Erhöhte Radioaktivität: Verstrahlte russischer „Leuchtturm“ Europa?

Die erhöhte Ruthenium-106 Konzentration über Europa zwischen September und Oktober dieses Jahres hatte offenbar schwerwiegendere Folgen, als zunächst angenommen. Im Verdacht steht eine russische atomare Wiederaufbereitungsanlage, in der schon vor 60 Jahren ein GAU katastrophale Folgen verursachte.

Nachdem – wie berichtet – Anfang Oktober in Österreich bei Langzeitmessungen eigentlich nur zufällig eine geringe, aber doch erhöhte Luftbelastung mit Ruthenium-106 festgestellt und in Folge auch von anderen Messstellen mehrerer mitteleuropäischer Länder bestätigt wurde, rätselte man lange über die Ursache dieser radioaktiven „Partikel-Wolke“ über Europa.
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Da Ruthenium-106 in der Natur gar nicht vorkommt, sondern ausschließlich in Kernreaktoren gewonnen wird, wurde natürlich zuerst ein nicht gemeldeter Unfall oder Gau in einem Atomkraftwerk befürchtet. Das Fehlen von anderen Gau-begleitenden radioaktiven Isotopen schloss diese Ursache allerdings bald aus.
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Anhand von Wetterdaten und Zeitfolge, wann und wo Nachweise gelangen, lokalisierte dann zuerst das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz BfS und danach das französische Institut für nukleare Sicherheit IRSN eine Freisetzung in der letzten Septemberwoche in einem Gebiet zwischen der Wolga und dem Ural im Süden Russlands.
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Diese auf einem Verbreitungsplan veröffentlichte Eingrenzung ließ bei Greenpeace Russland die Alarmglocken schrillen und sie forderten einen Bericht des russischen Wetterdienstes Roshydromet zur Strahlungssituation in der Region an, der dann auch am 20. November veröffentlicht wurde – und im krassen Widerspruch zu bisherigen offiziellen Darstellungen steht.
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Denn Mitte Oktober hatte die russische Atombehörde Rosatom auf internationale Anfrage noch versichert, dass außer geringen Konzentrationen in St. Petersburg keine Spuren von Ruthenium-106 festgestellt worden seien und dass keinerlei Störfall aus staatlichen AKWs oder Atomanlagen vorliege.
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Fast das Tausendfache des erlaubten Werts von Ruthenium-106

Greenpeace Foto von Majak- © Greenpeace Russland

Dem Bericht zufolge wurden die höchsten Konzentrationen an Ruthenium-106 im Südural und in Chelyabinsk-Region festgestellt, wo sich auch die Majak-Anlage von Rosatom befindet, die an der Wiederaufbereitung und Lagerung verbrauchter Kernbrennstoffe arbeitet. Der Ru-106-Gehalt in Aerosol- und Fallout-Proben im Zeitraum September-Oktober 2017 wurde als „extrem hoch verschmutzt“ charakterisiert.

Greenpeace warnt, dass vor allem in der Nähe des Unfallortes lebende Menschen viel stärker bestrahlt wurden, als der geringe Anteil über Europa vermuten ließe, wo die Strahlendosis nur 0,01 Prozent über der natürlichen Belastung lag. Nach Annahme des französischen IRSN-Instituts könnten 100 bis 300 Terabecquerel freigesetzt worden sein, bzw. das 986-fache des erlaubten Grenzwertes. Eine Strahlenbelastung, welche es erfordert hätte, die Menschen in einem Umkreis von mehreren Kilometern zu schützen oder sogar zu evakuieren.

Der Unfall in der Majak-Anlage könnte mit der Verglasung von verbrauchtem Kernbrennstoff zusammenhängen, um es Endlager-tauglich zu machen oder auch durch versehentiches Einbringen von Ruthenium-106-haltigem Material in Metallschmelzofen. Rosatom müsse jedenfalls verpflichtet werden, gründliche Untersuchungen und Veröffentlichungen zu den Ereignissen in der Mayak-Anlage durchzuführen, so Greenpeace Russland, die bereits die Staatsanwaltschaft ersuchten, Ermittlungen über die mögliche Verschleierung eines Atomunfalls einzuleiten.
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Als Reaktion erfolgte heute ein erneutes Dementi von Rosatom und dem lokalen Betreiber in Majak. Dort würden angeblich „schon seit Jahren keine Anreicherungen mehr mit Ruthenium 106 erfolgen“ und es wären auch jetzt keinerlei Radionukleide in die Atmosphäre abgegeben worden. Außerdem würden es die veröffentlichten Daten gar nicht erlauben, den Ort und das Land der Verschmutzungsquelle so genau festzustellen …
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Majak – Russlands „strahlender Leuchtturm“

© NASA, Jan Rieke

Auf eben diesem Majak-Areal (Majak heißt Leuchtturm), der ersten Anlage zur industriellen Herstellung spaltbaren Materials für Kernwaffen der Sowjetunion, kam es schon wiederholt zu Vorfällen, 1957 mit dem sogenannten Kyschtym-Unfall sogar zur drittschwersten Nuklearkatastrophe der Geschichte (hinter den Super-Gaus in Tschernobyl 1986 und Fukushima 2011). Bis heute herrscht strikte Geheimhaltung über die Anlage und die benachbarte Stadt Osjorsk und es existieren nur wenige verlässliche Informationen.
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Seit 1987 produziert Majak offiziell zumindest kein kernwaffenfähiges Material mehr. Haupttätigkeitsfelder sind seitdem die Produktion von Radionukleiden und die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen sowie deren Lagerung. Das Lager hat eine Kapazität von 50 Tonnen Plutonium und 200 Tonnen Uran und kann damit Material aus bis zu 12 500 demontierten nuklearen Sprengköpfen aufnehmen. Daneben befindet sich ein Nasslager für bis zu 560 t Uran auf dem Gelände der Wiederaufarbeitungsanlage RT-1. 2004 wurde ein weiteres Lager für 154 Brennstoff-Behälter von Atom-U-Booten gebaut.
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Vielleicht sorgt der aktuelle Vorfall nun endlich für ein wenig Aufklärung in dieser „düsteren Ecke“ …
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Quellen und Links:

Robert Manoutschehri aus Österreich für die Netzfrauen

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