Bis zu 6 °C heißere Sommertemperaturen erwarten sich die Klimaforscher im spanischen Sevilla noch vor dem Ende dieses Jahrhunderts. Besonders heiß wird es vor allem in dicht bebauten, städtischen Gebieten, wo sich große Beton-, Stahl- und Glasflächen im Sommer noch zusätzlich aufheizen und diese Hitze wie Öfen auch noch nachts abgeben, sodass es auch dann zu keiner ausreichenden Abkühlung mehr kommen kann. Städte werden dann zu gesundheitsgefährdenden Hitzeinseln, wie schon eine ganze Reihe an internationalen Studien warnte.
Agrartechniker der Universität in Sevilla haben deshalb nun mithilfe von Bildern der Landsat- und Sentinel-Satelliten die Oberflächentemperaturen von Gebieten ohne und mit unterschiedlichem Pflanzenbewuchs ausgewertet, wobei eine umgekehrte Beziehung zwischen Landtemperatur und Vegetationshäufigkeit nachgewiesen wurde.
Auf gut Deutsch: Je mehr Grünfläche (auch Wasserflächen) eine Stadt besitzt, umso mehr helfen diese gegen die zunehmende Erhitzung und Austrocknung. Ein weiterer Zusatznutzen ist dabei die Verringerung von Luftverschmutzung und Feinstaub.
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Vertikale Gärten an Hausfassaden und begrünte Dachflächen werden bereits von verschiedenen Forschungsdisziplinen als geeignetste Kühlungsmaßnahmen empfohlen, zumal es sich hierbei um ungenutzte und daher mit wenig Aufwand umzustrukturierende Flächen handelt. Zusätzlich bietet ein Dachgarten auch noch eine gute Gebäude-Dämmung, das heißt er senkt die Energiekosten. Um den erwarteten Temperaturanstieg in Sevilla auszugleichen, errechneten die Forscher, dass sich das bereits durch eine Begrünung von – je nach Szenario – 11 bis 40 Prozent aller Dachflächen realisieren ließe, bzw. den Austausch von 207 bis 740 Hektar Grün- anstatt Brachfläche erfordern würde.
Dieser befürchtete „Urban Heat Island“ Effekt, wonach sich mehr als fünf Prozent aller weltweiten Großstädte auf Temperaturanstiege von 8 Grad und mehr einstellen werden müssen, wurde zuvor schon in einer Studie internationaler Ökonomen quantifiziert: Ohne ausreichende Gegenmaßnahmen würde die Volkswirtschaft mit bis zu 2,6-fach so hohen Kosten belastet werden und die Ausgaben könnten im Extremfall bis zu 11 Prozent des BIPs erreichen.
Die Publikation in „Building and Environment“ finden Sie hier: The role of green roofs in climate change mitigation. A case study in Seville (Spain)
Also: Zeit, zu handeln für die Stadtplaner!
Viele Städte machen es vor, sogar in China will ein italienischer Architekt mit seinem Projekt „Forest City“ den Kampf gegen die Umweltverschmutzung aufnehmen.
Der italienische Architekt Stefano Boeri ist mit dem Bau von begrünten Hochhäusern international bekannt geworden. Im November 2014 wurden die Bauarbeiten der zwei begrünten Hochhäuser in Mailand (Projekt Bosco Verticale) abgeschlossen. Jetzt hat er ein neues großes Projekt, und zwar in China.
Stefano Boeri gab im Juni 2017 bekannt, dass er in der Region Guangxi im Süden Chinas einen neuen Stadtteil plant. Bis spätestens 2020 soll die sogenannte Forest City entstehen. Die Stadt Liuzhou Forest wurde von der Stadtplanung der Stadt Liuzhou in Auftrag gegeben. Vorgesehen sind 175 Hektar für etwa 30 000 Menschen. Laut Boreri wird es durch eine schnelle Bahnlinie und Elektroautos mit Liuzhou verbunden. Bei „Forest City“ sind eine Mischung aus Sozialwohnungen und freien Einheiten sowie Gewerbe, Schulen und ein Krankenhaus geplant. Alles soll von einem grünen Teppich aus Pflanzen und Bäumen überwuchert werden.
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Mit der Forest City und ihren projizierten 40 000 Bäumen und einer Million Kleinpflanzen verschiedener Arten hoffen die Architekten, 10 000 Tonnen CO₂ und 57 Tonnen Schmutzpartikel zu absorbieren und umgekehrt 900 Tonnen Sauerstoff bereitzustellen – ein Versuch, neue Lösungsansätze für die in China allgegenwärtige Luftverschmutzung zu finden. Dazu gehören die üblichen Nachhaltigkeitsversprechen von der Nutzung geothermischer Energie, der Verbesserung des Mikroklimas und der Verminderung des Stadtlärms durch die filternde Funktion der Pflanzen. Auch zur Biodiversität der Region soll das Projekt beitragen. Bei Boeris Turm in Lausanne steht bereits ein ähnliches Konzept vor der Erprobung – wenn auch schwierigere klimatische Bedingungen im europäischen Kontext nur Zedern zuließen. Quelle: Architekt Stefano Boeri
Großstädten droht der Hitzekollaps
Bereits Ende Mai 2017 wurden in Horn (NÖ) ein neuer Mai-Hitzerekord erreicht: Spitzenwerte von 35 Grad – während in Wien noch immerhin 32 Grad herrschten. Doch in den bevölkerungsreichsten Großstädten werden die Temperaturen dank Klimawandel bald um weitere 2 Grad ansteigen bzw. bis zum Ende des Jahrhunderts – und bei gleichbleibenden Treibhausgas-Emissionen – sogar noch um weitere 8 Grad Celsius. Im Sommer müssten wir dann also mit weit über 40 Grad rechnen – und damit einem Klima wie in Afrika.
Großstädte bilden im Sommer mit ihrem hohen Anteil an zubetonierter und verbauter Fläche wahre Hitze-Inseln. Verkehr und Energieverbrauch für Klimaanlagen etc. verschärfen Überhitzung und Hitze-Stau weiter, Feinstaub und Luftverschmutzung steigen, die Wasserqualität nimmt ab. Weitere Folgen sind u. a. ein drastischer Rückgang der Produktivität und zunehmende gesundheitliche Risiken für die Bevölkerung.
Werden CO2 und Treibhausgas-Emissionen in Zukunft nicht ausreichend gedrosselt, um den Klimawandel noch rechtzeitig abzumildern (also in den kommenden 10-20 Jahren), werden sich etwa fünf Prozent aller Großstädte auf Temperaturanstiege von acht Grad und mehr einstellen müssen.
Dies würde die Volkswirtschaft mit bis zu 2,6-fach so hohen Kosten belasten, so das Team internationaler Ökonomen in einer neuen Nature-Studie, welche die verheerende kombinierte Wirkung des globalen und lokalen Klimawandels auf die städtischen Volkswirtschaften quantifiziert. Ohne ausreichende Gegenmaßnahmen in den Ballungsräumen könnten die Verluste im Extremfall bis zu 11 Prozent des BIP erreichen, verglichen mit einem globalen Durchschnitt von 5,6 Prozent.
Ergo: Zeit zum Handeln für Städteplanung und Politik. Denn schon die vorbeugende Adaptierung, etwa durch Begrünung von nur 20 Prozent der Dächer einer Stadt sowie eine kühlende Umgestaltung der Hälfte aller Gehsteige könnte einerseits die Lufttemperaturen um etwa 0,8 Grad reduzieren und andererseits bis zum 12-fachen dessen einsparen, was für Installation und Wartung aufgewendet werden muss.
Welches „Naturkapital“ dabei die Stadt-Bäume bergen, bzw. welche Arten sich dabei ganz besonders als Feinstaubfänger eignen, untersuchte ein Team der Uni Oxford und der Royal Botanic Gardens. Das in Science publizierte Ergebnis: Hänge-Birke, Ulmen, Eschen, Magnolien, Stechpalmen – aber natürlich auch die ganzjährig grünen, aber schmutzempfindlicheren Nadelbäume.
Dass durch Entsiegelung, zusätzliche Begrünung, Ausbau von Wasserflächen, Dämmungsmaßnahmen inklusive reflektierenden Dachfarben und der Art der Bebauung extreme Hitzebelastung in den Städten und der sogenannte ‘Urban Heat Island’ Effekt effizient verringert werden kann, dazu haben der Deutsche Wetterdienst (DWD) und die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien eben eine zweisprachige Broschüre „Urban Modelling“ herausgebracht, die mithilfe von Computermodellen zeigt, dass sich die Zahl der Tage mit mehr als 30 Grad in der Innenstadt mit einfachen Mitteln um bis zu 29 Prozent verringern lässt.
Solche Kosten-Nutzen-Rechnungen machen klar, dass – selbst wenn sich globale Bemühungen als unzureichend erweisen sollten – die lokalen Maßnahmen auch und trotzdem noch durch eine positive Wirkung auf die Lebensqualität und die Volkswirtschaft auszeichnen, so das an der Wärme-Inseln-Studie von fast 1700 Städten rund um den Globus beteiligte Institut für Umweltstudien an der Uni Amsterdam.
Green rooves to reduce the effects of climate change
Freitag, 10. November 2017 University of Seville >>>The role of green roofs in climate change mitigation. A case study in Seville (Spain)
Researchers from the Higher Technical School of Agricultural Engineering of the University of Seville have published a study in which they indicate that it would be necessary to have between 207 and 740 hectares of green rooves, depending on the scenario that is contemplated, to reduce the effects of climate change in relation to the maximum temperature rises of between 1.5 and 6 ºC that are estimated by the end of the century. This would require between 11 and 40% of the buildings in the city.
In this project, published in the review Building and Environment, they have used Landsat 7 ETM+ and Sentinel-2 satellite images to obtain the normalised difference vegetation index (NDVI) and ground temperature. Given the inverse relationship observed between their values, it has been possible to determine the additional area of vegetation needed (in this case of green rooves) necessary to reduce the temperature by the same amount as it is predicted to rise in different climate change models for Seville.
“To mitigate the effects of climate change, we can talk about two types of options: to attack it at its origin, by eliminating or reducing the human factors that contribute to it (such as, reducing emissions, controlling pollution, etc.) or developing strategies that allow for its effects to be reduced, such as, in the case that concerns us, increasing green areas in cities, using, for example, the tops of buildings as green rooves”, states the University of Seville researcher, Luis Pérez Urrestarazu.
The installation of these gardens would provide better insulation for the buildings, which would mean, on one hand, an energy saving for their owners, and, on the other, if there were sufficient green rooves, an improvement in environmental conditions, contributing to a reducing pollution and cushioning the higher temperatures.
“To fight against climate change, this is without doubt a necessary strategy at a global level. However, local measures can be established that contribute to this global strategy and which can help to reduce the local effects that might be produced in one’s own city”, adds Pérez.
The University of Seville research group ‘Naturación Urbana e Ingeniería de Biosistemas (Urban Naturalisation and Biosystem Engineering)’ works on different projects connected to non-conventional urban naturalisation, especial vertical gardens, and in aquaponics, joint production of plants and fish.
Study >>> https://doi.org/10.1016/j.buildenv.2017.07.036
China’s New ‚Forest City‘ – LIUZHOU FOREST CITY
The Master Plan by Stefano Boeri Architetti for a new green city that fights air pollution is now under construction in China. The Liuzhou Forest City is commissioned by Liuzhou Municipality Urban Planning.
The first Chinese Forest City by Stefano Boeri Architetti is turning into reality. A city where offices, houses, hotels, hospitals and schools are entirely covered by plants and trees.
Once completed, the new city will host 30,000 people, absorb almost 10,000 tons of CO2 and 57 tons of pollutants per yearand produce approximately 900 tons of oxygen.
Liuzhou Forest City will be built in the north of Liuzhou, in the mountain area of Guangxi, in the southern part of China; in an area that covers 175 hectares along the Liujiang river.
The new green city, entirely wired, will be connected to Liuzhou through a fast rail line used by electric cars and will host various residential areas, commercial and recreational spaces, two schools and a hospital.
Liuzhou Forest City will have all the characteristics of an energy self-sufficient urban establishment: geothermal energy for interior air-conditioning and solar panels over the roofs for collecting renewable energy.
The great innovation of Stefano Boeri Architetti’s project is the presence of plants and trees over every building, of all sizes and functions.
Liuzhou Forest City will host in total 40,000 trees and almost 1 million plants of over 100 species.
The diffusion of plants, not only in the parks and gardens or along the streets, but also over building facades, will allow the energy self-sufficient city to contribute to improve the air quality (absorbing both CO2 and fine dust of 57 tons per year), to decrease the average air temperature, to create noise barriers and to improve the biodiversity of living species, generating the habitat for birds, insects and small animals that inhabit the Liuzhou territory. Read more: stefanoboeriarchitetti.net
Netzfrauen
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