Gedanken über Sinn und Unsinn jahrzehntelangen Neoextraktivismus
Seit Wochen wüten die schlimmsten Waldbrände in der Erinnerung der Chilenen und sie haben derweil eine Fläche von 480 000 Hektar zunichte gemacht. Die chilenische Holzkorporation spricht bereits von 500 000 Hektar und einem Verlust von 350 Millionen US-Dollar. Siehe auch: Chile brennt und ruft den Notstand aus
Eine Fläche, die überwiegend aus der Kiefernart Pin Radiata und vor allem aus Eukalyptus besteht. Das sind keine heimische Arten. Sie wurden vor rund 100 Jahren eingeführt und haben einen großen Teil der nativen Wälder verschluckt.
Dr. Alejandro Peña, Professor an der Universität Católica del Maule in Chile hat es in einem öffentlichen Brief vor einigen Tagen in einer der größten Tageszeitungen Chiles in einfachen Worten erklärt:
„Diese beiden Baumarten haben ihre Herkunft in Ländern wo es fast das ganze Jahr hindurch regnet, sodass sie nicht diesen gigantischen Waldbränden ausgesetzt werden, wie es sie bei uns gibt. Es ist eine traurige Lektion, die uns die Natur gibt. Der Mensch kann hier nicht intervenieren ohne schlimme Folgen.“
„Die chilenischen Behörden haben in den letzten 60 Jahren zwei enorme Fehler gemacht, die ein riesiges ökologisches Ungleichgewicht zur Folge haben. Einer ist die industrielle Fischerei mit ihren riesigen Schleppnetzen mit der Folge, dass die Meeresfauna verschwindet. Der andere Fehler war die Genehmigung, native Wälder durch Baumarten, die nicht für diese Gebiete geeignet sind, zu ersetzen, weil diese den Boden auslaugen, weil sie leicht entflammbar sind, weil man nicht erlaubt, dass Unterholz wächst, und was zur Folge hat, dass die Flora und Fauna, die der native Wald hatte, konsequent verschwindet.“
Warum Monokulturen mit nicht nativen Baumarten? Die grünen Wüsten
Kiefern und Eukalyptus wachsen sehr schnell. Sie werden nach 10 bis 12 Jahren gefällt, schaffen Arbeitsplätze und stehen an zweiter Stelle bei Exportprodukten vor allem nach China, Japan und in die USA. So weit so gut!
– Diese Monokulturen nehmen den nativen Wäldern den Platz weg und bringen so die einzigartige Artenvielfalt um.
„Denn ein Eukalyptusforst lässt nur wieder Eukalyptus nachwachsen. Als Wald ist er gewissermaßen tot!“
Wald – Holz
Der Forstsektor: Wie bei den Kupfer- und Goldminen ist er durch Extraktivismus gekennzeichnet. Heute eignet sich nicht mehr eine kleine Gruppe japanischer Papierfabriken die zu Holzschnitzel zerkleinerten chilenischen Wälder im Süden an – wie unter Pinochet. Heute beherrscht eine kleine Gruppe von territorialen chilenischen Holzunternehmen den Markt und sie ersetzen auf über 2 Millionen Hektar auch natürlichen Wald durch schnellwachsende Kiefern und Eukalyptus für ihre Papierfabriken bzw. für den Export von Papier-Pulpe – vor allem nach China, Japan und in die USA. Zum dadurch gefährdeten natürlichen Wald in Chile gehören u. a. so einmalige Waldbestände wie die der Alerce, die zwischen 3000 und 4000 Jahre alt werden können – wenn das Waldschutzgesetz sie wirklich schützen würde! Solche Bäume sind ein unglaubliches Weltnaturerbe – und jeder einzelne von ihnen auch ein ganz außergewöhnlicher CO2-Speicher. Für die chilenische Holzindustrie zählen allerdings andere Zahlen. Quelle
– Wenn denn der Eukalyptusbaum nicht so viel Wasser bräuchte:
Seine bis zu zwanzig Meter tiefen Saugwurzeln graben selbst kilometerweit entfernten Brunnen das Wasser ab. Ein erwachsener Eukalyptusbaum „trinkt“ täglich bis zu 40 Liter Wasser. Rund um die Plantagen sinkt der Grundwasserspiegel, die Felder vertrocknen. Chile leidet seit vielen Jahren an Dürre und Wassermangel. Und daran ist nicht „nur“ der klimatische Wandel schuld, sondern vor allem die großen Minen, die Kupfer, Gold und anderes abbauen. Um einen Kubikmeter Holz zu bekommen, benötigt man 240 000 bis 717 000 Liter Wasser!
Sehen Sie hier ein Video von einem frisch gefällten Eukalyptus und wie viel Wasser er „weint“
– Wenn denn diese Monokulturen nicht auch noch den Lebensraum traditioneller Landwirte und besonders den der Ureinwohner Chiles, den Mapuche, wegnehmen.
Die nativen Wälder sind der Lebensraum der Mapuche. Hier leben sie, arbeiten sie und halten ihre heiligen Zeremonien. Sie wurden und werden von ihrem Land vertrieben. Ohne Wasser und mit einem Boden, der unterernährt, ist können sie keine Landwirtschaft mehr betreiben.
– Wenn es da nicht diese Plage gäbe:
2001 erschien zum ersten Mal die Sirex noctilio , die blaue Fichtenholzwespe. Es wurden bereits viele Versuche unternommen, die Plage, die das Holz unverkäuflich macht, zu stoppen. Die besten Ergebnisse erzielten bis jetzt die Waldbrände vorheriger Jahre, die zufällig genau dort ausbrachen.
– Wenn es denn nicht das Gesetz 701 gäbe:
Dieses wurde zu Zeiten des Diktators Pinochets erlassen und wurde von allen Präsidenten der nachfolgenden Demokratie immer wieder verlängert. Es unterstützt die Aufforstung von Kiefern und Eukalyptus mit einer staatlichen Subvention von 75 %, (von 1974 bis 2014 waren das 664 Millionen US-Dollar), die zum größten Teil von den Großgrundbesitzern (aus)genutzt wurde. Nach und nach verschwand natives Waldgebiet nach illegalen Abholzungen und verdächtigen Waldbränden. Denn einmal verbranntes Land wird zur Benutzung von Monokulturen für wenig Geld freigegeben.
Doch nicht nur die Wälder litten. Als das Gesetz erlassen wurde, wurde Land, in dem Mapuche lebten, an Private verkauft und dem entspringt der jahrzehntelange anhaltende Konflikt zwischen den Mapuche und den Holzunternehmen.
Seit 2012 schläft das Gesetz und wartet auf seine Verlängerung im Kongress. Es lief 2014 aus und der damalige Präsident Sebastian Piñera wollte es für 20 Jahre verlängern. 2014 hat die heutige Präsidentin Michelle Bachelet die weitere Verlängerung angekündigt. Eine überraschende Wende kam jedoch nach einem Verdunklungs/Korruptionsskandal von Seiten der Papierindustrie (Grupo Matte) und die Präsidentin gab bekannt, dass das Gesetz in Zukunft Großunternehmen wie die Grupo Matte und Grupo Angelini außen vorlassen wird. Aber wie gesagt, es fehlt die Verabschiedung im Kongress…
Man schätzt, dass heute 3 Millionen Hektar „Waldplantagen“ von Kiefer und Eukalyptus in der südlichen Region Chiles angebaut sind. 750 000 Hektar gehören der Holding CMPC, deren Muttergesellschaft Forestal Mininco heißt und von der Grupo Matte kontrolliert wird. Diese kontrollieren u. a. auch noch Empresas Colbún, Entel Chile, Volcán S.A., Banco Bice, BiceCorp, Inversiones Almendral. Also nehmen sie auch Teil am Geschäft mit der Stromversorgung, der Telekommunikation und den Banken…
Der andere Teil, 1 200 000 Hektar fallen der Holding Copec-Antar Chile zu, deren Muttergesellschaft im Holzgeschäft Celco-Arauco de Angelini ist. Der Konzern Grupo Angelini ist in den Bereichen Energie, Kraftstoff, Dienstleistungen im Bereich Landwirtschaft und Fischerei tätig.
– Wenn da nicht das Freihandelsabkommen TPP von seiten Trumps abgesagt worden wäre, mit dem die Waldplantagenbesitzer fest mit großen Exportgeschäften gerechnet haben.
– Wenn da nicht die Präsidentin was verwechselt hat:
Michelle Bachelet sieht in einer Vergrößerung der Fläche der Monokulturen eine Chance, ihr Versprechen der CO -Reduktion um 30 Prozent pro BIP-Einheit bis 2030 gegenüber 2007, welches sie auf dem Klimagipfel von 2015 gemacht hat, einhalten zu können. Doch ihre Politik steht im klaren Gegensatz zu den Klimaschutzzielen.
Sie sieht vor, die Kiefer- und Eukalyptuswälder noch einmal um 2 Millionen Hektar wachsen zu lassen! Eben um die versprochene CO2-Reduktion zu erreichen. Die Konzentration des Reichtums und der Macht und der damit verbundene Einfluss in die Politik werden damit ganz klar schneller wachsen, als die Natur sich erholen kann.
Ist Chile das einzige Land mit gewaltigen Bränden von Wäldern aus Kiefern und Eukalyptus?
Ähnliche Tragödien spielen sich auch immer wieder in anderen Ländern ab!
Ob Europa, Asien, USA oder Südamerika – eit Jahren hören wir von Megawaldbränden.
Mehr als 80 Länder haben heute Eukalyptuswälder gepflanzt. Gar nicht weit weg: Portugal. Erinnern Sie sich? Insgesamt verbrannten in der Dekade zwischen 2003 und 2012 in Portugal knapp 1,5 Mio. ha Wald und Buschland. Dies entspricht 16% der portugiesischen Landesfläche und 29% der Wald und Buschfläche.
Klimakiller Waldbrand – unser Klima wird brandstiftenden Wirtschaftsinteressen geopfert
Weltweit haben nur etwa 4% aller Waldbrände natürliche Ursachen wie beispielsweise Blitzeinschlag. In allen anderen Fällen ist der Mensch – sei es direkt oder indirekt, sei es fahrlässig oder vorsätzlich – verantwortlich für den Brand.
Zurück nach Chile
Selbst die Regierung gibt mittlerweile zu, dass keine Zweifel mehr daran bestehen, dass es sich bei einem Großteil der aktuellen Brände um Brandstiftung handelt…
Da stellt sich natürlich die Frage: Wer sind die Brandstifter? Und wer zieht Nutzen daraus?
Das muss wohl jeder Leser für sich analysieren. Zumindest ist es wohl eine erschreckend reale Hypothese, dass die Forstunternehmen da ihre Hände im Spiel haben. Bereits 2012 gab es einen riesigen Waldbrand im Süden Chiles, bei deren Auslöser der ernste Verdacht auf die Forstunternehmen fiel.
Obwohl die Staatsanwaltschaft Anzeichen dafür hat, will sie bis heute nichts unternehmen. Das unterstützt zumindest die Idee eines Interessenkonfliktes der Staatsanwaltschaften. Nachdem nach einem Versprechen von 2015, die Sache aufzuklären, nun immer noch nichts passiert ist, überdenkt die La Red por la Defensa de los Territorios (Das Netzwerk für die Verteidigung der Territorien) zurzeit legale Aktionen.
Der Staatsanwaltschaft liegen bereits Daten vor, die die Verbindung von Waldbränden und von Plagen befallene Wald-Monokulturen aufzeigt. Weiterhin von eingeforderten Versicherungen und Verdunklung des unternehmerischen Sektors mit dem der Politik und der Justiz. In der Beweismappe der Staatsanwaltschaft finden sich u. a. auch Aussagen von früheren Plantagewächtern und Geständnisse von bezahlten Arbeitern die (Feuer-) Attentate auf Häuser, Maschinen und Kirchen verübten und dafür Mapuche beschuldigten. http://olca.cl/articulo/nota.php?id=106669
Es gibt vor allem eine lange Vorgeschichte des Versuches von Seiten dieser Unternehmen, die Mapuche für die Brände verantwortlich zu machen. Wie Luis Cuenca von OLCA (Lateinamerikanisches Observatorium von Umweltkonflikte) meint, „sehen sich die Firmen in der Opferrolle und wenden sich an die Regierung, damit sie sie beschützt und deren Verteidigung übernimmt, und sie stellen dies als Boykott der privaten Forstwirtschaft Chiles hin. „Es ist gut bekannt, wie sich die Forstwirtschaft in Chile entwickelt, wie Pestizide undifferenziert verwendet und genetisch veränderte Baumarten eingeführt werden und es ernste Wasserprobleme gibt, die die Mapuche-Gemeinschaften in Mitleidenschaft ziehen.“ http://olca.cl/articulo/nota.php?id=106669
Aufdie Vertreibung und Verfolgung der Mapuche haben wir Netzfrauen bereits öfter aufmerksam gemacht. Heute befinden wir uns auf einem Höhepunkt der Anschuldigungen von Seiten der Unternehmen und leider auch in Teilen der Bevölkerung. Siehe auch: Mapuche-Ureinwohner in Chile! Überall Völkermord an Indigenen mit der Beteiligung der EU – #LiberenALaMachi: Violaciones Sistemáticas a los Derechos Humanos
Fakt ist, dass mehrere Brandstifter beim Legen von Feuer erwischt wurden. Einige wurden frei gelassen, andere sitzen in Untersuchungshaft. Nennenswert auch die offizielle Formalisierung eines Managers des Strombetreibers CGE, die der spanischen Multinationalen Fenosa angeschlossen ist. Er soll für die schlechte Wartung von Strommasten und Leitungen verantwortlich sein, die zusammen mit nicht zurückgeschnittenen Bäumen durch Reibung Funken erzeugt haben könnten und damit Waldbrände auslösten.
Wer oder was auch immer die gigantischen Brände ausgelöst hat, zurück bleibt in erster Linie eine zerstörte Fauna und Flora. Hunderte Familien verloren alles und das Leid und die Bestürzung sind sehr groß. Das hält aber die rechtsgerichteten Politiker nicht auf, der ohnehin schon recht unbeliebten Präsidentin Bachelet große Unfähigkeit vorzuwerfen. In diesem Millieu wächst der Unmut der Bevölkerung und es rufen auch einige bereits lautstark nach ihrem „General“ – Pinochet! So werden die Waldbrände wohl auch noch Konsequenzen auf politischer Ebene haben. 2017 gibt es Wahlen und einiges zeigt darauf hin, dass in Chile, genau wie in Argentinien oder Brasilien, die linke, soziale Politik sich verabschieden muss.
Und damit wäre dann der Weg wieder freier für den Modellstaat für Neoextraktivismus!
Ein Chile, dass mehr als jedes andere Land in Lateinamerika auf Freihandelsabkommen gesetzt hat, auf die Privatisierung von Dienstleistungen und vor allem auf die Ausbeutung ihrer Rohstoffe durch nationale und internationale Konzerne.
Informationen
Empresas CMPC S.A. ist ein chilenisches Unternehmen mit Stammsitz in Santiago de Chile. Das Unternehmen wurde 1920 gegründet. Es ist eine Holding mit vier Geschäftsfeldern: Forstwirtschaft, Zellstoff, Papier, und Hygienepapiere. Geleitet wird das Unternehmen von Eliodoro Matte. Das Unternehmen ist aktiv in Chile, Argentinien, Brasilien, Peru, Kolumbien, Mexico, Ecuador und Uruguay und ist der fünftgrößte Zellstoffproduzent der Welt.
Ausfuhr nach Deutschland 2014
HS-Code | Produktbezeichnung des chilenischen Zollamtes | Ausfuhrwert (in Mio. US$, fob) |
26030000 | Kupfererze und ihre Konzentrate | 380 |
47032910 | Zellstoff oder Sulfatzellstoff, halbgebleicht oder gebleicht, aus Eukalyptusholz | 77 |
Zusatzinformationen:
Auf der Suche nach guten Geschäften beim Rohstoff-Riesen
Pressemitteilung: 01.12.2014 – Gatai
Berlin (gtai) – Rohstoffpartner, eine über hundertjährige Tradition der wissenschaftlichen Zusammenarbeit, enge politische Beziehungen: Chile und Deutschland verbindet sehr viel (…)
Chiles Staatspräsidentin Michelle Bachelet lebte jahrelang im Exil in Ostdeutschland, lernte dort Deutsch und studierte Medizin. Bei ihrem Besuch in Deutschland im Oktober 2014 bekräftigten sie und Bundeskanzlerin Merkel das gute Verhältnis beider Länder und den Willen, die Zusammenarbeit im Rohstoffsektor noch stärker zu intensivieren. Hinzu komme die gemeinsame Forschung, Entwicklung und Förderung der nicht-konventionellen erneuerbaren Energien, insbesondere der Solarenergie. Daneben seien Investitionen in die Energieeffizienz geplant.
Zu den wichtigsten Exportgütern Chiles gehören Rohstoffe wie Kupfer und Eisenerz, aber auch Früchte und Holz. (…) Genau hier liegen die Stärken der deutschen Wirtschaft. Das bedeutet zweierlei: Für deutsche Unternehmen ist Chile als Markt hochinteressant und für chilenische Unternehmen lohnen sich Investitionen in Deutschland mit dem damit einhergehenden Wissens- und Technologietransfer“.
Germany Trade & Invest hatte vom 01. bis zum 05.12.2014 zu einer Delegationsreise in die Wirtschaftszentren Santiago de Chile und Antofagasta eingeladen.
Vertreter von elf ostdeutschen Unternehmen aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen reisten in Begleitung von Germany Trade & Invest, der Wirtschaftsförderung Sachsen, der LEG Thüringen und der IHK Chemnitz nach Chile, um neue Geschäftskontakte vor Ort zu knüpfen und neue Aufträge für die heimische Wirtschaft zu generieren.
Die teilnehmenden Unternehmen kamen u. a. aus den Bereichen Anlagenbau, Bauwirtschaft, Umwelttechnik und Energieerzeugung
Netzfrau Birgit Steinmeyer, 30 Jahre war Chile ihr Zuhause
Chile – Verteidigung des Wassers und des Lebens
Viele arme Länder mit Rohstoffen versinken im Krieg und genau dorthin werden Rüstungsgüter verkauft!
Umweltverbrechen im Namen des Klimaschutzes – Climate Crimes!
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