Die mexikanische Regierung hat in sechs Bundesstaaten eine Warnung ausgesprochen: Eine radioaktive Quelle sei am Montag im zentralmexikanischen Gliedstaat Querétaro gestohlen worden. Es gab in den letzten zwei Jahren ein halbes Dutzend Diebstähle von radioaktivem Material in Mexiko. Doch auch in anderen Ländern erfährt man irgendwann, dass der Schmuggel von radioaktivem Material nicht ungewöhnlich sei.
Radioaktives Material stammt aus Kernwaffen, Kraftwerken und auch Forschungsreaktoren. Bereits 2015 wollten Schmuggler „schmutzige Bomben“ an Extremisten weiter verkaufen, wurden aber zum Glück gefasst.
Zur Herstellung einer Atombombe benötigt man hoch angereichertes Uran (engl. Highly Enriched Uranium, HEU), das in großen Anlagen produziert wird. Der Schätzwert dieses Materials liegt bei mindestens 10 000 US-Dollar pro Gramm HEU, wäre also für Schmuggler ein äußerst lukratives Geschäft.
Radioaktives Material verschwindet oft einfach so. Man stelle sich mal vor, was man damit alles machen könnte. Im Irak zum Beispiel ist 2015 hochgefährliches radioaktives Material gestohlen worden. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters mit Verweis auf ihr vorliegende Dokumente des irakischen Umweltministeriums. Insgesamt sollen im November 2015 zehn Gramm von Iridium-192 in der Nähe der Stadt Basra verschwunden sein. Die Behörden befürchten, dass es in die Hände von IS-Mitgliedern gelangt sein könnte, die das Material als Waffe nutzen könnten.
2012 meldete die staatliche Zeitung „Al Ahram“, dass aus einem Tresor auf dem Gelände des noch im Bau befindlichem Atomkraftwerks Dabaa radioaktives Material verschwand. Ägypten will mit Russlands Hilfe zur friedlichen Atommacht aufsteigen und plant den Bau eines Atomkraftwerkes unmittelbar am Mittelmeer. Standort des ersten ägyptischen Atomkraftwerkes ist die Region Dabaa im Norden des Landes. Dabaa liegt 160 Kilometer westlich von Alexandria und ist das beliebteste Urlaubsgebiet der Ägypter.
Auch in Mexiko scheint radioaktives Material sehr beliebt zu sein. Nachdem im Dezember 2013 ein Lastwagen mit dem „extrem gefährlichen“ Material Kobalt-60 gestohlen wurde, wurde im April 2015 erneut von Unbekannte ein ganzer Container radioaktiven Materials entwendet. Wegen des Diebstahls im Bundesstaat Tabasco waren insgesamt fünf Bundesstaaten in Alarmzustand versetzt worden. Zivilschutz, Armee und Bundespolizei in den Bundesstaaten Tabasco, Campeche, Chiapas, Oaxaca und Veracruz wurden eingeschaltet.
Wie viel so etwas Wert ist, sehen Sie an der folgenden Nachricht aus Dezember 2014, als in Moldawien die Polizei in einem Zug aus Russland 200 Gramm Uran sicherstellte. Die radioaktive Schmuggelware habe einen Wert von rund 1,7 Millionen Euro, teilte das Innenministerium damals mit. Das Uran-238 sei bei einer verdeckten Operation gefunden worden. Sieben mutmaßliche Schmuggler waren festgenommen worden.
Ein ganz berühmter Atomschmugler ist Abdul Qadeer Khan aus Pakistan. Er gilt auch als der gefährlichste Mann der Welt. Kahn hat schon vor ca. 10 Jahren öffentlich zugegeben, sein Wissen an Nordkorea, den Iran und Libyen weitergegeben zu haben. Hat Türkei sogar eigene Atombomben?
Nach Angaben des Bundesnachrichtendienstes hatte der türkische Ministerpräsident Erdogan schon 2010 angeordnet, heimlich den Bau von Anlagen für die Anreicherung vorzubereiten. Nach anderen Geheimdiensterkenntnissen verfügt die Türkei schon über eine erhebliche Anzahl von Zentrifugen. Woher sie stammen, lässt sich immerhin vermuten: Pakistan. Die Türken waren führend beteiligt an den Aktivitäten des pakistanischen Atomschmugglers Abdul Qadeer Khan, der zwischen 1987 und 2002 den Iran, Nordkorea und Libyen mit Tausenden von Zentrifugen ausstattete. Die Elektronik aller pakistanischen Anlagen stammte von türkischen Partnern. Khan hatte sogar vorübergehend die Absicht, seine gesamte illegale Zentrifugen-Produktion in die Türkei zu verlagern. 1998 bot der damalige pakistanische Ministerpräsident Nawaz Sharif den Türken sogar eine „nukleare Partnerschaft“ im Forschungsbereich an.
Die Türkei hatte schließlich schon beim Aufbau des pakistanischen Nuklearwaffenprogramms in den 1980er-Jahren geholfen. Damals wurden viele Komponenten, die nicht offen beschafft werden konnten, über die Türkei nach Pakistan geliefert. Darum überrascht es auch nicht, wenn Geheimdienste melden, dass bis heute ein reger nuklearwissenschaftlicher Austausch zwischen beiden Ländern stattfindet, so ein Beitrag der WELT aus dem Jahr 2014.
Doch vermutlich geht es um noch mehr: Denn A. Q. Khan hat seine Kunden nachweislich nicht nur mit Zentrifugen versorgt, sondern auch mit kompletten Blaupausen für den Bau von Kernwaffen. Ein solches Paket hochsensibler Unterlagen konnte die CIA 2003 in Libyen sicherstellen, versteckt in der Plastiktüte eines Herrenschneiders aus der pakistanischen Hauptstadt Islamabad. Sollte die Türkei neben dem Iran, Nordkorea und Libyen ein weiterer Kunde Khans gewesen sein, dann dürfte sie ähnliche Leistungen erhalten haben: Material und Know-how.
Ein weiteres, wichtiges Indiz in der Kette ist das türkische Raketenprogramm.
Schon seit Mitte der 1980er-Jahre entwickelt die Türkei Kurzstreckenraketen mit einer Reichweite von maximal 150 Kilometern. Damit wollte man sich offenbar nicht zufriedengeben. Öffentliches Aufsehen erregte vor allem die Aufforderung Erdogans im Dezember 2011 an die Rüstungsindustrie seines Landes, Langstreckenraketen zu entwickeln. Zwei Monate später begann die Türkei offenbar mit der Entwicklung einer Mittelstreckenrakete. Einen Raketentyp mit einer Reichweite von immerhin schon 1500 Kilometern testeten die Türken 2012. Eine Mittelstreckenrakete mit 2500 Kilometer Reichweite soll 2015 einsatzbereit sein, so der Beitrag, wie schon geschrieben aus der WELT aus dem Jahr 2014. Siehe: Es ist 5 vor 12 – Wir stehen am Rande eines Atomkrieges – 50 US-Atombomben lagern in der Türkei – hat Türkei sogar eigene Atombomben?
Um eine Nuklearwaffe zu bauen, ist deutlich mehr Wissen und Erfahrung notwendig als für den Bau einer radiologischen Waffe. Auch der Erhalt des notwendigen Materials ist viel schwieriger; denn die dafür notwendigen Kernbrennstoffe werden sehr genau überwacht, teilt das bbk.bund.de mit.
Die Möglichkeit für einen terroristischen Anschlag mit einer radiologischen Waffe beziehungsweise die Ausbringung von Radioaktivität auf anderen Wegen kann nicht ausgeschlossen werden. Die vorrangigen Gefahren einer RDD liegen in der psychologischen Wirkung für die Bevölkerung und den wirtschaftlichen Folgeschäden durch die Sperrung und Dekontamination der betroffenen Gebiete. Die unmittelbaren Gesundheitsschäden bei der Bevölkerung durch die freigesetzte Radioaktivität sind mit hoher Wahrscheinlichkeit als eher gering anzusehen.
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Wegen eines Diebstahls radioaktiven Materials hat die mexikanische Regierung in sechs Bundesstaaten eine Warnung ausgesprochen. Eine radioaktive Quelle sei am Montag im zentralmexikanischen Gliedstaat Querétaro gestohlen worden.
⚠⚠⚠Alerta por fuente radiactiva robada en los estados de #Qro #Hgo #Edoméx #Gto #SLP y #Mich. Si la ves repórtala al 911 y no la abras. pic.twitter.com/gzWayb9d64
— Luis Felipe Puente (@LUISFELIPE_P) 14. Februar 2017
Die Menschen in den Bundesstaaten Querétaro, Hidalgo, México, Guanajuato, San Luis Potosí und Michoacán sollten den Angaben zufolge einen Abstand von mindestens fünf Metern halten, sollten sie das Material finden. Eine Suche laufe.
Der illegale Handel mit radioaktivem Material wird als zusätzliches Risiko der zivilen Nutzung der Kernenergie gesehen. Auch wenn die Atomindustrie uns immer aufs neue das Gegenteil weismachen will: Was schiefgehen kann, geht irgendwann auch schief. Sogar in Tansania zählte man bereits vor 2008 zwölf Fälle illegalen Handels mit radioaktivem Material.
Netzfrauen Lisa Natterer und Doro Schreier
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