel Kraft und werden sie bei ihrer Aktion unterstützen.

„Die Freiheit ist wie eine unsichtbare Krone, die Ihr alle auf Euren Köpfen tragt, ohne es zu bemerken. Diese Krone ist nur für uns Gefangene sichtbar, denn wir dürfen sie nicht tragen!“
Reyhaneh Jabbari , sie wurde am 25.Oktober 2014 im Iran gehängt.

Über Reyhanehs Fall haben wir mehrfach berichtet. Er wollte sie vergewaltigen, sie erstach ihn in Notwehr. Dafür wurde Reyhaneh Jabbari zum Tode verurteilt. Ihr Peiniger war Morteza Abdolali Sarbandi, ein ehemaliger Angestellter des iranischen Informationsministeriums.

Öffentliche Hinrichtungen, Missbrauch, Misshandlungen, Zwangsverheiratungen, Mädchen und Frauenhandel – Gewalt gegen Frauen lässt sich nicht als kulturelle oder religiöse Folklore entschuldigen. Es handelt sich nicht um Einzelfälle. Jeder einzelne Fall ist Teil eines Ganzen. Teil des Femizids. Siehe:  R.I.P. Reyhaneh Jabbari – 1325

Netzfrauen

Der Internationale Mädchentag – Mädchen sind Kinder, die ihre Ausbildung nicht Zwangsverheiratung verdienen

Wenn Profit vor Menschenrechten…Iran: Hinrichtungen an der Tagesordnung – auch Frauen und Kinder – Frauen sind Opfer von schwersten Menschenrechtsverletzungen

Grausam – Ehrenmorde und Säureattacken in Pakistan

Herzzerreißend! Mit Gewalt in die Ehe verkauft – The heartbreaking moment a Kenyan girl is sold into marriage

„Gulabi Gang“ – Indische Frauen-Gang lehrt Männer das Fürchten

Pakistan: Kinder auf dem Müll entsorgt

Kinder haben Rechte und sind doch Opfer von Gewalt, Ausbeutung oder Menschenhandel

Gefangene des IS – Eine 15-jährige berichtet

Zwangs- und Kinderheirat – Terror hat einen Namen – „IS“ – sie entführten wieder Frauen und Kinder

Erdogans Doppelspiel – Der schmutzige Deal zwischen der EU und der Türkei

Kinder auf der Flucht – vermisst,verschleppt, ausgebeutet und missbraucht

Die 11-jährige Nada wehrt sich gegen Zwangsehe – Deutsche Übersetzung

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